Protocol of the Session on June 12, 2013

Behördenverlagerungen als eine Möglichkeit, auch in ländlichen Regionen zusätzliche Impulse zu setzen, fehlen ebenso wie der gesamte Themenbereich Bildung. Aus wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Sicht und aus Sicht der Unternehmer war diese Regierungserklärung denen der letzten Jahre sehr ähnlich und insgesamt enttäuschend.

Denken Sie bitte an das Ende Ihrer Redezeit.

Ich fasse zusammen: Beim Hochwasserschutz versichern wir Ihnen unsere Unterstützung hinsichtlich dessen, was Sie an Hilfen angekündigt haben. In der Wirtschaftspolitik müssen wir einiges neu steuern und verändern. Ich denke, das wird in einem Wirtschaftsministerium, das nicht von der FDP verantwortet wird, besser gehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als Nächster hat Herr Dr. Runge für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Nachdem die

Redezeit schon verlängert worden ist, gehe ich davon aus, dass wir es schaffen, uns in dieser verlängerten Redezeit zu bewegen und nicht diese Redezeit noch einmal zu verlängern. Das war jetzt nicht an die Adresse von Herrn Dr. Runge gerichtet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Zeil und – der Etikette folgend selbstverständlich auch – Herr Ministerpräsident Seehofer! Dass aktuell die Hochwasserkatastrophe und der Umgang mit dieser als Thema der Regierungserklärung gewählt worden sind, ist plausibel. Es ist legitim, und es ist selbstverständlich auch naheliegend. Ein kleines Fragezeichen sei uns allerdings schon erlaubt. Dass dann Sie, Herr Wirtschaftsminister, diese Regierungserklärung abgeben, nicht der Umweltminister oder der Finanzminister – es ging ja sehr stark um Hilfen – oder möglicherweise auch der Innenminister, sei garniert mit einem Fragezeichen. Sie können das selbstverständlich auch so interpretieren, dass wir liebend gerne mit Ihnen eine viel längere Debatte zur Wirtschaftspolitik an sich geführt hätten. Aber vielleicht hat es so sein müssen, weil Sie als Wirtschaftsminister gerade turnusgemäß – –

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Herr Zeil ist stellvertretender Ministerpräsident!)

Aber der Herr Ministerpräsident ist ja anwesend. – Diese Ansage von Ihnen hat jetzt nicht getroffen. Vielleicht ist es turnusgemäß oder vereinbarungsgemäß so gewesen. Sei es drum.

(Thomas Hacker (FDP): Aber der Ministerpräsident hat bei unserer Aktuellen Stunde gesprochen!)

Was das Handeln der Politik anbelangt, so sind solche Geschehnisse zweifelsohne Stunden der Exekutive. Da gibt es gar kein Vertun. So gesehen, haben Sie, Herr Ex-Minister Huber, auch zweifelsohne recht mit ihrer Kommentierung der Bemerkung eines aktuellen Wahlkämpfers.

Jetzt sind zunächst erst Hilfe, Aufräumen, Unterstützung, Schadensbewältigung angesagt, und selbstverständlich geht auch von unserer Seite der herzliche Dank an alle Retter und Helfer, an diejenigen, die es beruflich getan haben, und auch an diejenigen, die es im Ehrenamt, in einer Organisation oder auch ganz individuell gemacht haben. Also auch von unserer Fraktion: Herzlichen Dank!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstverständlich geht es auch darum, dass wir uns nach der aktuellen Hilfe und nach dem Versuch der

Schadensbewältigung, welcher hoffentlich gut gelingt, Gedanken darüber machen, wie sich die Auswirkungen solcher Ereignisse verringern lassen, welche Präventionsmaßnahmen getroffen werden können und müssen. Es heißt ja immer "Jahrhunderthochwasser". Jetzt ist es das vierte derartige Hochwasser innerhalb von nur 14 Jahren. – 1999, 2002, 2005 und jetzt bedauerlicherweise wieder. – Damit sind wir beim Thema Hochwasserschutz angelangt. Sicherlich gilt es zum einen, Deiche zu sanieren, Deiche zu verstärken. Wichtig ist unserer Meinung nach aber vor allem, dass wir uns der Thematik des ökologischen Hochwasserschutzes widmen. Denn wir müssen auch immer bedenken, dass ein Vorankommen beim technischen Hochwasserschutz vor Ort viel zu oft die Situation der Unterlieger wieder verschärft.

Ökologischer Hochwasserschutz heißt vor allem, Ausweitungsmöglichkeiten für das Wasser in die Fläche zu schaffen, also Retentionsflächen, Auwälder, weniger Versiegelung. Die Versiegelung ist wesentlich für die hohe Geschwindigkeit der Hochwasserwellen verantwortlich, wie sie aktuell erlebt werden müssen. Selbstverständlich müssen wir auch unbedingt von der Drainierung von Mooren wegkommen und auch endlich in Richtung Klimaschutz umsteuern. Stichworte hierzu sind ja heute schon gefallen. Das sind die Energiewende und auch die Verkehrswende.

Damit komme ich zum ursprünglich geplanten Thema Ihrer Regierungserklärung, nämlich zur Wirtschaftspolitik, wobei ich schon noch einmal an Ihre Ausführung zu Anfang anknüpfen will. Starkregenereignisse, Überschwemmungen, Hochwasserkatastrophen und ähnliche Dinge gehören ins Feld der ökologischen Krisen. Wir sind unter anderem mit dem Klimawandel und seinen dramatischen Auswirkungen konfrontiert. Wir sind mit der Verknappung und, damit zusammenhängend, auch der Verteuerung wichtiger Rohstoffe, vor allem der fossilen Energieträger, konfrontiert.

Gleichzeitig erleben wir Signale für die Brüchigkeit und Fragwürdigkeit unseres Wirtschaftens und unserer Wirtschaftsweise in anderen Feldern. Das Finanzmarktdebakel, vor einigen Jahren in seinen Auswirkungen aufgeschlagen, ist immer noch spürbar. Oder die sogenannte Eurokrise. Herr Minister, Sie haben ausgeführt, andere Länder trügen Schuldenberge vor sich her. Es ist ja nicht so, dass Deutschland schuldenfrei wäre. Nicht einmal in Bayern sieht die Situation rosig aus, wenn wir uns die versteckten Schulden anschauen. Auch das ist, denke ich, hoch dramatisch, und es ist noch viel zu tun. Ihnen fällt dann – heute wie ganz generell – immer nichts anderes ein als ein "Weiter so wie bisher", als ein Träumen von der Garantie stets immenser Wachstumszahlen.

Wir halten das für einen Fehler und meinen: Hier muss unbedingt umgesteuert werden. Deutschland und vor allem Bayern sind wirtschaftsstark. Das ist überhaupt keine Frage. Das hat vielerlei Gründe. Unter anderem – das haben Sie, Herr Minister Zeil, richtigerweise ausgeführt – ist dies die Vielfalt beispielsweise bezüglich der Branchen, die Vielfalt bezüglich der Sektoren, die Vielfalt aber auch, was die Unternehmensstrukturen an sich anbelangt. Wir haben kleine, mittlere und große Unternehmen, wir haben eigentümergeführte Unternehmen und Kapitalgesellschaften. So ist das in unseren Augen auch sinnvoll. Das gilt es zu erhalten. Wir wollen, dass Bayern als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig bleibt. Da bin ich noch einmal bei unserer Ansage: Wir sagen: Dass die Krisen in letzter Zeit häufig und so geballt aufgeschlagen sind, zeigt, dass ein Umsteuern nottut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kernziele müssen sein: Energiewende, Klimaschutz, sozialer Ausgleich, Verteilungsgerechtigkeit und vieles mehr.

Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen, wo die Zuständigkeiten für die Wirtschaftspolitik im engeren Sinne liegen, ist auch bekannt, nämlich nicht bei den Ländern. Aber selbstverständlich kann und muss die Landespolitik auch daran mitwirken, dass ein Land als Wirtschaftsstandort zukunftsfähig ist, dass auf Sektoren und Strukturen gesetzt wird, die weiterhin eine gute Wertschöpfung erlauben oder zumindest versprechen. Dabei kann es sich mitnichten nur um die von Ihnen ausführlich geschilderte Digitalisierung handeln.

Ganz wesentlich kann die Landespolitik, was das Wirtschaften und die Wirtschaft anbelangt, durch entsprechende Rahmensetzung steuern. Das gilt beispielsweise für die Bildungspolitik, für die technische Infrastruktur, für die Verkehrsinfrastruktur. Dazu haben wir heute, selbstverständlich auch der engen Zeitschiene geschuldet, von Ihnen deutlich zu wenig gehört.

Wir meinen, in den genannten Feldern gibt es in Bayern gravierende Defizite, gab es bedauerlicherweise viel zu große Versäumnisse. Es gibt immer noch viel zu viele Schul- und Studienabbrecher; gleichzeitig droht ein Fachkräftemangel, droht ein Ingenieurmangel.

Wenn wir uns einmal die Verkehrsinfrastruktur anschauen – über das Breitband ist hier ausführlich gesprochen worden –, wenn wir uns beispielsweise die Staatsstraßen anschauen – wir wissen, das ist jetzt nicht Ihr Beritt; hier ist das Innenministerium zuständig –, so ist ganz klar festzuhalten: Der Unterhalt leidet

große Not, an Neubauprojekten wird viel zu viel geplant, vor allem werden viel zu viele versprochen. Die Versprechungen können dann nicht eingehalten werden, aber auch das, was dann tatsächlich realisiert wird, ist oft viel zu großspurig. Im Wirtschaftsausschuss behandeln wir häufig Petitionen von Bürgermeistern und Landräten, die sagen: Wir brauchen kein großartiges Überwerfungsbauwerk, sondern es reicht ein kleiner Kreisel; er wäre viel einfacher, und wir hätten mehr Geld übrig. Ich nenne hier nur, gerichtet an den früheren Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Wertingen.

Was die Schiene betrifft, Herr Minister, so sieht es im Fernverkehr desaströs aus. Selbstverständlich ist Bayern, anders als es Herr Huber glauben machen wollte, da nicht unbeteiligt; denn es ist ja die Bayerische Staatsregierung, die immer ein Wunschkonzert anmeldet, was den Bundesverkehrswegeplan anbelangt. Gleichzeitig kommen wichtige Projekte nicht voran. Stichwort: München – Mühldorf – Freilassing. Oder ein anderes Beispiel: die Elektrifizierung der Strecke von Regensburg nach Hof oder jetzt auch München – Lindau.

Im Schienenpersonennahverkehr liegt hier die originäre Zuständigkeit. Wir können Beispiele herausbrechen. Für Franken ginge das genauso, aber weil es aktuell schon angesprochen worden ist, nenne ich die Fortführung der Beschlüsse zum Bahnknoten München vor einigen Jahren. Teilweise war in unseren Augen Unfug dabei; aber insgesamt muss man konstatieren, dass nichts, aber auch gar nichts vorangeht. Das große Projekt innerhalb dieses Bündels – Sie wissen schon, was ich meine – hätte 2010 in Betrieb sein sollen; jetzt befindet man sich immer noch in der Planung.

Nun kommt etwas Aktuelles, was ausschließlich in der Zeit Ihrer Verantwortung liegt: das Sofortprogramm, welches Sie im Mai 2012 verkündet haben, ein 13Punkte-Programm. Es heißt, wie gesagt, "Sofortprogramm". Auch diesbezüglich ist überhaupt noch nichts passiert. Sendlinger Spange, Knoten Westkreuz, Erweiterung der LZB – LZB heißt Linienzugbeeinflussung – von Pasing Richtung Westen, Wendegleis Weßling, Haltepunkt Poccistraße –. Bei all diesen Punkten, die Sie versprochen haben, ist nichts, aber auch gar nichts vorangegangen. Die Titulierung "Ankündigungsminister" ist noch relativ milde gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Huber, jetzt darf ich Sie wieder einmal ansprechen, ich mache das immer gerne.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Ihr versteht euch gut!)

- Wir verstehen uns blendend, seit er nicht mehr Minister ist.

Sowohl für den Fernverkehr als auch für den Schienenpersonennahverkehr habe ich konkrete Projekte genannt, hinter denen wir alle stehen, die wir alle realisiert wissen wollen. Die Ausnahme ist nur die Röhre, die hatte ich aber namentlich gar nicht genannt. Das zeigt, dass wir selbstverständlich auch für Beton sind. Wir sind auch für Köpfe. Wir wollen in Beton und in Köpfe investieren.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Betonköpfe!)

- Genau, da sind Sie der richtige Adressat! Wir reiben uns gerne an Betonköpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Verkehrsinfrastruktur wären dringend eine Bestandsaufnahme, ein Kassensturz und dann eine vernünftige und ehrliche Prioritätensetzung angesagt. Ebenso wichtig ist eine ehrliche Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Herr Minister Zeil, auf diesem Sektor können wir Ihnen den Vorwurf nicht ersparen: Sie haben nichts zustande und auch nichts vorangebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sagen: Wichtig für die Zukunftsfähigkeit eines Wirtschaftsstandorts sind auch auskömmliche Arbeitsentgelte. Herr Kollege Beyer, ich hatte erwartet, dass Sie das Thema ansprechen. Sie mussten sich aber trotz der Redezeitzugabe zeitlich beschränken. Zu auskömmlichen Arbeitslöhnen könnte auch der Freistaat Bayern beisteuern. Deswegen ist es in diesem Zusammenhang aus unserer Sicht mehr als bedauerlich, dass Anträge auf Neuauflage einer Tariftreueregelung in und für Bayern und Anträge auf eine bayerische Mindestlohnregelung hier im Landtag keine Mehrheit gefunden haben.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Aus gutem Grund!)

Auch das gehört in unseren Augen im weitesten Sinne zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Bayern. Wir werden genauso wie die Sozialdemokraten immer wieder nachhaken und nachfassen, damit wir bei den Mindestlöhnen weiterkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit bin ich wieder bei einem Thema, bei dem es auch um Geld geht. Wenn wir beim Geld sind, kann

ich den Bogen wieder zur Hochwasserkatastrophe schlagen. Hilfe kostet aktuell sehr viel Geld. Der Hochwasserschutz wird sehr viel Geld kosten. Selbstverständlich wird auch der Klimaschutz Geld kosten. Da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen. Das heißt, der Staat, die öffentliche Hand braucht Geld. Gerade in Krisenzeiten dürfen und wollen wir uns keinen schwachen, weil finanziell geschwächten Staat leisten. Deswegen ist Ihre Kritik – das geht vor allem Sie an, Herr Hacker – an unseren Forderungen nach höheren Steuern für sehr gut Verdienende und sehr Vermögende alles andere als angebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sollten sich unseren Forderungen anschließen.

(Alexander König (CSU): Rot-grüne Steuererhöhung! Das ist alles, was euch einfällt!)

Andernfalls versprechen Sie hier nur ein Wolkenkuckucksheim. Das, was Sie hier praktizieren und was nicht allein dem Wahlkampf geschuldet ist, ist unredlich.

Ein letzter Satz, denn ich will noch ein bisschen Redezeit für unseren neuen, geschätzten Kollegen Reiner Erben offenhalten. Ein letzter Satz in diesem Zusammenhang: Herr Huber, Sie haben in Ihrer Rede im Zusammenhang mit Aussagen zu den Steuern eindringlich vor Rot-grün gewarnt, obwohl das mit dem Thema gar nicht so sehr zusammenhing. Ich vermute, dass Herr Huber neidisch oder besorgt war. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Die vorletzte Bundesregierung war die Regierung, die in dieser Republik für die größte Steuererhöhung aller Zeiten gesorgt hat, zum einen durch die Einführung der Reichensteuer, zum anderen aber durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 % auf 19 %. Das hat alle, auch die kleinen Leute, die nicht so viel Geld haben, belastet und betroffen.

(Thomas Hacker (FDP): Und da wollen Sie eins oben draufsetzen?)