verschuldensunabhängigen Haftung, die Sie hier einführen wollen. Bei einer Aktiengesellschaft - das ist bereits ausgeführt worden - gibt es die verschuldensabhängige Haftung. Das ist gut. Da muss man vielleicht die eine oder andere Schwachstelle noch verbessern. Aber das, was Sie vorschlagen, dass verschuldensunabhängig gehaftet werden müsste, ist systemwidrig und mit unserem Rechtsystem nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Die Tätigkeit im Vorstand einer Aktiengesellschaft - ob bei der Bayerischen Landesbank oder bei einer der 14.000 anderen - ist nicht von Hause aus eine Gefahr für die Gesellschaft. Das kann man nicht sagen. Nur wenn es vergleichbar wäre mit dem Straßenverkehr, könnte man auch zu einer Gefährdungshaftung kommen.
Im Übrigen stimmt all das, was der Kollege zu den Konsequenzen ausgeführt hat. Wenn der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, tatsächlich Gesetz werden sollte - wovon wir aus guten Gründen nicht ausgehen, weil es offensichtlich außer Ihnen niemand sonst so bewertet -, hätte dies schlimme Konsequenzen. Denn wer sollte dieses Risiko übernehmen, verschuldensunabhängig zu haften? Wer sollte das übernehmen? Das tut doch nur einer, der sich vorher gegen dieses Risiko absichern lässt. Er lässt sich dann nach der Systematik Ihres Gesetzes, bevor er die Stelle antritt, zwei Jahresgehälter garantieren, damit er sie dann einsammeln kann, wenn es zum Schadensfall kommt. Das wäre die Konsequenz, oder Sie finden überhaupt niemanden, der bereit ist, dieses Risiko einzugehen.
Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Unternehmer etwas unternehmen, wir wollen, dass die Vorstände etwas tun und sich nicht jeden Tag zurücklehnen und sagen: Um Gottes willen, ich hafte ja, ob ich jetzt schuld bin oder nicht.
Wir wollen den ordentlichen Kaufmann vom Handwerker bis zu den Vorständen der Aktiengesellschaften; ihn wollen wir; er muss gestärkt werden. Da muss vieles getan werden. Ihr Vorschlag führt in die völlig falsche Richtung und schadet auch denen, die Sie nicht treffen wollen. Das ist unter anderem vom Kollegen Arnold ausgeführt worden. Das Ganze ist undurchdacht und systematisch hanebüchen.
Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. Als nächster Redebeitrag ist der von Kollegen Dr. Runge angemeldet. Ich bitte Sie nach vorne.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, freuen Sie sich nicht zu früh. Ich bin bemüht, die humoristische Schiene wieder zu verlassen und mich mit diesem Antrag ernsthaft auseinanderzusetzen.
Ich versuche, das Thema ins politisch Praktische und ins unternehmerisch Praktische zu übertragen, nachdem wir jetzt drei Juristen hören durften.
Meine Damen und Herren von den Freien Wählern, Sie machen nichts anderes, als ein an und für sich wichtiges Anliegen durch einen völlig verunglückten Antrag so massiv zu diskreditieren, dass Sie sich selber ganz massiv schaden. Selbstverständlich ist es ein ganz, ganz schlechtes Signal und auch nicht hinnehmbar, wenn diejenigen, die Unternehmen ruinieren, dabei Arbeitsplätze gefährden oder sogar zerstören, Anleger und Gläubiger schädigen und einen massiven Einsatz von Steuergeldern heraufbeschwören, nicht nur ohne Sanktionen davonkommen, sondern auch noch ungeniert und ungekürzt ihre üppigen Gehälter, ihre Boni und sonstigen Gratifikationen genießen dürfen.
Aber, meine Damen und Herren von den Freien Wählern und Herr Pohl, mit Ihrem Antragsbegehren einer verschuldensunabhängigen Haftung schütten Sie nicht nur das Kind mit dem Bade aus, sondern es ist auch völlig kontraproduktiv. Ich nenne einige Beispiele. Nehmen wir ein Vorstandsmitglied, das immer richtig entschieden hat, in seinem Vorstandsgremium aber überstimmt wurde. Der schaut dann aber sauber aus der Wäsche. Oder nehmen wir ein Unternehmen, das am Rande balanciert und doch in ordentlicher Schieflage ist. Das sucht nach einem neuen Vorstand. Wer will das denn noch machen, wenn er Gefahr läuft, dass dieses Unternehmen trotz aller sinnvollen und guten Bemühungen nicht zu retten ist? Für diese Aufgabe wird man keinen finden. Ich jedenfalls würde mir bei Vertragsverhandlungen unter diesen Umständen einen Risikopuffer in Höhe von zwei Jahresgehältern zusichern lassen, bevor ich diesen Job überhaupt antrete. Was Sie hier fordern, ist also völlig unsinnig.
Herr Pohl, Sie haben einen einschlägigen Artikel im Aktiengesetz angesprochen. Ich bitte Sie darum, sich doch etwas intensiver mit der Frage auseinanderzusetzen, was das Zivilrecht und was das Strafrecht hergibt, weil das miteinander korrelieren muss. - Herr Pohl hört nicht zu, er ist mit Frau Pauli und Herrn Aiwanger beschäftigt. Er will uns dann aber immer klug erzählen, was wir berichtet haben. Herr Pohl, ich versuche, auf Sie einzugehen und Sie zu überzeugen. Umgekehrt können Sie versuchen, mich zu überzeugen.
Am 21. April 1997 erging das sogenannte ARAG-Urteil vom Bundesgerichtshof. Damals hat der BGH gesagt: Ein Aufsichtsrat muss haften, wenn er nicht den Vorstand hat haften lassen. Das heißt, der Aufsichtsrat muss dann Schadenersatz leisten, wenn er den Vorstand entlastet und nicht von ihm Schadenersatz gefordert hat. Diese Regelung muss gelebt werden. Zwar muss das eine oder andere verbessert werden - das ist gar keine Frage -, aber doch bitte keine verschuldensunabhängige Regelung!
Wir haben generell einen massiven Handlungsbedarf im Strafrecht. Da schaue ich Sie an, Frau Justizministerin. Warum bringe ich das an dieser Stelle? - Weil wir immer wieder eine Verknüpfung zwischen Straf- und Zivilrecht herstellen müssen. Wenn ein strafrechtliches Urteil ergangen ist, dann haben es die Geschädigten ungleich leichter, ihre Ansprüche zivilrechtlich geltend zu machen. Da haben wir massive Defizite. Beispielsweise gibt es nicht den Straftatbestand der fahrlässigen Untreue, sondern das muss schon grob fahrlässig sein, und das nachzuweisen ist alles andere als leicht. Frau Verbraucherschutzministerin und Justizministerin, gerade in Bayern haben wir massive Defizite. Ich erinnere immer wieder daran, wie lange Kollege Schindler und ich darum gerungen haben, dass Delikte wie fehlerhafte Aussagen in Börsenzulassungsprospekten und in Adhoc-Mitteilungen nicht nach sechs Monaten nach dem Presserecht verjähren, sondern erst nach fünf Jahren nach dem Strafrecht. Es gibt massive Fälle von Betrug, Untreue, Bilanzfälschung, Kursmanipulation und Marktmanipulation, in denen in Bayern bedauerlicherweise nichts oder viel zu wenig geschehen ist. Hier müssen wir ansetzen, und damit würden wir auch die zivilrechtliche Seite stärken.
Herr Pohl, Sie haben wahrscheinlich auf die Debatte im Bundestag am 20.03. rekurriert, wo die Bundesregierung großspurig ein Gesetz betreffend Haftung angekündigt hat, und dann ist die Haftung bedauerlicherweise verschwunden. Da hätten wir uns von der CDU/ CSU-SPD-Koalition im Bund mehr erwartet. Es gibt durchaus wunderbare Vorschläge, zum Beispiel den, dass die Haftung nicht komplett wegzuversichern ist.
So könnte man bei der D-and-O-Versicherung - der Directors-and-Officers-Versicherung - einen ganz massiven Selbstbehalt vorsehen. Man könnte auch einen direkten Zugriff der Geschädigten auf diejenigen fordern, die den Schaden angerichtet haben. Auch das gibt es nicht. Es gibt noch jede Menge anderer Vorschläge, zum Beispiel viel weniger flexible Gehaltsbestandteile, sondern mehr fixe. Damit sind wir bei der Gesamtdebatte über die Bezüge und darüber, wie damit umgegangen worden ist. Hier gab es schon einen viel zielführenderen Gesetzentwurf aus dem Jahr 2004. Der damalige Bundesfinanzminister - Hans Eichel hieß der meines Wissens - hat ihn bedauerlicherweise zurückgenommen.
- Jawohl. Meine Damen und Herren, es gibt viel Populismus in dieser Causa. Ich will uns da gar nicht ausnehmen. Den Vorschlag von Frau Künast einer Strafsteuer auf die Boni halte ich nicht für richtig. Ich würde es für richtiger halten, generell einen spürbar höheren Steuersatz einzuführen, um überhöhte Gehälter und Exzesse wie Boni, Gratifikationen und Ähnliches abzuschöpfen. Ihr Populismus an dieser Stelle führt nicht nur in die Irre, sondern würde uns wirklich ins Verderben führen.
Wir haben überhaupt nichts gegen Querdenker, Herr Pohl, aber Sie sind Ihrer eigenen Logik massiv in die Quere gekommen. Sie haben mit der Argumentation "Deutsche Bank und Arbeitsplätze" angefangen. Wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze abbaut, gerät es viel weniger in die Gefahr einer baldigen Insolvenz. Es gibt zwei Gründe für Insolvenz, entweder Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Mit Ihrem Antragsbegehren würden Sie, wenn es denn durchzusetzen wäre, genau das Gegenteil dessen erreichen, was Sie anfangs angekündigt hatten. Deshalb richte ich an Sie die kameradschaftliche Bitte: Entweder ziehen Sie den Antrag zurück, oder Sie enthalten sich zumindest bei der Abstimmung über Ihren Antrag.
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe großes Verständnis für alle berechtigte Kritik an überzogenen Managergehältern, Bonus- und Abfindungszahlungen für Unternehmer oder Vorstände, die ihr Unternehmen in die Krise geführt haben. Für Ihren Vorschlag, Herr Pohl, habe ich kein Verständnis. Sie wollen, dass der
Vorstand einer Aktiengesellschaft die letzten beiden Jahre ohne Entgelt hat arbeiten müssen, wenn die Gesellschaft ohne sein schuldhaftes Tun in die Insolvenz gehen muss.
Ein Blick in die Wirklichkeit deutscher Unternehmen hilft manchmal, die Relevanz der Themen zu beurteilen, die wir hier diskutieren.
Könnten Sie auf der Zuschauertribüne bitte ein bisschen leiser sein? Seien Sie so nett. - Danke schön.
Ich kann mich nicht an Insolvenzen größerer Aktiengesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren erinnern. Relevanz hätte Ihr Vorschlag aber für den Mittelstand; denn dann würde man keine familienfremden Vorstände oder Geschäftsführer mehr finden, die ein derartiges Risiko auf sich nehmen würden. Gerade ein Unternehmen in der Krise - da geht es nicht um die letzten drei Wochen vor der Insolvenz und um den Insolvenzverwalter, Herr Pohl - braucht in der Phase der Restrukturierung besonders gute Manager, die oft auch teuer bezahlt werden müssen. Solche Manager könnte ein mittelständisches Unternehmen nicht mehr finden, weil die im Endeffekt ohne Entgelt arbeiten müssten.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass eine breite Mehrheit dieses Hauses den Antrag entsprechend würdigen wird.
Danke, Herr Kollege Hacker. Frau Dr. Merk hat sich für ein Schlusswort gemeldet, was nicht heißt, dass keine Wortmeldungen mehr möglich sind.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Haftung setzt grundsätzlich Verschulden voraus; das haben wir heute schon gehört. Es gibt eine Ausnahme, in der ohne Verschulden Ansprüche im Rahmen der sogenannten Gefährdungshaftung entstehen können. Diese Gefährdungshaftung - auch das wurde heute dankenswerterweise schon dargestellt, Herr Schindler - beruht darauf, dass derjenige, der Nutznießer einer gefährlichen Sache oder Anlage ist, auch die daraus resultierenden Schäden tragen muss. Es gibt eine Gefährdungshaftung bei Autos, bei Atomkraftwerken und bei Flugzeugen. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass Manager wirklich keine Autos, Atomkraftwerke und Flugzeuge sind. Ihr Vorschlag, Herr Pohl, passt
deshalb zum Vorstand einer Aktiengesellschaft wie eine Kuh in die Bayerische Staatsoper. Ich meine nicht, dass Sie quer gedacht haben, sondern ich glaube, Sie haben verquer gedacht.
Im Ernst: Der Antrag ist sachlich verfehlt. Es beginnt schon damit, dass von Ihnen alle Vorstände von Aktiengesellschaften gleich behandelt werden. Wir haben das gesehen. Ihrem Entwurf unterfallen damit auch die Inhaber von Familienunternehmen. Wenn Sie es anders gemeint haben sollten, hätten Sie es eben auch anders formulieren müssen. Ihr Vortrag Herr Pohl, hat den Verdacht bestätigt, den ich schon beim Lesen Ihres Antrags hatte, dass es nämlich um nichts anderes geht als darum, die Neiddebatte noch ein wenig zu befördern.
Sie prügeln mit diesem Antrag generell auf eine Berufsgruppe, nämlich auf die Vorstände, ein. Damit bedienen Sie die niederen Neidinstinkte. Statt die Sommerresidenz in Marbella als Argument zu bringen, wäre es meines Erachtens besser, sorgfältig zu analysieren. Denn bei Vorlage eines soliden Gesetzgebungsvorschlags müssten Sie die Vorstände der unzähligen großen und kleinen Aktiengesellschaften ausnehmen, die ihren Behauptungen nun wirklich in keiner Weise entsprechen.
Anknüpfungspunkt für einen Zahlungsanspruch ohne Verschulden soll die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sein. Damit wird unterstellt, dass jede Insolvenz einer Aktiengesellschaft vom Unternehmer sozusagen zu verantworten ist. Würden die Antragsteller sich auch nur oberflächlich mit den Ursachen von Insolvenzen auseinandersetzen, wüssten sie auch, dass es zahlreiche Insolvenzen gibt, die von ganz anderen Umständen abhängen und die auch vom ordentlichsten Kaufmann nicht vorhergesehen oder beeinflusst werden können. Ein Unternehmen kann daran scheitern, dass wesentliche Zahlungen ausbleiben - das wird in der nächsten Zeit ein wichtiges Thema werden, und ich würde das jetzt wirklich nicht auf die leichte Schulter nehmen wollen - oder daran, dass ein ausländischer Staat, mit dem hervorragende Handelsbeziehungen aufgebaut wurden, aus politischen Gründen ein Handelsembargo verhängt. Naturkatastrophen können zu Insolvenzen führen. Die Fälle, in denen es zu Insolvenzen kommt, sind so vielfältig. All das soll jetzt plötzlich zur Haftung von Vorständen führen? - Kurz und klar gesagt: Das ist mit unserer Verfassungsordnung nicht zu vereinbaren. Solche Regelungen greifen in völlig unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein.
Die Begründung derartiger Ansprüche, ohne dass es auf irgendein Fehlverhalten ankommt, ist schlichtweg unangemessen und ist auch für die Betroffenen unzumutbar. Dabei wird auch das Eigentumsgrundrecht missachtet. Als Inhalts- und Schrankenbestimmung ist die vorgeschlagene Regelung ebenfalls gänzlich unverhältnismäßig. Außerdem enthält das Grundgesetz - das darf man nicht vergessen - ein Rückwirkungsverbot. Auch hierauf sollte man achten.
Sonst hätten Sie, Herr Pohl, längst zur Kenntnis genommen, dass unsere Rechtsordnung auf Fehlverhalten in Vorstandsetagen durchaus vorbereitet ist. Wir haben ein ausdifferenziertes Zivil- und ein schlagkräftiges Strafrecht. Herr Runge, Fahrlässigkeit bei Vermögensdelikten gibt es nicht. Der Tatbestand der Untreue an sich ist so weit, dass es uferlos würde, wenn wir da mit Fahrlässigkeit kämen.