Protocol of the Session on July 16, 2013

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es richtig, dass die Bundesjustizministerin von ihrem amerikanischen und ihrem britischen Kollegen eine Erklärung gefordert hat und dass das Thema für den Rat der nächsten Konferenz der Justiz- und der Innenminister angemeldet worden ist, um die Sache zu erörtern. Ich sage aber auch deutlich: Von manch anderem hätte ich mir noch klarere Worte erhofft.

(Beifall bei der FDP)

Von mir wird es an dieser Stelle keinen Kniefall vor den Vereinigten Staaten geben. Ich erwarte von den Vereinigten Staaten die klare Zusage, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Wo seid ihr denn auf Bundesebene?)

Das Nächste, was ich zur internationalen Ebene sagen möchte: Wir müssen unbedingt eine neue Verabredung zum Datenschutz treffen. Fakt ist: Im Bereich Datenspionage gibt es keine völkerrechtlich anerkannten Standards wie bei Folter, Sklaverei oder Diskriminierung. Es gibt kein Gesetz, das den Datenschutz weltumspannend regelt. Das ist Sache der Einzelstaaten, und das müssen wir ändern.

(Beifall bei der FDP)

Der zweite Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist die Forderung nach Transparenz. Das betrifft uns. Wir müssen Transparenz herstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen nicht von ausländischen Geheimdiensten ausgespäht werden und dass Vertrauen zurückgewonnen wird. Das erfordert Aufklärung: In welchem Umfang und von wem sind Daten erhoben worden?

Ich beziehe hier ausdrücklich den Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz ein. Ich will wissen, welche US-Unternehmen in Bayern und welche Unternehmen mit amerikanischen Konzernmüttern oder -töchtern in welchem Umfang Daten bayerischer Nutzer an die NSA weitergegeben haben. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes schuldig.

(Beifall bei der FDP)

Damit komme ich zum dritten Punkt: Was müssen wir nach der umfassenden Aufklärung tun? Wie können wir den Weg zum gläsernen Bürger verhindern? Da ist leider die Haltung vieler: Wenn wir ungeheuer viele Daten haben, sind wir besser gegen terroristische Gefahren gewappnet. – Das ist ein Irrglaube. Je größer der Heuhaufen ist, desto schwieriger ist es, die Stecknadel darin zu finden.

(Beifall bei der FDP)

Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertigt es eben nicht, grundlegende Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger sowie ihr Recht auf Privatheit aufzugeben, nur weil der technische Fortschritt dies heute leicht zulässt. Deswegen geht es für mich nicht nur um die Frage, ob die deutschen Geheimdienste mitgewusst oder gar mitgemacht haben; es geht auch um die Frage, was wir in unserem Land, in unserer Rechtsordnung tun, um den Weg zu immer mehr Überwachung zu verhindern.

(Beifall bei der FDP)

Solange wir diesen Weg im eigenen Land nicht stoppen, bleiben alle Beteuerungen auf internationaler Ebene Lippenbekenntnisse. Deswegen freue ich mich

besonders über die Signale aus den Reihen unseres Koalitionspartners, dass man die Vorratsdatenspeicherung infrage stellt. Es ist der richtige Weg, die Speicherung von Daten auf den Prüfstand zu stellen, wie es die Verbraucherschutzministerin tut. Das ist etwas, wozu ich nur gratulieren kann.

(Beifall bei der FDP)

Denn eines sollte als Prinzip stets klar sein: Sicherheit ist im demokratischen Staat kein Selbstzweck, sondern dient immer nur der Sicherung von Freiheit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Chris- ta Stewens (CSU))

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Jürgen Heike von der CSU das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Momentan ist Wahlkampf; man merkt es an den aufgeregten Reaktionen in einer Sache, die – das möchte ich am Anfang sehr deutlich sagen – einfach noch nicht genügend aufgeklärt ist. Wir alle miteinander im Haus fordern lückenlose Aufklärung – so habe ich es jedenfalls bisher verstanden –, damit wir wissen, was wirklich passiert ist. Was wir im Moment noch erleben, ist ein Stochern im Nebel; ich halte das nicht für sehr glücklich.

(Zuruf von den GRÜNEN: Dank der Bundesregie- rung!)

Frau Kamm, etwas mehr Gelassenheit täte Ihnen gut. Aber das wird heute wieder die Schwierigkeit im Umgang mit Ihnen sein.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich über eine Sache diskutiere, möchte ich wissen, worum es genau geht.

Was Sie uns vorhin gesagt haben, war eigentlich nur ein – Entschuldigung! – Dahergerede. Sie fordern Aufklärung und verlangen Konsequenzen. Aufklärung wollen wir alle. Aber was ist der konkrete Inhalt Ihrer Darlegungen? Was konkret fordern Sie schon heute?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wissen, was die Regierung weiß!)

Warten wir doch erst einmal ab, bis wir wissen, was wirklich gewesen ist.

Die Sache hat übrigens zwei Seiten: Auf der einen Seite steht in unserer Verfassung, dass Schaden von Staat und Bürgern abzuwenden ist. Dazu gehört aber

auch die Nutzung der geheimdienstlichen Erkenntnisse. Dass es mit der Nutzung nicht so gehen kann, wie es gegenwärtig vermutet wird, räumen wir ein; insoweit sind wir einer Meinung.

(Horst Arnold (SPD): Also Schaden!)

Umgekehrt muss ich aber auch sagen – Kollege Arnold, Sie haben es vorhin ja gesagt –: Das für mich Entscheidende ist etwas völlig anderes, nämlich die Güterabwägung: Was muss ich hinnehmen, und was kann ich nicht mehr hinnehmen? Ich muss hinnehmen, dass Kontrollen möglich sind. Denken wir an die Sauerland-Geschichte. Das waren Nachrichten – das ist inzwischen festgestellt, Kollege Arnold – aus dem FBI und aus der NSA. Ich hätte Sie einmal erleben und hören mögen, was Sie uns erzählt hätten, wenn wir diese Informationen nicht genutzt hätten.

Die Sicherheit des Bürgers ist in körperlicher Hinsicht wichtig – das ist völlig richtig –, auf der anderen Seite natürlich auch die Unversehrtheit seines eigenen Lebensbereichs. Das ist in Ordnung. Wir wollen gegen die Verletzung dieser Unversehrtheit auch durchaus vorgehen. Wenn der Bürger das Recht auf Sicherheit hat, so gilt dies sowohl hinsichtlich körperlicher Unversehrtheit als auch hinsichtlich der Grundrechte und der Integrität seines Hauses, seiner Räumlichkeiten und Ähnlichem. Wir wollen nicht nur sagen: Ja, wir machen jetzt etwas, und wir fordern dieses und jenes. Frau Kollegin Kamm, genau das hat bei Ihnen gefehlt. Das waren Plattheiten; da war nichts an Substanz vorhanden. Mit der Forderung eines Untersuchungsausschusses ändern Sie überhaupt nichts. Wir müssen jetzt handeln. Es war richtig, dass Innenminister Friedrich sofort nach Amerika gefahren ist und dort klargemacht hat, dass das von uns nicht hingenommen wird.

(Inge Aures (SPD): Das war doch eine Lustreise! Er hat doch nichts erreicht!)

Ich sage Ihnen dazu ganz deutlich: Wir werden dieses Thema in absehbarer Zeit immer wieder auf den Prüfstand stellen. Wenn wir dann die Unterlagen und Informationen haben, bin ich gerne bereit, mit Ihnen zu reden. Indem Sie aber schon vorher reden, machen Sie den Leuten Angst. Im Grunde genommen schützen Sie damit die Bürger nicht, sondern Sie verunsichern sie.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass beim nächsten Tagesordnungspunkt 2 zur Listennummer 240 eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Ich gebe diese

Information rechtzeitig vorher bekannt, damit Sie sich darauf einstellen können. Im weiteren Verlauf findet bei Tagesordnungspunkt 3 die Wahl der berufsrichterlichen Mitglieder des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes statt. Auch dazu ist Anwesenheit erforderlich.

Jetzt kommen wir zum nächsten Redner, zu Professor Dr. Michael Piazolo von den FREIEN WÄHLERN. Herr Dr. Piazolo, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich weiß, dass Sie sich in den letzten Jahren häufiger darüber geärgert haben, dass aus Kabinettssitzungen und aus CSUVorstandssitzungen Nachrichten schneller draußen waren, als Sie sie der Presse verkünden konnten. Sie haben wahrscheinlich jeweils Schmutzeleien der eigenen Leute vermutet. Ich glaube inzwischen: Das waren die Amerikaner.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass die Amerikaner so an den CSU-Vorstandssitzungen interessiert sind – aber wer weiß.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wiki-Seehofer!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Wir FREIE WÄHLER verschlüsseln unsere Vorstandssitzungen; kein Amerikaner bekommt mit, was da passiert.

(Alexander König (CSU): Zumindest kann man euren Kurs nicht abhören! - Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte das aber nun wirklich nicht ins Lächerliche ziehen; denn das, was passiert ist, ist sehr ernst. Es geht um die ursprünglichen Rechte unserer Bevölkerung. Es handelt sich – man kann dies nicht oft genug wiederholen – um Grundrechtseingriffe. Es geht um das Recht auf Privatheit. Das möchten alle Bürger geschützt wissen. Das ist ein ursprüngliches Recht.

(Alexander König (CSU): Da sind wir uns einig!)

- Da sind wir uns wirklich einig, Herr König. Es geht um ein grundlegendes Menschenrecht, nämlich um den Schutz vor Eingriffen des Staates. Durch das Ausspähen auch ihres Intimsten werden die Menschen zu Objekten herabgewürdigt. Da muss der Staat handeln. Das sind wir unseren Bürgern schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Nur: Diese Grundrechte gelten für unsere Bürger gegenüber dem eigenen Staat, und auch die rechtsstaatlichen Mittel gehen in diese Richtung. Wenn das die Bundesrepublik Deutschland tut, können wir mit den entsprechenden Rechtsmitteln dagegen vorgehen.

Die zweite und schlimmere Dimension ist aber: Es handelt sich nicht um ein Agieren des eigenen Staates, sondern es handelt sich um einen Angriff eines fremden Staates. Spionage – darauf wird immer rekurriert – findet normalerweise gegenüber anderen, fremden Staaten statt, aber nicht unbedingt gegenüber fremden Bürgern. Hier geht es um grenzüberschreitende Überwachung von Menschen. Die Amerikaner haben die Deutschen überwacht, und das geht unter Freunden überhaupt nicht. Da hilft auch nicht ein einfacher Satz "Man tut das unter Freunden nicht", sondern das muss entschieden deutlich gemacht werden. Das vermisse ich sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der Bayerischen Staatsregierung.