Protocol of the Session on December 4, 2012

sende Stellungnahme. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 Gescho auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Der Fall Gustl Mollath - wie unabhängig ist die bayerische Justiz?"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten; dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Erster Redner ist Herr Kollege Florian Streibl von den FREIEN WÄHLERN. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Staat ohne Gerechtigkeit ist nichts anderes als eine große Räuberbande, sagt Augustinus. Das Fundament des Staates ist die Gerechtigkeit und muss die Gerechtigkeit sein. Die Gerechtigkeit kommt aus der Tiefe der menschlichen Identität und formt sich dann in Recht und Gesetz. Das Gesetz und das Recht haben letztlich die Freiheit des Menschen zu schützen und dieser zu dienen. Das ist die große gesellschaftliche Aufgabe, die die Justiz hat. Sie muss die Gerechtigkeit, das Recht und das Gesetz im Dienste der Freiheit der Menschen schützen. Dieser Aufgabe muss die Justiz gerecht werden.

Jetzt kann man natürlich fragen: Wie konnte es sein, dass die Rufe von Herrn Mollath so lange ungehört blieben, die er in seinen Schreiben an die HVB, an die Ministerien und an die Justiz richtete? Selbst die Petition, die er noch im Jahr 2004 eingereicht hat, die die gesamte Anzeige mit allen Namen und Adressen enthielt, blieb ungehört. Des Weiteren hat er im Jahr 2007 eine Petition eingereicht, in der er sein Schicksal in der Psychiatrie schilderte. Auch diese Petition wurde nicht gehört.

Des Weiteren gab es 2007 das Gutachten von Herrn Dr. Simmerl, der Herrn Mollath bescheinigt hat, dass er psychopathologisch unauffällig und geschäftsfähig ist, dass er ein ruhig-gefasster und überlegter Mensch ist. Auch dieses Gutachten ist nicht zum Anlass genommen worden, die Strafanzeigen von Herrn Mollath weiter zu überprüfen, vielmehr ist dieses Gutachten

im Grunde ungehört geblieben. Darin ging es letztlich um die Frage der Betreuung oder Nichtbetreuung.

Letzte Woche kam durch die "Nürnberger Nachrichten" zutage, wenn es denn stimmt, dass der Vorsitzende Richter des Verfahrens beim Landgericht, schon bevor das Gutachten erstellt worden war, bevor das Urteil gesprochen worden ist, entsprechende Hinweise an die Finanzbehörden gegeben hat, die die Person von Herrn Mollath diskreditiert haben. Letztlich ist das Befangenheit, und dann ist es auch legitim, wenn das Verfahren jetzt wieder aufgerollt wird. Dass das Ganze wieder in Schwung kommt, ist auch gut so.

Eine weitere Frage: Am 4. März 2010 wurde von einem ehemaligen Richter eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, derzufolge eine Verquickung mit den gesellschaftlichen Kreisen von Nürnberg, mit der Politik gesehen wird. Das lässt sich im HVB-Bericht erahnen, in dem von allseits bekannten Persönlichkeiten die Rede ist. Zu fragen ist: Ist hier von der Politik auf die Justiz Einfluss genommen worden? Das muss ein Untersuchungsausschuss klären, ist unser Credo hier.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weiter stellen wir die Frage: Wie unabhängig ist die Justiz? 4,3 % des Gesamthaushalts, den wir nächste Woche beraten werden, fließen in die Justiz. Die Justiz ist die dritte Säule der staatlichen Gewalt. Diese 4,3 % sind zu wenig; denn die Justiz kann ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie die notwendigen Sachmittel und die erforderliche Personalausstattung hat. Wenn Richter und Staatsanwälte 140 % ihres Solls abarbeiten müssen, liegt es auf der Hand, dass hier Fehler entstehen können.

So gesehen ist es wichtig, dass die Justiz auch die Mittel bekommt, die sie wirklich benötigt, damit sie ihrer Aufgabe unabhängig nachkommen kann. Hier sollte kein Haushalt geschaffen werden, der lediglich ein Feigenblatt darstellt, während das Geld für die Augenbinde der Justitia fehlt. Die Justiz kann letztlich nicht unabhängig sein, wenn sie nicht die Mittel und die Möglichkeiten hat, ordentlich zu arbeiten. Sie muss die Ausstattung bekommen, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Denn ein Richter kann dann letztlich nicht als guter Richter bezeichnet werden, wenn er möglichst viele Fälle in möglichst kurzer Zeit behandelt. Vielmehr kommt es auf das Ergebnis an, darauf, inwieweit der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit wiederherge

stellt werden und inwieweit hier Gerechtigkeit gefunden wird. Das lehrt uns der Fall Mollath. Er hat die Spitze eines Eisbergs zutage gebracht. Wir müssen zusehen, die Justiz so auszustatten, damit so etwas wie hier nicht mehr passieren kann, sondern dass man die Fälle genau prüft und die Rufe der Betroffenen nicht ungehört verhallen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. − Als Nächste hat Frau Staatsministerin Dr. Beate Merk das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich schon, in welchem Rechtsstaat wir leben,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir auch!)

wenn ein Volksvertreter wider besseres Wissen Unsicherheit und Zweifel bei den Menschen in die Sachverständigen und die Justiz schürt. Herr Streibl, Sie lassen sie glauben, dass ein Gericht bei uns bewusst, einfach so, einen Menschen wegsperrt, obwohl Sie es als Rechtsanwalt besser wissen. Sie sprechen hier von der Spitze eines Eisbergs.

(Josef Miller (CSU): Unerhört!)

Es geht hier um einen Menschen und seine Freiheit. Es geht hier darum, sicher festzustellen, ob die Voraussetzungen für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorliegen oder nicht,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau das wollen wir wissen!)

ob er psychisch krank und für die Allgemeinheit gefährlich ist oder nicht.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau!)

Darauf komme ich noch zurück. Aber zuerst einmal stelle ich fest, Herr Streibl, dass Sie mit Ihren Anträgen von heute und von letzter Woche die Unabhängigkeit der Gerichte infrage stellen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Dr. Andreas Fischer (FDP): Sehr richtig!)

Ich sage Ihnen auch, Herr Streibl: Wenn diese Unabhängigkeit leidet, tragen Sie die Verantwortung dafür.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Zuruf des Ab- geordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Wie schon gesagt: Hier geht es um etwas anderes als um politischen Aktionismus. Hier geht es um ein zentrales Fundament unseres Staates.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hier geht es um einen Menschen, der eingesperrt ist! Wir müssen wissen, warum; das wollen wir wissen!)

Das habe ich bereits gesagt.

(Weitere Zurufe − Glocke des Präsidenten)

Herr Aiwanger, am Donnerstag werde ich hier im Rechtsausschuss berichten.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie haben schon öfter berichtet!)

Da können Sie hingehen. Sie brauchen mich jetzt nicht ständig zu unterbrechen, denn ich habe darauf hingewiesen -

(Georg Schmid (CSU): Ein bissle Anstand!)

Ich habe darauf hingewiesen, dass es um einen Menschen geht. Es geht aber auch darum, dass die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter in unserem Lande hier sehr deutlich infrage gestellt wird, wenn Sie wie zum Beispiel letzte Woche unter der Überschrift "Unabhängige und transparente Justiz" unabhängigen Gerichten vorschreiben wollen, welche Beobachter sie bei Begutachtungen hinzuziehen sollen. Das ist eine Gewaltenteilung der ganz besonderen Art, die Sie uns hier zumuten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

So funktioniert also die unabhängige, transparente Justiz im Land der FREIEN WÄHLER!

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Kritik richtet sich an Ihren Ministerpräsidenten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, dass die Justiz an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist,

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))

wenn sie zum Beispiel ein Verfahren wiederaufrollen und es neu überprüfen lassen möchte. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens hat hohe Hürden zu überwinden.

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))

- Hören Sie bitte zu. Diese hohen Hürden muss man auch erst einmal überwinden können. Man braucht dazu die entsprechenden Möglichkeiten. Nachdem diese gefunden worden sind, hat die Justiz sofort darauf hingewirkt.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Sie sind von der Opposition gefunden worden!)

Im Moment überprüft die Staatsanwaltschaft in Regensburg, ob die Wiederaufnahme in die Wege geleitet wird.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Also dann, dann passt es doch wieder!)