Protocol of the Session on April 22, 2009

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Christa Naaß, Maria Noichl u. a. und Fraktion (SPD) Situation der bayerischen Milchwirtschaft verbessern, sofort Milchgipfel einberufen, Schutz

für die Milch- und Grünlandwirtschaft (Drs. 16/1145)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Noichl. Ich bitte Frau Kollegin Noichl ans Pult.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist fünf nach zwölf, wenn es um die Milch in Bayern geht, nicht mehr fünf vor, sondern fünf nach zwölf. Die Situation der bayerischen Milchwirtschaft ist besorgniserregend. Ein sofortiger Milchkrisengipfel - ich lege Wert auf den Begriff "Milchkrisengipfel" -, der sich ausschließlich mit dem Bereich Milch beschäftigt, ist vonnöten.

(Beifall bei der SPD)

Ein Schutzschirm für die Milch- und Grünlandwirtschaft ist zwingend erforderlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch heute war wieder in den Medien, zum Beispiel in der "Süddeutschen Zeitung", zu lesen, dass viele Milchbauern vor dem Ruin stehen. Schon die erste Meldung morgens um sieben Uhr im Radio lautet, dass es den Milchbauern ganz schlecht geht. Wir alle wissen das nicht erst seit gestern, sondern schon seit vorgestern. Man hat aber das Gefühl, dass zu wenig passiert. Eigentlich passiert in dieser Richtung gar nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zuschauen und Abwarten kann doch nicht unsere Arbeit sein. Wir können doch nicht zuschauen, wie täglich Höfe sterben und Bauern kläglich aufgeben! Wir können doch nicht zuschauen, wie täglich junge Bäuerinnen und Bauern den Betrieb der Eltern nicht mehr übernehmen, weil sie darin keine Zukunft sehen. Vor allen Dingen können wir nicht dabei zuschauen, dass die Herstellung eines Liters Milch doppelt so viel kostet, wie auf der Abrechnung der Molkerei steht.

(Beifall bei der SPD)

Die Existenz von großen landwirtschaftlichen Betrieben ist genauso bedroht wie die Existenz ganz kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, die Existenz von Neben- oder Zuerwerbsbetrieben. Diese Krise macht vor keinem landwirtschaftlichen Betrieb halt.

Ich möchte ganz bewusst noch einen anderen Betriebszweig ansprechen, nämlich die kleinen Molkereien, die im gleichen Boot wie die landwirtschaftlichen Betriebe sitzen und ebenso von der großen Krise gebeutelt sind.

Bayern ist als Milchland natürlich ganz besonders betroffen. Milchbauern unterstützen die Milchproduktion mit anderen Einkommensarten. Wie lange würden Sie

das tun? Wie lange würden Sie durch die eine Arbeit die andere Arbeit mitfinanzieren, nur um sie am Leben zu erhalten? Die tägliche Stallarbeit lohnt sich irgendwann einmal nicht mehr. England geht uns da mit schlechtem Beispiel voran. Dort geben die Betriebe nach und nach auf, weil die Arbeit nicht mehr wirtschaftlich ist. Die weiche Art wäre, einfach zu sagen: Es lohnt sich nicht mehr. Dahinter steckt aber etwas ganz Hartes, nämlich die Bedrohung der Existenz ganzer Familien und Betriebe. Unser Milchmarkt benötigt heute eine Regelung, und er benötigt auch morgen und übermorgen eine Regelung, vor allem nach dem Jahr 2015, wenn die Milchquote ausläuft oder es zu einer Veränderung kommt. Unser Milchmarkt benötigt Regelungen; denn es kann nicht sein, dass der Milchpreis immer weiter verfällt, die Nachfrage geringer wird und wir trotzdem immer noch produzieren, produzieren und produzieren. Die Überproduktivität kann doch nicht unser Ziel sein!

(Beifall bei der SPD)

Exportsubventionen - bitte seien Sie mir deswegen nicht böse - würden diese Probleme nur in andere Länder verlagern und zum Hunger in anderen Ländern beitragen; das wissen Sie auch. Bayern muss jetzt klar zur kleinteiligen Landwirtschaft stehen, zu den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben und den kleinen Molkereibetrieben sowie zur Grünlandwirtschaft und muss jetzt einen Schutzschirm aufspannen. Komischerweise hören wir von einem Schutzschirm immer nur bei der Wirtschaft. Jetzt ist nun einmal die Landwirtschaft mit einem Schutzschirm dran. Jetzt muss gezielt eine Mengensteuerung aufgebaut werden, die nicht in der Hand von Konzernen oder großen Molkereien liegen darf, sondern in die Hand von Bäuerinnen und Bauern gehört, die sich gemeinsam in Form einer Genossenschaft Gedanken darüber machen, wie so etwas ablaufen kann.

Ein kostendeckender Milchpreis ist zu wenig; denn keiner von uns arbeitet, nur um die Kosten zu decken. Wir brauchen einen kostendeckenden Milchpreis, von dem die Bauern auch leben können.

(Beifall bei der SPD)

Es sind verbindliche Regelungen notwendig, wie mit Überkapazitäten umgegangen wird. Wir alle wissen, dass das größte Problem im Kartellrecht liegt. Das Kartellrecht unterbindet es in Bezug auf große Ketten zu wenig, dass sich diese zusammenschließen. Das Kartellrecht muss verschärft werden. Wir müssen den Lidls und Aldis nähertreten. Das ist wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Die Dumpingpreise für Grundnahrungsmittel, das Hereinlocken der Kunden mit den Preisen für Milch und Fleisch in ein Einkaufszentrum - klar ist, dass die Menschen im Einkaufszentrum noch etwas anderes einkaufen -, darf nicht untätig hingenommen werden. Wir sind für einen Milchkrisengipfel. Herr Seehofer ist anwesend; das freut mich sehr. Herr Seehofer, wir hatten schon einmal einen Milchgipfel unter Ihrer Herrschaft. Der Milchgipfel hat nichts gebracht. Wir brauchen einen Milchgipfel, bei dem für die Bauern etwas herausschaut.

(Beifall bei der SPD)

Es hat keinen Sinn, einen Gipfel zu versprechen. Ein Gipfel kann auch zur Folge haben, dass man ganz tief in das Tal blicken kann. Die Bauern haben nach diesem Gipfel, Herr Seehofer, ganz tief ins Tal geblickt. Es hat sich nämlich überhaupt nichts geändert. Jetzt wird wieder ein Gipfel versprochen, um ihnen zu helfen. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, die europäische und nationale Milchpolitik neu zu lenken. Wir müssen Weichen stellen und weg von dem Motto "Wachsen oder Weichen" kommen. Wir müssen ein Marktgleichgewicht herstellen.

Tausende von Arbeitsplätzen sind rund um die Milchproduktion angesiedelt. Das betrifft nicht nur die Bauern und Bäuerinnen, sondern auch die Molkereiwirtschaft und andere. Das alles wissen Sie. Wir können nur bayerische Stellschrauben drehen. Diese bayerischen Stellschrauben beziehen sich auf Landesmittel und nicht auf Europa- oder Bundesmittel. Dafür kann man sich einsetzen - das machen Sie sicher -, aber unsere Stellschrauben beziehen sich auf die Landesmittel. Das sind Gelder, die wir in der Tasche haben und woraus wir Mittel zur Verfügung stellen können. Wir brauchen Landesmittel für die Milchwirtschaft. Die Milchkuhprämie und die Weideprämie helfen nur für den Anfang, für die ersten drei Tage. Dann muss es aber weitergehen. Wir müssen jetzt tiefer in die Tasche greifen. Wir müssen auch den ländlichen Raum stärken, damit überhaupt ein Einkommensmix für Landwirte möglich ist. Wir haben darüber heute Vormittag schon einiges gehört.

Die Vermarktung unserer bayerischen Spezialitäten muss Chefsache werden. Ich möchte es noch einmal sagen: Ich bedauere es sehr, dass im Rahmen der Haushaltsverhandlungen unser Antrag, speziell die regionale Vermarktung zu fördern, abgelehnt worden ist, und insgesamt zu wenig Geld bereitgestellt worden ist. Die Direktvermarktungskonzepte müssen an erster Stelle stehen. Wir sagen ganz klar: Qualität vor Quantität. Ich stelle mir auch vor, dass Bayern bei einer guten Kennzeichnung von Milch Vorreiter sein kann. Es gibt dazu einige Beispiele. Wie kann es aber sein, dass ich an jeder Weinflasche ablesen kann, an welchem Hang

der Wein gewachsen ist, während bei der Milch nur die Verpackungsstation den Stempel aufdrückt, auf dem abzulesen ist, woher die Milch kommt. Es wird also nach wie vor in Milchtüten, die auf bayerische Milch hinweisen, Milch aus anderen Gegenden verkauft. Das kann nicht sein. Wir stehen dazu, dass bayerische Milch auch in Bayern erzeugt werden muss und nicht nur in Bayern verpackt wird. Ich denke, die Verbraucher haben darauf ein Recht.

(Beifall bei der SPD)

Als besonders kontraproduktiv hat sich herausgestellt, dass die Staatsregierung die eigene Molkerei Weihenstephan verschnäuzt, wie man bei uns sagen würde, also verkauft hat. Sie haben nicht nur die staatliche Molkerei verkauft, sie haben damit eine Marke, ein Logo verkauft und haben damit das gemacht, was die Milchwirtschaft in die Knie zwingt, sie haben nämlich Qualität zugunsten von Quantität verkauft. Sie haben unsere Weihenstephaner Marke an Müller Milch verkauft.

(Harald Güller (SPD): An einen Steuerflüchtling in die Schweiz!)

- An den Steuerflüchtling Müller Milch.

Die Menschen, die vorher bewusst Weihenstephaner Milch als bayerisches Produkt gekauft haben, bewusst in das Regal gegriffen haben, weil auf den Verpackungen das Staatswappen aufgedruckt ist, sind nun ganz woanders gelandet, nämlich bei einer Großmolkerei, die in keiner Weise irgendetwas zur Stützung des Milchpreises tun wird.

Sie haben nicht nur die Qualität zulasten der Quantität verkauft, sondern Sie haben auch eine Idee verkauft, nämlich die Idee, dass in Bayern die Milch eine ganz besondere Rolle spielt. Immer wieder hört man den Begriff "systemrelevant". Bei uns ist die Milch systemrelevant. Bei uns sind die Bäuerinnen und Bauern systemrelevant. Das trifft auch auf die kleineren Molkereien zu, die mit Spezialitäten in der ganzen Welt berühmt sind. Wenn ich zum Einkaufen in den Weltladen gehe, was ich manchmal tue, um faire Preise für faire Produkte zu zahlen, wünsche ich mir, dass auch jeder andere, der in ein normales Geschäft geht, faire Preise für faire Produkte zahlt und dass die Staatsregierung alles tut, dass das so kommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte sagen: Es ist fünf nach zwölf. Wir müssen alle miteinander an einem Strang ziehen. Es ist klar, dass die Forderungen, die in dem Papier stehen, noch lange nicht ausreichen. Sie sind ein Anfang. Ich wünsche mir, dass alle im Haus dem Antrag zustimmen, um diesen Antrag zu ermöglichen. Ich bitte Sie um die Zu

stimmung zu dem Antrag der SPD, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Noichl.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt Studien, wonach die Konzentrationsfähigkeit gerade einmal 20 Minuten beträgt. Ich versichere Ihnen, wir werden auch in Zukunft keine zwanzigminütigen Sitzungen haben. Ich bitte Sie deshalb, noch ein bisschen zuzuhören. Frau Biechl, bitte.

Hier steht eine systemrelevante Bäuerin, die die Stallarbeit, die Sie gerade angesprochen haben, seit Jahrzehnten aus eigener Erfahrung kennt.

(Beifall bei der CSU)

Die bayerische Landwirtschaft - auch das haben Sie richtig festgestellt, liebe Frau Kollegin - ist ein wichtiger Bestandteil unseres Landes. Sie umfasst insgesamt über 500.000 Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich. Gerade aus diesem Grunde, weil uns allen dies sehr wichtig ist, ist die CSU immer an der Seite der Bäuerinnen und Bauern gestanden und hat ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Aber im Moment hält die Talfahrt des Milchpreises an und setzt die Milchbauern kolossal unter Druck. Die Märzauszahlung lag zwischen 20 Cent in Ansbach und 30 Cent in Piding. Der Milchpreis pendelt damit zwischen diesen beiden Markierungen. Die dramatische Lage der Milchbauern ist in der Gesellschaft angekommen und auch in der SPD, wie dieser hilflose Versuch zeigt.

Ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass die Milchbauern dringend einen besseren Milchpreis brauchen. In diesem Zusammenhang sind wir von der Politik gefordert. Ich kann Ihnen aufzählen, was wir in der Vergangenheit alles gemacht haben. Eines ist aber klar, lieber Kollege Beyer: Die Politik kann den Preis nicht gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich halte es geradezu für unverantwortlich, mit diesem Antrag den Bäuerinnen und Bauern vorzugaukeln, wir könnten mit Landesmitteln den dramatischen Milchpreisverfall auffangen.

(Beifall bei der CSU)

So steht es im Antrag: Mit Landesmitteln soll ein Preis geschaffen werden, der die Bauern überleben lässt. Die

SPD liegt hinsichtlich ihrer Vorschläge auch nicht richtig. Gut gemeint ist nicht gut gemacht.

(Beifall bei der CSU)

Die von der SPD vorgeschlagenen Maßnahmen setzen an der Angebotsseite an. Es stimmt einfach nicht. Es ist Fakt, dass der Preisverfall nicht vom Anlieferungsverhalten unserer Milchbauern abhängig ist. Die Milchanlieferung in Deutschland im Wirtschaftsjahr 2008/2009 ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Die Unterlieferung der jährlichen Gesamtquote liegt allein in Deutschland bei 1,254 Tonnen. Deutschland ist hier nicht allein. Im größten Teil der anderen EU-Länder liegt die Quotenausnutzung lediglich bei rund 95 %. Wesentliche Faktoren für die Preise sind der Rückgang des Inlandkonsums und der Einbruch beim Exportgeschäft. Hierzu gibt es belastbare Zahlen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, aus diesem Grunde ist es wichtig, dass wir den Absatz ankurbeln. Auf Initiative der CSU läuft seit März der Aufkauf von Butter und Magermilchpulver. Wir brauchen eine Stärkung des Exportgeschäfts. Die Forderung nach einer Rücknahme der Exporterstattung ist völlig kontraproduktiv.