Protocol of the Session on July 18, 2013

Diese Belehrung brauche ich mir nicht anzuhören. Die rechtliche Situation ist mir klar. Dazu stehen wir, und wir vertreten sie auch. Aber Ihrem Gesetzentwurf können wir bei aller Liebe nicht zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Andreas Fischer. Er spricht für die FDP-Fraktion. Bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Arnold, Sie haben auf ein Ereignis verwiesen, das vorgestern auf den Tag genau vor fünf Jahren stattfand. Ich erinnere an das Jahr 2010, als die christlich-liberale Koalition in Bayern ein Versammlungsgesetz geschaffen hat, das freiheitlich und bürgerfreundlich ist. Es ist ein Versammlungsgesetz, das die Bürger von unnötigen Angaben entlastet, das nur wenige Straf- und Ordnungswidrigkeitstatbestände vorsieht und das dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Rechnung trägt.

Ich habe überhaupt nichts gegen Nachbesserungen. Aber das Wort "Nachbesserungen" impliziert, dass etwas besser gemacht werden soll. Das allerdings ist bei keinem der Vorschläge der Opposition der Fall. Im Gegenteil, die Vorschläge sind praxisfremd und unrealistisch in der Handhabung.

Lassen Sie mich im Einzelnen darauf eingehen:

Erstens. Sie verlangen nicht nur, dass Aufnahmen oder Aufzeichnungen offen erfolgen, sondern dies soll für die Betroffenen auch erkennbar sein. Nun frage ich Sie, wie man sicherstellen soll, dass die Versammlungsteilnehmer tatsächlich erkennen, dass Aufnahmen oder Aufzeichnungen angefertigt werden. Worin liegt überhaupt der Unterschied zu dem Hinweis, dass eine Aufnahme oder Aufzeichnung erfolgt? - Ich meine, dass wir das bereits im Gesetz geregelt haben.

Zum Zweiten wollen Sie die Vorschriften über den "Befriedeten Bezirk" aufheben; es wurde sogar von einer "vordemokratischen Regelung" gesprochen. Ich möchte nicht, dass durch Versammlungen vor dem Bayerischen Landtag Druck auf diesen ausgeübt und somit dessen Arbeits- und Funktionsfähigkeit infrage gestellt wird.

Da Sie das Hausrecht angesprochen haben: Dieses gilt hier im Haus, aber nicht auf der Straße davor.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Haben Sie Angst vor dem Bürger?)

Ich meine, es ist gut, dass dieses Parlament geschützt wird. Die Aufhebung des "Befriedeten Bezirks" könnte vor allem von denjenigen missbraucht werden, die dieser Demokratie und ihren Werten skeptisch gegenüberstehen.

Nächster Punkt: Zulassung von öffentlichen Versammlungen auf privatem Grund. Sie haben zitiert und behauptet, dass diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin schon zulässig seien. Wenn dem so ist, brauchen wir es nicht mehr in das Versammlungsgesetz zu schreiben. Das

wäre überflüssig, es hätte nur deklaratorischen Charakter.

(Horst Arnold (SPD): Seit wann sind denn Urteile Gesetze?)

Ich halte dem entgegen, dass es auch ein Grundrecht auf Eigentum gibt. Dieses darf nicht durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausgehebelt werden. Es kann sehr wohl im Interesse eines privaten Grundrechtsträgers liegen, dass in seinem Vorgarten keine öffentlichen Versammlungen stattfinden. Da sollte es keine Grauzone geben. Wenn wir in das Gesetz schrieben, dass Versammlungen auf privatem Grund generell zulässig seien, griffen wir zu weit in das private Eigentumsrecht ein.

Ich komme zu den Arbeitskampfmaßnahmen. Die meisten Arbeitskampfmaßnahmen dürften nicht unter den Versammlungsbegriff fallen. Es besteht also kein Bedarf, insoweit etwas zu regeln. Wenn aber eine Arbeitskampfmaßnahme eine Versammlung ist, dann sehe ich keinen Grund, diese zu privilegieren oder schlechter zu behandeln, sondern sie ist so zu behandeln wie jede andere Versammlung.

Damit komme ich zum fünften und in meinen Augen kritischsten Punkt, dem Wegfall der Anzeigepflicht für Versammlungen mit weniger als 20 zu erwartenden Teilnehmern. Möchten Sie wirklich demjenigen, der verpflichtet ist, eine Versammlung anzumelden, in die Hand geben, zu sagen: Ich rechne mit 20 oder 30 oder 40 oder 50 Teilnehmern? Er weiß es doch überhaupt nicht. Im Zweifelsfall, wenn er diese Anzeigepflicht umgehen möchte, wird er die Zahl niedrig ansetzen und anschließend sagen: Ich habe ja nicht gewusst, dass es doch mehr werden.

Ich meine, das ist in der Praxis nicht sinnvoll. Dies ist aber auch inhaltlich nicht sinnvoll; denn es gibt Versammlungen, von denen eine Gefahr ausgeht. Ich sage ganz bewusst: Von den wenigsten Versammlungen geht eine Gefahr aus. Es gibt aber auch solche, von denen eine Gefahr ausgeht. Eine solche Gefahr hängt nicht von der Größe der Versammlung ab. 19 Extremisten sind gefährlicher als tausend friedlich demonstrierende Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte nicht, dass eine Gruppe von 18 oder 19 Extremisten, seien es Islamisten, Rechtsextremisten oder wer auch immer, ohne jedes Wissen der Behörden einen Auftritt in der Öffentlichkeit hat, nach Ihrer Regelung vielleicht sogar auf privatem Grund, ohne dass es irgendeine Möglichkeit gibt, dies kritisch zu begleiten. Mir ist völlig klar, dass dies kein Verbotsgrund ist. Darum geht es auch nicht. Es geht aber darum, dass möglicherweise Straftaten im Raum stehen und dass diese von der Behörde nicht verhindert werden können. Deswe

gen sage ich: Das Versammlungsgesetz, das CSU und FDP in dieser Legislaturperiode geschaffen haben, ist freiheitsorientiert und bürgerfreundlich. Dabei sollten wir es belassen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch. Wenden Sie sich nach links zu Frau Kollegin Stahl; von ihr folgt eine Zwischenbemerkung.

Herr Kollege, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Beispiel rechtsextremistischer Gruppen gebracht haben, die, ohne es öffentlich zu machen und anzumelden, durch die Straßen laufen wollen. Warum sollten sie das tun? – Gerade die Rechtsextremisten wollen die Öffentlichkeit; sie wollen das Polizeiaufgebot; sie wollen, dass es viele Zuschauer gibt; denn sonst bräuchten sie diese Versammlungen nicht durchzuführen. Sie verkennen schlicht und einfach die Realität, wie es tatsächlich läuft. Deswegen ist Ihre Sorge schlichtweg überflüssig.

Ein Weiteres. Ich danke, dass Sie Herrn Hanisch widersprochen haben. Tatsächlich ist es kein Grund, sollte man sich mit der Gruppenstärke vertun, um einen Aufmarsch, eine Versammlung oder eine sonstige Veranstaltung zu untersagen. Das möchte ich deutlich machen. Deshalb kommt es im Grunde genommen auf die Gruppenstärke auch gar nicht so an. Der einzige Grund, weshalb man diese Information will, ist vielleicht, dass sich die Behörden halbwegs darauf einstellen können. Die Behörden müssen aber sowieso abschätzen können, um welche Angelegenheit es sich handelt, ob sie wichtig oder nicht wichtig ist und wie groß die öffentliche Aufmerksamkeit sein wird.

Ich halte es für notwendig, dies zu erklären, da Sie selbst zwischen diesen beiden Begriffen "Anmeldung" und "Anzeige" hin- und hergesprungen sind. Das zeigt mir: Sie sind im Recht der Versammlungsfreiheit nicht sattelfest. Es gibt keine Anmeldungen mehr; es gibt nur noch Anzeigen. Es gibt keine Genehmigungen mehr. Ich meine, man kann durchaus ohne die Angstmacherei, die Sie zeigen, gut zu Potte kommen.

Zu den privaten Gärten. Ich habe die Verfassungsgerichtsentscheidung vorgelesen; ich habe sie zu Protokoll gegeben; jeder sollte es jetzt wissen. Der Punkt ist nicht. dass man die Regelung nicht bräuchte, weil sie schon drin steht, sondern man braucht sie, weil sich leider viele Landratsämter und kommunale Aufsichtsbehörden usw. und so fort nicht daran halten,

sondern die Leute mit Ordnungsrecht überziehen. Eine Lösung für Verdi habe ich bis heute nicht gehört.

Herr Kollege Fischer zur Erwiderung, bitte.

Frau Kollegin, ich möchte nicht auf all das eingehen, was ich schon ausgeführt habe. In aller Kürze: Zunächst einmal zeigt Ihr Beitrag, dass Sie keinerlei Ahnung von der Praxis haben, was extremistische Versammlungen betrifft. Es gibt sehr wohl extremistische Versammlungen, gerade von Rechtsextremisten, die es nicht darauf anlegen, vorher auf sich aufmerksam zu machen, sondern die überraschend auftreten wollen und gerade den Überraschungseffekt nutzen wollen. Sie zielen darauf ab, ohne Kenntnis der Behörde mit Bannern auftreten zu können, die möglicherweise einen volksverhetzenden Inhalt haben, worauf die Behörde dann erst im Nachgang reagieren kann.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

Ich meine sehr wohl, dass unsere Gesellschaft nicht nur den Schutz der Versammlungsfreiheit braucht, sondern dass sie auch Sicherheit braucht.

(Beifall bei der FDP)

Versammlungsrecht ist immer eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Unser Gesetz wahrt diese Balance; Ihr Gesetzentwurf wahrt sie nicht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Eine weitere Zwischenbemerkung erfolgt vom Kollegen Horst Arnold für die SPD-Fraktion.

Herr Kollege Dr. Fischer, das, was Sie eben genannt haben – der Missbrauch durch Nichtanmelden bzw. Nichtanzeigen –, betrifft die klassische Spontanversammlung. Dies ist in der Tat ein Fall aus der Praxis, der uns bekümmert. Wir haben so etwas in Fürth erlebt. Angeblich fand eine Spontanversammlung statt, weil in Dresden so ein großes Polizeiaufgebot war. Binnen weniger Stunden wurde von Neonazis eine Demonstration durchgeführt. Recht und Ordnung waren eingehalten, aber im öffentlichen Bereich gab es massenhaft Kritik. Wenn ich Ihre Ausführungen und Ihre Analyse, wie man dem beikommen kann, ernst nehme, müssten Ihre Ausführungen eigentlich dahingehend zu interpretieren sein, dass Sie die Spontanversammlung als solche unterbinden wollen. Das kann es unter Zugrundelegung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts doch wohl nicht sein.

Eine weitere Anmerkung zu Ihrer Gartenzwergmentalität, was den öffentlichen Raum angeht. Ich halte es schon für leicht untertrieben, das wichtige Thema des öffentlichen und des privaten Raumes auf den Vorgarten zu reduzieren. Sie machen sich eine Kleinteiligkeit zu eigen, die Ihnen eigentlich nicht zusteht. Es ist doch so, dass Flughäfen, dass Bäder, dass immer mehr Betriebe privatisiert werden und dass dadurch weite und breite Räume, in denen sich die Bevölkerung aufhält und wo man auch Interessen bekunden kann und soll, ausgenommen sind. Darum geht es, nicht aber um den Vorgarten. Kein Mensch wird das Eigentum beeinträchtigen. Im Übrigen ist das Eigentum immer noch sozialpflichtig. Sozial heißt auch, dass man miteinander lebt und auch Politik betreibt. Von daher teile ich Ihre Bedenken nicht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Fischer, zur Erwiderung.

Herr Kollege Arnold, ich habe Ihren Gesetzentwurf genau gelesen. Ich lese in diesem Gesetzentwurf nicht, dass Sie den privaten Raum, der öffentlich zugänglich ist, auf solche Fälle reduzieren wollen. Ich sehe, dass Sie allgemein jeden privaten Raum, der öffentlich zugänglich ist,

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

ins Gesetz aufnehmen wollen. Deswegen meine ich, dass es unredlich ist, jetzt Beispiele zu finden, die einen kleinen Ausschnitt bedeuten, aber den großen Ausschnitt, für den dies dann auch gilt, nicht zu akzeptieren. Deswegen meine ich, dass Ihr Argument schlicht und einfach nicht zielführend ist.

Herr Kollege, Sie haben etwas zu den Spontanversammlungen gesagt. Ich stelle mir die Frage, ob Sie vielleicht ein kleines Nachstudium des Versammlungsrechtes betreiben sollten. Sie müssten nämlich wissen oder könnten dann lesen, dass man auch für Spontanversammlungen einen Anlass braucht. Sie muss spontan sein. Man darf eben nicht im Internet Tage oder Wochen vorher dazu aufrufen. Es geht um die Fälle, in denen man Rechtsextremisten oder andere Extremisten aus ganz Deutschland herankarren will, in denen man wochen- und monatelang vorher darauf aufmerksam macht. Das kann man eben nicht als Spontanversammlung darstellen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das wissen wir doch!)

Deswegen ist Ihre Argumentation auch in diesem Punkt leider nicht zielführend.

(Horst Arnold (SPD): Die bayerische Polizei hat es genehmigt! Sagen Sie es dem Innenminister! Das hat die bayerische Polizei genehmigt!)

Ich kann Ihnen nur empfehlen: Studieren Sie das Versammlungsrecht. Dann würden Sie solche Beiträge nicht liefern.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 16/17107 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/17782 die Ablehnung des Gesetzentwurfs.

Wer dem Gesetzentwurf dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPDFraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Danke schön. Gegenprobe! – Danke schön. Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der FREIEN WÄHLERN. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf: