Protocol of the Session on April 11, 2013

Wir müssen die Unabhängigkeit der Justiz achten und darauf vertrauen, dass ein revisionsfestes und gerechtes Urteil gesprochen wird. Das ist die beste Reputation, die Deutschland nach außen haben kann. Selbstverständlich mag es bedauerlich sein, dass der eine oder andere Journalist nicht zugelassen ist. Mag sein, dass eine frühere Inangriffnahme eines neuen Justizzentrums mit einem größeren Gerichtssaal Abhilfe geschaffen hätte. Dies als Ursache für diese Diskussion heranzuziehen, wäre jedoch weit hergeholt.

Wir müssen darauf vertrauen, dass das Gericht mit den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten einen sauberen, revisionsfesten Prozess durchführt und zu einem gerechten Urteil kommt. Alles andere ist nicht unsere Aufgabe. Deswegen werden wir den Dringlichkeitsanträgen der FDP und der SPD zustimmen. Den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN werden wir ablehnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der FDP)

Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Dr. Merk ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst klarstellen: Selbstverständlich habe ich großes Verständnis dafür, dass ausländische Medien, vor allem Medien aus der Türkei, ein großes Interesse daran haben, bei diesem Prozess anwesend zu sein. Mir ist es jedoch auch ein großes Anliegen zu sagen, dass mir das, was in den letzten Wochen geschehen ist, sehr heftige Sorgen bereitet. Die richterliche Unabhängigkeit, die Unabhängigkeit unserer Gerichte, die Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip sind in der letzten Zeit durch manche Äußerung massiv angegriffen worden. Ich bin sehr dankbar, dass heute dieses Thema in diesem Haus behandelt wird und wir darüber sprechen. Hier wurde im Großen und Ganzen mit großer Besonnenheit gesprochen, was nicht in allen Parteien außerhalb Bayerns so der Fall war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe für diese Unabhängigkeit und stelle mich als Justizministerin auch vor diese Unabhängigkeit. Das bedeutet, dass ich die Entscheidung des Oberlandesgerichts akzeptiere. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie mir zu eigen mache. Ich kritisiere diese Entscheidung nicht, sondern ich sage gar nichts dazu. Dies würde vielen anderen ebenfalls gut zu Gesicht stehen; denn einige Politiker und Journalisten sind hier mit ihren Rezeptbüchern auf das Gericht zugegangen. Frau Tausendfreund, das ist mehr als eine Diskussion über theoretische Lösungen. Die Staatsregierung und ich als Ministerin sind auch von den GRÜNEN aufgefordert worden, uns einzubringen und uns einzumischen. Das ist der falsche Weg. Das wäre ein Verfassungsbruch. Das tun wir nicht. Mich ärgert es massiv, wenn jemand sagt, er respektiere natürlich die richterliche Unabhängigkeit, und uns gleichzeitig auffordert: Tun Sie einmal etwas. Stellen Sie ein paar Stühle mehr rein etc. Das kann es nicht sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben unter der Leitung und entsprechend den Wünschen des Gerichts Unterstüt

zung geleistet. Das ist auch meine Aufgabe. Wir haben eine Menge getan. Wir haben den Schwurgerichtssaal umgebaut und ihn damit baulich und sicherheitstechnisch ertüchtigt. Sollte jemand glauben, dass dies nicht teuer wäre, so möchte ich ihm sagen, dass uns das bereits jetzt 1,2 Millionen Euro gekostet hat. Wir haben einen eigenen Zugang für die Nebenkläger und Anwälte eingerichtet, zusätzliche Aufenthaltsräume geschaffen, Sicherheitskonzepte und Einsatzpläne erstellt und unsere Wachtmeister in die Lage versetzt, sich auf die Schwierigkeiten des Prozesses vorzubereiten.

Wenn jemand sagt, dies sei ein Prozess wie jeder andere, ist dies aus gesetzlicher und verfassungsrechtlicher Sicht selbstverständlich richtig. Wir sollten uns aber auch immer wieder vergegenwärtigen, was die Richter hier zu leisten haben. Herr Arnold, die Zahlen ändern sich ständig, weil weitere Zulassungen erfolgen. Wir haben momentan 74 Nebenkläger mit über 50 Anwälten. Wir haben etwa 600 Zeugen, die einvernommen werden sollen. Wir gehen davon aus, dass der Prozess möglicherweise bis zu zwei Jahre dauern wird. Dies alles muss ein Gericht erst einmal bewältigen. Daraus wird deutlich, dass es sich in diesem Fall um einen Ausnahmeprozess handelt. Aus diesem Grunde sollten wir respektieren und akzeptieren, dass das Gericht Entscheidungen getroffen hat, die ganz gezielt darauf gerichtet sind, dass dieses Verfahren in einem möglichen Revisionsverfahren hält.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Darauf kommt es an. Daran werden wir gemessen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Aus meiner Sicht gibt es zu diesem Verfahren nichts anderes mehr zu sagen. Wir stehen jetzt vor der Situation, dass das Bundesverfassungsgericht angerufen worden ist. Das ist auch der richtige Weg; denn wenn jemand über ein Gericht urteilt, dann ein anderes Gericht, kein Politiker, kein Journalist und auch sonst niemand.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Lassen Sie mich aber noch eines sagen: Wir haben hier ein Verfahren mit 74 Nebenklägern. In anderen Fällen haben wir aufgrund der Globalisierung Verfahren mit einer großen Anzahl an Angeklagten, weil es in diesen Fällen um mafiöse Geflechte geht. Mit solchen Verfahren sind größere Schwierigkeiten verbunden. Wir müssen uns deshalb natürlich darüber Gedanken machen, ob unser Gerichtsverfassungsgesetz dieser neuen Situation und den neuen technischen Möglichkeiten noch angemessen ist.

Ich verstehe sehr wohl, dass man in diesen Fällen überhaupt kein Risiko eingehen will und kann. Wir werden uns in dieses Verfahren nicht einmischen. Wir sollten aber für die Zukunft – etwas anderes wäre zeitlich gar nicht möglich – das GVG ansehen und prüfen, ob für den Fall solcher Prozesse daran etwas geändert werden muss. Die Vorredner haben sehr deutlich gemacht, dass dies eine schwierige Aufgabe ist; denn Frau Tausendfreund, es gibt keine gleichen Verhältnisse im Gerichtssaal, in dem das Gericht sitzt, und in einem anderen Saal. Wir müssen uns daher mit ganz schwierigen Problemen auseinandersetzen und dürfen nicht aus der Hüfte schießen. Wir müssen sehr sorgfältig prüfen, wenn ein solches Gesetz Bestand haben soll. Ob es letztlich eine Klarstellung, eine Ergänzung oder eine Änderung geben wird, ist egal. Wir sollten jedoch in dieser Richtung tätig werden. Ich habe mich dazu bereit erklärt und angekündigt, dass ich dieses Thema in der nächsten Justizministerkonferenz ansprechen möchte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage noch einmal: Lassen wir das Gericht seine hoch anspruchsvolle Arbeit tun. Warten wir ab, was das Bundesverfassungsgericht sagen wird. Wir haben, wie ich bereits dargelegt habe, dem Gericht die notwendigen Mittel für die Ertüchtigung des Saales zur Verfügung gestellt. Wenn eine weitere Maßnahme notwendig werden sollte, werden wir die dafür nötigen Mittel selbstverständlich ebenfalls zur Verfügung stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere an Sie alle, die richterliche Unabhängigkeit, das Gewaltenteilungsprinzip und das Rechtsstaatsprinzip als große Aufgaben unseres Plenums zu betrachten und den Menschen den Hintergrund zu erklären. Damit können wir im Moment am meisten erreichen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Dem Präsidium liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir zur Abstimmung schreiten können. Die Anträge werden hierfür wieder getrennt. Für den Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 16/16346 das ist der Dringlichkeitsantrag der FDP - wurde namentliche Abstimmung beantragt, weshalb ich erst über die anderen Dringlichkeitsanträge abstimmen lasse.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 16/16317 - das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der

FDP und der FREIEN WÄHLER. Enthaltungen sehe ich keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/16345 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von FREIEN WÄHLERN, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Danke. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das sind die Stimmen von CSU und FDP. Danke. Enthaltungen? – Sehe ich keine.

(Widerspruch des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Eine, nein anscheinend zwei Enthaltungen in den Reihen der CSU.

(Widerspruch des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Ja mei, ich sehe jetzt zwei Enthaltungen, Herr Kollege König. Trotzdem ist der Antrag abgelehnt.

Jetzt stelle ich den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/16346 – das ist der Dringlichkeitsantrag der FDP-Fraktion – zur namentlichen Abstimmung. Die Urnen befinden sich an den üblichen Orten. Für das Verfahren nehmen wir fünf Minuten in Anspruch. Es kann mit der Abstimmung begonnen werden. Die Auszählung erfolgt dann wie üblich außerhalb des Saales.

(Namentliche Abstimmung von 16.10 bis 16.15 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die namentliche Abstimmung neigt sich dem Ende zu. Geben Sie Ihre Kärtchen ab und bewegen Sie sich wieder zu Ihren Plätzen. - Die Abstimmung ist geschlossen. Sie können mit der Auszählung beginnen. Das Ergebnis geben wir nachher bekannt. – Darf ich um Aufmerksamkeit bitten?

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Karsten Klein, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP), Georg Schmid, Renate Dodell, Alexander König u. a. und Fraktion (CSU) Bürgerinnen und Bürger vor heimlicher Steuererhöhung schützen (Drs. 16/16318)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Gerechte Steuerpolitik und gerechten Steuervollzug für ein handlungsfähiges und solidarisches Gemeinwesen in Bund, Ländern und Kommunen (Drs. 16/16347)

Wir eröffnen die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Klein für die FDP. – Bitte schön. – Darf ich um Aufmerksamkeit für den Redner bitten? Ich bin davon überzeugt, dass interessant ist, was Herr Klein erzählt.

(Widerspruch bei der Opposition - Volkmar Halb- leib (SPD): Wir widersprechen Ihnen nur ungern, Frau Präsidentin, aber in dem Fall müssen wir es tun!)

Alles, was die Kolleginnen und Kollegen hier sagen, ist interessant. Bitte schön, Herr Kollege Klein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei jeder Lohnerhöhung kassiert der Staat kräftig mit, auch bei den aktuellen Steuererhöhungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2013, die sie sich hart in den Verhandlungen mit den Arbeitgebern erkämpfen mussten. Für viele bedeutet eine Lohnerhöhung einen deutlich höheren Steuersatz; das wiederum bedeutet, dass die Gehaltserhöhung zu meist über 54 % in die Staatskasse fließt. Zwar haben wir momentan eine niedrige Inflationsrate, aber meistens frisst die Inflation oft die gesamte Lohnerhöhung auf, oft weit mehr. Die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird dadurch weiter geschmälert. Deshalb ist es für uns höchst unverständlich,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

dass diejenigen, die oft über die Kaufkraft reden und bei jeder Krise fordern, dass die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden muss, seit über einem Jahr bei der Bekämpfung der kalten Progression auf der Bremse stehen. Für ein Ehepaar mit zwei Kindern, das beispielsweise ein Jahreseinkommen von 60.000 Euro hat, bedeutet das seit 2011 einen Verlust von 488 Euro an Kaufkraft. Eine Frage der Fairness ist es, ob die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen gerechten Anteil am Anstieg der Wirtschaftskraft und der Leistungskraft unseres Bruttoinlandsprodukts bekommen. Seit Anfang 2012 ist ein Gesetzentwurf vom Bundestag beschlossen, wird aber im Bundesrat von der rot-grünen Mehrheit blockiert. 2013 und 2014 werden die Bürgerinnen und Bürger damit mit 3,5 Milliarden Euro zusätzlich belastet. Das ist von Rot-Grün praktizierte Anti-Arbeitnehmerpolitik im Bundesrat.

(Beifall bei der FDP, der CSU und des Staatsmi- nisters Dr. Markus Söder)

Deshalb bitte ich an dieser Stelle schon einmal, unserem Antrag zuzustimmen, auch angesichts der Signale aus der SPD. Der Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz hat nämlich geäußert, dass man sich eine Zustimmung zur Bekämpfung zur kalten Progression vorstellen kann.

(Maria Noichl (SPD): Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch! Das ist ja ein Schmarrn, was Sie sagen!)

Der Bundesrat blockiert die Verabschiedung dieses Gesetzes und damit die Bekämpfung der kalten Progression. Ich muss mich verbessern: nicht der Bundesrat, sondern die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN möchte ich noch einmal betonen: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten am Wirtschaftswachstum einen fairen Anteil erhalten. Die Blockadehaltung zeigt ein grundsätzliches Problem in der Gesellschaft und eine Differenz zwischen RotGrün und CDU/CSU und FDP in der politischen Haltung beim Thema Staatsausgaben: Während sich bei uns die Ausgaben nach den Einnahmen zu richten haben, haben sich bei Ihnen die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten. Hier werden völlig verschiedene politische Ansätze deutlich.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in dieser Koalition auch auf Bundesebene den Weg unterstützt, der zu einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger führt. Schon 2010 haben wir diesen Weg eingeschlagen. Damals wurden die Bürgerinnen und Bürger um 29 Milliarden Euro über das Steuersystem und um vier Milliarden Euro in der Sozialversicherung entlastet. Das ist unser Weg, die Bürgerinnen und Bürger an den Entwicklungen teilhaben zu lassen.

Sie hingegen – da sind die GRÜNEN ganz vorne dran, das gilt aber auch für die SPD – drohen bei einem erfolgreichen Abschneiden im September mit extremen, deutlichen Steuererhöhungen, die selbst die "Süddeutsche Zeitung" dazu bewegt haben, von einer Steuererhöhungsorgie zu sprechen; das gilt auf jeden Fall für die GRÜNEN.

(Thomas Hacker (FDP): Da könnt ihr mal sehen!)

Deshalb will ich ganz kurz aufzeigen, was Sie alles erhöhen wollen. Die GRÜNEN wollen den Spitzensteuersatz auf 49 % erhöhen. Die SPD möchte das ab 80.000 Euro einführen. Sowohl GRÜNE als auch die SPD wollen die Vermögensabgabe wieder einführen. Die GRÜNEN möchten damit 100 Milliarden Euro erzielen. Die GRÜNEN wollen die Umsatzsteuer und die Erbschaftsteuer spürbar erhöhen. Die SPD will eine Reform der Erbschaftsteuer. Die GRÜNEN wollen eine Aufkommenssteigerung bei der Unternehmensteuer. Die SPD will eine Ausweitung der Gewerbesteuer, und die GRÜNEN wollen eine Rücknahme der Gewerbesteuer, was die substanzbesteuernden Anteile betrifft, und das, obwohl es mittlerweile eine Klage gibt, die davon ausgeht, dass eine Ausweitung der Gewerbesteuer verfassungswidrig ist. Sie wollen eine Abschmelzung des Dienstwagenprivilegs, eine Kerosinsteuererhöhung, eine Ausweitung der LkwMaut, die Erhöhung der Öko-Steuer. Das ist nur ein kurzer Ausschnitt aus den üblen Taten, die Sie im September planen.

(Thomas Hacker (FDP): Da schau her! - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)