Protocol of the Session on January 29, 2013

- Ja. Wenn Sie unideologisch etwas erfahren wollen, können wir das jederzeit machen. Ich scheue auch nicht davor zurück, 300 Kilometer zu fahren.

(Alexander König (CSU): "Unideologisch" ist doch wohl ein Witz!)

Wir haben uns nicht aufgedrängt. Die Kommune und die Menschen haben uns gefragt, ob wir unser Modell nicht einmal vorrechnen und anbieten könnten. Dazu gibt es einen Stadtratsbeschluss. Herr Kollege Schöffel, wir gehen nicht von den Mittelschülern aus, sondern schauen, wie viele Jugendliche in einer Gemeinde sind. Dies zeigen uns die Zahlen der Viertklässler an. Das Prozedere ist sehr kompliziert. Deshalb verkürze ich die Darstellung. Wir bieten den Eltern dieser Viertklässler den Einstieg in eine Gemeinschaftsschule an. Wir lassen Einpendler unberücksichtigt und sagen: Dieses Schulsystem muss so gut sein, dass zwei Drittel der Eltern von Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsstufe dieses Angebot wahrnehmen. Lassen Sie doch die Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder nach Marktredwitz, nach Selb oder an einen anderen Ort schicken wollen. Lassen Sie das die Eltern entscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen in Arzberg eine Gemeinschaftsschule mit allen Abschlüssen und allen Standards anbieten. Ein Drittel der Eltern wird sich mit Sicherheit für das Gymnasium oder eine andere Schulform für ihre Kinder entscheiden. Wenn jedoch zwei Drittel der Eltern dieses Angebot annehmen, ist im Aufwuchs der sechs Jahre eine Schule mit 300 Schülerinnen und Schülern möglich. Dies lässt sich durch Zahlen belegen. Sehen Sie sich das bitte an. Das ist keine Zauberei. Dies können wir den Eltern plausibel vorrechnen.

Es geht darum, diese Schule so gut zu machen, dass sie von den Eltern angenommen wird. Wir gehen in den Wettbewerb. Herr Kollege Schöffel, was passiert, wenn die Eltern diese Schule nicht annehmen? Dann wird es in Arzberg keine Schule geben. Das sage ich

ganz emotionslos. Wir wollen in dieser kleinen Stadt Arzberg die Möglichkeit eines Schulangebots eröffnen. Normalerweise müssten Sie hier an unserer Seite sein und mit uns gemeinsam kämpfen, den Eltern diese Möglichkeit zu eröffnen.

Herr Kollege Güll, darf ich Sie an die Redezeit erinnern?

Ich bin schon fertig. - Sie sollten den Bürgerinnen und Bürgern diese Möglichkeit eröffnen, ohne Ihre ideologischen Fenster zu öffnen.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Wir haben bei solchen Fragen keine Ideologie!)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich mitteilen, dass die Christlich-Soziale Union für diesen Tagesordnungspunkt namentliche Abstimmung beantragt hat.

(Harald Güller (SPD): Wer in die leeren Reihen der CSU schaut, weiß, warum Sie das beantragt haben!)

Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, kann ich dem nächsten Redner das Wort erteilen, nämlich Herrn Kollegen Günther Felbinger von den FREIEN WÄHLERN. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute zum dritten Mal diesen Gesetzentwurf. Ob man sich nun damit anfreunden kann oder nicht, die Argumentation des Herrn Kollegen Nöth, die er hier an den Tag legt, ist himmelschreiend. Sie loben das Bildungssystem in Bayern über den grünen Klee und verschließen die Augen vor der Wirklichkeit. Sie erzählen uns hier von Ihrem Aushängeschild, der außerordentlichen Förderung der beruflichen Bildung, die ich in Bayern nicht sehen kann. Außerdem erzählen Sie von einem zügigen Ausbau der Ganztagsschulen. Herr Nöth, wo sind wir denn? Wie steht es denn mit dem Ausbau der Ganztagsschulen in Bayern? 5 % der Schülerinnen und Schüler in Bayern nehmen ein Ganztagsschulangebot wahr, ganz zu schweigen von den Ganztagsschulen. Hören Sie also mit diesem Etikettenschwindel auf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass durch den demografischen und den gesellschaftlichen Wandel Veränderungen auf das bayerische Bildungssystem zukommen, die wir heute nicht in ihrem vollen Ausmaß voraussehen können. Der demografische

Wandel wird zu einem Schülerrückgang führen. Wir werden vor allem in ländlichen Räumen Probleme mit unseren Schulstandorten bekommen. Um passgenaue, an den Bedürfnissen der Regionen ausgerichtete Lösungen zu ermöglichen, brauchen wir eine Weiterentwicklung des gegliederten Schulsystems. Herr Nöth, Sie kommen aus der Region Forchheim. Sie wissen ganz genau, dass die Bildungsregion Forchheim bereits seit vielen Jahren in diese Richtung marschiert.

(Eduard Nöth (CSU): Wir sind bestens organisiert und aufgestellt!)

Tun Sie doch nicht so, als ob dies nicht der Fall wäre. Für diese Veränderungen benötigen wir eine weitergehende Öffnungsklausel, als wir sie derzeit haben. Wir brauchen über die bisher möglichen Kooperationen hinaus weitere Möglichkeiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles Gute, was sich bisher bewährt hat, über Bord geworfen werden müsste. Wir FREIEN WÄHLER sehen das gegliederte Schulsystem in weiten Teilen als gut an und stellen fest, dass es sich bewährt hat. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Schulsystem und die Rahmenbedingungen nicht verbessert und weiterentwickelt werden müssten. Hier muss nachgebessert werden. Das ist überhaupt keine Frage. Wir wollen die Stärken dieses Systems weiterhin nutzen. Die Schwächen dieses Systems sollten jedoch ausgemerzt werden.

Die Positionen sind also nicht dreigliedriges Schulsystem versus Gemeinschaftsschule, sondern wir können uns durchaus die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule im Rahmen eines Modellversuchs vorstellen, wenn dies von einer Schulfamilie einer bestimmten Region gewünscht wird. Herr Nöth, Sie haben heute in der dritten Fassung Ihrer Rede gesagt, in Bayern bestehe derzeit absolut kein Bedarf für eine weitere Schulart und weitere Schulmodelle. Herr Kollege Güll hat völlig richtig gesagt, dass es in Bayern durchaus Regionen und Kommunen gibt, die weitergehende Schulmodelle wünschen. Als Beispiel hat er Leutershausen angeführt. Diesem Wunsch müssen wir uns stellen.

Herr Nöth, Sie haben gesagt, die Eltern, die Lehrer und die Schüler wünschten nach den Reformen und Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts Ruhe, um endlich vor Ort arbeiten zu können. Ich gebe Ihnen durchaus recht. Trotzdem wünschen sich die Eltern eine wohnortnahe Beschulung ihrer Kinder und keinen Schülertourismus durchs Land.

(Volkmar Halbleib (SPD): Wer hat die Unruhe aufgebracht?)

Wir müssen darauf reagieren, vor allem dort, wo Schulschließungen aufgrund des Schülerrückgangs drohen. Das wird ohne eine Weiterentwicklung des starren gegliederten Systems nicht gehen. Wir brauchen daher eine systematische und qualitative Weiterentwicklung.

Uns FREIEN WÄHLERN geht es nicht um irgendwelche bildungsideologischen Fragen, sondern um pragmatische, praktikable und flexible Lösungen vor Ort im Interesse der Menschen und der Kinder. Wir FREIEN WÄHLER wollen durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit für eine Schule der Region schaffen, in der sich aufgrund der Situation vor Ort mehrere Schularten zusammenfinden können, unabhängig davon, ob es sich um eine Förderschule und eine Mittelschule, um eine Mittelschule und eine Berufsschule, eine Wirtschaftsschule und eine Mittelschule oder eine Mittelschule und eine Realschule handelt. Diese Schulen sollen sich, gemäß der Situation vor Ort, unter einem Dach zusammenfinden können.

Mit einer Öffnungsklausel soll auch in den Kernfächern und nicht nur in Sport, Kunst und Musik, wie das derzeit bei den Kooperationen der Fall ist, ein Auf- und Abstieg zwischen den Schularten ermöglicht werden, damit höhere Teilqualifikationen und Abschlüsse erreicht werden. Dieser Ansatz scheint uns wesentlich praktikabler und effizienter zu sein als eine Gemeinschaftsschule, bei der in einer Klasse alle Begabungsspektren vertreten sind.

Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie haben mit Artikel 7 a Absatz 4 die Modelle 9 plus 2 im Gesetz verankert. Das ist sicherlich ein erster, guter Schritt, aber er reicht nicht. Wir brauchen deutlich mehr Flexibilität und eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit. Was wir sicher nicht brauchen, ist die flächendeckende Einführung einer neuen Schulform wie der Gemeinschaftsschule bzw. der Sekundarschule, wie sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angestrebt wird. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf weiterhin der Stimme enthalten und allenfalls der Gemeinschaftsschule als Modellversuch eine Chance geben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als Nächste hat Kollegin Julika Sandt das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Alle Jahre wieder, alle Monate wieder und auch heute kann ich den GRÜNEN zum wiederholten Male nur versichern: Das bayerische Schulsystem hat sich auf den demografischen Wandel eingestellt. Es gibt Perspektiven für eine wohnortnahe Schulversor

gung, und die Regierungsfraktionen haben die heterogene Schülerschaft im Blick. Bei den GRÜNEN lese ich, das Wichtigste sei, eine gute Schul- und Unterrichtsqualität sicherzustellen bzw. weiterzuentwickeln, für eine hohe Qualifikation der Fach- und Lehrkräfte zu sorgen und dass Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit der Schule ein gutes Bildungssystem auszeichnen würden. Da sage ich zunächst einmal: Damit sprechen Sie uns aus der Seele. Das ist aber nur Theorie; denn Sie haben offensichtlich nicht mitbekommen, dass wir genau diesen Anforderungen Rechnung tragen. Noch nie war die Durchlässigkeit im bayerischen Schulsystem so hoch wie heute, und Durchlässigkeit bedeutet Aufstiegsmöglichkeiten.

(Harald Güller (SPD): In der Realität sind das Abstiegsmöglichkeiten, das sind die Zahlen!)

Wir finden in allen Schularten Antworten auf die demografischen Fragen. Jede Schülerin und jeder Schüler soll den Abschluss machen, der zu ihren und seinen Neigungen und Fähigkeiten passt, und zwar wohnortnah. Wir werden der Vielfalt der Schüler mit einem differenzierten Schulsystem mit vielfältigen Angeboten gerecht.

Ich möchte das an einigen Beispielen erläutern. Wir nehmen für die Grundschulen viel Geld in die Hand, um auch Kleinstschulen im Interesse einer wohnortnahen Versorgung zu erhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

Wir haben zum Beispiel das Modell "Flexible Grundschule" von 20 teilnehmenden Schulen auf 80 erweitert, weil manche Schüler mehr Zeit zum Lernen brauchen und andere weniger. Unterforderung ist auch ein Problem im heutigen Schulsystem. Wir wollen niemanden überfordern und niemanden unterfordern. Genau deswegen braucht man maßgeschneiderte Bildungsangebote und eben keine Gemeinschaftsschule.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

Herr Felbinger, wir haben nicht nur das Modell 9 plus 2 geschaffen, um an weiterführenden Schulen eine höhere Flexibilisierung zu haben,

(Zuruf der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

wir haben auch die Kooperationsmodelle geschaffen. So gibt es Kooperationen zwischen Mittel- und Realschulen und zwischen Mittel- und Wirtschaftsschulen. Auch die Mittelschulverbünde ermöglichen eine hohe Flexibilität, ebenso die Zusammenarbeit zwischen Mittelschulen und beruflichen Schulen. Es gibt dadurch also ein hohes Maß an Flexibilität, und es gibt viele

Angebote für mehr Durchlässigkeit und mehr Aufstiegsmöglichkeiten. Auch an den Gymnasien tragen wir der heterogenen Schülerschaft mit dem Frühwarnsystem, mit Intensivierungsstunden, mit flexiblen Lernzeiten etc. Rechnung. Die Liste der Verbesserungen ließe sich endlos fortsetzen. Wir sind auf dem richtigen Weg und schreiten darauf weiter fort.

(Unruhe)

Liebe GRÜNE, wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie sagen, dass es Ihnen gar nicht so sehr um ein wohnortnahes weiterführendes Schulsystem geht − das ist vor Ort meist schon sehr gut realisiert −, sondern um eine Strukturdebatte und um die Installierung der Gemeinschaftsschule. Das von Ihnen gewünschte Schulmodell ist letztlich nichts anderes als eine Art Gesamtschule. Deren Vorteil ist mir immer noch nicht klar geworden, auch wenn Sie das ständig wiederholen. Gute pädagogische Modelle und selbstständiges Lernen kann man genauso gut in einem differenzierten Schulsystem anbieten. Die Gemeinschaftsschule bietet keine gute Pädagogik, sondern ein Einerlei.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Gemeinschaftsschule garantiert weder ein schlüssiges pädagogisches Konzept mit einer guten, abschlussbezogenen Förderung noch wird damit eine bessere und moderne Lernkultur entwickelt. Was nützen uns denn neue Schulformen, wenn überhaupt kein pädagogischer Mehrwert und keine bessere Schulqualität dahinter stecken? Uns Liberalen geht es um Qualität und nicht um die Strukturen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Güll (SPD))

Wir lehnen die Gemeinschaftsschule ab. Wir wollen keinen Einheitsbrei. Wir wollen ein für jeden Schüler maßgeschneidertes Schulsystem. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Frau Sandt, bitte bleiben Sie am Redepult. Kollege Pfaffmann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Sandt, sind Sie denn sicher, dass Sie zum richtigen Gesetzentwurf geredet haben? Sie versuchen die ganze Zeit, eine Gemeinschaftsschule abzulehnen. Ist Ihnen denn bewusst, dass in dem Gesetzentwurf, der hier zur Beratung steht, das Wort "Gemeinschaftsschule" gar nicht drinsteht?

Aber es gibt doch − −

Sie sind noch nicht dran.