Protocol of the Session on February 6, 2013

schaffung des Wartestaus. Um die Dauer des Asylverfahrens insgesamt zu verkürzen, muss das Personal beim BAMF aufgestockt werden. In der Regel dauert das Asylverfahren im Moment sechs bis sieben Monate. Bei unserem Besuch im BAMF in der letzten Woche erfuhren wir, dass es derzeit 205 sogenannte Entscheider gibt. Das sind Personen, die die Asylbewerber befragen und die letztlich darüber entscheiden, ob sie als Asylanten anerkannt werden oder nicht. Hätte das BAMF mehr solche Entscheider, könnten die Verfahren verkürzt werden. Derzeit gibt es beim BAMF einen anerkannten Personalbedarf von 180 Stellen, die aus dem Überhang der Bundeswehr besetzt werden müssen. Das funktioniert aber derzeit leider nicht, wie uns letzte Woche gesagt wurde. Der Präsident des BAMF sagte ganz klar und deutlich, die Besetzung der Stellen müsse offen und unabhängig von der Bundeswehr erfolgen. Diesen Punkt könnten einmal alle Fraktionen ansprechen, damit sich die Lage entspannt.

Eine weitere Forderung ist die Lockerung des Arbeitsverbotes für Asylbewerber. Laut Bundesamt für Statistik haben nicht einmal 4 % der Asylbewerber Arbeit. Fast alle sind zum Nichtstun verdammt. Das ist schon ein Problem. Menschen werden in Bayern geparkt; das ist nach unserer Auffassung unmenschlich. Jeder Mensch ist es unabhängig von seiner Nationalität und Herkunft wert, gebraucht zu werden. Das ein Jahr lang geltende Arbeitsverbot ist falsch und zu lang. Es wird zwar jetzt auf neun Monate verkürzt. Wir meinen, es könnten auch sechs Monate sein. Wir sehen auch die restriktive Behandlung der Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und auf Berufsausbildung relativ kritisch, weil gerade junge Asylbewerber dringend eine Aufgabe brauchen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sie keine Ausbildung machen dürfen, sodass sie kaum Zukunftsperspektiven haben. Auf der anderen Seite wissen wir, dass sehr viele Branchen händeringend Auszubildende suchen. Hier wären also Jugendliche, die man brauchen könnte. Wir meinen, hier wird großes Potenzial einfach verschenkt.

Das größte Hindernis aber ist die sogenannte Nachrangigkeitsprüfung. Sie gilt vier Jahre und hat zur Folge, dass Asylbewerber praktisch keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Es wird nämlich zunächst geprüft, ob Deutsche oder EU-Ausländer arbeitslos sind, die diese Stelle antreten können. Es ist ein langes und ausführliches bürokratisches Prüfverfahren. Oft müssen Asylbewerber bis zu 30 Bewerbungen abschicken, bis sie eine Stelle bekommen. Meist klappt es überhaupt nicht. Sie sind dann deprimiert, und das ist das Problem, das wir hier ansprechen wollen. Viele Arbeitgeber in Deutschland, das haben wir erfahren,

wollen sich auf dieses langwierige, komplizierte Verfahren nicht einlassen.

Ein Problem ist auch, dass es vielen Asylbewerbern an der sprachlichen Kompetenz fehlt. Hier müssen wir viel stärker nachbessern: Wir brauchen eine staatlich finanzierte Sprachförderung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich komme noch einmal auf den dritten Punkt zurück: Förderung der gesellschaftlichen Teilnahme statt Förderung der Rückkehrbereitschaft. Folgendes ist ganz wichtig: Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Syrien liegt bei 98 %, für Flüchtlinge aus dem Iran liegt sie bei 60 %, und bei den Asylbewerbern aus den Balkanstaaten liegt sie bei 0,1 %. Aus diesem Grund ist der pauschale Satz von einer Förderung der Rückkehrbereitschaft falsch. Er entspricht nicht den Fakten und signalisiert: Wir wollen euch nicht. Das muss gestrichen werden, denn wie soll das sonst alles zusammenpassen?

Wir meinen auch, das Mindestmaß an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe ist wichtig, weil 15 % aller Asylbewerber länger als fünf Jahre in Deutschland leben. 3,5 % leben hier sogar länger als zehn Jahre. Egal, wie wir vorgehen, diese Menschen brauchen ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen, sonst sind soziale Konflikte vorprogrammiert. Was wir auch kritisieren, ist, dass die Bayerische Staatsregierung die Finanzierung von solchen Sprachkursen verweigert. In der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von mir am 05.05.2012 heißt es:

Da der Personenkreis lediglich sozial zu versorgen ist, darf die Beratung und Betreuung keine Maßnahmen umfassen, die der sozialen, sprachlichen oder beruflichen Integration dienen.

Wir meinen, diese Position der Bayerischen Staatsregierung geht an der Realität vorbei. Alle Beteiligten vor Ort wissen - das merken wir, wenn wir mit den Kommunalpolitikern, auch mit Kommunalpolitikern der CSU, sprechen -, dass Asylbewerber ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen benötigen. Einige wenige Landkreise, darunter sind auch CSU-Landkreise, finanzieren inzwischen aus eigenen Mitteln solche Sprachkurse. Das ist dann eine freiwillige Leistung der Landkreise. Die meisten Landkreise lehnen das aber ab, weil sie auf den Freistaat und auf den Bund schauen. Hier wird Politik wieder auf dem Rücken der Menschen gemacht, die das Grundrecht des Artikels 16 a des Grundgesetzes in Anspruch nehmen.

Ich meine deshalb, die Streichung in § 7 der Asyldurchführungsverordnung wäre ein Mindestmaß. Frau

Ministerin, wir wissen, dass Sie diese Formulierung eigentlich streichen wollten, dass Sie aber von Ihrer eigenen Fraktion gebremst wurden. Wir finden das schade und denken, dass das auch die FDP unterstützen würde. Frau Meyer, Sie hätten die Möglichkeit, dies hier einmal konkret zu sagen.

Noch ein letzter Punkt: Wir wollen auch, dass bei dieser ganzen Entscheidungsfindung -

Herr Kollege, bitte beachten Sie die Zeit.

Es waren noch zwei Sekunden.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich bin aber auch gleich fertig. Wir wollen, dass die Kommunen noch viel stärker in die Entscheidung einbezogen werden. Dann ist die gesellschaftliche Teilhabe viel besser möglich, als dann, wenn von vornherein an den Kommunen vorbeigeplant wird. Das soll vermieden werden, deshalb ist morgen auch noch einmal ein Antrag im Sozialausschuss.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Entschuldigung, dass ich jetzt 20 Sekunden überzogen habe. Wir unterstützen −

Herr Kollege, bitte!

Herr Präsident, Sie sind heute sehr streng.

Sie sind auch derjenige, der bisher am längsten überzogen hat. Ich kann Sie aber beruhigen, Sie haben noch einmal die Gelegenheit, etwas zu sagen, weil Herr Kollege Steiner noch eine Zwischenbemerkung angemeldet hat.

Herr Kollege Fahn, Entschuldigung, aber was Sie hier erzählen, das ist doch völlig wirr.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Unruhe bei den FREIEN WÄHLERN - Zuruf von den GRÜ- NEN: Nur weil du es nicht verstehst!)

Auf der einen Seite fordern Sie, und das ist richtig -

(Allgemeine Unruhe)

Sie wissen, aber vielleicht wissen Sie es auch nicht, dass viele Asylbewerber für die Länge ihres Aufenthalts selbst verantwortlich sind, weil sie den Rechtsweg ausschöpfen. Ich kann Ihnen Asylfälle nennen,

die zehn Jahre dauerten, weil der Rechtsweg ausgeschöpft wurde. Das ist das eine. Wenn man die Asylverfahren aber, und das ist richtig, beschleunigt und verkürzt, damit die Leute wissen, woran sie sind, was macht es dann für einen Sinn, sie in eine Berufsausbildung hineinzunehmen, wenn doch beispielsweise nach zwei Monaten die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kommt, dass sie ausreisen müssen?

(Simone Tolle (GRÜNE): Dann haben sie immerhin zwei Monate gearbeitet!)

- Liebe Frau Tolle, Sie müssen mir einmal erklären, was ein Flüchtling ist. Über 90 % werden abgelehnt. Das heißt, die politisch wirklich Verfolgten kommen durch diejenigen unter die Räder, die dieses Recht auf Asyl missbrauchen. Ich bitte Sie, auch einmal davon zu reden, dass es im Land maßgebliche Salafisten gibt, die aufgrund eines Asylantrags hier sind. Frau Kollegin Tolle hat Einzelfälle geschildert. Der Attentäter von Ankara, US-Botschaft, war ein in Deutschland abgelehnter türkischer Asylbewerber. Was macht das also für einen Sinn, Herr Fahn, die Verfahren zu beschleunigen und gleichzeitig die Betroffenen eine Berufsausbildung beginnen zu lassen? Das ist doch ein Unsinn, was Sie hier erzählen.

Danke für Ihre wohlmeinenden Hinweise für mich. Vielleicht haben Sie nicht gehört, dass ich gesagt habe, dass 15 % der Betroffenen mindestens fünf Jahre und länger in Deutschland sind. Da macht es dann schon Sinn, wenn die Betroffenen hier arbeiten. Das ist doch auch positiv für Deutschland. Außerdem werden dadurch soziale Spannungen abgebaut. Wir haben nämlich mitbekommen, dass dann, wenn die Asylbewerber in den Orten einfach so herumlaufen, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, soziale Spannungen entstehen. Das kritisieren die Einwohner dann wiederum. Es wäre deshalb sinnvoll, den Betroffenen eine Tätigkeit zu geben. Es ist sicher auch so, dass manche schnell abgewiesen werden; das ist richtig. Wir haben letzte Woche aber auch ganz klar gehört, wenn das Personal beim BAMF insgesamt aufgestockt würde - das ist möglich, wenn wir gewisse Paragrafen ändern -, dann könnten die Verfahren insgesamt beschleunigt und verkürzt werden. Das wäre im Sinne aller Beteiligten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Moment, Herr Kollege, es hat sich noch eine Kollegin für eine Zwischenbemerkung angemeldet, und zwar Frau Tolle. Bitte.

Herr Kollege Fahn, können Sie sich vorstellen, dass Herr Kollege Steiner, der ge

rade von den Asylanträgen nach Artikel 16 a des Grundgesetzes sprach, noch dazulernt, dass wir auch Flüchtlinge haben, die mit subsidiärem Schutz anerkannt werden und dass wir auch geduldete Flüchtlinge in Bayern haben? Können Sie sich auch vorstellen, dass nicht jeder Flüchtling, der zum Beispiel aus dem Iran kommt, weil er zum Christentum übergetreten ist, ein Salafist ist? Erweckt die Zwischenbemerkung von Herrn Steiner nicht den Eindruck, als würden wir allen Flüchtlingen grundsätzlich unterstellen, dass sie kriminelle Islamisten sind?

Frau Kollegin Tolle, ich stimme Ihnen in Ihren Bemerkungen voll und ganz zu. Ich hoffe, dass Herr Steiner noch dazulernt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Als nächste Wortmeldung habe ich Herrn Kollegen Seidenath vermerkt. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein ziemlich heterogenes Antragsbündel zum Thema Asyl, mit dem wir uns heute hier im Hohen Haus befassen. Die Antragssteller haben ihre Anträge gerade vorgestellt und begründet. Ich möchte sie gerne der Reihe nach behandeln und beginne mit dem jüngsten, dem Antrag 16/13748 der GRÜNEN: "3. Erstaufnahmeeinrichtung jetzt". Diese sollen wir Ihrer Ansicht nach schnellstmöglich schaffen. Richtig ist, wenn die Zugangszahlen der Asylbewerber in unserem Land steigen, dann brauchen wir auch höhere Kapazitäten in der Erstaufnahme. Tatsächlich hat der Freistaat aber die Kapazität in den beiden bestehenden Erstaufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf erhöht, und zwar deutlich erhöht. Das war und ist der wesentlich schnellere und effektivere Weg, als eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung zu schaffen. Sie müssen sich vor Augen halten: Sie brauchen für eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung erst einen Standort. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für eine Erstaufnahmeeinrichtung eine Kapazität von mindestens 500 Bewerbern fordert, wird das nicht so leicht sein. Zweitens sind die Kapazitäten erhöht worden, und zwar so, dass sie im Moment an beiden Standorten, in München und in Zirndorf, ausreichen. Warum? Es ist im Moment möglich, eine Erstaufnahme in rund einem Monat abzuschließen. Das heißt, wir brauchen Kapazitäten für Asylbewerber, die in einem Monat zu uns kommen. Die höchste Zahl an Zugängen war im Oktober 2012 mit 1.700 Asylbewerbern. Seitdem sind die Zahlen leicht zurückgegangen. Die aktuellen Kapazi

täten reichen also aus. Eine Erweiterung der bestehenden Standorte wäre auf jeden Fall Ihrem Vorschlag, eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung einzurichten, vorzuziehen. Wir werden deshalb diesen Antrag ablehnen.

In Ihrem zweiten Antrag 16/14287 fordern Sie mehr gesellschaftliche Teilhabe. Ich zitiere aus dem Antrag: "Künftig soll ein Mindestmaß an gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe gewährleistet werden." Genau das passiert doch! Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 sind die Zahlungen an Asylbewerber mehr als verdreifacht worden von 40 auf 137 Euro pro Monat in der Regelbedarfsstufe 1. Damit erhält ein Asylbewerber, was auch ein Sozialhilfeempfänger erhält, um ihm die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen: das soziokulturelle Existenzminimum. Um Ihnen das zu verdeutlichen: In dem entsprechenden Warenkorb sind eingepreist Ausgaben für Theater, für Fußballspiele, für eine Zeitung, für Bücherei, für Vereinsbeiträge. All das ist enthalten. Das ermöglicht sowohl eine gesellschaftliche als auch eine kulturelle Teilhabe und natürlich auch die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen. Dass eine politische Teilhabe möglich ist, hat Frau Tolle durch das Beispiel der Würzburger Flüchtlinge, die in Berlin vor dem Brandenburger Tor demonstriert haben, gerade selbst bestens belegt.

Aber nicht nur das erhöhte Taschengeld kommt dem Ziel, mehr Teilhabe zu ermöglichen, entgegen. Die Lockerung der Residenzpflicht darf nicht vergessen werden, die wir in dieser Legislaturperiode vorgenommen haben. Das wird häufig vergessen. Natürlich achten die Regierungen darauf, dass eine Gemeinschaftsunterkunft mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, auch deswegen, um dem Asylbewerber die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Ich denke bewusst nicht, dass wir Asylbewerber besser stellen müssen als Sozialhilfeempfänger. Mehr noch, wir dürfen es nicht tun. Das wäre der Fall, wenn wir weitere Leistungen draufsatteln würden. Da werde ich persönlich, da werden wir nicht mitmachen, denn das würde nur den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft gefährden. Davon hätten gerade die Asylbewerber bei uns am allerwenigsten.

Was den so oft zitierten § 7 Absatz 5 der Asyldurchführungsverordnung mit der Aussage der Förderung der Rückkehrbereitschaft, anbelangt, so bezieht sich der nicht auf die Unterbringungsbedingungen, Frau Tolle, wie Sie häufig glauben machen wollen, sondern auf die Verteilungsentscheidung. Wenn Sie wider besseren Wissens behaupten, der Passus der Verordnung würde sich auf die Unterbringungsbedingungen beziehen, können Sie nicht erklären, warum der Frei

staat gerade diese Bedingungen vor wenigen Jahren mit den Leitlinien zu Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften bewusst deutlich verbessert hat. Das würde nicht zusammenpassen. Da haben Sie in Ihrer Argumentation einen unauflöslichen Widerspruch. Darum geht Ihr Antrag ins Leere. Wir werden ihn ablehnen.

Immerhin kann ich auf diese Weise öffentlich darstellen, was in den letzten Monaten und Jahren in der Asylsozialpolitik in Bayern alles passiert ist. Diese Fortschritte geraten ja allzu leicht in Vergessenheit. Sie scheinen öffentlich überhaupt nicht wahrgenommen zu werden.

Ich möchte es bei dieser Gelegenheit noch einmal deutlich machen. Da ist zum Beispiel die Aufstockung der Mittel für Asylsozialberatung von 1,4 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 2,6 Millionen Euro im Jahr 2012

(Simone Tolle (GRÜNE): Nachdem sie 2004 gekappt wurden!)

und jetzt 2013 auf 3,4 Millionen Euro.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Nachdem vorher gekürzt wurde!)

Im Doppelhaushalt 2013/2014 haben wir in diesem Hohen Hause zudem beschlossen, erstmals 400.000 Euro für Erstattungen an Kommunen vorzusehen für Personal- und Vormundschaftskosten bei der Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Deshalb bin ich froh, dass ich das hier noch einmal darstellen konnte.