Protocol of the Session on October 17, 2012

Herr Staatssekretär, bitte kommen Sie noch einmal an das Mikrofon.

Wir haben eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Gote.

Herr Staatssekretär, Ihr Redebeitrag hat eigentlich nur gezeigt, wie notwendig die Gesetzesänderung wäre. Gerade weil die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Anzeigen oft nicht zu erkennen ist - das ist nicht irgendwie gottgegeben, sondern bewusst so gemacht, um die Verbraucher und die Verbraucherinnen zu täuschen -, brauchen wir eine Verschärfung und eine Höherstufung dieses Tatbestandes. Dass nur so wenige Verfahren zur Anzeige kommen, zeigt, dass das Bußgeld nicht relevant ist. Sonst würden Verfahren angestrengt werden. Diese 1.000 Euro, die maximal zu zahlen wären, jucken nicht. Deshalb geht man vielleicht eher den Weg über den Presserat oder die Selbstkontrolle. Um ein schärferes Schwert zu haben und tatsächlich auch mehr Fälle, die es auch gibt - das zeigt uns der Presserat -, zur Anzeige zu bringen, wäre eine Bußgelderhöhung sinnvoll. Sie wissen, dass wir über die 50.000 Euro mit uns reden lassen wollten. 1.000 Euro sind aber geradezu lächerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Frau Kollegin Gote, ich habe in Ihrem Beitrag jetzt keine Frage erkennen können. Eines muss dabei aber auch zum Ausdruck gebracht werden: Wenn Sie in dieser Frage andere Länder betrachten, sehen Sie, dass dort die Häufigkeitszahlen ähnlich sind wie in Bayern. Auch diese Zahlen machen deutlich, dass eine Änderung nicht nötig ist. Wenn Sie eine Änderung für richtig und wichtig erachten, stimmen Sie entsprechend ab. Wir bitten um Ablehnung der Entwürfe.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 3 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/9804 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/13753 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Gibt es Gegenstimmen? - CSU, FDP, FREIE WÄHLER und Frau Kollegin Dr. Pauli. Gibt es Enthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/9860 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 16/13752 wiederum die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind wieder das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Gegenstimmen? - CSU, FDP, FREIE WÄHLER und Frau Kollegin Dr. Pauli. Gibt es Enthaltungen? - Keine. Damit ist auch dieser Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Helga Schmitt-Bussinger, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bestattungsgesetzes (Drs. 16/10072) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesetzentwurf geht zurück auf einen gemeinsamen Beschluss des Landtags von CSU, SPD und GRÜNEN aus dem Jahr 2007. Die FREIEN WÄHLER und die FDP waren damals noch nicht im Landtag vertreten. Damals hat der Bayerische Landtag einen einstimmigen Beschluss gefasst, wonach bei allen öffentlichen Vergaben durch Kommunen -

(Tobias Thalhammer (FDP): Wir waren nur kurzzeitig nicht im Landtag vertreten! Wir waren vorher schon im Landtag vertreten!)

- Reden jetzt Sie oder ich?

(Tobias Thalhammer (FDP): Zwischenrufe darf man doch noch machen!)

Zwischenrufe machen Sie jetzt bitte nicht. Ich führe jetzt keinen Dialog mit Ihnen, sondern ich begründe den Gesetzentwurf und bitte Sie, zuzuhören.

(Tobias Thalhammer (FDP): Ich darf dennoch Zwischenrufe machen!)

Mit dem Gesetzentwurf geht es uns darum, in allen Vergaberichtlinien der Kommunen für öffentliche Aufträge festzuschreiben, dass im öffentlichen Beschaffungswesen der Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vermieden wird. Sie alle kennen

die Hintergründe. Diese Erklärung haben wir im Landtag gemeinsam beschlossen.

Die Stadt Nürnberg hat daraufhin in ihre Friedhofssatzung einen Passus aufgenommen, wonach keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit als Grabsteine zugelassen werden. Dagegen wurde vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof geklagt. Auch die Stadt Nürnberg hat geklagt. Letztlich hat die Stadt Nürnberg eindeutig Recht bekommen: Dieser Zusatz ist in einer kommunalen Satzung auch vor dem Hintergrund unserer ethischen Maßstäbe und unserer grundgesetzlichen Bestimmungen zulässig.

Kolleginnen und Kollegen, jedes Kind auf der Welt und nicht nur in Deutschland, wo Kinderarbeit verboten ist, hat ein Recht auf eine eigene Kindheit. Diesem Grundsatz werden Sie alle zustimmen. Dennoch haben unser Gesetzentwurf und der vorhergehende Gesetzentwurf der GRÜNEN sowie alle Anträge, die wir zu diesem Thema gestellt haben, immer noch nicht die Mehrheit in diesem Hause gefunden. Leider ist es bei diesem einstimmigen Beschluss aus dem Jahr 2007 geblieben.

Das Wirtschaftsministerium, das nach meiner Ansicht gar nicht zuständig ist und eigentlich Wichtigeres zu tun hätte, hat in umfangreichen Stellungnahmen begründet, dass es nicht eindeutig feststeht, ob dieser Gesetzentwurf überhaupt in die Landeskompetenz fällt. Dieses Gesetz, das hier von uns vorgeschlagen wird, wird übrigens im Saarland schon seit vielen Jahren angewandt. Das Wirtschaftsministerium meint, dass dadurch eventuell höherrangige Gesetze beeinträchtigt werden.

Kolleginnen und Kollegen, wenn man dem Rechtsgrundsatz folgt, dass wir keine Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf unseren Friedhöfen haben wollen, hinter dem wir auch alle stehen, muss man doch einem Landesgesetz mit diesem Inhalt zustimmen, auch wenn nicht bis in die höchsten Ebenen der Justiz gewährleistet ist, dass es nicht angegriffen wird. Der Freistaat Bayern muss dann auch vor Gericht kämpfen und seine Positionen deutlich machen.

Kolleginnen und Kollegen, es hat eine ganze Zeit so ausgesehen, dass wir eine Mehrheit für diesen Gesetzentwurf bekommen. Die Flüstertüte auf den Gängen hat uns gesagt, die CSU würde dem sofort zustimmen, denn dieser Gesetzentwurf entspricht eindeutig ihrer Wertehaltung, aber es gebe Probleme mit dem Koalitionspartner. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, welche Probleme es geben soll. Ich bitte Sie einfach noch einmal, bei der Abstimmung in der Zweiten Lesung den menschlichen, humanitären

und ethischen Grundsätzen Vorrang zu geben und dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Kollegen Ländner das Wort erteile, darf ich bekanntgeben, dass die CSU-Fraktion für die Zweite Lesung zu diesem Gesetzentwurf namentliche Abstimmung beantragt hat. Herr Kollege Ländner, bitteschön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich stimmt auch die CSU genauso wie die FDP dem Grundsatz zu, dass Kinderarbeit schlecht ist. Kinderarbeit ist ethisch nicht vertretbar. Wir in den sogenannten reichen Ländern müssen alles versuchen, um diesem auf der Welt praktizierten Tun zu widersprechen bzw. dagegen vorzugehen. Wir haben leider in vielen Branchen Kinderarbeit, so zum Beispiel in der Textilindustrie oder bei der Herstellung von Spielzeug. Wenn eine Jeans nach hehren Grundsätzen in Deutschland hergestellt würde, würde sie um die 800 Euro kosten. Wir wissen aber auch, was eine Jeans, die in Asien hergestellt wird, kostet. Das aber trifft den Kern der heutigen Entscheidung nicht. Sie sprechen mit Recht die einstimmige Entscheidung aus dem Jahr 2007 an. Sie sprechen auch zu Recht an, dass es in der Folgezeit rechtliche Unsicherheiten gegeben hat.

Unsere Ablehnung heute gründet sich auf das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 07.10.2011. Der Verfassungsgerichtshof stellt eindeutig fest, dass es den Gemeinden zusteht, im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts, in ihrem eigenen Wirkungskreis, im Rahmen ihrer Friedhofsatzung, im Rahmen der Totenbestattung, Regelungen zu treffen. Friedhöfe sind öffentliche Einrichtungen. Was als Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, ist lediglich, dass in das Gesetz ein Hinweis für die Gemeinden aufgenommen wird: Ihr dürft das tun. Wir sind aber dagegen, den Gemeinden zu sagen, was sie tun und was sie lassen dürfen,

(Angelika Weikert (SPD): In dem Fall wäre es aber gut!)

wenn etwas in ihren Wirkungskreis fällt, und das bestätigt der Bayerische Verfassungsgerichtshof eindeutig. Sie kennen den Beschluss des Bayerischen Landtags, der festlegt, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern alle Gemeinden anschreiben soll. Das ist mit Schreiben vom 10.04.2012 auch geschehen. Alle Gemeinden sind über den Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs informiert worden. Die Gemeinden beschäftigen sich schon einige Zeit mit dieser Entwicklung und der Änderung Ihrer Friedhofsatzungen. 16 Gemeinden in

Bayern, so der Stand im Juli dieses Jahres, genaue Umfragen liegen noch nicht vor, haben sich hier auch schon eingebracht. Ich finde es wichtig, auch im Interesse der Sache, dass sich die Gemeinderäte vor Ort auch in der Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern mit diesem Thema auseinandersetzen.

(Angelika Weikert (SPD): Und das machen sie durch ein Landesgesetz nicht?)

- Nein. Das Landesgesetz bringt keine Norm. Ihr Vorschlag ist, einen Hinweis hineinzuschreiben. Ich denke, wir sollten die Diskussion vor Ort belassen. Wir sollten das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und die Selbstverwaltung der Gemeinden in ihrem eigenen Wirkungskreis stark halten. Wir sollten die Gemeinden auch in gar keiner Weise aus ihrer Verantwortung entlassen. Sie wissen, dass in der Umsetzung dieser Möglichkeit, die Friedhofsatzungen zu ändern, die Gemeinden unterschiedliche Ansätze haben. Sie können beispielsweise mit den örtlichen Steinmetzbetrieben Verbindung aufnehmen, das ist sehr wichtig. Sie können auch bei den Menschen aufklärend wirken. Hier geht es auch um Geldfragen, beispielsweise: Warum sind die Steine aus China so billig und deshalb so begehrt? Diese Auseinandersetzungen sollten in den Gremien des Gemeinderates geführt werden. Ich bin absolut sicher, dass sich unsere bayerischen Kommunen ernsthaft mit dieser Thematik beschäftigen. Wir bekommen eine breite Diskussion, wenn sich jede einzelne Gemeinde mit dem Thema Kinderarbeit und mit den Produkten beschäftigt, die auf dem Friedhof aus Kinderarbeit kommen. In diesem Sinne möchte ich eine breite gesellschaftliche Beschäftigung sehen. Ein Hinweis des Bayerischen Landtags in einem Gesetz halten wir für entbehrlich.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächsten darf ich Herrn Kollegen Pohl nach vorne bitten. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was für eine Diskussion! Herr Kollege Ländner, Sie sagen, die Gemeinderäte sollen sich mit diesen Fragen befassen. Ich frage Sie: Hindert dieser Gesetzentwurf die Gemeinderäte daran?

(Angelika Weikert (SPD): Genau!)

Sie sagen, wir müssen aufpassen, dass das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden stark bleibt. Herr Kollege Ländner, glauben Sie im Ernst, dass eine landesrechtliche Rechtsverordnung geeignet ist, ein ver

fassungsrechtlich verbrieftes Recht auszuhöhlen oder zu schwächen?

(Manfred Ländner (CSU): Das habe ich nicht gesagt!)

Man kann natürlich diskutieren und sehr viel Zeit und Wissenschaft auf die Frage verwenden, ob den Gemeinden nicht schon kraft ihrer Satzungshoheit aus dem Grundgesetz, der Bayerischen Verfassung und der Bayerischen Gemeindeordnung die Möglichkeit gegeben ist, auch ohne diese Rechtversordnung Recht zu setzen. Natürlich kann man diese Diskussion führen. Führen wir aber lieber Diskussionen, die sich lohnen und nicht Diskussionen um des Kaisers Bart.

(Beifall einer Abgeordneten der SPD)

Es ist unstreitig, dass diese Rechtsverordnung zulässig und verfassungskonform ist. Selbst wenn diese Rechtsverordnung bereits geltendes Recht sein sollte,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Schadet sie nicht!)

dann vergeben wir uns nichts, wenn wir sie noch auf ein zweites Bein stellen und neben der Satzungskompetenz den Gemeinden qua Rechtsverordnung die Möglichkeit geben, dies in der Satzung festzulegen. Wir haben wahrlich wichtigere Probleme vor allem vor dem Hintergrund, dass wir uns alle darüber einig sind, dass diese Regelung in kommunale Satzungen aufgenommen werden soll. Wir zwingen die Kommunen nicht dazu, sondern wir geben ihnen nur die Möglichkeit.

(Manfred Ländner (CSU): Die haben sie doch, diese Möglichkeit!)

- Herr Kollege Ländner, selbst wenn sie diese Möglichkeit bereits hätten, und das habe ich jetzt bereits zweimal gesagt, ist es nicht schädlich, dieses noch einmal auf ein zweites Bein zu stellen und durch eine Rechtsverordnung zu zementieren. Ich frage mich ernsthaft, wenn wir uns in der Zielsetzung einig sind und, wenn wir uns darüber einig sind, dass diese Rechtsverordnung rechtmäßig ist, worüber wir dann überhaupt streiten? - Müssen Sie, und diese Frage muss ich jetzt schon loswerden, krampfhaft, geradezu wie ein Pawlowscher Hund, das Haar in der Suppe finden?

Herr Kollege Pohl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte sehr, Herr Ländner.