Sie haben davon gesprochen, regionale Differenzie rungen müssten vorgenommen werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich gehöre nicht zu denen, die jetzt mit dem Fleckenteppichvorwurf kommen, weil wir ja auch sonst unterschiedliche Tarifverträge haben. Ich beziehe mich aber auf den Standpunkt, den Kolle ge Muthmann immer wieder ausgesprochen hat: Wir brauchen regionale Tarife, damit wir regionalen Unter schieden gerecht werden. Das bedeutet nichts ande res, als dass insbesondere die FREIEN WÄHLER im Verein mit CSU und FDP einer Politik das Wort reden, wonach man im ländlichen Raum auch schlechtere Löhne zahlt.
Wenn wir jetzt auch noch das auf den Weg bringen, dann versetzen wir dem ländlichen Raum wirklich den Todesstoß; denn dann fällt auch noch das Argument der günstigeren Lebenshaltung dort weg.
Sie werden heute in der Diskussion diese Dinge nicht zugestehen. Sie sind aber alle klug genug, sie zu ver stehen. Die Diskussion um einen gesetzlichen Min destlohn ist eine andere als die Diskussion über die Tarifbindung, zu der ich uneingeschränkt stehe. Es ist die Frage, ob es eine absolute Untergrenze beim Wettbewerb um immer geringere Löhne gibt.
Dazu sagen wir – das sagen wir so lange, bis eine Änderung eingetreten ist und Sie sich bewegt haben: Der gesetzliche Mindestlohn ist die absolute Unter grenze, ist die Brandmauer gegen die Armut. Ein Staat, der sich Rechts- und Sozialstaat nennt, braucht diese Grenze.
Letztlich sollte es Ihnen sehr zu denken geben, wenn das "Handelsblatt" in dieser Woche berichtet, dass selbst die Führungskräfte der Wirtschaft mittlerweile überwiegend – 57 % - sagen: Ja, wir brauchen den Mindestlohn. Da wird von 8,88 Euro gesprochen. Das ist also noch höher als die 8,50 Euro. Minister Zeil – auch darüber haben wir gesprochen – hat noch nicht einmal für seine völlig restriktive Haltung bei der FDP eine Unterstützung bekommen. – Herr Huber freut sich darüber. Das ist gut so.
Ich habe gesagt, die Diskussion war aufschlussreich. Im Rahmen der Diskussion hat Kollege Bernhard ir gendwann gesagt: Es muss natürlich Schluss sein damit, dass wir Minilöhne durch Aufstockung unter stützen. Wieso sollen die öffentliche Hand sowie die Steuer- und Beitragszahler in Bayern im Jahr 300 Mil lionen Euro für die Aufstockung und 175 Millionen Euro für die Aufstockung derjenigen Minilöhne ausge ben, die Vollzeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer verdienen? Wenn Sie da angekommen sind, dass Sie das Problem erkennen, dann gestehen Sie letztlich uns zu, dass wir auf der richtigen Spur sind.
Sie werden auch hier nachgeben. Natürlich wird ein Mindestlohn in der nächsten Legislaturperiode kom men. Insofern kann ich eines sagen: Ich werde zwar gehen, aber der Mindestlohn wird dadurch nicht auf gehalten. Im Gegenteil, ich bin sicher: In diesem Haus wird er noch Gesetz werden. Wenn Sie heute aus Wahlkampfgründen noch einmal dagegenhalten, dann ist das das letzte Aufbäumen einer Koalition, die be hauptet, für die Menschen da zu sein, die aber den hart arbeitenden Menschen den Mindestlohn vorent halten will. Das lassen Ihnen die Wählerinnen und Wähler nicht mehr lange durchgehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor einer Stunde ist folgende Meldung gelaufen: Das Bundeskabinett beschließt den 13. Min destlohn für die Gerüstbauer in Deutschland in einer Größenordnung von 10 Euro pro Stunde. Ich finde dies aus zwei Gründen bemerkenswert:
Erstens widerlegt es, Kollege Dr. Beyer, die Behaup tung, wir täten nichts. Für 13 Branchen sind Mindest löhne bereits in Kraft. Davon stammen 10 aus der Re gierungszeit von Schwarz-Gelb, 3 aus der Zeit davor. Das heißt, wir haben die meisten Mindestlöhne tarifli cher Art in Gang gesetzt.
Zweitens ist zusätzlich bemerkenswert: Der Mindest lohn von 10 Euro liegt über dem, was Sie mit den 8,50 Euro beantragen. Das widerlegt die Behauptung, dass es richtig wäre, über alle Branchen und alle Re gionen einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn zu schaffen. Das wäre nicht nur ein Eingriff in die Markt wirtschaft von überdimensionaler, gefährlicher Art, sondern wäre auch ein falsches Instrument. Deswe gen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Wir haben jetzt 60 Jahre Marktwirtschaft. In dieser Zeit sind wir gut damit gefahren, dass die Lohnfestset zung nicht politisiert wurde, sondern in den Händen der Tarifvertragsparteien, der Arbeitgeber und der Ge werkschaften, liegt. Das hat dazu geführt, dass 1.500 Tarifverträge in Deutschland gelten. Sie haben ganz unterschiedliche, branchenbezogene Regelungen, die nicht nur den Lohn, sondern auch viele Arbeitsbedin gungen betreffen. Dieses Instrument hat sich heraus ragend bewährt. Das sollte der Staat nicht kaputt schlagen.
Wir wollen einer Fehlentwicklung nicht einfach zu schauen. In der Analyse haben Sie recht; da unter scheiden wir uns gar nicht. Es gibt leider viel zu viele Bereiche bei Arbeitgebern, die aus der Tarifbindung ausgestiegen sind. Es gibt wenige Bereiche, in denen überhaupt keine Tarifverträge vorliegen.
Immer mehr Einzelunternehmen steigen mehr oder weniger aus den Tarifverträgen aus, damit möglicher weise Dumpinglöhne gezahlt werden, also in der Tat nicht gerechtfertigte niedrige Löhne. Das kritisieren wir genauso wie Sie. Wir rechtfertigen es nicht. Hier handelt es sich aber nicht nur um einen sozialpoliti schen Missstand, sondern auch um einen Missstand beim Wettbewerb. Wir wollen nicht, dass sich derjeni ge, der sich an Tarifverträge hält, im Wettbewerb schlechter steht als der, der sich um nichts schert.
Es gibt eine ganze Reihe von Ansätzen, dies zu än dern. Ich brauche die Analyse nicht weiter auszufüh ren.
Aber was ist unser Ansatz? Wir setzen auf Tarifverträ ge. Wir wollen das Mittel der Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge, wie es auch in den genannten Min destlohnregelungen enthalten ist, wieder mobilisieren. Durch die vorgeschriebene Quote ist heutzutage in den Tarifverträgen die Bindungswirkung leider nicht mehr so wie in der Vergangenheit. Sie ist nicht mehr so, wie wir sie eigentlich wollen.
Sie setzen an die Stelle der Tarifverträge eine gesetz liche Festlegung, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Der soll politisch festgelegt werden. Aber er führt dazu, dass wir einen Überbietungswettbewerb bei Löhnen bekommen.
- Wir erleben es doch. Die Linke sagt: 8,50 Euro rei chen nicht; gehen wir doch auf 10 Euro. Andere sagen, es müssten 11 Euro sein. Es wäre verhängnis voll, wenn Wahlkämpfe mit derartigen Aussagen zu Mindestlöhnen geführt würden.
Deshalb besteht der Weg, den wir einschlagen wol len, darin, dass die Allgemeinverbindlichkeit von Tarif verträgen wiederhergestellt wird. Dazu muss das Bun desrecht geändert werden. Dazu sind wir bereit.
Erstens. Wir haben bisher für 13 Branchen bereits ge handelt, zum Beispiel beim Bau, bei der Paketzustel lung, bei der Zeitarbeit.
Zweitens. Wir haben im Regierungsprogramm und auch im Bayernprogramm die klare Aussage: Wir wer den die tariflichen Mindestlöhne sehr schnell umset zen.
Damit stärken wir übrigens die Gewerkschaften. Sie von der SPD-Fraktion dagegen würden mit Ihrem Ge setzentwurf die Gewerkschaften zum Teil entmündi gen.
Wir stärken die Gewerkschaften, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, Tarifverträge abzuschließen, die wir dann für allgemeinverbindlich erklären.
Das, was ich abschließend sagen möchte, geht spezi ell an Ihre Adresse, Herr Kollege Beyer: Ich bedanke
mich – auch im Namen der CSU-Fraktion – bei Ihnen für die gute, kollegiale Zusammenarbeit sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum. Sie sind bei uns als kompetenter, sozial eingestellter, aber auch wirt schaftlich klar orientierter Kollege anerkannt und ge schätzt. Wir bedauern es, dass Sie aus dem Landtag ausscheiden. Dass das die SPD schwächt, bedauern wir nicht. Wir wünschen Ihnen alles Gute als Profes sor an der Technischen Hochschule Nürnberg und werden nicht zögern, ein Rechtsgutachten bei Ihnen in Auftrag zu geben, wenn wir es brauchen. Aber ein Abschiedsgeschenk im Sinne der Zustimmung zu Ihrem Gesetzentwurf kann ich Ihnen leider nicht ma chen.
Vielen Dank, Herr Kollege Huber. – Für die FREIEN WÄHLER hat sich Alexander Muthmann gemeldet. Bitte schön.
Sehr ge ehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der SPD, uns eint ein Ziel – ich sage es an dieser Stelle zum wiederholten Male: Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können.
Aber schon die erste Schlussfolgerung, die Sie zie hen, mit einem gesetzlichen, einheitlichen, flächen deckenden, branchenübergreifenden Mindestlohn wäre dieses Problem zu lösen, ist falsch. Es führt auch nicht weiter, in diesem Zusammenhang den Blick immer nur auf die wirtschaftsschwächeren Re gionen zu lenken. Wenn man das Ziel formuliert, dass es den Menschen möglich sein muss, von ihrer Arbeit zu leben, dann muss man auch in die teuersten Re gionen schauen und entsprechende Antworten finden.
Im Zusammenhang mit dem Systemwechsel hin zu regionalen und branchenspezifischen Tarifverträgen spricht Kollege Huber immer von 1.500 Tarifverträ gen; tatsächlich gibt es in der Bundesrepublik mittler weile circa 68.000 verschiedene Tarifverträge, von denen immerhin 506 für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Das sind viel zu wenige, weswegen wir beispielsweise die Forderung erhoben haben, die Vo raussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu reduzieren, um damit größere Breitenwirkung zu entfalten. Es darf nicht sein, dass sich einzelne Arbeitgeber der Bindung an ihre jeweili gen Verbände und damit der Tarifbindung entziehen. Dass es differenzierte Regelungen geben muss, ist klar. Es ist auch unser Ziel, insoweit eine Verbesse rung der Gesamtsituation zu erreichen.
Schon bei der Ersten Lesung haben wir die Frage ge stellt, ob verschiedene Einzelregelungen überhaupt erforderlich sind. Auch bei einem so sensiblen Thema darf ich an den Grundsatz erinnern: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu beschließen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu beschließen. – Von daher ergibt sich eine ganze Reihe von Fragen.
In Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzentwurfs werden auch die kommunalen Arbeitgeber zur Zahlung des gesetz lichen Mindestlohns verpflichtet. Dem Umstand, dass wir in den vergangenen Jahren im kommunalen Be reich eine Flucht in das Privatrecht zu verzeichnen hatten, wollen Sie mit Artikel 3 Absatz 2 Rechnung tragen. Es stellt sich jedoch die Frage: Gibt es inso weit überhaupt Missstände, um solch eine Regelung rechtfertigen zu können?
Die Lösung, die in Artikel 3 Absatz 3 des Gesetzent wurfs angeboten wird, ist aufwendig und bürokratisch. Demnach sollen Empfänger von Zuwendungen des Freistaates nachweisen, dass die bei ihnen beschäf tigten Arbeitnehmer den Mindestlohn erhalten und dass bestimmte Arbeitsbedingungen eingehalten wer den.
Es gibt eine Vielzahl von Zuwendungsempfängern. Dazu gehören private Vereine und Organisationen verschiedenster Art, von denen viele ehrenamtlich ge führt werden. Wir können ihnen dankbar sein, dass sie dieses oder jenes Projekt realisieren. Schon heute beklagen sie den hohen Aufwand und hohe Verfah renshürden, die es manchem Verein verleiden, sich überhaupt in das Zuschussverfahren zu begeben und Projekte zu realisieren. Wir sollten ihnen nicht abver langen, weitere Nachweise zu führen, um an staatli che Zuwendungen zu kommen. Andernfalls wäre das ein Beleg dafür, dass man Verfahren immer noch auf wendiger gestalten kann, ohne inhaltlich bzw. in der Sache weiterzukommen.
Kollege Beyer hat in verschiedenen Debatten und vor allem in der Ersten Lesung darauf hingewiesen, dass es zu dieser Thematik zwar viele gesetzliche und tarif vertragliche Regelungen gibt – ich nenne nur das Ar beitnehmerentsendegesetz -, dass diese aber oft un terlaufen werden; zumindest besteht ein entsprechender Verdacht. Sollte das der Fall sein, haben Sie uns an Ihrer Seite, wenn es um die Be kämpfung solcher Verstöße geht. Wenn aber nach der Feststellung, dass eine verbindliche Regelung nicht beachtet wird, die Lösung darin gesucht wird, eine weitere gleichgeartete Regelung nachzuschie ben, dann ist das nicht geeignet, Missstände, das heißt das Nichtbeachten gesetzlicher oder tarifvert raglicher Regelungen, die zugunsten der Arbeitneh mer vereinbart worden sind, zu unterbinden. Mehr
Im Übrigen darf ich mich den Wünschen des Kollegen Huber anschließen. Herr Dr. Beyer, wir werden Sie ob Ihrer interessanten Debattenbeiträge vermissen. Ihnen persönlich alles, alles Gute!