Protocol of the Session on January 29, 2013

(Glocke des Präsidenten)

Ich bitte doch, mir nicht demonstrativ den Rücken zuzuwenden, Herr Kollege.

Ich hätte jetzt fast etwas gesagt, aber nach der Sexismus-Debatte werde ich mir das verkneifen, Herr Kollege Füracker.

Sie haben das Wort, Herr Kollege Pohl. Auf geht’s, Herr Kollege Pohl!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Hohen Haus schon oft und häufig einmütig über das Problem der Bekämpfung des Extremismus diskutiert, aber leider Gottes haben wir vielfach keine konkreten Maßnahmen be

schlossen. Wir diskutieren seit viereinhalb Jahren ein NPD-Verbotsverfahren. So wie es aussieht, wird dieses NPD-Verbotsverfahren vor Ende der Legislaturperiode des Bayerischen Landtags

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und des Deutschen Bundestages nicht in die Gänge kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir glaubwürdig sein wollen bei der Bekämpfung des Extremismus, bei der Bekämpfung extremistischer Parteien, dann müssen wir das Übel bei der Wurzel packen und, solange wir kein Verbotsverfahren einleiten, zumindest den Versuch machen, diese Parteien in der Ausübung ihrer politischen Gestaltung auf der nächsthöheren Ebene zu beschneiden, indem wir ihnen den Geldhahn zudrehen.

Es ist eine untragbare, für einen Demokraten nicht hinnehmbare Situation, dass extremistische Parteien ihren Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Steuermitteln, die wir, die Bürger, aufbringen, auch noch finanzieren. Es gibt den schönen Satz: Die dümmsten Schweine suchen sich ihren Metzger selber.

(Zuruf von der CSU: Kälber! - Kurt Eckstein (CSU): Kälber heißt das!)

"Kälber", Herr Kollege.

Auf die Tiergattung lasse ich mich jetzt nicht festlegen, Herr Präsident. Wenn wir mit unserem Steuergeld dazu beitragen, dass die an den Grundfesten unserer Demokratie rütteln, dann ist uns nicht zu helfen.

Deshalb haben wir einen Vorschlag eingebracht, der, selbst wenn es zu keinem Verbotsverfahren kommt oder die Verbotsverfahren nicht erfolgreich sind, es uns ermöglicht, die Parteien, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind und die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen, von der Parteienfinanzierung abzuschneiden.

Unser Vorschlag hat in mehrfacher Hinsicht Charme. Zum einen ist die Eingriffsschwelle unterhalb deren, die für ein Parteiverbot erforderlich ist. Zum anderen kann man durch das Abdrehen des Geldhahns auch die Verfassungstreue steuern. Es heißt ja nicht, wenn einer Partei in einem Jahr die Parteienfinanzierung versagt wird, dass das auf alle Ewigkeit so bleiben muss.

Meine Damen und Herren, ich verhehle nicht, dieser Antrag richtet sich nicht nur gegen die NPD und Parteien, die dem Rechtsaußenspektrum zuzurechnen sind, sondern auch gegen Parteien, die dem linksextremen Spektrum zuzurechnen sind. Hier können und dürfen wir keine Unterschiede machen. Es kann nicht unterschieden werden zwischen Verfassungsfeinden von Rechts und Links. Maßgeblich ist, dass diese die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden. Das ist der Maßstab. Das ist die Richtschnur. Es ist gut, wenn wir unsere Rechtsordnung um dieses Gesetz, um die Verfassungsänderung, aber auch um die Änderung des Parteiengesetzes bereichern.

Natürlich werden Sie sagen: Die Frage ist, ob das vor dem Bundesverfassungsgericht hält. Der Vorschlag ist − die Urheberschaft nenne ich gerne − von Professor Epping und von Professor Dr. Morlok ausgearbeitet. Natürlich gibt es verfassungsrechtliche Risiken. Aber das haben Sie bei vielen Gesetzgebungsvorhaben. Ich meine, es ist notwendig, es ist erforderlich, das zu versuchen. Ich glaube, unser Gesetzentwurf hat gute Chancen, zu bestehen und ist ein wichtiges, wertvolles Zeichen zur Bekämpfung extremistischer Parteien.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Heike, ihm folgt Herr Kollege Dr. Rabenstein. Bitte schön, Herr Heike.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Es ist schon interessant - wir haben das auch im Ausschuss schon einmal besprochen -, mit welcher Vehemenz der Jurist Pohl uns hier etwas erzählt, von dem ich persönlich sage: Wir wissen beide, dass es nicht so einfach geht, wie Sie uns das hier dargestellt haben.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Sehr richtig!)

Sie haben sicherlich recht, wenn Sie sagen, dass Herr Professor Epping und, wenn auch mit Einschränkungen, Professor Dr. Morlok schon im Jahr 2008 erklärt haben, durch die Austrocknung der finanziellen Quellen könnte man etwas tun. Nur, was würden wir denn tun? − Wir würden einem Parteiverbot Vorschub leisten bzw. wir würden versuchen, etwas auf den Weg zu bringen, was wir noch nicht auf den Weg bringen können. Tatsache ist nämlich, und das ist auch richtig so, dass unsere Verfassung sehr hohe Anforderungen stellt, bevor jemand die Möglichkeit hat, eine Partei mundtot zu machen.

Ich bin wie Sie der Meinung: Wir dürfen Extremisten und ich betone: in diesem Zusammenhang lobe ich Sie auch ausdrücklich - von rechts wie von links nicht alimentieren. Auf Ihrem Weg geht es aber mit Sicherheit nicht, denn beide Rechtswissenschaftler, die Sie

zitiert haben, haben ausdrücklich erklärt, das Sicherste wäre eine Verfassungsänderung. Meine Damen und Herren Kollegen, die Verfassungsänderung müssen wir aber erst einmal begründen und auch dies könnte natürlich noch überprüft werden. Auf gut Deutsch: Wir würden in diesem Fall Steine statt Brot geben.

Wer setzt denn eigentlich fest, was rechtsextremes oder linksextremes Gedankengut ist? Wer setzt fest, wer Geld bekommt und wer nicht? Was machen Sie, wenn irgendwann jemand kommt und sagt: Herr Pohl und seine Ansichten sind mir zuwider, wir streichen ihm jetzt die Apanage. − Ich möchte einmal sehen, ob Sie das begeistert aufnehmen würden. So kann es nicht gehen. Wir haben deshalb den Weg des Parteienverbotes, und dabei muss es bleiben. Eine andere Möglichkeit, die Möglichkeit der Austrocknung durch finanzielle Untersagung, ist sehr durchsichtig, wenn auch populistisch und populär. Aber gewinnen können wir damit gar nichts, Herr Kollege. Es ist deshalb richtig, dass wir jetzt versuchen, das NPD-Verbot durchzusetzen. Machen wir es auf diesem Wege. Der ist rechtlich korrekt, und ich bin gerne bereit, diesen Weg mitzugehen. Was Sie wollen, kommt aber nicht infrage, das haben wir schon im Ausschuss gesagt. Es ist nach unserer Auffassung eine Umgehung der Verfassung − aber nicht mit der CSU.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Heike, bitte bleiben Sie noch einen Moment hier, wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Pohl. Bitte schön, Herr Pohl.

Herr Kollege Heike, erstens enthält unser Antrag eine Verfassungsänderung. Zweitens: Ich habe das Problem mit Professor Epping diskutiert. Wir sind beide der Meinung, dass ein geringerer Eingriff, nämlich die Streichung der finanziellen Zuwendungen, eines geringeren Maßes an verfassungsfeindlicher Gesinnung bedarf. Das heißt, wir sind hier im klassischen Bereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: milderes Mittel − mildere Eingriffsschwelle.

Drittens: Wer beurteilt das? − Wie bei allen Fragen der Parteienfinanzierung macht das der Präsident des Deutschen Bundestages und gegen dessen Entscheidungen ist der Verwaltungsrechtweg offen. Wenn der Verwaltungsrechtsweg erschöpft ist, ist auch der Gang zum Bundesverfassungsgericht möglich. Der Vorschlag ist daher in sich schlüssig, ausgegoren und umsetzbar. In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings recht: Es kann Ihnen niemand eine Garantie dafür

geben, dass das Bundesverfassungsgericht das so akzeptiert. Die bekommen Sie allerdings, wenn Sie ein NPD-Verbotsverfahren ins Rollen bringen, auch nicht.

Bitte, Herr Kollege Heike.

Herr Kollege Pohl, ich bin begeistert, dass Sie und Herr Professor Epping einer Meinung sind. Was aber das Verfassungsgericht davon hält, können Sie nicht vorhersagen und wir auch nicht. Ich warne aber davor zu glauben, dass sich das Bundesverfassungsgericht in dieser Art und Weise instrumentalisieren lässt.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Aber Sie wissen es auch nicht!)

Es ist offensichtlich und durchsichtig, dass Sie damit das Parteienverbot umgehen wollen. Das nimmt Ihnen kein Gericht ab. Wie gesagt, Sie werden es nicht probieren müssen, weil es nicht durchgehen wird. Ein geringerer Eingriff ist der Entzug von Finanzmitteln mit Sicherheit nicht.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Was? Gegenüber dem Verbot?)

Damit wird diese Partei nämlich mundtot gemacht. Wie ich schon sagte, ich möchte Sie hören, wenn man Ihnen, wenn Sie eine andere Meinung haben, so etwas vorsetzt.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Also jetzt aber!)

Das gehört vor das Verfassungsgericht. Dort wird es geklärt und nicht vom Präsidenten des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Rabenstein. Auf ihn folgt Frau Tausendfreund. Bitte schön, Herr Dr. Rabenstein.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Antrag klingt zunächst recht plausibel. Man könnte leicht geneigt sein, zu sagen: Natürlich, selbstverständlich, wir drehen denen den Geldhahn zu. Es macht schließlich keinen Sinn, dass eine Partei, die unsere demokratische Grundordnung bekämpft, auch noch von diesem unseren Staat bezahlt wird. Im Hinterkopf hat man immer auch das Ende der Weimarer Republik, als man mit der NSDAP, mit der Hitler-Partei, zu tolerant umgegangen ist. Ich möchte hier ein Zitat von

dem späteren Propagandaminister Goebbels bringen. Er hat gesagt: Es wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, dass sie ihren Feinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde. Das also ist der Hintergrund.

Trotzdem haben alle vier Parteien außer den FREIEN WÄHLERN in zwei Ausschüssen diesen Antrag abgelehnt. Herr Pohl, die anderen Parteien haben den Antrag nicht aus Sympathie für die Finanzierung oder aus Sympathie für die NPD abgelehnt. Das werden Sie uns Sozialdemokraten und auch den anderen Parteien wohl nicht unterstellen wollen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Das habe ich nicht gesagt!)

- Das kommt aber so heraus, weil der Dringlichkeitsantrag nun auch noch im Plenum hochgezogen wurde. Vielleicht gibt es sogar noch eine namentliche Abstimmung. Das kommt dann so heraus, als ob wir die Finanzierung unterstützen würden. Nein, es gibt einen ganz einfachen Grund, der auch schon angesprochen wurde. Es ist einfach so: Wenn die Partei verfassungswidrig ist − jetzt sprechen wir einmal von der NPD, es kann aber auch eine linksextremistische Partei sein −, dann gehört die Partei nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes verboten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Deswegen haben wir als Sozialdemokraten diesen Verbotsantrag eingebracht, der dann über den Bundesrat entsprechend läuft. Das ganze Verfahren wird mit Sicherheit eingeleitet. Ich selbst bin kein Jurist, kann mir aber nicht vorstellen, dass nach dem von Ihnen genannten Rechtsgutachten die Argumentation Bestand hat, eine Partei sei extremistisch; sie wird zwar nicht verboten, aber auch nicht finanziert. Dann wird sich die Partei immer darauf berufen: Wir sind nicht verboten und damit haben wir das Recht, finanziert zu werden. So einfach ist das. Deswegen ist der einzig richtige Weg, den Verbotsantrag auf den Weg zu bringen, und dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.

Zum Schluss noch − auch vom Praktischen -: Ich glaube, dass von den FREIEN WÄHLERN ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet wird. Wir wollen den Verbotsantrag auf den Weg bringen und gleichzeitig soll versucht werden, in der gleichen Art und Weise die Finanzierung der NPD zu untersagen. Das gibt keinen Sinn. Wenn überhaupt − ich würde aber davor warnen, das jetzt schon anzusprechen −, könnte man argumentieren: Wenn der Verbotsantrag wieder scheitern sollte, sollte versucht werden, andere Mittel zu finden. Diesen Antrag aber im Vorfeld bereits zu bringen, macht keinen Sinn. Deswegen ist es verständ

lich, dass alle vier anderen Parteien diesen Antrag abgelehnt haben. Dies geschieht nicht, weil wir die NPD in irgendeiner Art und Weise fördern wollen oder die Finanzierung der Partei unterstützen wollen, sondern aus den von mir genannten Gründen. Deswegen werden wir auch heute diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich Frau Tausendfreund zu uns nach vorne.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FREIEN WÄHLER ist im Grunde ein unseliger Angriff auf eine wichtige Grundlage unserer Demokratie, nämlich den Schutz der politischen Betätigung von Parteien innerhalb unserer grundgesetzlich verfassten Gesellschaft. Die Erfahrungen aus unserer Geschichte lehren, dass das Parteienprivileg des Artikels 21 des Grundgesetzes zwingend erforderlich ist. Im politischen Meinungsstreit haben wir notwendigerweise ein breites Spektrum abgebildet. Die Hürden für ein Parteiverbot sind zu Recht sehr hoch, denn es darf nicht die Situation eintreten, dass eine Regierung oder eine Mehrheit im Parlament den politischen Gegner mit einer sehr weiten Auslegung des Begriffs der Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung finanziell kaltstellen kann. Es ist ärgerlich, dass die NPD von der Parteienfinanzierung profitiert. Dies rechtfertigt aber nicht, unsere verfassungsrechtlichen Grundlagen zu schwächen. Es gibt keine verfassungswidrigen Parteien erster und zweiter Klasse oder unordentliche und ordentliche. Entweder sind sie verfassungswidrig und dann gehören sie verboten, oder wir müssen in den sauren Apfel beißen und sie profitieren weiterhin von der Parteienfinanzierung.