Protocol of the Session on June 12, 2013

Wir alle wissen, dass die vielfältigen Maßnahmen, die in den letzten Jahrzehnten ergriffen werden, leider nur langsam und sehr zeitversetzt wirken. Neben dem guten chemischen Zustand rückt auch das Ziel eines guten ökologischen Zustands der Oberflächengewässer zunehmend in den Mittelpunkt. Mit der Wasserrahmenrichtlinie liegt hier die Messlatte wesentlich

höher als die Messlatte hinsichtlich des chemischen Zustands. In vielen Bereichen ergeben sich zwangsläufig Zielkonflikte. Der Ausbau der Wasserkraftwerke ist zwar mit Blick auf den beschlossenen Atomausstieg wünschenswert, steht aber mit diesem Ziel oftmals im Widerspruch. Renaturierungen von Fließgewässern sind in vielen Bereichen durch die immense Bautätigkeit der letzten Jahrzehnte kaum mehr möglich. Unsere Städte liegen historisch bedingt oft an großen Fließgewässern. Die Energiegewinnung durch die Wasserkraft machte die Städte zu einem Kristallisationspunkt. Heute wuchern die Städte um diese Gegenden herum. Wenn wir heute hören, dass derzeitige Hochwasserereignisse und Überflutungen mit einem Pegel an einhergehen, der seit vier- oder fünfhundert Jahren nicht mehr erreicht wurde, muss klar sein, dass damals an diesen Gewässern vergleichsweise wenige Menschen gewohnt haben. Heute ist die Zahl der Betroffenen wesentlich größer.

Auch in der landwirtschaftlichen Nutzung ergeben sich zwangsläufig Zielkonflikte. Der Schutz vor Erosion durch pflanzenbauliche Maßnahmen wie Minimalbestelltechniken und die dazwischen liegenden Begrünungen ziehen häufig automatisch den Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel und dessen Folgen nach sich. Sie wissen, dass diese Mittel eingesetzt werden müssen. Das eine bedingt in gewisser Weise das andere.

Werte Kollegen, die vorliegenden Daten können einige lieb gewonnene Vorurteile widerlegen. Herr Kollege, Sie haben das Thema Grünlandumbruch angesprochen. 148 Hektar wurden in Überschwemmungsgebieten in Bayern in Äcker umgewandelt. Bei einer Gesamtackerfläche von 311.100 Hektar bedeutet das eine jährliche Zunahme von 0,05 %.

(Ludwig Wörner (SPD): 148 Hektar zu viel!)

Wir sollten darüber nachdenken, ob wir unsere Zeit tatsächlich durch Auseinandersetzungen auf Nebenkriegsschauplätzen binden oder ob wir nicht die echten Probleme angehen sollten. Ich nenne die Versiegelung im großen Stil. Im gleichen Zeitraum gingen nämlich täglich – ja, täglich, nicht jährlich – 20 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche unwiederbringlich verloren. Hier haben einige Aktivisten in der Diskussion jegliches Augenmaß für die Realität verloren.

Nicht, dass ich hier falsch verstanden werde: Auch ich bin natürlich nicht für einen Grünlandumbruch in Überschwemmungsgebieten, Herr Kollege. Aber wenn das in diesem Bereich als alleiniger oder wichtigster Zusammenhang mit Wasserqualität, Hochwasserschutz und sogar Klimawandel weltweit hochge

puscht werden soll, fehlt mir dafür jegliches Verständnis.

(Volkmar Halbleib (SPD): Jetzt übertreiben Sie aber auch!)

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass im vernünftigen Zusammenspiel und in Kooperationen mit Grundeigentümern hierbei sehr viel mehr erreicht wird. Beratung und das direkte Gespräch sind viel zielführender als ideologisch geleitete Frontenbildung.

Zu diesem Thema haben wir heute Vormittag im Landwirtschaftsausschuss auch den Bericht bekommen, aus dem klar hervorgeht: 30.000 Hektar Ackerland, 35.000 Hektar Grünland und 2.500 Hektar gartenbauliche Kulturen wurden jetzt von dieser Hochwasserkatastrophe beeinträchtigt. Die Bauernfamilien sind genauso geschädigt wie manch anderer Anwohner und sind mit ihrem Hab und Gut genauso massiv betroffen.

(Ludwig Wörner (SPD): Vor allem im Hochwasserschutzgebiet!)

Ja, freilich. – Hier den Schwarzen Peter einer bestimmten Gruppierung zuzuschieben, halte ich für unsachlich.

Eines ist sicherlich geboten: dass wir Ursachenforschung betreiben. Dabei erwarte ich mir aber auch einen ehrlichen Umgang mit dem Thema. In Fachkreisen ist seit Längerem bekannt, dass der Biber oft Gänge in die Dämme gräbt und Dämme untergräbt.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): In Dämme ja, aber nicht in Deiche, Frau Kollegin!)

In Dämme, habe ich gesagt.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Es geht hier aber um Deiche!)

In Dämme, und diese Gänge haben einen Durchmesser von einem halben Meter. Auch damit müssen wir uns ohne Ideologie auseinandersetzen, Herr Kollege Magerl.

Wir müssen uns ehrlich mit den Gründen für die Schwierigkeiten bei der Ausweisung von Flutmulden und Poldern beschäftigen.

(Ludwig Wörner (SPD): Aber mit allen Themen, nicht nur mit Ihren!)

Mit allen Themen. – Alle Bauern, mit denen ich bisher gesprochen habe,

(Ludwig Wörner (SPD): Sind alles weiße Schafe!)

haben Verständnis für den Schutz von Dörfern und Städten. Gegenteiliges weise ich hier aufs Schärfste zurück. Sie haben aber kein Verständnis für die Ausweisung zusätzlicher naturschutzrechtlicher Ausgleichsflächen.

Sie haben den Polder in Seifen erwähnt, das sogenannte Seifener Becken. Es wird heute beziehungsweise in diesen Tagen natürlich als Musterbeispiel für einen gelungenen Hochwasserschutz dargestellt. Dort wurden für bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz 113 Hektar verbraucht. Zusätzlich wurden – im Grünlandgebiet – 94 Hektar Ausgleichsflächen benötigt, und dies wurde von den Umweltverbänden sogar als noch viel zu wenig eingestuft. Das ist alles nachzulesen. Das ist im Planfeststellungsverfahren hervorragend festgehalten. Wir haben es trotzdem geschafft. Das ist ganz klar. Aber nachvollziehen kann ich nicht, wenn in einem Gebiet mit hochwertigen Ackerböden von den Landwirten bei Maßnahmen zum Hochwasserschutz noch einmal eine so große Anzahl ökologischer Ausgleichsflächen gefordert wird. Dafür habe ich wirklich kein Verständnis. Jeder, der sich einmal ehrlich darüber Gedanken macht und sich vorstellt, dass er Betroffener wäre, wird das auch verstehen. Der gesunde Menschenverstand und der vernünftige Umgang miteinander bringen die uns in vielen Bereichen der Politik weiter.

(Ludwig Wörner (SPD): Oh, oh!)

Wir FREIEN WÄHLER stehen zur Kooperation mit dem Eigentum. Wenn wir diesen Weg konsequent gehen und vorantreiben, braucht es uns um unsere Zukunft und um die Qualität des Wassers in Bayern mit all seinen Facetten nicht bange zu sein. – Herzlichen Dank.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächster Redner – er macht sich schon bereit –: Dr. Christian Magerl für die GRÜNEN. Bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mit einem Dank beginnen, zuallererst an die SPD-Fraktion, die dieses Thema so umfassend auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich weiß, dass auch es eine erhebliche Arbeit ist, Fragen zu formulieren und sie auszuarbeiten. Ich habe selber schon Interpellationen gemacht. Eine steht noch aus. Ich möchte auch allen Beamten und Angestellten im Ministerium danken, die – ich hoffe, nach bestem Wissen und Gewissen – versucht haben, die gestellten Fragen zu beantworten und uns Auskunft zu geben.

Das ist mit Sicherheit – Herr Kollege Wörner, Sie haben es schon erwähnt – ein Steinbruch für zukünfti

ge Generationen, für die nächste Legislaturperiode. Daran müssen wir umfassend arbeiten.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das ist das Vermächtnis, Herr Kollege! - Weitere Zurufe von der SPD)

Wir können Material und Informationen herausziehen, in den Antworten steckt aber auch – das ist ganz wesentlich, und das werden wir in Zukunft herausarbeiten müssen – eine Menge von Handlungsaufträgen. Das gilt einmal für den Teil, in dem die Antwort lautet: Wir können das nicht beantworten. Hier müssen wir nachfordern und sagen: Wir möchten aber ganz gerne noch die Antwort haben. Das gilt zum anderen aber auch in den Bereichen, wo es zu handeln gilt, weil die Situation eben nicht so ist, wie sie eigentlich sein müsste. Herr Kollege Wörner, das haben Sie an vielen Punkten herausgearbeitet und das möchte ich auch unterstreichen. Ich möchte nicht alles wiederholen; wir haben ähnliche Vorstellungen, was das Wasser anbelangt.

Das, was ich kritisieren muss, steht gleich im ersten Absatz der Vorbemerkungen. Das zeigt, woran es hier eigentlich hapert und warum wir in vielen Bereichen nicht so weit sind und nicht so weit gekommen sind, wie wir eigentlich kommen müssten. Ich zitiere:

Die in Bayern seit Jahrzehnten herausgebildeten und konsequent verfeinerten Strategien und Grundsätze eines integrierten Wasserressourcenmanagements sowie die wasserrechtlichen Grundlagen sind europa- und weltweit vorbildlich und stellen längst einen begehrten Exportartikel dar.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das Universum fehlt noch!)

Ja, Kollege Halbleib, das Universum hätte eigentlich noch mit hineingehört. – Diese Überheblichkeit ist nicht mehr zu akzeptieren. Wir stehen sicherlich nicht schlecht da. Dass wir schlecht dastehen, möchte ich gar nicht sagen. Es gibt Bereiche, in denen wir viel erreicht haben. Aber es gibt auch enorm viele Bereiche, in denen wir nicht als Vorbild für die Bundesrepublik, Europa oder die Welt gelten können. Diese Überheblichkeit sollten Sie, auch wenn Wahlkampf ist, ablegen. Sonst sage ich wirklich einmal: Jetzt möchte ich das Benchmarking haben, sodass sie wirklich für alle 200 anderen Länder in der Welt die Vergleiche nennen müssen, was die Wasserversorgung, das Abwasser und ähnliche Dinge anbelangt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Zum Glück kommen Sie gleich im ersten Punkt, bei den Oberflächengewässern, zu einer etwas realistischeren Einschätzung. Nehmen wir die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Wir haben wieder und wieder kritisiert, dass sie bei uns viel zu schleppend verläuft und dass Sie, ähnlich wie beispielsweise bei der FFH-Richtlinie oder bei der Vogelschutzrichtlinie, nicht da sind, wo Sie eigentlich schon sein sollten. Auch hierzu zitiere ich:

In Bayern erfüllen derzeit 169 von 813 Flusswasserkörpern die europäischen Vorgaben der Kriterien des guten ökologischen Zustands.

Das heißt: 169 von 813 erfüllen sie. Über 600, fast 700, erfüllen sie also nicht. Da muss ich sagen: Das, was hier an Leistungen erbracht worden ist, ist auch wieder ungenügend. Es muss zwingend Gas gegeben werden und wir müssen hierbei dringend weiterkommen.

Wenn man sich einmal die Funktionen und die Ansprüche anschaut, die die Gesellschaft teilweise an die Flüsse stellt, dann sieht man auch das Problem, Herr Staatsminister. Zu der Frage, welche Funktion die Flüsse haben, sagen die einen, das sei der Lebensraum, wir brauchten sie für den Naturschutz, andere sagen, wir brauchten sie für den Hochwasserschutz, für die Trinkwassergewinnung seien sie teilweise notwendig, wiederum andere sagen, die Flüsse brauchten wir für Freizeit und Erholung, andere sagen, sie seien wichtig für unsere Stromerzeugung, wir brauchten sie als Wasserstraße und wiederum andere sagen: Das ist unser Vorfluter für die Abwasserentsorgung.

Das heißt, unsere Flüsse und Gewässer müssen eine Riesenpalette an Funktionen erfüllen, und wir müssen schauen, dass wir diese unter einen Hut bringen. Die Eingriffe der Vergangenheit scheinen in dieser Interpellation teilweise auf. Diese Eingriffe erfolgten im Laufe von Jahrhunderten. Die Situation, bei der wir jetzt stehen, ist nicht erst ein Produkt der Jetzt-Zeit. Auch die Situation bei der Moorentwässerung ist kein Produkt der Jetzt-Zeit, sondern man muss dabei bis zu Max Emanuel und noch weiter zurückgehen. Wir haben Flusskorrekturen, Begradigungen, Eintiefungen, Eindeichungen, wir haben Wasserstraßenbau, wir haben die Versiegelung und die Verbauung generell, speziell auch in Hochwasserrückhaltegebieten und Überschwemmungsbereichen, wir haben Wasserentnahmen, wir haben Talsperren, wir nehmen Kühlwasser aus dem Ganzen heraus, wir leiten Unmengen von Schadstoffen wie Stickstoff und Phosphor ein, die zu Eutrophierungen führen, es gibt Belastungen durch toxische Stoffe, durch Medikamente und Ähnliches. Die Liste ist nicht vollständig. Sie ließe

sich sehr lange fortsetzen und zeigt bereits, welche Probleme wir in dem Zusammenhang haben. Ich habe mir angeschaut, was Sie getan haben, um diese Entwicklung zurückzudrehen. Zum Stichwort "Lebensraum Wasser und Renaturierung" schreiben Sie, dass 77 % der zu erstellenden Gewässerentwicklungskonzepte abgeschlossen sind. 77 % ist ein brauchbarer Wert. In der Beantwortung steht aber nicht, wie viele dieser Gewässerentwicklungskonzepte sich in der Umsetzung befinden oder bereits umgesetzt sind. Ein Konzept ist eine schöne Geschichte. Frau Kollegin Stewens, ich kann mich noch daran erinnern, dass Sie als Staatssekretärin im Umweltministerium zusammen mit dem Landesamt für Wasserwirtschaft – ich war selber dabei – das Konzept für die Isar von München bis Landshut vorgestellt haben. Es war ein sehr dicker Band.

(Christa Stewens (CSU): Das haben wir auch umgesetzt!)

Es war eine hervorragende Arbeit der Fachleute. Vieles davon ist aber nicht umgesetzt. Wir können gerne einmal von München nach Landshut radeln, dann zeige ich Ihnen, dass nur Bruchteile davon umgesetzt worden sind. Die Umsetzung scheiterte nicht an der Finanzierung, denn Eon muss dieses Konzept zu drei Vierteln aus Ersatzgeld mitfinanzieren. Auf die Frage, was getan wurde, um diese Konzepte umzusetzen, fehlt mir die Antwort. Nachdem ich viel an und auf Flüssen in Bayern unterwegs bin, weiß ich, dass von dem, was Sie hätten umsetzen müssen, bedauerlicherweise sehr wenig umgesetzt wurde. Auf der Seite 13 ziehen Sie unter der Ziffer IX ein Fazit. Über das Hochwasser werden wir anschließend diskutieren. Die Interpellation ist vor dem Hochwasser geschrieben worden. Wenn Sie an dieser Stelle schreiben, dass der Hochwasserschutz weit vorangeschritten ist, sind Sie etwas arg überheblich. Wir werden darüber noch diskutieren. An einigen Stellen ist der Hochwasserschutz sicher etwas vorangegangen. Sie können aber nicht sagen, dass der Hochwasserschutz an vielen Stellen weit vorangeschritten ist. Das muss man kritisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Hochwasserschutz – Kollege Runge hat es heute Nachmittag bei der Regierungserklärung schon gesagt – ist für uns in erster Linie Renaturierung und ökologischer Hochwasserschutz. Investitionen in den Hochwasserschutz sind für uns rentable Investitionen. Wir müssen uns nur die von Ihnen ermittelten Schadenssummen anschauen. Beim Pfingsthochwasser 1999 waren es 345 Millionen, beim Hochwasser 2002 ca. 200 Millionen Euro und beim Augusthoch

wasser 2005 172 Millionen. Jedes Mal waren es dreistellige Millionenbeträge. Deshalb rentieren sich Investitionen in den Hochwasserschutz besser als manche andere staatlichen Investitionen. Das sollte uns in den Diskussionen über den Hochwasserschutz bewusst sein.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN, der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Ich möchte noch einige Punkte aus der Interpellation herausgreifen, um auch unsere Positionen klarzumachen. Ein Punkt ist die Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Da bin ich mit dem EU-Richtlinien-Vorschlag, über den auf EU-Ebene diskutiert wird, in keiner Weise einverstanden. Da frage ich mich schon, wie auf Bundesebene agiert wird. Ich muss mir nur die Protokolle der Debatten anschauen.

(Ludwig Wörner (SPD): In den Ländern gibt es Eide und Schwüre, und was gibt es im Bund?)