Protocol of the Session on June 19, 2012

Einig sind wir uns auch darüber, dass Bengalos in Stadien genauso wie in anderen Menschenmengen nichts verloren haben. Meines Erachtens sollte der Gesetzgeber dagegen noch deutlicher vorgehen und das Abbrennen von Bengalos als Gefährdungsdelikte unter Strafe stellen und nicht nur als Ordnungswidrigkeit behandeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FDP)

Präventiv tätig zu werden bedeutet letztlich auch, dass man Problemfans mit Meldeauflagen gar nicht erst zum Stadion anreisen lässt. Wenn sich jemand in Berlin am Samstagnachmittag um 15.30 Uhr bei seiner Polizeiinspektion melden muss, kann er nicht in München oder irgendwo in Bayern Randale machen. Das halte ich für einen sehr sinnvollen Weg.

Zuletzt möchte ich auf die Stehplatzverbote zu sprechen kommen. Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause darüber einig, dass solche Verbote kein Mittel sind, das man einfach aus dem Ärmel schüttelt. Ein Stehplatzverbot wäre eine sehr einschneidende Sanktion, die vor allem auch friedliche Fans und kleinere Vereine, die in ihren Stadien noch eine große Zahl von Stehplätzen haben, treffen würde. Aus diesem Grund wäre ein Stehplatzverbot allenfalls eine Ultima Ratio, die nur dann greifen dürfte, wenn es auf andere Weise nicht gelingt, die Problematik einzudämmen. Ich glaube aber, dass die anderen angesprochenen Maßnahmen durchaus geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Deshalb brauchen wir nicht weiter über Stehplatzverbote zu diskutieren. Man soll keine Möglichkeit tabuisieren, denn es kann durchaus eine Situation eintreten, in der wir bestimmte Sanktionen brau

chen. Auf der aktuellen Agenda stehen Stehplatzverbote sicherlich nicht.

Wir sollten mit allen Möglichkeiten, die wir haben, zusammen mit den Verbänden, aber auch mit der Polizei, die jede Woche mit den Problemen befasst ist, dafür sorgen, dass Sportveranstaltungen friedliche und fröhliche Feste bleiben, und das sollten wir uns von unbelehrbaren Fans nicht nehmen lassen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als Nächster hat Herr Kollege Bernhard Pohl von den FREIEN WÄHLERN das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich Mitte der 1980er Jahre als junger Jurastudent öffentliches Recht gehört habe, hat unser Professor einen Fall gebildet, der sich um das Mitbringen von Messern in ein Fußballstadion rankte. Dabei entspannt sich eine lebhafte Diskussion darüber, ob es verhältnismäßig sei, dem Stadionbesucher am Eingang ein Messer abzunehmen. Am gleichen Tag fand am Abend ein Endspiel um den Europacup der Landesmeister - so hieß dieser Wettbewerb damals noch - im Brüsseler Heyselstadion statt, und dabei gab es Tote. Dieses Spiel hat beim Fußball zu revolutionären Veränderungen geführt. Die englischen Vereine wurden über Jahre vom Europacup ausgeschlossen. Ein neues Bewusstsein dafür, wie man Gewalt konsequent bekämpft, ist gewachsen.

Heute sieht es anders aus. Ich zitiere die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 13. November letzten Jahres:

17,5 Million Stadionbesucher jährlich - 900 Zuschauer wurden verletzt, 6.000 Strafverfahren wurden eingeleitet. Der Besuch des Oktoberfestes ist gefährlicher als ein Besuch eines Spiels in der Fußballbundesliga.

Das muss man auch einmal deutlich machen. Ich möchte an dieser Stelle der bayerischen Polizei, den Ordnungsdiensten, aber auch den Verantwortlichen in den Vereinen herzlich dafür danken, dass wir das Problem der Gewalt in den Stadien im Vergleich zu den 1980er Jahren deutlich entschärft haben.

Gleichwohl müssen wir, wenn wir uns das Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin vor Augen halten, feststellen, dass wir auch nicht auf einer Insel der Glückseligen leben. Auch heute haben wir noch Arbeit vor uns. Ich sehe zwei wesentliche Probleme. Das eine sind teilweise gewaltbereite Ultras, das andere ist die Pyrotechnik.

Dabei stellt sich auch die Frage, ob wir den Fokus darauf richten sollten, Stehplätze in den Stadien zu verbieten und abzuschaffen. Ich glaube nicht, dass in der Düsseldorfer Arena das Stürmen des Spielfeldes hätte verhindert werden können, wenn es nur Sitzplätze gegeben hätte. Deshalb ist das Thema der Aktuellen Stunde von den Kollegen der SPD richtig gewählt worden, zumal wir momentan mit der Europameisterschaft in der Ukraine und in Polen ein Fußballgroßereignis haben.

(Tobias Thalhammer (FDP): Ohne Zäune!)

Wir FREIE WÄHLER lehnen zum jetzigen Zeitpunkt ein Stehplatzverbot ab. Wir möchten uns dabei aber nicht auf alle Zukunft festlegen, denn wir wissen nicht, wie sich die Szene entwickelt. Wir haben andere Aufgaben. Es gibt wichtigere Felder, die zwar nicht wir, sondern die Vereine zu beackern haben; aber wir haben sie dabei zu unterstützen.

Erstens sind die Vereine für effektive Kontrollen in den Stadien zuständig. Die Einlasskontrollen müssen konsequent durchgeführt werden. Ein Fan hat keine pyrotechnischen Gegenstände dabeizuhaben. Was will er damit in einem Fußballstadion?

(Tobias Thalhammer (FDP): Stimmung machen!)

- Stimmung machen, Herr Kollege Thalhammer? Diese Art der Stimmung wollen wir jedenfalls nicht haben.

Zweitens setzen wir auf die Vorbildfunktion der Sportler. Sie können und müssen entscheidend auf Fangruppen einwirken.

Drittens brauchen wir Fanprojekte. Dabei bin ich ausdrücklich beim Kollegen Güller. Daran hat sich auch der Staat zu beteiligen, denn Gewalt ist kein Spezifikum des Fußballs. Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zuletzt muss ich auch sagen, dass wir konsequent darauf drängen müssen, Stadionverbote gegenüber Unbelehrbaren durchzusetzen. Es gibt Stadienordnungen und Vereinbarungen innerhalb des Deutschen Fußballbundes. Wenn es wirklich nichts hilft, müssen Vereine mit Fans, die negativ auffallen, konsequent mit Strafen belegt werden. Zwar mag es ungerecht erscheinen, wenn einem Verein Punkte abgezogen werden oder wenn einem Verein wie zum Beispiel Dynamo Dresden der Ausschluss aus einem Pokalwettbewerb droht. Dies aber ist der effektivste Weg, um für Vernunft zu sorgen. Der Ausschluss der

englischen Vereine von den Europacup-Wettbewerben hat es gezeigt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. Als Nächste hat nun Frau Kollegin Simone Tolle von den GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Für mich lautet die Leitfrage der Aktuellen Stunde heute: Wie können wir Gewalt in Fußballstadien verhindern? Nach dem Spiel Düsseldorf gegen Hertha und nach einer Bilanz der Vorfälle in den vergangenen Monaten ist für mich eines wichtig, nämlich der Dialog mit allen Beteiligten. Was wir nicht brauchen, sind populistische Drohungen von Bundesinnenminister Friedrich, wie die Drohung eines Stehplatzverbots oder die Drohung mit Fußfesseln. Auf solche populistischen Drohungen möchte ich mit der Aussage eines Fansprechers antworten: Wer die Stehplätze abschaffen und die Menschen glauben machen wolle, Gewalt sei dann kein Thema mehr, "möchte sich lediglich mit dem Thema Fußball und Gewalt profilieren." An echten Lösungen seien diese Kreise nicht interessiert.

Dieser Meinung schließe ich mich voll und ganz an.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es gibt jemanden, der mit mir darin einig ist, nämlich Innenminister Herrmann - das ist sehr ungewöhnlich. Er hielt in einem Zeitungsinterview die Forderung des Bundesinnenministers für völlig überzogen. Richtig so, Herr Innenminister! Nach Düsseldorf können wir aber nicht so tun, als sei nichts geschehen. Ich darf für meine Fraktion sagen: Das gewalttätige Auftreten der Fans in Düsseldorf hat uns erschreckt und empört. Das darf nicht passieren; das akzeptieren wir nicht, und das muss gerichtliche und sportgerichtliche Folgen haben. Ich spreche mich für einen konsequenten Vollzug geltender Gesetze aus. Repression alleine, sehr geehrte Damen und Herren, ist aber kein Allheilmittel. Meine Fraktion hat sich sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt, unter anderem im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Ultras hier im Bayerischen Landtag. Ja, die Ultras waren hier, und sie haben sich gut benommen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Einer war da!)

Der eine oder andere hatte da vielleicht gewisse Befürchtungen, aber wenn man den Menschen freundlich begegnet, kommt etwas zurück. Geladen waren auch der Bayerische Fußballverband und Uli Hoeneß.

Wir haben uns auch sehr intensiv mit dem Thema Rassismus im Fußball beschäftigt, wozu auch wieder einmal eine Debatte angebracht wäre.

Ich sehe mich darin einig mit einem Einsatzleiter in Köln. Er heißt Volker Lange und sieht kein Sicherheitsproblem mit der überwiegenden Mehrheit, sondern nur mit Gewalttätern, die sich als Fußballfans tarnen. Ich appelliere an die wahren Fans, Gewalttätern keine Rückendeckung zu geben. Wenn sich in den Reihen der Stehplätze Gewalt oder Rassismus breitmacht, müssen die Fans sofort die Rote Karte zeigen. Wir brauchen dazu aber mehr Fanprojekte, die einen maßgeblichen Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Herr Kollege Güller, vielleicht müssen wir wirklich einmal neu über die Finanzierung reden. Vielleicht ist es möglich, darüber einmal zu reden. Im Moment haben wir eine Drittelfinanzierung. Es gibt Stimmen, die fordern, dass ein Prozent der Erträgnisse aus den Fernsehrechten in die Fanprojekte gehen soll. Dann könnten Kommunen und der Freistaat vielleicht nicht mehr in einem angemessenen Anteil kofinanzieren. Deshalb spreche ich mich dafür aus, darüber neu zu beraten.

Ich bin mir mit all meinen Kollegen darin einig, dass wir nicht nur die erste und die zweite Liga in den Fokus nehmen dürfen, sondern uns auch mit allem befassen müssen, was darunter ist. Wir müssen da auch unter die dritte Liga gehen. Ich begrüße den Gipfel, den der Innenminister vorgeschlagen hat, der aber ausgedehnt werden müsste und nicht auf die erste und zweite Liga beschränkt bleiben darf; da schließe ich mich dem Kollegen Güller an. Der Gipfel muss natürlich auch die Fanprojekte einbeziehen. Ich wünsche mir, dass dieser Gipfel nicht nur über Repression, sondern auch über den Dialog spricht.

Die Bedeutung der Fanprojekte sollte einmal im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, losgelöst von der Innenpolitik, diskutiert werden. Wir haben dazu bereits in der letzten Woche Anträge verabschiedet. Ich wünsche mir dazu eine lebhafte Debatte. Es sollte nicht bei einer Aktuellen Stunde bleiben, sondern der Dialog muss im Bayerischen Landtag fortgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächste hat Frau Kollegin Julika Sandt von der FDP das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! "Stehplatzgarantie in Fußballstadien - bezahlbare Karten und tolle Stimmung erhalten - Gewalt verhindern!" - das ist das Thema dieser Aktuellen

Stunde. Ich beginne mit der letzten Forderung, Gewalt zu verhindern.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das wollen wir alle. Die Deutsche Polizeigewerkschaft beziffert die Zahl der gewaltbereiten Fans in der ersten und zweiten Liga mit 2.445. Gewalt wird jedoch weder durch Sitz- noch Stehplätze verhindert, im Gegenteil. Im Extremfall konnten Sitzplätze angezündet oder abmontiert und als Wurfgeschosse verwendet werden. Weshalb ausgerechnet Sitzplätze Gewalt verhindern sollen, muss mir noch jemand erklären. Der Veranstalter ist für die Sicherheit im Stadion verantwortlich und somit auch für die Sitzordnung. Der Veranstalter hat bei echten Ausschreitungen im Zweifelsfall die Pflicht, Spiele abzubrechen. Damit steigt der Druck der wahren Fans auf die gewaltbereiten Randalierer.

An der Sicherheit dürfen die Vereine natürlich nicht sparen. Ordner müssen in ausreichender Zahl bereitstehen; Pyrotechnik, zum Beispiel Bengalisches Feuer und Ähnliches, gehört selbstverständlich in kein Stadion. Die Vereine müssen die Zuschauer konsequent durchsuchen. Die Vereine müssen den Schutz aller Fans im Auge haben. Wenn eine Person nachweislich randaliert hat und das in einem Prozess nachgewiesen wurde - und nur dann -, sind Stadionverbote im Zweifelsfall konsequent durchzusetzen. All diese scharfen Mittel greifen nur - da gebe ich Ihnen recht, Herr Güller - in Verbindung mit präventiven Ansätzen wie Fanprojekten. Der Freistaat Bayern unterstützt unter anderem das Fanprojekt München. Es ist auch wichtig, dass die Vereine die notwendigen Räume zur Verfügung stellen; daran hapert es zum Teil noch. Auf mich ist eine Stiftung zugekommen mit dem Angebot, ein Fanprojekt zu finanzieren. Ich habe das an einen Verein herangetragen - ohne jegliche Resonanz. Die Vereine sind gefordert, Fanprojekte stärker zu unterstützen. Dann unterstütze ich auch das Anliegen, hier die finanziellen Mittel dafür bereitzustellen.

Fanprojekte sind konstruktive Vorschläge, um die Fans zu schützen und um friedlichen Fußball zu garantieren. Das Thema "Gewalt im Stadion" nehmen wir ernst. Liebe SPD, die ersten drei Forderungen, die Sie in dieser Aktuellen Stunde vorgetragen haben, kann ich beim besten Willen nicht wirklich ernst nehmen. Eine Stehplatzgarantie ist genauso wenig umsetzbar wie ein Stehplatzverbot. Bei großen Spielen stellt die UEFA jetzt schon nur Sitzplätze bereit. Wollen Sie dagegen staatlich intervenieren? Sollen wir im Hause eine entsprechende Initiative starten? - Das kann nicht unser Anliegen sein. Wenn der Staat eine Sitz- oder Stehordnung vorschreiben würde, wäre das

ein Eingriff in das Hausrecht des Veranstalters. Von mir aus sollen die Fans im Kopfstand oder auf Hängematten Fußball schauen. Es obliegt den Veranstaltern, für Bequemlichkeit und Sicherheit zu sorgen, aber das darf nicht gesetzlich verordnet werden.

(Harald Güller (SPD): Also bisher hatte die Debatte Niveau!)

Schauen Sie sich den Titel Ihrer Aktuellen Stunde doch einmal an: Sie sprechen von einer Stehplatzgarantie. In Ihrer Rede haben Sie etwas anderes gesagt, aber das Thema, das Sie für die Aktuelle Stunde angemeldet haben, lautet: "Stehplatzgarantie in Fußballstadien".

(Zuruf des Abgeordneten Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER) - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das ist schon etwas absurd. Das Gleiche ist das mit den bezahlbaren Karten. Sie tragen diese Forderung an dieses Hohe Haus heran. Sollen wir jetzt die Karten bezahlen? - Natürlich wollen wir alle bezahlbare Karten, das möchte doch jeder. Der FC Bayern hat sogar ein Sonderprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene aufgelegt, bei dem Stehplatzkarten 15 € kosten. Das finde ich absolut Klasse.

(Tobias Thalhammer (FDP): Ich auch!)

Ich verstehe Ihr Anliegen nicht. Will die SPD den Vereinen die Preise diktieren? Wollen Sie am Ende, dass der Staat die Tickets subventioniert? - Das wäre Planwirtschaft pur!