Protocol of the Session on May 12, 2009

An dieser Stelle möchte ich auch feststellen, dass es nicht der Freistaat ist, der in Bayern die Erwachsenenbildung finanziert. Wir können es am Beispiel der Volkshochschulen sehr gut sehen. 50 % der Kosten finanzieren die Bürgerinnen und Bürger selbst. 30 % finanzieren die Kommunen, 15 % werden durch Drittmittel finanziert, beispielsweise aus der Europäischen Union. Lediglich 5 % der Finanzierung übernimmt der Freistaat. Ich denke, das ist ein Armutszeugnis für einen Freistaat, der nichts weiter hat als den Rohstoff Geist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir das auf der Basis der Daten von 2006 ausrechnen, dann hat der Freistaat für jeden der 16 Millionen Teilnehmer gerade einmal 2,96 Euro übrig. Das ist ein halber Euro pro Doppelstunde. Wenn Sie 25 Teilnehmer in einem Kurs sitzen haben, dann bedeutet das 2 Cent pro Teilnehmer. Das ist beschämend, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Am Wochenende war die Tagung des Volkshochschulverbandes. Der Staatssekretär hat dort in seiner wohlwollenden Milde noch einmal eine Million Euro draufgelegt. Ich frage mich, wo die Zustimmung des Landtags hierzu war. Wenn wir diesen Betrag aber herunterrechnen, Herr Huber, dann sind es 3 Cent pro Doppelstunde und Teilnehmer, also fast nichts. Wer Erwachsenenbildung jedoch ernst nimmt, der muss für eine Verstetigung sorgen und darf die Menschen nicht dadurch entmündigen, dass er ihnen nach Gutsherrenart ab und zu ein Zuckerl hinwirft.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Menschen in der Erwachsenenbildung brauchen Verlässlichkeit; sie brauchen sie finanziell und auch sonst.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Idee des lebenslangen Lernens in Bayern sicherlich keine Karriere gemacht hat. Dabei bringen Investitionen in die Erwachsenenbildung, und hier sind wird alle einer Meinung, eine hohe Rendite.

Auf der Tagung des Volkshochschulverbandes gab es noch eine Feststellung, und zwar von Professor Dr. Andreas Kruse. Er sagte: Eklatant in Deutschland ist, dass die soziale Ungleichheit im Bezug auf die Bildung im Laufe des Lebens nicht geringer wird, sondern zunimmt. - Also das, was in der Schule Standard ist, das setzt sich im Erwachsenenalter verstärkt fort. Der Landessozialbericht Bayern bestätigt dies. Dort wird eine soziale Selektivität festgestellt. Sie können dort lesen, die Gruppendifferenzen und somit auch das Ausmaß der Selektivität sind in Bayern höher als in Westdeutschland. Ausgegrenzt sind sozial schwache Men

schen mit niedrigen Bildungsabschlüssen, ältere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wer den Begriff des lebenslangen Lernens ernst nimmt, der muss das Lernen nach der Schule, der Hochschule oder der Ausbildung in den Fokus nehmen und der muss politische Rahmenbedingungen schaffen, die den Beteiligten größtmöglichen Handlungsspielraum geben. Wer den Begriff des lebenslangen Lernens ernst nimmt, der muss auch zur Kenntnis nehmen, dass Erwachsenenbildung mehr ist als nur die betriebliche Fort- und Weiterbildung. Wir brauchen einen Bildungsbegriff, der über die wirtschaftlich verwertbare Bildung hinaus politische, kulturelle und andere Möglichkeiten von Bildung als gesellschaftspolitisch wertvoll anerkennt.

Wir legen nach nahezu 35 Jahren einen neuen Gesetzentwurf vor, der die Rahmenbedingungen in Bayern an die Herausforderungen eines neuen Jahrtausends anpasst. Unser Ziel ist es, die Erwachsenenbildungsbeteiligung in Bayern zu erhöhen und dabei allen sozialen Gruppen die Möglichkeit zu eröffnen, Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Ein neues Gesetz ist Zeichen für einen neuen Aufbruch. Damit einhergehen muss aber auch eine Kampagne, mit der für eine höhere Beteiligung geworben wird. Außerdem brauchen wir eine Erhöhung der finanziellen Mittel. Das alte Gesetz hat den Trägern sehr viel Freiheit beschert. Deswegen haben wir diese freiheitlichen Elemente auch in ein neues Gesetz integriert. Einige Bestandteile unseres Gesetzes sind:

Erstens definieren wir ein Recht auf Erwachsenenbildung. Wir schreiben vor, dass der Landesbeirat für Erwachsenenbildung eine Grundversorgung definieren muss und dass er einen Vorschlag für den Doppelhaushalt macht, damit die Erwachsenenbildung nicht mehr der Willkür der Politik ausgeliefert ist.

Weiter wollen wir einen Innovationspool, der es ermöglicht, die Erwachsenenbildung strategisch nach vorn zu entwickeln. Last but not least wollen wir - das ist ein wichtiges Element, zwölf von 16 Bundesländern haben es schon - das Recht auf fünf Tage Bildungsfreistellung pro Jahr. Außerdem wollen wir einen Ausgleich für kleine und mittlere Betriebe, weil gerade diese Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht auf Weiterbildungsmaßnahmen schicken können.

Ich beende meine Rede, weil wir im Ausschuss und bei der zweiten Lesung noch sehr viel mehr über Inhalte sprechen können. Ich schließe mit einem Zitat von Georg Christoph Lichtenberg, der das lebenslange Lernen beschrieben hat. Ich glaube, dieses Zitat sollte sich gerade die von mir aus gesehen rechte Seite in diesem Hause zu Herzen nehmen. Dort heißt es:

Man sollte sich nicht schlafen legen, ohne sagen zu können, dass man an dem Tage etwas gelernt hätte. Was ich unter dem Lernen verstehe, ist Erkenntnis, Verbesserung eines Irrtums, in dem wir uns lange befunden haben, Gewissheit in manchen Dingen, worüber wir lange ungewiss waren, deutliche Begriffe von dem, was uns undeutlich war, Erkenntnis von Wahrheiten, die sich sehr weit erstrecken. Was dieses Bestreben nützlich macht, ist, dass man die Sache nicht flüchtig vor dem Lichtausblasen abtun kann, sondern dass die Beschäftigungen des ganzen Tages dahin abzwecken müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Sinne verstehe ich lebenslanges Lernen. Ich hoffe, dass wir uns jetzt - ich bin gleich am Ende meiner Rede, Herr Präsident - auf einen Lernprozess begeben werden. Ich denke, wir alle wollen, dass lebenslanges Lernen in Bayern echte Karriere macht. Meine Vorschläge dazu liegen vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner für die Fraktion der CSU ist Herr Kollege Rüth. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist eine Binsenweisheit, dass lebenslanges Lernen eine Notwendigkeit ist; denn schließlich baut unsere Gesellschaft vornehmlich auf dem Wissen, dem Know-how und den Kompetenzen unserer Bürgerinnen und Bürger auf. Die Bildungsarbeit wird von den Trägern der Erwachsenenbildung durchgeführt. Ich denke, diese Träger haben an dieser Stelle Lob und Dank verdient; denn sie leisten in Bayern hervorragende Arbeit. Insbesondere leisten sie eine qualitativ hochwertige Arbeit. Diese Qualität wird auch bundesweit anerkannt. So haben in den letzten Jahren drei vom Kultusministerium und aus ESF-Mitteln geförderte bayerische Volkshochschulprojekte einen deutschen Preis erhalten. Ich denke, diese Auszeichnung haben die Träger der Erwachsenenbildung verdient. Deshalb danke ich diesen Trägern.

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der GRÜNEN sieht in Artikel 1 einen einklagbaren Anspruch des Einzelnen gegenüber dem Staat auf Erwachsenenbildung vor. Darüber hinaus sollen nach Artikel 1 Absatz 2 die Einrichtungen der Erwachsenenbildung verpflichtet werden, ein Angebot an Bildungsgängen nach den Vorschriften des Gesetzentwurfs bereitzustellen. Weitere Forderungen finden sich in Artikel 20. Dort wird die Einrichtung von regionalen Erwachsenenbildungszentren vorgeschrieben. In Artikel 25 ist die Bildung eines Innovationspools vorgesehen,

aus dem die Weiterentwicklung der bayerischen Erwachsenenbildung finanziert werden soll. In Artikel 32 werden Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmer zum Zwecke der Erwachsenenbildung freizustellen.

Ich bin der Meinung, das bisherige Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung hat sich bewährt. Zudem hat der Bayerische Landtag der Staatsregierung am 14.02.2008 mit Drucksache 15/9954 den Auftrag erteilt, das Erwachsenenbildungsförderungsgesetz weiterzuentwickeln. Dieser Gesetzentwurf wird derzeit in enger Abstimmung mit den Trägern der Erwachsenenbildung erarbeitet. Ich denke, vor diesem Hintergrund ist der Initiativgesetzentwurf der GRÜNEN redundant.

Zu den beabsichtigten Neuregelungen möchte ich anmerken, dass die Begründung eines Rechtsanspruchs auf Erwachsenenbildung zwar gut gemeint, aber praktisch nicht durchführbar ist. Insbesondere schränkt der Gesetzentwurf die Freiheit der Träger der Erwachsenenbildung durch die Aufgabe, den Rechtsanspruch auf Erwachsenenbildung durch Einrichtung eines entsprechenden Angebots an Bildungsgängen sicherzustellen, unverhältnismäßig ein.

Meine Damen und Herren, auch die vom Bayerischen Obersten Rechnungshof angemahnte Trennung zwischen beruflicher Bildung und Erwachsenenbildung wird im Gesetzentwurf in unvertretbarer Weise aufgehoben. Mit dem in Artikel 32 begründeten Freistellungsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern greift der Gesetzentwurf in den tarifrechtlichen Bereich ein und beschneidet damit die Tarifautonomie. Der Freistaat soll verpflichtet werden, die durch die Bildungsfreistellung anfallenden Kosten zu ersetzen. Ich denke, das geht schon sehr weit.

Der Gesetzentwurf enthält auch keine brauchbare Kostenschätzung, vielmehr stellt er fest, dass nach dem Inkrafttreten des Gesetzes Mittel einzustellen sind, deren Höhe sich an den Empfehlungen des Landesbeirates für Erwachsenenbildung ausrichten könnte. Weitere Kosten treffen die Kommunen für die Einrichtung der regionalen Erwachsenenbildungszentren. Auch hier enthält der Gesetzentwurf keine Kostenschätzung und verweist auf ein noch nicht durchgeführtes Konsultationsverfahren im Rahmen des Konnexitätsprinzips. Der Gesetzentwurf lässt damit unabsehbare Kosten für den Freistaat erwarten.

Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion ist Frau Kollegin Pranghofer. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich nehme das Fazit unserer Fraktion, was den vorliegenden Gesetzentwurf betrifft, vorweg: Wir meinen, das Problem ist zwar richtig erkannt, aber leider nicht gelöst, weil die Rahmenbedingungen in der Konsequenz nicht verändert worden sind. Richtig an der Problembeschreibung ist sicherlich, dass man zwar immer der Bedeutung der Erwachsenenbildung das Wort redet - dass sie unumstritten ist -, aber sich dennoch nichts verändert hat. Es hat sich im Grunde nichts verändert. Ein Beispiel wurde dazu genannt, und Frau Tolle hat das mit Zahlen bestätigt. Der Anteil der Erwachsenenbildung am Bildungshaushalt ist in den letzten Jahren erheblich gesunken. Nur die Lehrerfortbildung wird noch stiefmütterlicher behandelt als die Erwachsenenbildung.

Richtig ist natürlich auch, dass es in Bayern einen besonderen Weiterbildungsbedarf gibt. Das liegt daran, dass in Bayern nicht so viele höhere Schulabschlüsse gemacht werden. Auch sind die Quoten der Ungelernten extrem hoch. Das zeigt, dass es einen Weiterbildungsbedarf gibt. Das gestehen wir durchaus ein.

Richtig ist ferner, dass in der Weiter- und Erwachsenenbildung wie in der Schule vor allen Dingen diejenigen ausgegrenzt bleiben, die weniger Einkommen und weniger Bildung haben.

Nach unserer Meinung ist die Annahme falsch, dass das Erwachsenenbildungsgesetz wegen seines Alters einer Änderung bedürfe.

(Beifall bei der SPD)

Diese Position können wir nicht teilen. Man kann im Gegenteil eigentlich sagen: Wenn ein Gesetz seit 1974 in organisatorischer Hinsicht bisher sehr gut funktioniert, dann fragt man sich, warum es geändert werden sollte. Dennoch ist es richtig, beim Ändern konsequent zu sein.

Das Argument der GRÜNEN kann ich eigentlich nicht recht anerkennen. Denn zwei Drittel des Textes des alten Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes wurden in das neue Gesetz übernommen. Falsch ist, zu glauben, mit regionalen Erwachsenenbildungszentren die Erwachsenenbildungsbeteiligung erhöhen zu können. Ich glaube, es reicht nicht aus, durch zusätzliche Beratung den Anteil der Erwachsenenbildung zu erhöhen, obwohl wir glauben, dass auch dies ein Weg ist.

Es ist ein Manko des Gesetzes, dass der Bereich der Erwachsenenbildung im Gesetz nicht mit dem Bereich

der Weiterbildung - da spielt vor allem die Definition der beruflichen Weiterbildung eine Rolle - zusammengeführt wird. Es wird weiterhin der Begriff "Erwachsenenbildung" verwendet. Eigentlich ist es aber notwendig, in Bayern endlich von einem Weiterbildungsgesetz zu reden und es auch zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen hält das Gesetz nicht, was es verspricht.

Das Gesetz beinhaltet aber auch wirkliche Neuerungen; das gestehen wir ehrlich zu.

Wir freuen uns, dass die GRÜNEN Mitstreiter beim Thema Bildungsfreistellung werden. Wir haben im März mit der Drucksache 16/1051 einen Antrag eingebracht und darin die Parameter des Gesetzes formuliert. Insofern ist es gut, wenn auch die GRÜNEN an unserer Seite stehen.

Richtig ist auch, dass in anderen Bundesländern auf diesem Gebiet längst etwas geschieht. Bayern ist wieder einmal hintendran. Nur noch fünf Bundesländer haben kein Bildungsfreistellungsgesetz. Ich denke, es ist Zeit, ein solches Gesetz in Bayern endlich zu realisieren.

(Beifall bei der SPD)

Die Garantie einer Grundversorgung halten wir für einen richtigen Baustein in diesem Gesetz. Die Grundversorgung sollte man allerdings beschreiben. Es muss eine staatliche Definition von Grundversorgung geben, schon deshalb, damit sie organisiert und finanziert werden kann. Ich weiß nicht, ob man dies den Trägern oder dem Landesbeirat für Erwachsenenbildung überlassen kann. Wir sollten das Spiel jedenfalls nicht den Finanzkräften des Staatshaushalts überlassen. Deswegen sollten wir eine deutlichere Beschreibung der Grundversorgung ins Gesetz bringen.

Zu den regionalen Erwachsenenbildungszentren habe ich schon alles gesagt.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zum Finanzierungsvorschlag machen. Da müssen wir schon sagen: Problem erkannt, aber nicht gelöst.

Im Gesetz steht neu - ich zitiere -:

Über die Höhe der Finanzierung entscheidet der Landtag auf der Grundlage des Vorschlags des Landesbeirats für Erwachsenenbildung gemäß Art. 22 Abs. 4. Der Landtag ist an den Vorschlag nicht gebunden.

Das ist im Rahmen des Gesetzes durchaus gerecht. Aber glauben Sie tatsächlich, dass das zu einer Ver

besserung der Finanzierung im Haushalt führen wird? Schon bisher hat die Arbeitsgemeinschaft der Erwachsenenbildung vor den Haushaltsberatungen immer gesagt, dass es notwendig ist, diese Mittel zur Verfügung zu stellen. Aber wir sehen, was dabei herausgekommen ist. Die Mehrheitsfraktion hat es immer negiert.

Getan wurde also nichts. Deshalb sage ich abschließend noch einmal: Problem erkannt, aber nicht gelöst.