Protocol of the Session on April 11, 2013

Die bayerischen Schülerinnen und Schüler werden wie die Schülerinnen und Schüler an vielen anderen Bildungseinrichtungen in Bayern in Zukunft unter pädagogischer Beratung durch die Schule neun oder acht Jahre am Gymnasium sein können, um das angestrebte Ziel, das Abitur, zu erreichen.

Dazu haben wir für die Mittelstufe ein Drei-SäulenModell entwickelt: Erstens. Das Frühwarnsystem wird weiterentwickelt. Dazu bedarf es einer entsprechenden Begleitung und Analyse der Leistungsentwicklung des einzelnen Schülers. Zweitens gibt es neue Förderangebote bzw. die bestehenden werden weiterentwickelt. Intensivierungsstunden gibt es bereits. Darauf aufsetzend haben wir eine Palette an neuen Förderinstrumenten entwickelt, die Kindern in der Regelklasse angeboten werden, um ihren Leistungsstand zu verbessern. Drittens hat jeder Schüler des bayerischen Gymnasiums die Möglichkeit – der Vorsitzende des Bildungsausschusses hat das klug angemerkt –, in der Mittelstufe, in der Regelklasse verbleibend, ein Jahr zusätzlicher Lernzeit in Anspruch zu nehmen. Die Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien hat vor wenigen Wochen in Kulmbach mit einer Mehrheit von 90 % die Rückkehr zu einer generellen Schullaufzeit von neun Jahren abgelehnt und sich eindeutig für unsere moderne, dem einzelnen Schüler bzw. der einzelnen Schülerin zugewandte Förderstrategie ausgesprochen.

Wir investieren massiv im Rahmen dieser Förderstrategie. Allein im laufenden Doppelhaushalt stellen wir den Gymnasien über 700 zusätzliche Planstellen zur Verfügung. Wenn wir die Stellenkontingente, die mit der Rückführung der Arbeitszeit und anderen Maßnahmen zusammenhängen, dazuzählen, sind wir fast wieder auf dem ursprünglichen Stand von 1.700 bis 1.800 Planstellen. Wir geben dem Gymnasium Planstellen zurück, obwohl die gymnasiale Schulzeit um ein Jahr verkürzt wurde. Das ist Teil der Förderstrategie. Die flexible Grundschule, die wir in Zukunft in nahezu jedem Schulamtsbezirk an einem Standort anbieten können, folgt genau diesem Grundprinzip: Wenn das Kind ein Schuljahr mehr benötigt, soll es die Möglichkeit dazu bekommen.

Damit bin ich bei dem Modell "9 plus 2" für junge Menschen an der Mittelschule. Herr Güll, Ihre Behauptung, es gebe keine Möglichkeit, den mittleren Abschluss in elf Jahren abzulegen, stimmt nicht. Selbstverständlich gibt es diese Möglichkeit. Nach dem neuen "9-plus-2"-Modell für die bayerische Mittelschule kann jemand ein Jahr zusätzliche Lernzeit in Anspruch nehmen, um den mittleren Abschluss zu erreichen. Immerhin sind es inzwischen fast 20 % der jungen Leute an der Mittelschule, die diesen Weg gehen.

Wir können den jungen Menschen, die einen mittleren Abschluss erreicht haben, flächendeckend ein zusätzliches Zeitjahr anbieten. Zusätzliche Angebote machen sowohl die Gymnasien als auch die beruflichen Oberschulen. Ich wiederhole: Es geht um den einzelnen Schüler, der zusätzliche Lern- bzw. Entwicklungszeit benötigt. Unsere Konzeption gibt es nirgendwo sonst in der Bundesrepublik Deutschland. Wir investieren nicht in ein organisatorisches Chaos, sondern in Maßnahmen, um dem einzelnen Schüler zusätzliche Lernzeit anbieten zu können. Das ist eine moderne, pädagogisch auf der Höhe der Zeit befindliche Konzeption zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Lernbedingungen der jungen Menschen. Diese Konzeption setzen wir zunächst an der Schulart um, die den größten Teil eines Jahrgangs beschult: am bayerischen Gymnasium. Unsere Grundüberlegung ist, dass wir bei den jungen Menschen in der Mittelstufe genau hinschauen sollten, weil dort die Herausforderung am größten ist. In der Mittelstufe gibt es in Vorbereitung auf die gymnasiale Oberstufe auch die größte Fächerzahl.

An allen Nahtstellen unseres differenzierten Bildungswesens folgen wir dem Prinzip, mehr Zeit für das einzelne Kind zu haben. Wenn die Gymnasialschülerin bzw. der Gymnasialschüler neun Jahre auf dem individuellen Weg zum Abitur benötigt, dann soll dies möglich sein, ohne ein organisatorisches Chaos hervorzurufen und ohne dass wir wieder am pädagogischen Rahmen der Schulen herumschrauben. Unsere klare Konzeption ist für das 21. Jahrhundert ausgelegt. Retrovarianten, die ein schulorganisatorisches Chaos bewirken, lehnen wir ab.

Vielen Dank. Bitte bleiben Sie noch. Zwei Kollegen haben sich zu Zwischenbemerkungen gemeldet. – Zuerst erteile ich dem Kollegen Güll von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Staatsminister, nicht alles, was rückwärtsgewandt ist, ist zwangsläufig schlecht. Manchmal ist es durchaus gut, darüber nachzudenken, was – im besten Sinne konservativ – zu erhalten ist. Aber das nur am Rande.

Ich habe folgende Fragen: Wo sind die individuellen Lernzeiten für die Schülerinnen und Schüler der 5. bis 7. Klasse, wo sind sie in der 11 und 12. Klasse? Dort gibt es keine individuelle Lernzeit, sondern die Schülerinnen und Schüler gehen im Gleichschritt mit den anderen Klassen.

Ist Ihnen bekannt – natürlich müssten Sie das wissen -, dass die größte Gymnasialflucht nach der 6. Klasse einsetzt und ganze Realschulklassen neu gebildet werden müssen? Dort gibt es keine individuelle Lernzeit.

Ich will darauf hinaus, dass die Schülerinnen und Schüler durch dieses G 8 in hohem Maße belastet sind, weshalb Eltern, die schon Kinder im G 8 haben, darauf reagieren und ihre Kinder jetzt in die Realschule schicken – nicht, weil die Kinder grundsätzlich nicht geeignet wären, sondern weil sie diesem Gymnasium entfliehen wollten.

Letzte Bemerkung: Ich habe versucht, Ihnen das Problem mit den 265 Stunden zu schildern. Dazu könnten Sie auch einmal einen Takt sagen. Sie können nichts dafür – das ist klar –, aber es ist ein Faktum, dass damit erhebliche Belastungen in der Mittelstufe verbunden sind. Damit müssen wir umgehen. Antworten können wir durch ein sinnvolles Procedere finden. Es bringt den Schülern keine Entlastung, wenn wir hier so tun, als ob diese Dinge keine Rolle spielten.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Herr Minister zur Erwiderung, bitte.

Ich möchte eine grundsätzliche Bemerkung machen: Das bayerische Gymnasium ist auch im nationalen Vergleich leistungsstark. Es gibt den jungen Menschen hervorragende Startvoraussetzungen für eine akademische Ausbildung.

Ich will ein Weiteres deutlich sagen: Die Bayerische Staatsregierung stellt sich den Herausforderungen und leitet die notwendigen Veränderungen ein; Frau Kollegin Will und Herr Kollege Rüth haben es angesprochen. Wir sollten aber vorsichtig sein – ich weiß, dass wir eine intensive Wahlkampfauseinandersetzung vor uns haben –, das bayerische Gymnasium als Schulart schlechtzureden. – Ich verkürze nichts mehr; wenn Sie mich dabei erwischen, dass ich einen Buchstaben oder eine Zahl benutze, dann zahle ich fünf Mark in die Kasse des bayerischen Gymnasiums.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Euro!)

Fünf Euro. Ich habe aber noch ein paar alte Mark; die bringe ich gern mit ein.

Ich betone: Wir sollten uns davor hüten, das bayerische Gymnasium als stark nachgefragte Schulart schlechtzureden, sondern uns vielmehr darauf konzentrieren, die notwendigen Veränderungen zu gestalten. Insoweit ringen wir um den richtigen Weg.

Ich darf Ihnen zum Thema "Weggang vom Gymnasium" Folgendes sagen: Seit es in Bayern das achtjährige Gymnasium gibt, ist die Zahl der Pflichtwiederholer deutlich zurückgegangen. Die Zahl der jungen Menschen, die das Gymnasium verlassen, hat sich statistisch deutlich reduziert. Aber die jungen Menschen benötigen notwendigerweise – das sage ich ausdrücklich – unterschiedlich viel Zeit am Gymnasium. Darauf müssen wir die entsprechenden Antworten geben. Man muss genau schauen, um welche Phase des Gymnasiums es geht. Ich meine, es ist angemessen, auf den Rat der Fachleute aus der Bildungsforschung, auf die Lehrerverbände und die Elternschaft zu hören. Alle stellen eindeutig fest, dass die Mittelstufe der geeignete Ort ist, um die Option zusätzlicher individueller Lernzeit zu eröffnen.

Die Konzeption, die ich dem Wahlprogramm der SPD entnehme, ist schlicht und einfach KMK-widrig.

Herr Minister, zwei Minuten sind um.

Okay.

Aber Sie bekommen gleich noch einmal zwei Minuten.

Ich möchte auf die Frage nach den 265 Stunden eingehen. Die Regelung ist mit Zustimmung der SPDLänder bestätigt worden. Wir werden in diesem Bereich nichts verändern. In der KMK ist die Frage, wie wir die individuelle Lernzeit unterbringen, Gegenstand der Debatte.

Vielen Dank. – Nun erteile ich dem Kollegen Thomas Gehring von den GRÜNEN für eine Zwischenbemerkung das Wort. Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Minister, Sie haben die Landes-ElternVereinigung angesprochen; wir beide waren dort, Sie am Freitag, ich am Samstag - vielleicht haben wir deshalb unterschiedliche Wahrnehmungen. Ich habe deutlich wahrgenommen, dass unter den Eltern große Unzufriedenheit mit dem derzeitigen G 8 herrscht.

Eine Person im Saal stimmte dem derzeitigen G 8 zu. Dass es großen Reformbedarf an diesem G 8 gibt, ist bestätigt worden. Es gab auch eine große Gruppe von Eltern, die das G 9 als Thema gesehen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie haben von zusätzlichen Stellen gesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, dass zunächst 1.800 Stellen gestrichen wurden. Wer etwas nimmt und dann etwas gibt, nimmt insgesamt doch mehr, als er tatsächlich gibt.

Ich möchte ein Drittes sagen. Sie sprechen zwar öfter vom 21. Jahrhundert. Dennoch wird nicht immer gleich klar, was Sie damit meinen, zumindest mir nicht, vielleicht deswegen, weil ich aus dem 20. Jahrhundert stamme. Wir alle reden von individueller Lernzeit; auch die SPD redet davon; Sie reden davon. Man muss dann schon die Frage stellen: Heißt individuelle Lernzeit Verlängerung der gesamten Lernzeit, so wie es die SPD vorschlägt, oder soll es ein freiwilliges Wiederholungsjahr sein, wie es das "Flexi-Jahr" sein kann? Man kann es auch anders machen, indem man den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit gibt, um bestimmte Dinge zu lernen. Dies geht aber nur, wenn man im Sinne von individueller Förderung in anderen Bereichen etwas reduziert. Dazu habe ich von Ihnen noch nie etwas gehört. Wo hätten wir wirklich Möglichkeiten, in der Fächerstruktur etwas umzustellen? Die 16 Fächer in der zehnten Klasse sind doch absurd. Ich glaube, der einzige Weg besteht darin, dieses System zu verändern und das Gymnasium, das G 8, tatsächlich zu reformieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, zur Erwiderung, bitte.

Erstens. Zunächst ist die Tatsache zu bewerten, dass wir für alle Gymnasialschülerinnen und -schüler ein Schuljahr weniger haben. Das entspricht generell 1.800 Planstellenäquivalenten. Wenn es generell ein Schuljahr weniger gibt, entspricht dies – ich habe die genaue Zahl nicht im Kopf – einer Investition von fast dem Gegenwert dessen, was die Herausnahme eines Schuljahres für alle Schülerinnen und Schüler bedeutet hat. Das ist sogar ein deutliches Mehr.

Zweitens. Wir geben doch genau darauf Antwort. Die umfassendste Untersuchung des Gymnasiallehrplans seit dem Bestehen dieser Lehrplangeneration mit 15.000 Rückmeldungen hat dazu geführt, dass wir in 11 von 25 Fächern noch einmal zusätzlich Stoff herausgenommen haben.

(Zuruf von der SPD)

- Ich bin noch nicht am Ende meiner Ausführungen. Inwieweit wir den Fächerkanon betrachten, ist – Initiativen von Ihnen fordern neue Fächer an den Schulen, auch am Gymnasium – eine Debatte, der man sich stellen muss. Man muss immer sehen: Wenn ich Inhalte benenne, die ich herausnehmen möchte, muss ich dies auch öffentlich machen. Ich bin gerne bereit, über den Fächerkanon mit Ihnen gemeinsam zu philosophieren. Dann geht es aber auch darum, was wir bei einem konkreten Fach – ich spreche nicht vom Stoffumfang, sondern vom Fachbezug – herausnehmen wollen.

Drittens. Noch einmal: Es geht um das Thema, dem wir gerecht zu werden haben, und zwar um die Schülerschaft insgesamt und im Besonderen um das Gymnasium, das mit 40 % den größten Anteil hinsichtlich des Besuchs weiterführender Schulen hat. Es geht um die Organisation, wie ein Schüler neun Jahre Gymnasium in Anspruch nehmen kann, wenn dies sein Lernweg und seine Entwicklung erfordert, ein anderer Schüler jedoch acht Jahre. Ich sage Ihnen deutlich: Wir haben das Thema der Sprachenfolgen; wir haben das Thema der unterschiedlichen Zweige, und wir haben das Thema Land und Stadt. Bei Kombination dieser drei Dinge kommen Sie mit strukturellen Ansätzen des – ich sage es noch einmal – 20. Jahrhunderts nicht weiter. Sie kommen in eine Gerechtigkeitsdebatte zwischen Stadt und Land. Wir wollen uns auf den Schüler und auf die Ressourcen konzentrieren.

Wir werden in diesen Tagen auch hinsichtlich der Umsetzung und der Akzeptanz Bilanz ziehen. Ich bin mit Ihnen gerne im Dialog, am liebsten mit dem Kollegen Gehring.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Zu zweien der drei Anträge wurde namentliche Abstimmung beantragt. Deswegen lasse ich zuerst in einfacher Form über den Antrag der GRÜNEN abstimmen. – Kein Widerspruch.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/16343. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Das sind die GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Vielen Dank. Das sind die CSU, die FDP und die

FREIEN WÄHLER. Enthaltungen bitte ich anzuzeigen. - Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe nun gemäß der Reihenfolge der Drucksachennummern den Antrag der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/16316, Konzept für Wahlmöglichkeit G 8/G 9, zur namentlichen Abstimmung auf. Ich eröffne die Abstimmung. Die Urnen sind wie üblich am Ausgang und vorne am Redepult aufgestellt. Wir nehmen uns fünf Minuten Zeit. Ich bitte um die Abgabe Ihrer Stimmkarten.

(Namentliche Abstimmung von 15.05 Uhr bis 15.10 Uhr)

Ich schließe die Abstimmung. Wir zählen wie üblich außerhalb des Raumes aus und geben das Ergebnis so schnell wie möglich bekannt.

Wir machen uns bereit für die zweite namentliche Abstimmung, diesmal zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Inge Aures und anderer und Fraktion (SPD), Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten – Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 zulassen! (Drs. 16/16344. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um die Abgabe der entsprechenden Stimmkarte. Ich eröffne die Abstimmung. Wir nehmen uns drei Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 15.10 bis 15.13 Uhr)

Vielen Dank. Ich schließe die Abstimmung. Auch hier werden wir schnellstmöglich außerhalb des Saales auszählen und Ihnen das Ergebnis dann bekannt geben.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Videoübertragung aus Gerichtsverhandlungen in Medienarbeitsraum: unverzügliche Klarstellung von § 169 GVG! (Drs. 16/16317)