Die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV - wurde leider in der laufenden Legislaturperiode im Bundestag nicht geregelt. Die Einführung des Gesundheitsfonds löst die Fragen der Einnahmen der GKV nicht. Die GKV muss weiterentwickelt werden, deshalb stellt sich die Frage: In welche Richtung?
Das von den Freien Wählern vorgestellte soziale Gesundheitsversicherungsmodell geht aus sozialdemokratischer Sicht zum Teil in die richtige Richtung. Sie wollen Versicherungspflicht für alle. Die haben wir schon. Sie wollen die Beitragsbemessungsgrenze aufheben. Herr Dr. Bauer, da wäre ich sofort dabei, wenn uns die Juristen wegen des Äquivalenzprinzips nicht Steine in den Weg werfen würden.
Was auch sehr positiv ist, Sie bleiben bei der Umlagefinanzierung. Soweit gehen wir mit Ihnen konform.
Das klingt sehr gut, ist in Ihrem Konzept aber der erste Knackpunkt, denn wenn man Ihre ausführliche Broschüre ansieht - hier haben Sie es nicht erwähnt, aber ich habe es auf Ihrer Homepage nachgelesen -, dann steht dort, dass das Finanzamt die Einstufungen vornehmen soll. Da frage ich Sie schon, auf welcher Basis soll das denn das Finanzamt machen? - Wir alle wissen, zu versteuerndes Einkommen und Realeinkommen sind nicht unbedingt identisch. Schon mancher hat sich arm gerechnet.
Sie verzichten in Ihrem Modell auch - das kam nicht deutlich heraus - auf die paritätische Versicherung. Sie favorisieren - das haben Sie wiederum sehr deutlich herausgestellt - das Kostenerstattungsprinzip. Beides wird es mit uns Sozialdemokraten nicht geben.
Das heißt nicht, dass wir nicht Transparenz und Rechnungslegung wollen. Im Gegenteil. Der Patient kann sich heute schon Belege geben lassen für Leistungen, die er in Anspruch genommen hat. Er kann Rechnungen erhalten in Euro, auch in Cent, und wenn Sie wollen, können wir das auch verpflichtend regeln. Wir möchten aber nicht, wir möchten wirklich nicht, dass Patienten und Patientinnen in Vorkasse gehen, dass sie mit Kreditkarten in der Arztpraxis bezahlen und sich hinterher mit den Versicherungen herumstreiten, was sie erstattet bekommen und was nicht.
Das trifft nämlich Alleinerziehende, das trifft Rentner, das trifft Menschen mit Behinderung, um nur einen Teil der Betroffenen aufzuzählen. Arztbesuche würden hinausgezögert werden, notwendige Medikationen würden nicht eingenommen. Ich bin sehr froh, Herr Dr. Bauer - hören sie mir zu! -, dass der Ärztetag in Mainz dem Prinzip der Kostenerstattung eine deutliche Absage erteilt hat. Die Ärzte haben ihren eigenen Beschluss revidiert, weil sie sich von dieser sozialen Indikation haben überzeugen lassen. Da bin ich auf meine Kollegen recht stolz, das muss ich schon sagen.
Auch das Wahlprogramm der Union habe ich mit Interesse gelesen. Es ist seit ein paar Tagen verabschiedet. Meine Damen und Herren, ich muss sagen, ich war nach der Lektüre nicht schlauer. Sie stellen zwar fest, dass die Krankenversicherung mittelfristig weiterentwickelt werden muss, das war es dann aber auch schon. Sie sagen nicht, wie Sie das machen wollen und was sich dahinter verbirgt. Was ich aber herausgelesen habe, und das ist ja auch schon etwas, ist: Sie haben den Irrweg der Kopfpauschalen verlassen. Ich hoffe, dass unsere Diskussion noch etwas Licht ins Dunkel bringt.
Kolleginnen und Kollegen, wirklich dramatisch für die Menschen in unserem Land ist aber das Vorhaben der FDP. Die FDP startet nämlich einen Angriff auf die gesetzliche Krankenversicherung. Sie möchte die gesamte Gesundheitsversorgung in ein kapitalgedecktes System überführen. Sie wollen ein bewährtes System zerschlagen und die Gesundheitsversorgung den Risiken des Kapitalmarktes und der Finanzkrise aussetzen. Ihr Vorhaben, meine Damen und Herren von der FDP, ist für mich ein Angriff auf das Herzstück unseres Sozialstaates.
Gleiche Gesundheitschancen, solidarische Absicherung des Lebensrisikos Krankheit, gesundheitliche Prävention und gesundheitliche Vorsorge ohne Zugangshürden sind für alle Menschen wesentliche Voraussetzungen für die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und deshalb ein zentrales Anliegen sozialdemokratischer Politik. Wir werden die gesetzliche Krankenversicherung deshalb zu einer solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickeln. Eine Bürgerversicherung, in die alle Menschen nach ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit einzahlen, und zwar auf der Grundlage aller Einkommen. Herr Dr. Bauer, die Mieten und Verpachtungen haben wir nicht aufgezählt, weil wir wissen, dass das oft ein negatives Einkommen ist. Eine Bürgerversicherung ist ein System, in dem die Menschen ihre Kasse frei wählen und jede Krankenkasse jeden und jede ohne Risikobewertung aufnehmen muss. Die Beiträge sind paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu leisten. Auch die private Krankenversicherung ist in dieses System zu integrieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es beide Systeme dual nebeneinander geben soll. Wenn es denn so ist, dann darf der Gesetzgeber die Privaten auch zur Erfüllung von sozialstaatlichen Aufgaben heranziehen, so lange ihnen der wirtschaftliche Boden nicht entzogen wird, das ist klar. Der Steueranteil für politisch gewollte, aber versicherungsfremde
Leistungen muss sukzessive über die Steuer erhöht werden. Das ist klar. Die Beitragsbemessungsgrenze wird auch angehoben. Mehr als 80 % wollen das. Das hat eine Umfrage in Deutschland ergeben. Das ist auch im "Bürgergutachten Gesundheit" der Bayerischen Staatsregierung dokumentiert. Auch Ministerpräsident Seehofer - jetzt ist er wirklich nicht mehr da -, wollte das noch vor wenigen Jahren.
- Ja, ich habe den Herrn Ministerpräsidenten inzwischen entdeckt. Also, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, ich fordere deshalb alle am Gesundheitswesen beteiligten Akteure auf, zielgerichtet, verantwortungsbewusst und effizient mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Nur dann, wenn wir ein Gleichgewicht zwischen Leistungsentwicklung, Kosten und Gerechtigkeit schaffen, wird unser Gesundheitssystem eines der besten der Welt bleiben. Dafür, das sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir Sozialdemokraten mit allem Herzblut kämpfen. Unsere Politik setzt auf Solidarität statt auf Ausgrenzung. Wir setzen auf Solidarität der Jungen für die Alten, auf Solidarität der Gesunden für die Kranken und auf Solidarität derer, die viel haben mit denen, die wenig haben.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Da werden Sie sich noch täuschen, Herr Kollege Maget, ich bin keineswegs blutleer. Ich habe nur etwas Blut beim Blutspendedienst verloren. Davon wird man nicht blutleer.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es für ein verwegenes Unterfangen, in zwei Dringlichkeitsanträgen Gesundheitsreformen abzuhandeln, mit Redebeiträgen von jeweils etwa fünf Minuten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das dient nur der oberflächlichen Behandlung eines ungeheuer wichtigen Themas. Ich möchte hier SPD und Freie Wähler deutlich darauf hinweisen, dass ich in Ihren Dringlichkeitsanträgen die Worte "Patient" und "kranker Mensch" total vermisst habe. Worum geht es uns eigentlich?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns doch darum, dass wir eine hervorragende Behandlung der kranken Menschen und die Solidarität innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten und bewahren, denn wir haben noch eine hervorragende Versorgung. Deswegen möchte ich auch noch etwas dazu sagen. Keiner, der eine Gesundheitsreform auf den Weg bringt - egal, ob sie soziale Gesundheitsversicherung oder solidarische Gesundheitsversicherung heißt -, wird sich der Illusion hingeben, dass nach der Reform nicht gleichzeitig vor der Reform ist. Es wird ständig reformiert werden, weil wir in der Gesundheitsversorgung vor ganz schwierigen Problemen stehen. Deswegen möchte ich nur ganz kurz etwaige Ungereimtheiten aufzählen, die ich bei beiden Vorstellungen ausgemacht habe.
Die Freien Wähler fordern letztendlich auch eine Art Bürgerversicherung. Sie sagen, die PKV wird der GKV gleichgestellt, und die PKV muss zu den gleichen Bedingungen wie die GKV arbeiten. Damit haben Sie bei den Versicherungen ein Einheitssystem. Sie geben beiden Versicherungen, der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung, einen einheitlichen Leistungskatalog vor. Sie geben ihnen vor, dass sie ohne Beitragsbemessungsgrenze und ohne Pflichtversicherungsgrenze auskommen müssen. Andererseits fordern Sie, dass bei den Zusatzversicherungen, die beide Versicherungssysteme abschließen können, die Risikoanalyse für den kranken Patienten vorgenommen wird. Sie schaffen also zu 100 % identische Bedingungen für beide Versicherungen. Sie machen aus der PKV eine GKV.
Eine weitere Ungereimtheit besteht darin, dass die Freien Wähler auf der einen Seite den Kontrahierungszwang, auf der anderen Seite aber die Kostenerstattung haben wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das passt einfach nicht zusammen. Das ist in sich unstimmig. So gäbe es noch einiges anderes, das man hier anführen könnte. Vor dem Hintergrund der kurzen Zeit ist aber das Wichtigste schon gesagt. Die Freien Wähler drücken sich davor zu sagen, wie ihr Beitragssatz tatsächlich gestaffelt werden soll. Sie haben völlig recht, die Beiträge soll dann das Bundesversicherungsamt erheben. Ich habe es mir auch im Internet angeschaut. Sie drücken sich aber davor zu sagen, wie hoch die Beiträge tatsächlich sind. Die Rentner werden sich
freuen, wenn die Mieten, die Zinsen und die sonstigen Einnahmen ebenfalls dem Beitrag zugrunde gelegt werden. Das ist ein guter Teil der Einnahmen der älteren Generation, die auch der Altersversorgung dienen. Dazu sage ich: Freie Wähler, bitte passt auf!
Herr Professor Bauer, Sie müssten aber ganz klar sagen, wie Sie die Beitragsbemessungsgrenze anheben, um höhere Beiträge zu generieren. Ich meine die Beitragsbemessungsgrenze und nicht die Pflichtversicherungsgrenze. Sie bleiben bei der paritätischen Beitragssatzfinanzierung und beim Sachleistungsprinzip. Sie haben gerade die soziale Dimension des Sachleistungsprinzips beschrieben. Es hat auch Vorteile.
Wir von der CSU-Fraktion stehen dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der kranke Mensch, der Patient im Mittelpunkt der Versorgungsqualität steht.
- Das kann man in fünf Minuten leider Gottes nicht abhandeln. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen das in einem persönlichen Gespräch unter vier Augen näher zu erläutern. Letztendlich wissen es aber die Gesundheitspolitiker schon ganz gut, und deshalb ist es ein trauriges Zeichen, wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD fragt, was es heißt, dass der kranke Mensch im Mittelpunkt der Therapie stehen muss.
(Franz Maget (SPD): Ich weiß nicht, wie Sie das machen wollen. Wie organisieren Sie das? Mit der Kopfpauschale?)
Zweitens wollen wir die Solidarität auch innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Wir wollen die Solidarität zwischen Arm und Reich, zwischen Menschen mit Kindern und Menschen ohne Kinder und zwischen Alt und Jung.
- Nein, wir wollen nicht die Kopfpauschale. Das hat Ihre Kollegin, Frau Dittmar, schon erläutert. Wenn Sie ihr zugehört hätten, hätten Sie es auch verstanden.
Drittens wollen wir den Vorrang für die niedergelassenen Haus- und Fachärzte. So wollen wir auch die flächendeckende Versorgung sicherstellen. Vorrang für die niedergelassenen Ärzte bedeutet natürlich auch, dass die medizinischen Versorgungszentren nachrangig gesehen werden müssen. Wir wollen im Gesundheitswesen mehr Transparenz im Leistungsgeschehen und weniger Bürokratie.
Wir wollen eine gezielte Nachwuchsförderung. Wir wollen auch ein gerechteres Honorar. Als Stichwort nenne ich nur die sprechende Medizin. Sie muss stärker abgebildet werden, und sie muss auch in der Gebührenordnung ihren Niederschlag finden.