Protocol of the Session on November 29, 2012

Sie berücksichtigen in gar keiner Weise besondere Situationen bei der Betreuung. Es wird nicht berücksichtigt, wenn Kinder einen besonderen Bedarf haben. Das drücken schon die Gewichtungsfaktoren aus. Bei diesen gibt es keine Änderung. Also: Wo ist denn die Qualitätsverbesserung, wenn es um die Berücksichtigung von Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf oder Bildungsbedarf geht?

Ein Weiteres. Auch die Lage der Erzieherinnen und Erzieher wird in gar keiner Weise berücksichtigt. Die Arbeitsbedingungen in den Kindertageseinrichtungen sind schlecht. Trotzdem gibt es hier keinerlei Verbesserung für das entsprechende Fachpersonal.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Meinung stehen wir nicht allein.

(Volkmar Halbleib (SPD): So ist es!)

Wir erfinden diese Argumente auch nicht in unserer Parteizentrale, sondern wir reden mit den betroffenen Verbänden und Organisationen. Ich verlese sie einmal ganz einfach, damit Sie wissen, wer sich alles zu diesem Gesetz geäußert hat. Das war unisono negativ. Es gibt von folgenden Verbänden Ablehnung und die massive Forderung nach Nachbesserungen: Der

Evangelische Kindertagesstättenkreis, die Arbeiterwohlfahrt, das Bayerische Rote Kreuz, die Bischöflichen Ordinariate in Bayern, die Caritasverbände, der Verband der Katholischen Kindertagesstätten in Bayern, die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Diözesanrat der Katholiken, der Landesverband katholischer Kindertageseinrichtungen in Bayern, die Lebenshilfe im Landesverband Bayern, sämtliche Elternverbände, der Städtetag, der Gemeindetag und der Landkreistag. Alle diese Verbände und Organisationen lehnen Ihren Gesetzentwurf in der Sache ab.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen handeln Sie hier nicht nur gegen die Petenten und Petentinnen, sondern Sie handeln auch gegen die gesamte Fachwelt in der Kinderbetreuungspolitik in Bayern. Das muss Ihnen bewusst sein.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Pfaffmann. Bevor ich Frau Kollegin Jung das Wort erteile, kommt nun ein Antrag zur Geschäftsordnung vom Kollegen Güller. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Pfaffmann und auch nach den Vorkommnissen heute im sozialpolitischen Ausschuss, in dem die Petitionen nicht einmal zu Ende beraten wurden, sowie nach der Liste, die der Kollege Pfaffmann eben vorgetragen hat, beantrage ich namens der SPD-Fraktion die sofortige Zurückverweisung des Gesetzentwurfes an die Ausschüsse nach § 55 der Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Das regelt § 55 der Geschäftsordnung. Die Gegenrede kommt jetzt vom Kollegen König. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Güller, ein Schauspiel wird nicht dadurch besser, dass man es wiederholt. Wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU − Zurufe von der SPD)

Ich lasse jetzt über diesen Antrag zur Geschäftsordnung abstimmen. Wer der Rückverweisung dieses Gesetzentwurfes an die Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Zuruf von der SPD: Wir sind die mehreren! - To- bias Thalhammer (FDP): Nie und nimmer! - Zurufe von der SPD: Auszählen!)

Danke schön. Wer stimmt dagegen?

(Zuruf von der SPD: Weniger! - Tobias Thalham- mer (FDP): Nein, die Mehrheit! - Harald Güller (SPD): Die Regierungsbank ist nur schwach besetzt!)

Wir wollen auszählen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Wenn, dann bitte Hammelsprung! - Zurufe − Unruhe)

Danke, noch einmal die Gegenprobe!

(Tobias Thalhammer (FDP): Ich beantrage Hammelsprung!)

Weil es Verständnisschwierigkeiten gibt, machen wir jetzt den Vorschlag: Hammelsprung nach § 129 der Geschäftsordnung. Die Ja-Türe ist von mir aus gesehen auf der linken Seite. Die Nein-Türe auf der rechten Seite. Bei den Enthaltungen geht es seitlich durch die Glastür. Ich bitte den Plenarsaal zu verlassen und in geordneter Formation zurückzukommen.

(Abstimmung gemäß § 129 Absatz 2 der Ge- schäftsordnung)

Ich habe das Gefühl, dass alle, die abstimmen wollten, jetzt die Gelegenheit dazu hatten. Deshalb schlage ich vor, dass ich den Hammelsprung abschließe, wenn sich kein Widerspruch dagegen erhebt. − Es gibt keinen Widerspruch. Dann machen wir die Türen bitte schön wieder zu. - Einer ist zu spät, aber das wird die Welt nicht mehr bewegen. Ich bitte, die Türen wieder zu schließen. Damit ist der Hammelsprung abgeschlossen. Das Ergebnis des Hammelsprungs ist auch festgestellt: Mit Ja haben 63 und mit Nein 83 Abgeordnete gestimmt. Damit ist der Geschäftsordnungsantrag abgelehnt.

(Unruhe)

Unter der Voraussetzung, dass hier wieder Ruhe einkehrt, können wir mit der Aussprache fortfahren.

(Glocke des Präsidenten)

Jetzt ist die Kollegin Jung an der Reihe. Ich bitte um Aufmerksamkeit auf beiden Seiten des Hauses. Bitte schön, Frau Kollegin Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es soll noch einmal einer behaupten, wir Abgeordnete wür

den uns den ganzen Tag nicht bewegen. Gerade war das Gegenteil der Fall.

Was wir in den letzten Wochen und Monaten mit der Novellierung des BayKiBiG erleben mussten, ist ein klassisches Beispiel für die grenzenlose Arroganz und Ignoranz der Regierungsfraktionen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zuerst einmal wurde uns kurz vor der Sommerpause ein Gesetzentwurf vorgelegt, der in Windeseile und nach Möglichkeit ohne große Diskussion durch den parlamentarischen Prozess geschleust werden sollte. Dann ignorierten Sie auch noch die Empfehlungen und Warnungen von Experten und Betroffenen mit einer mir bis heute unverständlichen Hartnäckigkeit, wenn nicht sogar Blindheit.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Opposition, Verbände und Medien müssen erst einmal massiven politischen Druck aufbauen, bis die Staatsregierung endlich einer Expertenanhörung zustimmt. Wir von der Opposition haben jedenfalls am 16. Oktober ganz genau hingehört, was uns die Fachleute zu sagen hatten, und waren dankbar für die nochmals mit aller Deutlichkeit formulierten Empfehlungen und Forderungen, die allesamt berechtigt und nicht von der Hand zu weisen sind. Nachzulesen sind sie in den bereits seit Wochen vorliegenden Stellungnahmen.

Nun sollte man meinen, dass auch CSU und FDP aufmerksam der Anhörung gefolgt wären und sich von den Argumenten hätten überzeugen lassen. Nein, es wurde munter an der Tragödie "BayKiBiG − Teil 2" weitergeschrieben. Trotz der Anhörung hat die Staatsregierung so gut wie nichts an ihrem Gesetzentwurf geändert. Obendrauf wurden auch noch die nachgereichten Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen abgelehnt.

Nach den Änderungsanträgen hätten sich die Bedingungen in den Kindertagesstätten zweifelsfrei deutlich verbessern können. Ich erlaube mir sogar die These aufzustellen, dass keiner von Ihnen jemals ein Interesse daran gehabt hat, diesen Entwurf ernsthaft nachzujustieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

In diesem Novellierungsdrama gibt es einen Punkt, der mich richtig auf die Palme bringt. Auf der einen Seite veranlassen Sie, meine Damen und Herren von CSU und FDP, eine Anhörung und fordern von Verbänden und Trägern Stellungnahmen ein, um sie

dann auf der anderen Seite geflissentlich unter den Tisch fallen zu lassen. Engagierte Menschen machen sich Gedanken, berichten über ihre Erfahrungen, stellen uns ihr Know-how zur Verfügung und formulieren ihre Bedenken und Empfehlungen, um dann hinterher bei der Novellierung festzustellen, dass sie wieder einmal nur Zeit und Engagement verschwendet haben. Ich bin zutiefst davon enttäuscht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass fundierte Stellungnahmen unberücksichtigt blieben.

(Zurufe von der CSU: Oh mei! Oh mei!)

- Wenn ihr Lust habt, könnt ihr auf ein Trostspendenkonto einzahlen, das haben wir für euch bereits angelegt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Wir sind jedenfalls zutiefst davon enttäuscht, dass fundierte Stellungnahmen, circa 44.000 Unterschriften und massenhaft eingereichte Petitionen, mit denen mehr oder weniger das gleiche Ziel verfolgt wurde, sang- und klanglos im Nichts verhallten. Über etliche Eingaben ist bis heute noch nicht einmal diskutiert oder abgestimmt worden. So geht also die Staatsregierung mit den Problemen der Eltern und ihrer Kinder um.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Auf den Einwand, dass die Meinung der Verbände und Träger nicht ausreichend gewürdigt worden sei, entgegnete unsere Sozialministerin Haderthauer, dass zu allen Eckpunkten ein Dialog stattgefunden habe. Von wegen Dialog, das Wort "Ausschmücken der Ecken" trifft wohl eher den Nagel auf den Kopf. Die Diskussion fand schließlich ohne Zutun der Betroffenen statt. Das war nun wirklich die Krönung.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir FREIE WÄHLER das BayKiBiG nicht grundsätzlich ablehnen. Wir alle wissen, dass es im Vergleich zum davor geltenden Kindergartengesetz entscheidende Verbesserungen gebracht hat. Einige der Schwachstellen und Kritikpunkte, die sich bereits bei der Einführung des BayKiBiG abgezeichnet haben, sind bis heute, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht angegangen worden. Herr Kollege Unterländer, ich glaube, Sie bezeichneten diese Schwachstellen im Ausschuss einmal als Geburtsfehler. Umso mehr haben wir jetzt erwartet, dass Sie beim zweiten Versuch die Chance nutzen, eine vernünftige Reform auf den Weg zu bringen, sodass wir eine Novellierung ohne Geburtsfehler verabschieden können. Das war aber wieder einmal nur ein Wort mit x, nämlich "nix".

Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem ich eigentlich nur an Sie appellieren kann, der Realität endlich einmal ins Auge zu schauen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition. Wir wissen doch, dass die vertraglich festgelegten Arbeitszeiten als Folge der kindbezogenen Förderung ständig an die Entwicklung der Buchungszeiten angepasst werden müssen. Wir wissen ebenfalls, dass der förderrelevante Mindestanstellungsschlüssel viel zu hoch angesetzt ist. Wir wissen auch, dass Buchungen und Abrechnungen einen Verwaltungsaufwand verursachen, der viel Zeit in Anspruch nimmt, Zeit, die dem Personal nicht angerechnet wird, und Zeit, die bei der Betreuung unserer Kinder verloren geht. Wir wissen auch, dass wir dringend eine höhere Differenzierung der Förderfaktoren brauchen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)