Von Ihrer Vorvorgängerin, Frau Hohlmeier, und von Ihrem Vorgänger, Herrn Schneider, kamen sehr viele Ideen an die Schulen. Ich bestreite jetzt noch mein Druckerpapier mit der Rückseite dieser Schreiben. Alles, was ich aus meinen Aktenordnern aussortiere, nehme ich als Druckerpapier. Derzeit befinde ich mich im Jahr 1998. Ich habe also noch jede Menge Vorrat an diesen überflüssigen Ideen, die im Übrigen bei den Schulleitern schnell im Papierkorb landen. Diese Ideen sind nämlich in der Praxis nicht anwendbar. Projekte beispielsweise sind eigentlich ganz wunderbar, aber wie bekomme ich dann meine kleinen Leistungsnachweise? Wie mache ich Projekte ohne Unterrichtsausfall? - Das haut nicht hin, das ist nicht aus einem Guss, und das ist schon gar kein Konzept. Ich bitte deshalb die Leute, die solche Vorlagen verbrechen, einmal für eine längere Zeit in die Schulen zu gehen, nicht nur zu
Baden-Württemberg kennt die Klassleiterstunde. Vorhin wurden fünf Adjektive vorgetragen, die beschreiben sollten, was Bildung und Erziehung alles leisten sollen. Wir bräuchten eine Klassleiterstunde auch an den weiterführenden Schulen. Dazu kann man sich aber wieder einmal nicht durchringen, denn dann müsste man vielleicht eine andere Stunde streichen, und die darf nie ein bestimmtes Fach betreffen. Ich habe überhaupt keine Zeit, mich mit den Schülern aufzuhalten, mit ihnen zu reden, pädagogische Förderung zu machen. Die Klassleiterstunde ist immer wieder im Gespräch, wird in Bayern aber nicht verwirklicht.
Schulfahrten: Wir alle wissen, dass der Aufenthalt im Schullandheim und andere Fahrten für die Schüler sehr wichtig sind. Wissen Sie, wie kompliziert die Bezahlung ist? Wissen Sie, wie beschämend es ist, einen Antrag einreichen zu müssen? - Ich kenne jede Menge Schüler, die deshalb nie bei einer Fahrt mitmachen. Sie gehen nicht zum Elternbeirat; denn dort müssen die Eltern die Vermögensverhältnisse offenlegen. Viele Projekte, die Geld kosten, das die Eltern aufbringen müssten, können nicht von den Schülern genutzt werden, die diese doch nutzen sollten, wenn man Gerechtigkeit in die Schulfamilie einbringen will. Diese Schüler schämen sich. Hier ist zwar wieder einmal das Ministerium von Frau Haderthauer betroffen, aber in der Schulwirklichkeit befindet sich hier eine hohe Hürde, die Sie vielleicht gar nicht kennen.
Letzte Forderung: bessere Lehrerausbildung. - Sie sagen, Sie wollen die besten Studierenden. Haben Sie schon einmal mit den Schulleitern draußen gesprochen oder mit den Damen und Herren im Ministerium? Ist Ihnen schon aufgefallen, dass sie immer dann, wenn es am Arbeitsmarkt brummt, keine Mathematik- und Wirtschaftslehrer bekommen? Wenn der Arbeitsmarkt hingegen etwas oder ganz stagniert, bekommen Sie auch für diese Fächer Lehrer. Daraus kann man Schlussfolgerungen ziehen: Wer Mathematik studiert hat, der wird nur dann Lehrer, wenn der Arbeitsmarkt nichts anderes hergibt. Natürlich gibt es Ausnahmen, und ich kenne auch Mathematiklehrer, die aus Passion diesen Beruf ergreifen. Die Verlockungen der Wirtschaft sind aber groß, und man muss schon auch sagen: Der Lehrerberuf ist unattraktiv. Daran muss man arbeiten. Das fängt schon damit an, dass Sie Referendare zwingen, 17 Stunden in der Woche zu unterrichten. Das entspricht zwei Drittel der Arbeit eines normalen Lehrers.
Gehen Sie hinaus in die Handwerkskammern, fragen Sie, was ein Maurerlehrling - der heißt allerdings nicht mehr Maurerlehrling - im dritten Lehrjahr bekommt.
- Ja, ein Azubi im Baugewerbe. Also schauen Sie, was ein Azubi im dritten Lehrjahr im Baugewerbe verdient. Und dann schauen Sie, was ein Referendar bekommt. Dann reden wir weiter.
(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD - Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): 900 Euro! - Unruhe bei der CSU)
Reden Sie doch einmal mit den Referendaren an der Berufsschule. Die Auszubildenden verdienen oft mehr als diejenigen, die sie unterrichten.
Der Beruf muss attraktiver werden, er muss in der Anfangsphase besser bezahlt werden. Außerdem muss die Eignung besser getestet werden. Ich habe das neulich an dieser Stelle schon einmal angesprochen. Es gibt die Vorschrift eines Orientierungspraktikums. Jeder, der Lehramt studieren will, hat vor dem ersten Semester an drei verschiedenen Schulen ein Praktikum zu absolvieren. Während meiner Schulleitertätigkeit habe ich jede Menge Praktikumsbestätigungen unterschreiben müssen, für Studierende im dritten oder vierten Semester. Da ruft dann das Praktikumsamt an und sagt: "Machen Sie eine Ausnahme." So geht das nicht. Wenn es ein Orientierungspraktikum ist, dann muss es auch vor dem Studium gemacht werden.
Das duale System hat sich in der Arbeitswelt hervorragend bewährt und durchgesetzt. Probieren wir doch so etwas auch in der Lehrerausbildung. Auch hier gibt es noch viel zu wenige Ansätze, doch genau die bräuchten wir.
Das Beurteilungssystem geht ebenfalls in die falsche Richtung. Wenn heute einer weiterkommen will, dann muss er eine gute Anfangsnote gehabt haben, aus dem Jahr 1975. Alle vier Jahre muss er dann in einer Unterrichtsstunde - oder auch in drei Stunden - einen entsprechend guten Unterricht gehalten haben. Alle anderen Dinge kommen nur schwer zum Tragen. Auch das ist ein Grund, weshalb sich vieles aneinander reibt.
Ich höre auf. Wir alle wissen um die Bedeutung der Bildung unserer Kinder und Jugendlichen. Ich bitte darum, hier wesentlich mehr Geld in die Hand zu nehmen und all das, was man so schön auf dem Papier schreibt, in der Praxis auch anzuwenden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie muss es in der Vergangenheit bei der bayerischen CSU um die Wahrnehmung der Bildungspolitik bestellt gewesen sein, wenn allein schon das Zuhörenkönnen des Ministers als großer Fortschritt bezeichnet wird?
Welches Licht werfen diese und andere Äußerungen des gegenwärtigen Ministers - beispielsweise, wenn er den Dialog oder die saubere handwerkliche Arbeit betont - auf seine Vorgänger? - Herr Minister, man kann nicht so tun, als hätte mit der neuen Regierung alles bei der Stunde Null begonnen, als würden Sie neu anfangen. Sie setzen die Bildungspolitik der CSU fort, und Sie tragen die Nachteile dieser CSU-Bildungspolitik weiter mit sich. Sie können uns also nicht vormachen, es würde alles neu beginnen.
Sie sagen, Sie sehen den Wählerauftrag vom 28. September 2008 als Gestaltungsauftrag. Ja, die Menschen in Bayern wollen, dass die Bildungspolitik im Freistaat neu gestaltet wird. Die Menschen, die Eltern, die Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, die Wirtschaft, sie alle wollen eine Veränderung in der bayerischen Schulpolitik. Leider sagt aber die Bayerische Staatsregierung, sagt der Kultusminister in seiner heutigen Regierungserklärung nichts Neues. Es gibt nichts Neues. Sie verwalten den Mangel. Sie suchen vor allem neue Worte, die den alten Mangel kaschieren sollen.
Erst letzte Woche hat der Wissenschaftlich-Technische Beirat der Staatsregierung in deutlichen Worten den großen Reformbedarf des bayerischen Bildungswesens aufgezeigt. Dieses Gutachten lässt sich nicht einfach abtun, es kann nicht in der Schublade verschwin
den. Es ist ein Armutszeugnis für all jene, die jetzt die Autoren beschimpfen, und diese Beschimpfung ist auch nicht statthaft. Zwei Sätze dieses Gutachtens müssen als Situationsanalyse sehr ernst genommen werden. Erstens.
Die Belastungssituation von Schülern und Lehrern hat nicht nur im G 8-Gymnasium in der Wahrnehmung vieler Eltern, Lehrer und Schüler ein zumutbares Maß überschritten.
Die Diskrepanz zwischen statistischen Vergleichszahlen, zum Beispiel den Pisa-Ergebnissen, und der täglich erlebten Schulpraxis mit großen Klassen, Unterrichtsausfällen, Überbelastung der Schüler und mangelnder Handlungsfähigkeit der Schulleitung infolge fehlender Handlungsspielräume führt zu einer deutlichen und anhaltenden Glaubwürdigkeitskrise im Bereich der bayerischen Schulpolitik.
Der Wissenschaftlich-Technische Beirat hat eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, die wir GRÜNEN in vielen Punkten unterstützen, obwohl dieser Beirat wahrlich keine Veranstaltung der GRÜNEN ist. Wir werden diese Vorschläge bald - am besten in einer gemeinsamen Sitzung von Bildungs-, Sozial- und Hochschulausschuss - diskutieren müssen.
Der neue Kultusminister Spaenle verdankt sein Amt der Wahlniederlage der CSU. Die CSU hat erkannt, dass sie die Wahlschlappe vor allem wegen der Bildungspolitik erlitten hat, und hat deshalb ihr bildungspolitisches Personal - Minister und Staatssekretär - ausgewechselt. Jetzt hetzt der neue Minister Spaenle wie ein Getriebener von einem bildungspolitischen Thema zum nächsten. Dabei haben Sie die richtigen Themen gefunden: Bildungsgerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, Durchlässigkeit des Schulsystems, Integration von Migranten, Förderung von Behinderten, Probleme der Hauptschulen. Sie widmen sich diesen Themen mit einem großen rhetorischen Aufwand. - Ja, der rhetorische Aufwand ist groß, die substanzielle Veränderung aber gering.
Sie lassen viele Luftballons steigen, die ein kurzes "aha" bei den Beobachtern hervorrufen, aber nachdem sie aufgestiegen sind, bleibt das Bodenpersonal an den Schulen ratlos zurück.
Doch muss man auch die Rhetorik loben; denn es gibt einige Punkte, wo es schon ein Fortschritt ist, dass Sie
die Themen benennen, und das möchte ich ausdrücklich hervorheben. So sagen Sie deutlich, wie unbefriedigend die Situation der Kinder mit Migrationshintergrund im bayerischen Schulwesen ist, und Sie nehmen die Pisa-Studie als wichtige Rückmeldung, um hier etwas zu tun. Das ehrt Sie, das ist wichtig. Für die CSU ist es ein Fortschritt, zu erkennen, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft geworden sind und eine dementsprechende Bildungspolitik brauchen. Das Problem ist erkannt.
Es ist ein Fortschritt, wenn Sie den interkulturellen und interreligiösen Dialog betonen und den Islamunterricht ausbauen wollen. Wenn Sie allerdings von einem Konzept zur Förderung von Migranten sprechen, dann muss ich leider sagen, ein solches kann ich nicht erkennen. Sie verlieren sich hier doch etwas in einzelnen Maßnahmen, die es immer schon gegeben hat. An diesem Punkt sollte der Rhetorik die Politik folgen.
Am Tag des Inkrafttretens der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen sprechen Sie auch das Thema der Integration von Behinderten an, sogar das Wort "Inklusion" ist aus dem Kultusministerium zu hören. Das ist sehr schön, aber machen wir uns nichts vor: Es gibt in dieser Richtung zwar erste schüchterne Schritte, aber wir müssen die Inklusion von Behinderten zu einer Aufgabe des gesamten Schulwesens machen. Dabei geht es um das Recht der Behinderten auf Teilhabe in unserer Gesellschaft. Die bisherige Praxis und die Zielvorstellungen in Bayern sind weitgehend ungenügend, wir müssen hier endlich etwas tun.
Sie haben auch ein paar richtige Sätze zum Thema Lehrerbildung gesagt. Wir wissen, die Reform der Lehrerbildung ist in Bayern schon auf dem Weg. Die Hochschulen arbeiten an einem Konzept und stellen große Mängel fest. Erst kürzlich hat der BLLV eine Umfrage unter Studierenden durchgeführt, die die Mängel deutlich aufgezeigt haben. Wir brauchen also einen Neuaufschlag und ein neues Konzept für die Lehrerbildung. Ein solches Konzept werden wir hier vorlegen. Darüber hinaus brauchen wir aber auch - Herr Minister Spaenle, das wissen Sie als ehemaliger Hochschulpolitiker - die hochschulpolitische Kraft, um eine neue Lehrerbildung an den Hochschulen umzusetzen.
Nachdem wir hier in der nächsten Woche die Haushaltsdebatte führen werden, möchte ich zum Thema Finanzen nur ein paar Sätze sagen. Bildungsfinanzie
rung braucht Nachhaltigkeit. Momentaufnahmen und Strohfeuer helfen hier nicht weiter. So müssen wir auch den vorliegenden Haushalt vor dem Hintergrund der vergangenen Haushalte und der früheren Kürzungen sehen. Wenn Sie zusätzliche Stellen schaffen, dann kompensieren diese gerade einmal das, was in den letzten Jahren eingespart worden ist.