Als weitere Bemerkung in diesem Zusammenhang muss ich sagen, ich verstehe auch nicht, warum Sie nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und den Bericht des Datenschutzbeauftragten in den Gesetzentwurf einarbeiten. Sie haben doch festgestellt, dass es beim Kernschutz deutliche Mängel gibt. Sie warten es aber lieber ab. Der Gipfel an Frivolität wäre es aber, wenn Sie unsere Verfassungsbeschwerde abwarten würden, um hinterher die Gründe einzuarbeiten und dann zu sagen: Wir haben es geschafft, jetzt ist das Gesetz ver fassungskonform. Wir sind nicht Ihre Seilbahn, damit Sie auf den Gipfel kommen. So geht das nicht.
Ich wundere mich, denn die Materialien des Daten schutzbeauftragten lagen sowohl im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als auch im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz vor. Wir von der SPD sind, wie auch die GRÜNEN, intensiv darauf eingegangen. Wir haben von Ihnen aber keine Reaktion gehört. Der Da tenschutzbeauftragte meint, wenn man das mit dem Kernbereich macht, müsse man auch deutlich sagen, unter welchen Bedingungen die Vermutung, die das Bundesverfassungsgericht für den Kernbereich in den Raum stellt, entkräftet wird. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Ich zitiere den Datenschutzbeauftragten: "Dafür gibt es zwar Kriterien, nach meiner Auffassung sind diese aber nicht klar genug gefasst. Deshalb hätte ich die dringende Bitte, dass man diese Stelle präziser fasst". Sonst fürchte ich, dass wir in der nächsten Runde in Karlsruhe eine heftige Ohrfeige bekommen. Hier sagt das Bundesverfassungsgericht nämlich: Stopp! Das ist der absolute Kernbereich privater Le bensgestaltung. Das ist dem Datenschutzbeauftragten ein Herzensanliegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch uns ist es ein Herzensanliegen, dass zumindest dieser Kernbereich berücksichtigt wird. Das haben Sie nicht getan. Wir zei gen Ihnen immer die Gelbe Karte oder die Rote, je nachdem , aber es nützt nichts; Sie bleiben auf dem Feld. Also müssen wir zu Gericht. Welchen Eindruck macht das auf die Bevölkerung, wenn wir unsere Ge setze immer wieder über das Bundesverfassungsge richt kontrollieren müssen und nicht selbst Manns und "Fraus" genug sind, Gesetze zu machen, die mit der Verfassung konform sind?
Wir sind vor diesem Hintergrund gegen Ihren Gesetz entwurf, weil er unsere Belange nicht hinreichend be rücksichtigt. Wir sind für unsere Änderungsanträge, die Sie ablehnen werden.
Darüber hinaus ist aufgrund der vorhin gemachten Äu ßerungen auch logisch, dass eine Nichtbefassung mit Online noch schöner wäre. Da findet ein massiver Grundrechtseingriff mit wenigen Ergebnissen für die in nere Sicherheit statt. Daher wäre es am besten, es gäbe ihn gar nicht und wir würden uns über andere Dinge unterhalten. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung so verhalten.
Vielen Dank, Herr Kollege. Als nächsten Redner darf ich Herrn Kol legen Joachim Hanisch von den Freien Wählern an das Mikrofon bitten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden die Beiträge zu diesem Thema auf zwei Redner verteilen; deshalb fasse ich mich etwas kürzer. Vorhin wurde schon der 11. September erwähnt. Wir müssen gar nicht nach Amerika schauen, sondern wir können das in Deutsch land genauso mitverfolgen. Denken Sie an die Amok läufe, die es immer wieder gibt, insbesondere an unseren Schulen. Schauen Sie sich an, was passiert, wenn Kinderschänder aktiv sind. Hinterher schreit die Bevölkerung dann immer zu Recht auf.
Die andere Seite der Medaille besteht darin, dass wir rechtzeitig etwas regeln. Wir haben die nicht ganz ein fache Aufgabe, zwischen den Interessen des Einzelnen und denen der Allgemeinheit abzuwägen. Wir werden einen Mittelweg dazwischen finden müssen, was wir, ausgehend von unterschiedlichen Anschauungen, in unterschiedlicher Art und Weise tun werden. Wir kom men aber nicht an klaren Entscheidungen vorbei.
Im Prinzip geht es um einen effektiven Verbraucher schutz, um die Bekämpfung von Terrorismus, um die Verhinderung von Amokläufen und um rechtzeitigen Schutz. Für das verdeckte Betreten von Wohnungen müssen wir richtige, zukunftsweisende Richtlinien for mulieren. Wir müssen uns mit dem Urteil des Bundes verfassungsgerichts beschäftigen, das uns dazu zwingt, weil die bisherige gesetzliche Grundlage ein fach nicht verfassungskonform ist.
Beim verdeckten Betreten von Wohnungen geht es um das Grundrecht auf Vertraulichkeit und um die Integrität informationstechnischer Systeme, um den verdeckten Zugriff auf informationstechnische Systeme und damit um einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre des Einzel nen. Das ist eben nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn
Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr als überragend wichtiges Rechtsgut bestehen. Das ist dadurch ge währleistet, dass das Betreten von Wohnungen in der Form, wie das bisher im Gesetz enthalten war, wegfällt.
Nun komme ich zu Punkt zwei, zur parlamentarischen Kontrolle. Durch die Unterrichtungspflicht ist die parla mentarische Kontrolle aus der Sicht der Freien Wähler umfassend gewährleistet. Wir wissen sehr wohl, dass der Datenschutzbeauftragte eine noch weitergehende Unterrichtung, auch für die Zugangsdaten, gefordert hat. Wir werden nach der ersten Unterrichtung der Staatsregierung entscheiden, ob die jetzt getroffene Regelung ausreicht oder ob eine Ausdehnung auf die Zugangsdaten notwendig ist. Diese Evaluierung haben wir in allen Ausschüssen rechtzeitig angesprochen, und darauf bestehen wir.
Ich komme zu Punkt drei, zum Schutzgedanken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Mit der Reduzie rung der Speicherfrist von zwei Monaten auf drei Wo chen wird unseren Forderungen Rechnung getragen. Bild und Tonaufzeichnungen können einfach nur über einen möglichst kleinen Zeitraum hinweg gespeichert werden.
Zu Punkt vier, den Fällen der polizeilichen Beobachtung und zur nachträglichen Unterrichtung des Betroffenen: Auch hier sind wir der Auffassung, dass diesen Zielen mit dem Gesetzentwurf Rechnung getragen wird.
Insgesamt erfüllen die heute abzustimmenden Ände rungen des PAG die Erfordernisse, die das Bundesver fassungsgericht in seiner Entscheidung am 27.02.2008 für die Vertraulichkeit und Integrität eigengenutzter in formationstechnischer Systeme postuliert hat. Die jetzt vorgenommene Konkretisierung des PAG schafft in un seren Augen eine ausgewogene Balance zwischen der Freiheit des Einzelnen und der Sicherheit der Allge meinheit. Meine Damen und Herren, salopp ausge drückt könnte man fragen: Was ist schlimmer, Fehler, die beim Datenschutz passieren können, oder Fehler bei der Verbrechensbekämpfung? Hier muss man sich eindeutig positionieren. Das ist durch den Gesetzent wurf der CSU und FDP wohl am besten gewährleistet.
Wir haben uns bei Google Street View klar positioniert. Der Unterschied dazu besteht für uns in der Kommer zialisierung, die wir nicht mitmachen wollen. Hier sind der Schutz der Allgemeinheit und die Interessen des Einzelnen wesentlich stärker zu gewichten.
Wie gesagt, wir werden den Vollzug des Gesetzes wei terhin verfolgen, und wir werden auf Berichten darüber bestehen, wie sich das Gesetz in der Praxis bewährt hat. Dann muss man unter Umständen reagieren.
Vielen Dank, Herr Kollege. Für die FDPFraktion darf ich nun Herrn Dr. Andreas Fischer das Wort erteilen.
Sehr geehrter Herr Prä sident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kol leginnen und Kollegen! Heute ist wieder ein Tag der Freude wegen der Stärkung der Bürgerrechte.
Frau Tausendfreund, deswegen verstehe ich Ihre Ent täuschung nicht. Sie sagen, wir hätten nur Marginalien geändert. Das steht in einem interessanten Wider spruch zu dem, was mein Vorredner Kollege Weiß aus geführt hat, dass nämlich ein Praktiker gesagt habe, ohne Begleitmaßnahmen könne man den ganzen Ge setzentwurf wegwerfen. Das zeigt deutlich, in welchem Spannungsfeld wir uns bewegen. Das ist vielleicht auch ein gutes Zeichen dafür, dass wir uns auf einem ver nünftigen Mittelweg befinden.
Bayern bekommt heute ein Stück Freiheit zurück. Ich verspreche Ihnen: Es wird nicht das letzte bleiben.
Ich darf den Blick zurückwenden. Vor einem Jahr hat der Bayerische Landtag die rechtlichen Voraussetzun gen für die OnlineDurchsuchung geschaffen, die weit reichende Befugnisse beinhalten. Nicht nur die Online Durchsuchung wurde ermöglicht; die Änderungen sahen auch vor, dass als sogenannte notwendige Be gleitmaßnahme Polizei und Verfassungsschutz das Recht haben, die Wohnungen der Betroffenen heimlich zu betreten und zu durchsuchen. Zur Klarstellung: Es geht nicht nur um Wohnungen der Verdächtigen. Be troffen sein kann auch, wer beispielsweise mit jeman dem in einer Wohngemeinschaft lebt, der ins Visier der Behörden gerät, oder wer einen Austauschschüler be herbergt, der möglicherweise als Gefahr angesehen wird. Es geht hier nicht um eine offene Durchsuchung, sondern um eine heimliche Maßnahme, von welcher der Bürger nichts weiß und die deswegen einen we sentlich stärkeren Grundrechtseingriff darstellt. Wir hal ten das Grundrecht aus Artikel 13 des Grundgesetzes, die Unverletzlichkeit der Wohnung, hoch. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass diese als notwendige Be gleitmaßnahme ausgedrückte Befugnis wegfallen wird.
Wir sehen die OnlineDurchsuchung insgesamt kritisch das ist richtig , nicht deswegen, weil wir der Polizei oder dem Verfassungsschutz misstrauen würden, und
schon gar nicht deswegen, weil wir die innere Sicherheit in diesem Land nicht ernst nehmen würden. Wir sind aber der Auffassung, dass die OnlineDurchsuchung in den allermeisten Fällen kein geeignetes Mittel zur Be kämpfung der Kriminalität darstellt. Ein Mittel, das so wenig Eignung besitzt, rechtfertigt in der Regel auch keine so schwerwiegenden Grundrechtseingriffe. Ich sage ganz offen und genauso ehrlich, wie Kollege Weiß das dargestellt hat: Wir hätten die OnlineDurchsu chung gerne weiter zurückgefahren, wir hätten sie gerne abgeschafft.
Ich möchte zu den einzelnen Punkten einige klarstel lende Bemerkungen machen. Der Kernpunkt ist ganz sicher die Streichung des Betretungs und Durchsu chungsrechts. Es gibt eine Reihe weiterer Punkte, die es verdienen, zusätzlich angesprochen zu werden. Wir haben die Voraussetzungen, unter denen eine Online Durchsuchung möglich ist, klarer geregelt. Formulie rungen wie "Wenn konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tat sachen die begründete Aufnahme rechtfertigen, dass eine Person eine schwerwiegende Straftat nach Arti kel 30 Absatz 5 begehen werde, …" haben wir wegfal len lassen.
Dabei sind wir nicht stehen geblieben. Das Verändern und Löschen von Daten wurde angesprochen. Herr Kollege Arnold, Sie haben gesagt, dass es gar keinen Anwendungsfall mehr für das Löschen von Daten gebe und deswegen diese Befugnis gestrichen werden müsse. Ich pflichte Ihnen bei, und ich kann Sie beruhi gen. Ich bleibe meiner Linie treu. Ich halte kaum einen Anwendungsfall für möglich. Wenn das größte Problem in diesem Land darin besteht, dass wir eine Befugnis haben, die niemals Anwendung finden wird, dann kön nen wir ruhig schlafen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist, dass wir das Verändern von Daten durch Manipulation staatli cher Organe, völlig gestrichen haben. Diese Manipula tionen wird es nicht mehr geben. Das Löschen von Daten ist gesetzlich festgeschrieben. Ob dieses Gesetz angewendet wird oder nicht, werden wir sehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die geänderte richterli che Kontrolle. Hierzu ist sehr viel gesagt worden. Ja, wir haben die Kontrolle einem Kollegialgericht übertra gen. Ich möchte jedoch klarstellen, warum wir dies getan haben. Es ist ein Naturgesetz, dass drei Perso nen mehr sehen als eine. Die Übertragung der Kontrolle
auf ein Kollegialgericht ist kein Misstrauen gegenüber einem Einzelrichter und hat nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun, sondern liegt in der Natur der Sache. Aus diesem Grund entscheidet im Strafrecht ein Ein zelrichter über einen Diebstahl und eine fünfköpfige Schwurgerichtskammer über einen Mord. Genau das selbe Prinzip soll für die OnlineDurchsuchung gelten. Wir wollen die Schwelle erhöhen. Wir wollen, dass man sich ganz genau überlegt, welche Maßnahmen ange ordnet werden. Da es auch für Mord einen kürzeren Rechtsweg gibt als für Diebstahl, soll der kürzere Rechtsweg auch für die OnlineDurchsuchung einge führt werden. Wir haben die Kontrolle über die Zahl der Augen, die über diese Maßnahmen entscheidet. Wenn Sie sagen, es werde zu einer höheren Zahl von Eilfällen kommen, dann sage ich, das sei nicht verfassungs rechtlich. Nur weil ein Gericht nicht erreichbar ist, kann nicht alles über einen Eilfall geregelt werden. Das wäre verfassungswidrig. Das werden wir so nicht akzeptie ren.
Im Zeitalter des Handys ist das überhaupt kein Problem mehr. Wir reden nicht über den Verzugsfall oder den eiligen Fall. Wir reden über einen Fall, über den schnell entschieden werden muss. Ich sage Ihnen: Das ist möglich.
Herr Arnold, Sie hatten bei der Ersten Lesung erwähnt, Sie seien froh, wenn im OLG ein Bereitschaftsdienst eingerichtet würde. Das Kollegialgericht, welches die Entscheidungen treffen wird, wird am Landgericht an sässig sein. Landgerichten sind Eilentscheidungen nicht fremd, und einstweilige Verfügungen zu jeder Tages und Nachtzeit sind an der Tagesordnung. Des wegen teile ich Ihre Befürchtungen in diesem Punkt nicht.
Für erwähnenswert halte ich ebenfalls, dass wir die Eil vorschrift dahingehend geändert haben, dass nur noch ein Polizeipräsident oder der Präsident des Landeskri minalamtes Maßnahmen bei Gefahr im Verzug anord nen kann. Damit wollen wir die Bedeutung dieser Maßnahme hervorheben.
Außerdem haben wir die parlamentarische Kontrolle verbessert. Das Innenministerium muss dem Landtag jährlich einen genauen Bericht darüber vorlegen, wie viele OnlineDurchsuchungen stattgefunden haben und warum. All das sind wesentliche Verbesserungen, die durch Regelungen des PAG begleitet werden.
Wir haben die maximale Speicherfrist für Videoauf zeichnungen von zwei Monaten auf drei Wochen redu ziert. Es ist interessant, einen Blick auf andere Länder zu richten, denen diese Regelung nicht weit genug geht. Im Bundesland NordrheinWestfalen, in dem CDU
und FDP regieren, beträgt die Frist einen Monat. In Berlin und RheinlandPfalz beträgt die Frist nach wie vor zwei Monate. Ich meine mich zu erinnern, dass dort die SPD an der Regierung beteiligt ist.
Außerdem haben wir die automatische Aufzeichnung in Privaträumen verboten. Wir haben die Regelung ein geführt, dass jeder, der von der Polizei beobachtet wird, hinterher benachrichtigt werden muss. Das gilt sowohl für diejenigen Personen, gegen die diese Maßnahmen gerichtet waren, als auch für diejenigen Personen, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind. Hierin liegt ein wesentlicher Fortschritt.
Sie haben ebenfalls die Punkte angesprochen, die Ihnen noch fehlen. Herr Kollege Arnold, ich freue mich sehr, dass Sie anerkennen, dass wir an der Bergstation angekommen sind. Die Bergstation ist in den bayeri schen Bergen meist nicht weit vom Gipfel entfernt. Sie hingegen sind mit Ihrer Partei vor allem auf Bundes ebene noch nicht einmal an der Talstation in die Seil bahn eingestiegen.
Ich frage mich wirklich, ob eine Partei, die im Bund rei henweise verfassungswidrige Gesetze produziert hat, das Luftsicherheitsgesetz, das Gesetz zum Europäi schen Haftbefehl und die Vorratsdatenspeicherung das Recht hat, auf Landesebene den Saubermann zu spielen und uns vorzuschreiben, was wir umsetzen müssen.
- Noch regieren Sie in Berlin. Möglicherweise regieren Sie aber nicht mehr lange. Deswegen sage ich ganz klar: Der nächste Schritt, die Regelung des Kernbe reichs, steht auf der Agenda. Wir haben uns das vor genommen, und wir werden das umsetzen. Sie be haupten, wir nähmen eine verfassungswidrige Situation in Kauf. Die FDPFraktion hat dieses Gesetz nicht er lassen. Wir haben dieses Gesetz nicht verabschiedet, sondern haben dafür gesorgt, dass es jetzt geändert wird.