Protocol of the Session on June 12, 2013

Es ist gut, dass wir eine neue Debatte anstoßen können, aber nicht mit dem Ziel des Festhaltens am Status Quo. Deswegen gibt es von uns ein Nein zu dem Antrag der FREIEN WÄHLER und eine Enthaltung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen.

Wir haben eigene Anträge zur Veränderung der dualen Ausbildung eingebracht und werden darüber auch im Bildungsausschuss beraten. In einem Punkt unterscheidet sich die Position unserer Fraktion klar von der bisherigen Regelung in der Handwerksordnung: Wir brauchen im dualen System eine Modularisierung. Das würde in vielerlei Hinsicht Nutzen bringen. Deswegen werden wir uns zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen der Stimme enthalten.

Sehr geehrte Damen und Herren, nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Das weiß vielleicht auch das Handwerk. Deshalb halte ich es nicht nur anlässlich dieser EU-Empfehlung, sondern auch angesichts der Verpflichtung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts für legitim, über eine Veränderung der mittelalterlichen Handwerksordnung nachzudenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Reichhart, bitte.

Ich bin einigermaßen schockiert, Frau Kollegin. Es tut mir auch leid, dass diese Debatte so spät am Abend stattfindet und keine Pressevertreter mehr anwesend sind bzw. nur noch diejenigen, die vor einem Bildschirm hängen, die Debatte verfolgen. - Wer das Handwerkssystem so diskreditiert, wie Sie es getan haben, dem sollte man zukünftig den Schraubenschlüssel selber in die Hand drücken, damit er sein Klo repariert.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist vollkommen klar. Sie weiß ja nicht, welches Werkzeug sie verwenden soll. Ich weiß also nicht, was daran falsch wäre.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich sage ja: Sie weiß nicht, was sie verwenden soll.

Kommen wir zu einigen wenigen Fakten: Sie werden keinen Meister finden, der momentan wirklich Arbeit sucht. Das heißt, wir haben allein über die Qualifikation einen stabilisierenden Faktor für die Beschäftigung. Wer soll denn zukünftig noch den Meister machen, wenn er sich auch als Geselle selbstständig machen kann? Wer soll überhaupt noch eine Lehre anfangen, wenn diese auf eine verschulte berufliche Bildung wie in Spanien und in anderen Ländern hinausläuft, die – das brauche ich hier wohl nicht zu betonen – riesige Probleme haben? Insofern kann ich Ihre Ausführungen überhaupt nicht nachvollziehen, Frau Kollegin.

Wenn Sie von "verstaubter Handwerksordnung" reden, dann zeigt das nur eines: Sie ignorieren, dass sich das Handwerk permanent neu erfindet. Es tut mir wirklich leid, dass ich das so sagen muss, weil ich Sie sonst sehr schätze und wir schon auf Veranstaltungen waren, bei denen ich den Eindruck gewonnen habe, dass Sie in dieser Hinsicht durchaus Ahnung haben. Aus dem Handwerk selbst entwickeln sich dauernd neue Berufe. Angesichts dessen kann man nicht von einer "verstaubten Handwerksordnung" reden, sichert diese doch die Stabilität gerade unserer mittelständischen Wirtschaft. Darum kann ich Ihre Ausführungen nicht nachvollziehen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wie lang sind eigentlich die zwei Minuten?)

Ich möchte in der einen Minute, die mir noch gegeben wird, zitieren.

(Heiterkeit - Simone Tolle (GRÜNE): Zehn Sekunden!)

Ich zitiere aus dem Bericht:

Deutschland sollte stärker an der Öffnung des Dienstleistungssektors arbeiten, indem ungerechtfertigte Beschränkungen und Marktzutrittschranken abgeschafft werden, was das Preisniveau senken und Dienstleistungen für die unteren Einkommensgruppen bezahlbarer machen wird.

Man muss sich vor Augen halten, dass das in einem direkten Zusammenhang steht.

In vielen Handwerksbranchen, einschließlich im Baugewerbe,

- auch das habe ich in meiner Rede schon betont

ist nach wie vor ein Meisterbrief oder eine gleichwertige Qualifikation erforderlich, um einen Betrieb zu führen.

Jetzt haben wir es, Herr Kollege Reichhart.

(Heiterkeit)

Ich sage: zu Recht, weil nur das die Qualität sichert.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Kollegin, bitte.

Zunächst einmal weise ich mit aller Entschiedenheit Ihre Bemerkung mit dem Schraubenschlüssel und der Kloschüssel zurück, auch weil ich sie als frauenfeindlich empfinde.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Das Gleiche hätten Sie zu einem Mann nicht gesagt. Im Übrigen geht es Sie überhaupt nichts an, welche handwerklichen Fähigkeiten ich habe, wie es auch mich nichts angeht, welche Sie haben; darum geht es hier nicht.

(Thomas Hacker (FDP): Um Transparenz ging es vorhin!)

Ich knüpfe sehr gern an die Debatte an, die wir schon im Jahr 2003 geführt haben. Damals ging es nämlich darum, ob man den Meisterzwang abschaffen sollte oder nicht bzw. welche Vorteile und welche Nachteile das mit sich bringt.

Das Leben spricht doch eine deutliche Sprache: In Deutschland haben sich die Verhältnisse nicht geändert. Wir haben schon damals betont, dass der Meister ein Qualitätsmerkmal ist. Gerade Ihr Hinweis, dass immer mehr Menschen den Meister machen, obwohl sie vielleicht auch auf andere Art und Weise ihr Geld verdienen könnten, zeigt doch deutlich, dass die damalige Entscheidung richtig war. Ich hätte mir auch gewünscht, dass das, was Herr Clement vorgeschlagen hat, seine Fortsetzung gefunden hätte.

Ich bin allerdings der Meinung, dass Ihr Antrag nicht auf diese Debatte abzielt. Sie können gern den Antrag stellen: Wir wollen zurück in das letzte Jahrtausend und stellen die alten Verhältnisse wieder her. – Das ist Ihnen unbenommen. Dann können wir über die Vor- und die Nachteile reden.

Aber auch die Parlamentarier im Bayerischen Landtag haben sich an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu halten – ich habe daraus zitiert –, das sich übrigens in keiner Weise von den EU-Vorgaben unterscheidet. Ich warne immer davor, die Anträge mit einem platten Unterton zu formulieren, der den EuroSkeptikern in die Hände spielt. Ich bin für Europa.

Das alles könnte ein guter Aufschlag für die weitere Debatte sein. Ich mag es nicht, wenn man auf der Populismuswelle mitschwimmt; das bringt uns in der Sache nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat jetzt Frau Staatssekretärin Hessel das Wort. Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Eigentlich war ich fast versucht zu sagen: und alle, die mich außerhalb dieses Saales noch hören können. Ich würde aber gerne wieder etwas Ernst in die Debatte hineinbringen, auch wenn es spät ist und wenn es eine sehr schöne, lustige Debatte war. Ich glaube, das Thema ist relativ ernst, und es ist auch wichtig, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Das Handwerk – das haben wir jetzt von vielen gehört – ist eine Stütze, ist ein Eckpfeiler unserer gesamten leistungsstarken mittelständischen Wirtschaft in Bayern. Ein paar Zahlen dazu: Wir haben 200.000 Handwerksbetriebe, 800.000 dort tätige Personen und rund 96 Milliarden Euro Umsatz.

Ganz besonders wichtig ist mir aber, liebe Kollegen: 76.400 junge Menschen standen zum Jahreswechsel im Handwerk in einer Ausbildung. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum wir in Bayern mit 2,8 % eine extrem niedrige Jugendarbeitslosigkeit haben. Sehen wir in die anderen Länder – das ist auch schon angesprochen worden. Warum haben wir denn hier eine so niedrige Jugendarbeitslosigkeit? – Weil wir die duale Ausbildung haben. Ein Eckpfeiler der dualen Ausbildung ist der Meisterbrief

(Beifall bei der CSU und der FDP)

mit dem großen Befähigungsnachweis. Beides gehört zusammen; darum kann es auch nicht getrennt voneinander gesehen werden. Das ist auch der Grund für den anderen Antrag. Die Gesamtfortschreibung des Systems der dualen Ausbildung, die wir brauchen, geht über den Meisterbrief hinaus.

Bevor ich an das Redepult trat, dachte ich eigentlich, dass wir uns auch in diesem Punkt im ganzen Hause einig sind. Ich habe gerade gelernt: Wir sind uns nicht einig. Sehen wir uns das EU-Recht an; sehen wir uns die Dienstleistungsfreiheit an; sehen wir unseren Befähigungsnachweis und die Wirtschaftskraft in Deutschland an. Ich glaube, es spricht für sich, dass wir unsere bewährte Meisterausbildung halten wollen, dass wir sie stärken wollen, dass wir wesentlich mehr junge Menschen in die berufliche Bildung bringen wollen. Herr Kollege Stöttner hat vorhin drei Punkte an

gesprochen, die dazu dienen: Die Öffnung der Hochschulen für die Meister, der Meisterzugang an die Hochschulen, der Meisterbonus, den wir wieder eingeführt haben, und eine noch größere Aufwertung des Systems der beruflichen und akademischen Ausbildung.

Deswegen würde ich mich freuen, wenn beide Anträge eine große Unterstützung erfahren würden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zu Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/17082 – das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU, FDP, Fraktion FREIE WÄHLER und SPD. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung. Wer stimmt dagegen? – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/17092 – das ist der Antrag der Fraktionen der FDP und der CSU – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU, FDP, FREIEN WÄHLER und SPD. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag ebenfalls angenommen.

Ich gebe jetzt die Ergebnisse der durchgeführten namentlichen Abstimmungen zu den Anträgen bezüglich Hochwasser bekannt.

Zunächst zum Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CSU und FDP auf Drucksache 16/17080. Mit Ja haben 134 gestimmt, Nein-Stimmen gab es keine, Stimmenthaltungen auch keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.