Protocol of the Session on July 18, 2012

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das bisherige Landeserziehungsgeldgesetz ist verfassungswidrig. Es hat, wie bereits ausgeführt, eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 07.02.2012 bedurft, um die Ungleichheit bei der Wahrnehmung von Grundrechten festzustellen. Im Klartext: Man hat Nicht-EU-Bürger ausgegrenzt, indem man sie nicht für berechtigt hielt, auch in den Genuss des Landeserziehungsgeldes zu kommen. Diese Haltung hat man jahrelang durchgehalten, und man hat sich dabei gut gefühlt. Dass das vonseiten der Mehrheitsfraktion guten Gewissens geschehen ist, lässt tief blicken bei der Frage, welche Haltung in der Mehrheitsfraktion gegenüber Nicht-EU Bürgern vorherrscht.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war eine schallende Ohrfeige für die Staatsregierung und für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Das Gesetz musste also geändert werden.

Die Änderung bewirkt jedoch erneut eine Ausgrenzung. Es tut mir leid, das an dieser Stelle sagen zu müssen, aber man hat nur das Ausgrenzungskriterium ausgewechselt. Bisher lautete es: "Du bist EUBürger, oder du bist Nicht-EU-Bürger." Jetzt ist es der Aufenthaltsstatus. Man sagt: Nicht-EU-Bürger mit Aufenthaltserlaubnis, die hier studieren, eine betriebliche Aus- und Weiterbildung absolvieren, ein zeitlich befristetes Beschäftigungsverhältnis haben, denen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gewährt worden ist oder die aufgrund von Abschiebehindernissen hier sind, bekommen - sogar bei dauerhaftem Bleiberecht! - künftig kein Landeserziehungsgeld.

Es ist also mitnichten so, dass mit der Verabschiedung der Gesetzesänderung ein Fehler behoben wird. Nein, es wird ein neuer Fehler gemacht. Dafür lässt man sich nun feiern. Sie wissen sehr genau, dass in unserem Land viele Menschen mit dauerhafter Duldung leben und Kinder haben. Landeserziehungsgeld werden sie nicht bekommen. Das ist die neue Gesetzesregelung; das sollten Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist kein Fortschritt, sondern nur ein weiterer Fehler. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser nächste Fehler vor einem Gericht Bestand haben wird. Es käme auf eine Überprüfung an. Ich kann mir das nicht vorstellen; denn das ist der nächste Ausgrenzungstatbestand.

Die GRÜNEN haben am Landeserziehungsgeld von Anfang an aus anderen Gründen Kritik geübt, weil wir der Meinung waren und immer noch sind, dass es besser wäre, die ganzen Mittel, die in das Landeserziehungsgeld fließen, in den Ausbau von Kinderkrippen und Kindertagesstätten zu investieren. 2,8 Milliarden sind bereits in das Landeserziehungsgeld seit seiner Einführung geflossen. Wir hätten kein Problem beim Krippenausbau, wenn wir dieses Geld jetzt dafür hätten. Wir haben es aber nicht, weil falsche Prioritäten gesetzt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Dodell (CSU))

Nach wie vor halte ich nicht nur das Betreuungsgeld, sondern auch das Landeserziehungsgeld für eine Herdprämie, für eine Krippenfernhalteprämie.

(Widerspruch bei der CSU)

Das steht im Übrigen auch im Gesetz. Mit Ihrem Protest zeigen Sie, dass Sie das noch nicht einmal gelesen haben. Da steht nämlich drin, dass diese Leistungen dazu dienen, den Eltern zu ermöglichen, zu Hause zu bleiben. Das steht drin. Da brauchen Sie gar nicht zu protestieren, Sie müssen nur lesen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetz wendet sich gegen frühkindliche Bildung; es wendet sich gegen Gleichstellung; es wendet sich gegen eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik und es kommt letztendlich nur dem Mittelstand zugute. Das ist eine vollkommen verfehlte Politik, die Sie hartnäckig weiter betreiben. Gleichzeitig grenzen Sie Menschen aus, die auch in den Genuss dieses Geldes kommen könnten. Ich fordere Sie auf: Schaffen Sie dieses Gesetz endlich ab!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, bleiben Sie noch am Redepult. Herr Unterländer hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Sie haben zwei Minuten, bitte schön.

Liebe Frau Kollegin Ackermann, ist Ihnen bekannt, dass der Freistaat Bayern alle Investitionen in den Ausbau von Kindertagesstätten finanziert, dass kein Ausbau an fehlenden Mitteln vom Freistaat scheitert? Halten Sie dieses Vorschieben einer Prioritätensetzung denn nicht für eine Belastung der Familien? Sind Sie bereit anzuerkennen, dass der Freistaat Bayern hier eine Menge investiert und dass es hier keine Einschränkungen und Kürzungen durch den Freistaat Bayern gibt?

Frau Ackermann, bitte.

Ich betrachte es nicht als Entlastung von Familien, wenn man ihnen 50 oder 100 Euro in die Hand drückt und ihnen sagt, dafür kannst du zu Hause bleiben. Das ist eine Belastung von Familien, weil sie mit diesen Mitteln nichts finanzieren können. Der Stand der Ausbau der Kinderkrippen, der dramatisch hinter dem Soll hinterherhinkt -

(Zurufe von der CSU: Wo denn?)

- Überall in Bayern, meine lieben Kollegen.

(Widerspruch bei der CSU - Alexander König (CSU): Das ist überhaupt nicht wahr! Bei uns wird der Bedarf zu 100 % gedeckt!)

Wir haben einen Ausbaugrad von 21 % erreicht, und Sie wollen 36 % in einem Jahr erreichen. Das werden Sie im Leben nicht schaffen. So viel zu Ihrer Frage, Herr Unterländer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin Ackermann. Ich bitte jetzt Frau Meyer für die FDP an das Redepult.

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion, die wir in den letzten Wochen in den Ausschüssen über das Landeserziehungsgeld geführt haben, hat gezeigt, dass die Mehrheit dieses Hauses die Änderung dieses Landeserziehungsgeldgesetzes positiv aufgenommen hat und mittragen wird.

Es ist richtig: Mit der heutigen Änderung des Landeserziehungsgeldgesetzes wird der Personenkreis erweitert. Es ist auch richtig, dass das nicht ganz freiwil

lig geschieht, sondern deshalb notwendig geworden ist, weil das Bundesverfassungsgericht 2012 den Ausschluss von Personen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit moniert hat. Das wollen wir nicht verschweigen. Dennoch finde ich es unangebracht, von schallenden Ohrfeigen für irgendwelche Gerichte zu sprechen; denn es kommt immer wieder vor, dass Gericht Sachverhalte unterschiedlich einschätzen.

(Harald Güller (SPD): Das ist eine schallende Ohrfeige für die Regierung!)

- Nein, Herr Kollege Pfaffmann hat von einer schallenden Ohrfeige für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof gesprochen.

Es ist nicht mehr als recht und billig, auch Menschen unterschiedlicher Herkünfte diese Leistungen zu gewähren, weil sie längst Bestandteil unserer Bürgergesellschaft sind. Menschen unterschiedlicher Herkunft sind nach unserer Einschätzung eine Bereicherung für unsere Bürgergesellschaft. Die FDP sieht es als selbstverständliche Pflicht an, Chancengleichheit auf allen Ebenen herzustellen. Das gilt aus unserer Sicht auch für das Landeserziehungsgeld. Der uns heute vorliegende Änderungsvorschlag beinhaltet eine Formulierung analog der Regelung zum Bundeselternzeitgesetz, sodass das Merkmal der Staatsangehörigkeit nicht mehr im Gesetzestext enthalten ist. Das ist ganz, ganz wichtig. Spätestens ab August wird der Freistaat das Erziehungsgeld also auch an Bürgerinnen und Bürger aus EU-Ländern zahlen und Anträge von Nicht-EU-Bürgern auf Zahlung des Erziehungsgeldes gemäß der neuen Rechtslage bewilligen. Das kostet natürlich Geld. Das ist aber gut angelegtes Geld. Das Erziehungsgeld als landesinterne Fortführung des Elterngeldes stellt so, wie es jetzt konzipiert ist, eine wertvolle und wichtige familienpolitische Leistung dar. Viele Eltern sind für diese finanzielle Unterstützung des Staates dankbar. Ich finde es wirklich schade, dass die Diskussionen über Elterngeld, Landeserziehungsgeld und - das nenne ich auch an dieser Stelle - das Betreuungsgeld derzeit so emotional und so wenig an der Sache orientiert geführt werden.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bedaure das sehr. Wenn immer von allen Seiten versichert wird, dass man den Eltern eine echte Wahlfreiheit bieten möchte, dann darf man die Diskussion nicht einseitig führen. Dann muss man neben den Forderungen nach einem flächendeckenden Ausbau von Kinderkrippen mit flexiblen Betreuungszeiten den brauchen wir, das ist eine Voraussetzung - auch darüber reden, wie man finanzschwächeren Eltern die Möglichkeit bieten kann, ihre Kinder in den ersten beiden Jahren zu Hause zu betreuen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfrage. Das bayerische Landeserziehungsgeld, das unmittelbar an das Elterngeld anschließt, ist eine solche Maßnahme. Hier wird ständig das "C" für "Christlich" angeprangert. Ich empfinde es schon als Diskriminierung, wenn von Herdprämie gesprochen wird. Das ist eine Diskriminierung der Frauen, die sich dazu bekennen, dass sie ihre Kinder zu Hause betreuen wollen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir werden heute selbstverständlich dieser Änderung des Gesetzes zustimmen und bitten auch um Zustimmung von Ihrer Seite.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Frau Kollegin, bitte bleiben Sie am Redepult, nachdem Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Ich bitte auch, Zwischenfragen nicht als Zumutung von meiner Seite zu sehen. Ich werde halt gefragt, und muss dann auch nachfragen.

(Brigitte Meyer (FDP): Das habe ich auch nicht so empfunden!)

Zu einer Zwischenbemerkung hat Herr Pfaffmann das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Meyer, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag davon gesprochen, dass Sie gleichwertige Lebensverhältnisse wollten und keine Diskriminierung der Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger und dass das der Grund für Ihre Zustimmung sei. Nun hat Frau Kollegin Ackermann hier eine Reihe von Ausgrenzungskriterien vorgetragen. Das Gesetz ist nicht so gestaltet, dass alle das Landeserziehungsgeld bekommen würden. Frau Ackermann hat die Ausnahmen aufgezählt. Nachdem Sie mit Verve gegen die Ausgrenzung sind, frage ich Sie: Würden Sie einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative beitreten, das Gesetz anschließend so zu ändern, dass die von Frau Ackermann vorgetragenen Ausnahmetatbestände vom Landeserziehungsgeld ebenfalls beseitigt werden? Nur das wäre die logische Konsequenz Ihrer immer wieder vorgetragenen, aber nie realisierten Liberalität. Da müssten Sie eigentlich zustimmen. Ich frage Sie: Machen Sie mit, wenn wir eine Initiative in diese Richtung starten?

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr verehrter Herr Kollege Pfaffmann, das müsste von einem Gericht geprüft werden; denn mei

nes Wissens ist das Landeserziehungsgeld an das Einkommen gekoppelt. Deswegen besteht hier im Gegensatz zum Betreuungsgeld eine andere Situation. Das Landeserziehungsgeld hängt von festen Gehältern ab. Hier wäre gerichtlich zu prüfen, ob Flüchtlinge und Asylbewerber, die bei uns geduldet sind, einen anderen Status haben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Also keine parlamentarische Initiative?)

- Mit einer Initiative im Parlament werden wir wahrscheinlich nicht weiterkommen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Staatsregierung hat sich Frau Staatsministerin Haderthauer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte drei Bemerkungen machen:

Erstens. Ich verstehe die Vorwürfe nicht ganz. Sie beklagen lauthals, dass Nicht-EU-Bürger bisher das Landeserziehungsgeld nicht bekommen haben. Sie beklagen, dass es weiterhin nur diejenigen bekommen werden, die hier eine Arbeitserlaubnis haben. Das ist - ehrlich gesagt - etwas heuchlerisch, wenn man weiß, dass Sie alle Familien ausgrenzen wollten und wollen, weil Sie das Landeserziehungsgeld überhaupt nicht wollen, für keine einzige Familie.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Frau Kollegin Ackermann, Lesen ist manchmal hilfreich. Die neue Regelung entspricht genau dem, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Februar geschrieben hat. Danach ist es verfassungsgemäß, Familienleistungen davon abhängig zu machen, dass jemand eine Arbeitserlaubnis hat. Wir tun dies nicht nur beim Landeserziehungsgeld. Unabhängig vom Land: Wer eine Arbeitserlaubnis hat, der bekommt diese Leistung. Diese Regelung gilt auch für das Elterngeld, das Kindergeld und alle anderen Familienleistungen. Deshalb halte ich es für schwierig, wenn Sie sagen, wir begingen mit der neuen Regelung einen neuen Fehler. Wir haben jetzt eine verfassungsgemäße Lösung.

Drittens. Ich freue mich sehr, dass ich die Möglichkeit habe, über den Krippenausbaustand in Bayern zu reden. Ich hätte dieses Thema von mir aus nicht erwähnt, weil es nicht zu dieser Diskussion passt. Vielleicht vorweg eine Feststellung: Wenn irgendwo in Bayern Krippen fehlen, dann in den SPD-regierten Großstädten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)