Protocol of the Session on November 29, 2012

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ist in seiner Grundstruktur darauf ausgerichtet, die individuelle Förderung der Kinder aufgrund ihrer persönlichen Situation und der Nutzung der Einrichtungen zu berücksichtigen. Es ist darauf ausgerichtet, dass der Strukturwandel, der sich in den vergangenen Jahren aufgrund der stark gestiegenen Nachfrage nach frühkindlichen Bildungseinrichtungen ergeben hat, angepasst und weiterentwickelt werden kann. Es ist auch darauf ausgerichtet, dass wir in der Fördersystematik eine zielgenaue Förderung vornehmen, wie es auch der Bayerische Oberste Rechnungshof vor Inkrafttreten des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes eindeutig gefordert hat. Ich sage ganz klar: Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz hat sich bewährt, nachdem es bei seiner Einführung zu großen Diskussionen gekommen war. Es ist in dieser Situation, was die Weiterentwicklung der Betreuungsangebote anlangt, der richtige Weg. Deshalb sind wir der Auffassung, dass eine Novellierung des Gesetzes der Zeit entsprechend sinnvoll ist, aber dass es sich in seiner Grundstruktur mehr als bewährt hat.

(Beifall bei der CSU)

Lassen wir Revue passieren, wie intensiv dieser Gesetzentwurf beraten wurde: Nach der Ersten Lesung haben alle Fraktionen, aber der sozialpolitische Ausschuss wiederholt zu verschiedenen Initiativen Beratungen durchgeführt. Wir haben einstimmig beschlossen, nochmals eine Anhörung durchzuführen, die mittlerweile stattgefunden hat. Wir hatten mehr als ein Jahr intensivste Beratungen zu den Themen, die Inhalt des BayKiBiGs sind. Dann davon zu sprechen, dass kein Dialog stattgefunden habe, entbehrt jeder inhaltlichen Grundlage, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Sechs Schwerpunkte im Gesetzentwurf stellen eine erhebliche Verbesserung dar. Auf der Familienentlastungsseite haben wir die Verbesserung des Mindestanstellungsschlüssels auf 1 : 11,0 mit einer entsprechenden Berücksichtigung der Einrichtungen, die bereits einen besseren Anstellungsschlüssel haben. Hierzu gibt es im Moment noch Verhandlungen, aber eines muss ich feststellen: Die Behauptung, die in diesem Hause immer wieder von der Opposition kommt, es habe sich keine qualitative Verbesserung ergeben, ist schlichtweg falsch. Wir werden einen hohen Millio

nenbetrag ausgeben, um die Qualität der Betreuung durch eine Verbesserung des Anstellungsschlüssels und des Basiswertes zu verbessern. Das ist die Politik der Regierungskoalition, die die frühkindliche Bildung als einen erheblichen Anteil am gesamten Bildungswerdegang von Kindern ansieht. Das ist ein Schmuckstück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hätten uns natürlich auch vorstellen können, dass die Relation zwischen der Beitragsentlastung für das letzte Kindergartenjahr und dem Anstellungsschlüssel noch etwas zugunsten des Letzteren geändert wird. Aber wir haben uns in der Koalition geeinigt, und die CSUFraktion steht zu dieser Vereinbarung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Dies bedeutet in der Konsequenz, dass es einen Beitragszuschuss für das letzte Kindergartenjahr gibt, der zu einer Entlastung der Eltern führen wird, die die vollen Beiträge im letzten Kindergartenjahr zahlen, zwischen 600 und 1.200 Euro in den nächsten Jahren. Das Geld wird unmittelbar an die Träger weitergegeben; das ist ausdrücklich sichergestellt. Durch die Verbesserung des Anstellungsschlüssels werden wir wie gesagt die inhaltlichen Rahmenbedingungen entsprechend verbessern können.

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Verwaltungsvereinfachung. Hier hat es immer wieder Anregungen, aber auch Kritik gegeben, dass es mehr zu tun gibt. Wir werden durch die Systemeinführung im EDV-Bereich allen Einrichtungen entgegenkommen; das Ministerium arbeitet vorbildlich daran.

Ein ganz zentraler Punkt im Zusammenhang mit der Verwaltungsvereinfachung, Kolleginnen und Kollegen, ist die Abschaffung der sogenannten Gastkinderregelung, die viele Probleme bereitet hat. Der Wille der Eltern soll Vorrang haben. Dieser wird nachvollzogen, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abgeordneten Reserl Sem (CSU))

Wir haben darüber hinaus die sogenannte Landkindergartenregelung verbessert. Es kommt hier zu einer pauschalen Finanzierung. Die Einrichtungen werden mindestens so gestellt, als ob sie voll belegt wären.

Verbesserungen ergeben sich zudem für die Tagespflege, insbesondere für die Großtagespflege. Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich ein Plädoyer für Tagesmütter und Tagesväter halten. Bei der Tagespflege handelt es sich um ein familiennahes, ergänzendes Angebot im System der Kinderbetreuung des Freistaates Bayern. Wir dürfen

Tagesmütter und Tagesväter nicht immer hintanstellen. Deswegen ist die Förderung notwendig.

(Beifall bei der CSU)

Hinsichtlich der Inklusion von Kindern mit Behinderung sind die Kindertagesstätten in unserem Land sehr gut aufgestellt. Das Bayerische Kinderbildungsund -betreuungsgesetz ermöglicht eine bessere Finanzierung. Das Verhältnis von Eingliederungshilfeleistung der zuständigen Bezirke und Förderung der Kindertageseinrichtung wird klargestellt. Wir dürfen den Kostenträger nicht aus der Verantwortung entlassen. Probleme im Einzelfall dürfen nicht zulasten der Eltern oder zulasten der betroffenen Kinder gehen. Die Einrichtungen, die Inklusion aktiv betreiben, müssen Planungssicherheit haben. Auf die Bedenken, die in den Gesetzesberatungen geäußert worden sind, was eine etwaige Unterfinanzierung anbelangt, bin ich schon im Zusammenhang mit meinen Ausführungen zum Beitragszuschuss für das letzte Kindergartenjahr und zum Anstellungsschlüssel eingegangen.

Die Koalitionsfraktionen haben im Zuge der Gesetzesberatungen vier Änderungsanträge eingebracht.

Um mehr Planungssicherheit zu erreichen, soll − ein Auftrag an die Staatsregierung − ein Jahresdurchschnittswert als Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Wir sind der Meinung, dass insoweit ein berechtigtes Anliegen der Träger vorliegt, dem Rechnung getragen werden kann. Dieser Punkt ist nicht Gegenstand des BayKiBiG; deswegen haben wir ihn in den Entschließungsantrag aufgenommen.

Bei den FAG-Verhandlungen haben wir den ursprünglichen Plan, dass nur zwei Drittel des Wertes bei der Berechnung der Investitionskostenzuschüsse berücksichtigt werden, korrigieren können. Nunmehr wird von 100 % ausgegangen. Das führt zu einer deutlichen Entlastung der Kommunen. Das können wir an dieser Stelle durchaus positiv feststellen.

In der Kann-Kinder-Regelung − sie betrifft Kinder, die erst nach dem 1. Oktober das sechste Lebensjahr vollenden, aber früher eingeschult werden − soll sichergestellt werden, dass der Beitragszuschuss für ein ganzes Jahr gewährt wird.

Zum Bereich der Inklusion haben wir heute einen Antrag als Tischvorlage eingereicht. Mit dem Gewichtungsfaktor 4,5 für Inklusions-Kinder soll sichergestellt werden, dass die Förderung mindestens ein halbes Jahr erfolgt.

Insgesamt ist es ein abgerundetes Konzept. Die Einrichtungen, die Erzieherinnen, die Eltern, die Betroffenen − sie alle werden den Erfolg des Gesetzes daran

messen, ob es möglich ist, es umzusetzen. Wir sind der Meinung: Es ist ein gutes Gesetz. Auch unsere Änderungsvorschläge sind gut. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung des Gesetzentwurfs und unserer Änderungsanträge. Kehren wir zu einer sachlichen Diskussion zurück! Das nutzt allen Betroffenen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Unterländer. − Mir ist vorhin beim Aufrufen ein Fehler unterlaufen, Frau Kollegin Jung.

(Claudia Jung (FREIE WÄHLER): Ich kann es verschmerzen!)

Kollege Pfaffmann ist vorher dran. Ich hatte das wegen der Geschäftsordnungsdiskussion übersehen. − Bitte schön, Herr Kollege Pfaffmann. Danach spricht Kollegin Jung.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Klarstellung zu dem Wortbeitrag des Kollegen Unterländer beginnen: Er hat gesagt: "Wir haben eine Anhörung durchgeführt", und somit den Eindruck erweckt, die Regierungsmehrheit habe hierfür für eine Anhörung gesorgt. Zur Klarstellung darf ich festhalten: Sie mussten zu dieser Anhörung gezwungen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie wollten eigentlich gar keine. Im Gegenteil, Sie wollten dieses Gesetz kurz vor der Sommerpause möglichst still und leise durchpeitschen.

(Zuruf von der CSU: Das ist eine Unterstellung!)

Nur der Opposition ist es zu verdanken, dass es noch zu einer Anhörung gekommen ist. Gleichwohl stelle ich fest, dass in dem Gesetzentwurf nahezu keine Forderung der Verbände und Organisationen, die bei der Anhörung zahlreich vertreten waren, berücksichtigt worden ist. Auch das gehört zur Wahrheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten heute über ein Gesetz, das für die Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder von entscheidender Bedeutung ist. Mittlerweile herrscht in der Gesellschaft und in der politischen Landschaft Konsens, dass Bildung vor der Schule auch Bildung ist.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Bildung vor der Schule auch Bildung ist, muss diese aber auch entsprechend finanziert werden. Dann geht es nicht an, bei der Finanzierung Unterschiede zu machen.

Nächster Punkt: Der Stellenwert der Bildung, auch der frühkindlichen Bildung, wird immer wieder betont, vor allen Dingen in Sonntagsreden oder bei der Eröffnung von Kindertageseinrichtungen. Es wird immer wieder gesagt, wie bedeutend doch die frühkindliche Bildung sei. Ich stelle fest: Diese immer wieder vorgetragene Bedeutung findet in dem vorliegenden Gesetz keinerlei Berücksichtigung.

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Auch die Behauptung, das Gesetz bedeute einen Qualitätsschub, weisen wir zurück. Vor allen Dingen die Frau Staatsministerin gewichtet offenbar die öffentliche Wirkung von Ankündigungen höher als tatsächliche Verbesserungen.

(Beifall bei der SPD)

Das Gesetz führt nicht zu einem Qualitätsschub, sondern eher zu einem Rückschritt, was die Qualität in unseren Einrichtungen angeht. Bevor ich diese Aussage begründe, will ich noch ein paar Sätze zur Finanzierung sagen: Sie von der Koalition beschließen heute ein Gesetz, dessen finanzielle Auswirkungen Sie noch nicht kennen. Sie sehen 33 Millionen Euro für die Verbesserung des Anstellungsschlüssels vor, können das aber nicht konkretisieren. Auf unsere entsprechende Frage erhielten wir die Antwort, darüber verhandele man mit Trägern und Gemeinden.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört! Hört!)

Sie wissen nichts von den Auswirkungen des Gesetzes. Schon das zeigt, wie schlampig Sie gearbeitet haben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch mit der immer wieder gern gewählten Formulierung, man betreibe die Entlastung der Eltern, aufräumen. Ja, es stimmt: Im letzten Kindergartenjahr sollen die Eltern von Beiträgen entlastet werden. Sie verschweigen, dass der verpflichtende Anstellungsschlüssel nahezu 80 Millionen Euro kosten wird − so die Verbände -, Sie aber maximal 33 Millionen bereitstellen. Das heißt in der Konsequenz: Die Finanzierung des Mindestanstellungsschlüssels müssen Träger und Kommunen leisten. Die Kommunen werden die Belastungen nicht vollständig auffangen können, die Träger auch nicht. Ich behaupte: Die Eltern werden höhere Beiträge zu leisten haben, und zwar vom ersten Tag des Kindergartenbesuchs an. Mit anderen Worten: Zunächst einmal müssen Eltern über mehrere Jahre hinweg höhere Beiträge zahlen, damit sie im letzten Kindergartenjahr um 50 Euro entlastet werden können. Ich behaupte, dass dieses Gesetz − in der

Konsequenz betrachtet − die Eltern insgesamt mehr belasten wird, als Ihre Entlastungsbeiträge für Eltern letztendlich hergeben.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die Frage, wer den Mindestanrechnungsschlüssel bezahlen soll, hört man aus dem Ministerium: Da müssen die Träger zu den Kommunen gehen. Siehe "Nürnberger Nachrichten"! Hierzu stelle ich fest: Sie greifen bei der Frage der Kinderbetreuung und -bildung ganz ungeniert in die öffentlichen Kassen der Gemeinden und Städte. Das ist ein Grund dafür, dass diese das Gesetz ablehnen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Träger. Ich darf Ihnen das einmal ausrechnen. Sie haben 33 Millionen Euro für angebliche Qualitätsverbesserungen in diesem Gesetz eingestellt; brauchen würden wir 80 Millionen. Wenn wir nun die 33 Millionen nehmen und mit den circa 500.000 Kindern in Bayern und den 8.400 Einrichtungen in Bezug setzen, kommen wir auf eine Verbesserung von sechs Euro pro Kind. Ich gratuliere Ihnen, Herr Unterländer, und Ihnen Frau Sozialministerin, zu dieser grandiosen Qualitätsverbesserung von sechs Euro pro Kind. Das ist geradezu lächerlich. Und da titeln Sie in Ihrer Presseerklärung: "Qualitätsschub durch das BayKiBiG". Das können Sie vergessen; es funktioniert genau anders herum.

(Alexander König (CSU): Schlechtredner!)

Sie berücksichtigen in gar keiner Weise besondere Situationen bei der Betreuung. Es wird nicht berücksichtigt, wenn Kinder einen besonderen Bedarf haben. Das drücken schon die Gewichtungsfaktoren aus. Bei diesen gibt es keine Änderung. Also: Wo ist denn die Qualitätsverbesserung, wenn es um die Berücksichtigung von Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf oder Bildungsbedarf geht?