Protocol of the Session on May 23, 2012

(Zurufe von der SPD)

Ich selber komme aus Franken und habe sicherlich in den letzten Wochen mehr als üblich für dieses Frankenland gekämpft, wie der Kollege König und viele andere auch.

(Zuruf von der SPD)

Wir sehen natürlich, dass eine Landeshauptstadt besondere Gebäude hat, die auch eine besondere Zuwendung brauchen. Jeder, der von Kultur etwas versteht, wird auch wissen, dass man in München in erhöhtem Maße manches auch in Schuss halten, pflegen und dort investieren muss. Nur hätte ich die Bitte, dass sich dann auch die Stadt München entsprechend beteiligt und man sich im Stadtrat von München nicht aufführt, als ob es angeblich nicht genügend Förderung gibt. Das kann nicht funktionieren, liebe Frau Kollegin Zacharias.

(Beifall bei der CSU)

Ich will es jetzt auf den Punkt bringen. Der Antrag ist ein Berichtsantrag vonseiten der SPD. Ich verstehe zwar nicht, warum man einen Dringlichkeitsantrag da

raus macht; es wäre völlig unkompliziert gewesen. Denn dem Wunsch,

(Volkmar Halbleib (SPD): Solche Berichte sind sehr dringlich!)

dass im Hochschulausschuss, im Kulturausschuss berichtet wird, haben wir uns noch nie widersetzt. Also braucht es keinen Dringlichkeitsantrag, um darüber zu diskutieren, was saniert werden muss. Wir hören uns das gerne an, und es mag vieles stimmen, was ja auch Minister Heubisch schon erwähnt hat.

(Zurufe von der SPD)

Es ist keine Frage, dass wir uns über die Fälle unterhalten müssen. Das sind schwerwiegende Fälle, die kann man nicht aus der Hosentasche finanzieren.

(Volkmar Halbleib (SPD): Deswegen dringlich!)

- Ja, es sind auch dringliche Sachen dabei, da gebe ich Ihnen recht. Aber ich wehre mich dagegen, dass das Ganze hier so dargestellt wird - im Antrag der FREIEN WÄHLER noch stärker, darum lehnen wir diesen ab -, als sei Bayern ein Sanierungsfall. Wer Bayerns Schlösser, Bayerns Museen, Bayerns Theater ansieht, wird sagen: Das Land darf stolz darauf sein, was wir hier gebaut und wie wir es gepflegt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Deshalb bin ich der Auffassung: Wir schauen, was gemacht werden muss, aber wir wehren ab, was aus Dummheit kritisiert wird.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Freller. Nächste Wortmeldung: Kollege Dr. Dürr. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe das Thema deutlich nüchterner als mein Vorredner.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Man muss einfach klar sagen: Mit ein bisschen Aufregung und viel Polemik bekommt man das Problem nicht aus der Welt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn das so einfach wäre, würde ich mich jetzt auch aufregen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir stimmen natürlich Berichtsanträgen grundsätzlich zu, wenn sie wenigstens einen kleinen Erkenntnisgewinn versprechen.

Nun ist es nichts Neues, jedenfalls für uns GRÜNE, dass es einen enormen Finanzierungsstau bei Sanierungs- und Investitionsmaßnahmen im Kulturbereich gibt. Wir GRÜNEN haben auch keine Kosten und Mühen gescheut, auch im Zusammenhang mit den Debatten um den Konzertsaal in München, Sie, Herr Minister Heubisch, die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktionen darauf aufmerksam zu machen. Aber ich fürchte, Sie stecken die Köpfe lieber in den Sand, statt endlich einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme zu wagen.

Dabei ist längst nicht mehr zu übersehen, dass der Spielraum der Kulturpolitik in Bayern - und da sind wir in keiner anderen Lage als die anderen Bundesländer und als die Kommunen - jedes Jahr automatisch geringer wird. Die dringend notwendigen Sanierungsund Investitionsmaßnahmen in Milliardenhöhe werden von Jahr zu Jahr geschoben. Die laufenden Kosten, steigen jedes Jahr schneller als das Budget, vor allem da, wo die Personalquote hoch ist. Das muss man sich einfach klarmachen.

Das Ergebnis ist, dass sich der Freistaat nur noch auf den Erhalt seiner eigenen Institutionen konzentriert, auf Staatsoper und Staatsgemäldesammlungen und auf das, was die jeweilige Mehrheit politisch für opportun hält, und das ist zu wenig.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Für Neues bleiben nur noch Almosen übrig. Gleichzeitig versucht die Regierung, sich aus der Gesamtverantwortung für die gesamte Kulturlandschaft in Bayern mehr und mehr zu drücken.

Deshalb haben wir Anfang 2009 die Staatsregierung aufgefordert, ein Landesentwicklungskonzept Kultur vorzulegen, was sie bis heute nicht gemacht hat, offensichtlich nicht geschafft hat. Im gleichen Jahr haben wir in einer Anfrage und einem Antrag Klarheit über die Aufgaben bei der Sicherung und Sanierung der Archive und Bibliotheken in Bayern eingefordert. Wir wollten nicht nur einen Überblick über die Gesamtaufgaben, sondern vor allem einen Maßnahmenplan, einen verbindlichen Zeitrahmen sowie einen Finanzierungsplan.

Dem hat sich ausgerechnet die Mehrheit des Haushaltsausschusses verweigert. Dabei war auch der Regierung längst klar, dass die in den Archiven und Bibliotheken zu bewältigenden Aufgaben jede bisher bekannte Dimension übersteigen. Es geht um mehrere 100 Millionen Euro, Herr Minister. Ende des Jahres

2009 haben wir dann gefordert, die Planungen für das Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu stoppen, weil längst klar war, dass auch die Museen einen enormen Finanzmangel zu beklagen haben.

2010 haben wir gefordert, bevor man 70 Millionen für die Sanierung des Gärtnerplatztheaters ausgibt, sich zunächst damit auseinanderzusetzen, wozu und zu welchem Zweck wir dieses Haus brauchen; erst diskutieren und dann sanieren.

(Zurufe von der SPD: Vielleicht reißen wir es ab!)

- Nein, wir reißen es nicht ab, aber man hätte vielleicht darüber diskutieren können, wozu man das Haus braucht. Man hätte konzeptionelle Überlegungen anstellen können: Ist es ein Staatstheater? Ist es ein städtisches Theater? Was soll dort aufgeführt werden? Da gab es kein Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen sanieren, hauen 70 Millionen Euro hinaus und wissen nicht, was Sie Neues damit anfangen wollen. Herr Minister, Sie wurschteln einfach weiter ohne Sinn und Verstand.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf des Staatsmi- nisters Dr. Wolfgang Heubisch (Wissenschaftsmi- nisterium))

- Herr Minister, Zurufe von der Ministerbank gibt es überhaupt nicht. Sie können gerne runtergehen; dann diskutieren wir weiter.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Im vergangenen Jahr schließlich haben wir all die Fragen gestellt, Herr Minister, die mit den heutigen Anträgen aufgegriffen werden. Und da bin ich schon froh, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie jetzt auch diese Fragen stellen. Damals kam bei den Museen und Archiven ein riesiger Investitionsstau von 1,5 bis zwei Milliarden Euro zutage. Das ist viel Geld! Zwei Milliarden Euro in den nächsten fünf bis zehn Jahren!

Sie, Herr Minister, haben damals einen wesentlich höheren Bedarf eingeräumt als neulich in Ihrer bescheidenen Pressemitteilung. Allein der Restfinanzierungsbedarf im Kulturhaushalt beträgt die nächsten Jahre 466 Millionen Euro, haben Sie damals gesagt. Bei der Schlösserverwaltung lagen Sie bei knapp 100 Millionen Euro. Das ist das, was bereits im Haushalt steht. Dazu kommen laut Angaben der Staatsregierung die geplante Erweiterung des Museums Mensch und Natur mit 65 Millionen Euro, das Deutsche Museum mit 180 Millionen Euro und der Neubau des NS-Dokumentationszentrums München mit 28 Millionen Euro.

Das sind jeweils die Beiträge des Freistaats; das ist nicht die Gesamtsumme. Dann ist das Depot für Staatliche Museen und Sammlungen mit 135 Millionen Euro zu nennen. Weiter hieß es: Noch nicht bekannt seien die Sanierungskosten für Glyptothek, Bayerisches Nationalmuseum, Staatliche Bibliothek Passau, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Magazinbauten der Staatsbibliothek und des Staatsarchivs München. All das erfordert riesige Beträge. Zu den Gesamtsicherungsmaßnahmen in Museen, Bibliotheken und Archiven gab es in der Antwort keine Auskunft, aber ein Bedarf von deutlich mehr als 100 Millionen ist auch hier längst absehbar.

Hinzu komme - so hat das Ministerium eingeräumt ein erheblicher Bedarf für die digitale Archivierung der Bestände. Hier rechnen wir nochmals mit 100 Millionen Euro. Das sind insgesamt 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Euro allein bei den Archiven und Museen. Dass noch die Theater und andere Einrichtungen hinzukommen, hat meine Kollegin Isabell Zacharias bereits ausgeführt. Das alles sind enorme Summen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, ob und wie wir diese bewältigen können. Wir können doch nicht einfach so tun, als ob diese Summen nicht stimmten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das gleiche gilt für die Kosten des laufenden Betriebs unserer Einrichtungen, aber auch der anderen nichtstaatlichen Kultureinrichtungen in Bayern. Das wird umso schlimmer, je größer sich der Sparzwang bei Staat und Städten darstellt. Das ist so und das soll jetzt auch auf der Bundesebene und auf der europäischen Ebene beschlossen werden. Das heißt, der Zwang wird größer, aber der Anteil gebundener Mittel ist heute schon extrem hoch. Land und Kommunen haben in den Kulturetats kaum noch frei verfügbare Mittel.

Jedes Jahr wachsen die Ausgaben durch Inflation und Tariferhöhungen. Selbst wenn Staat und Kommunen die Kulturhaushalte nicht kürzten, müssten sie deshalb bei den freien Mitteln automatisch kürzen. Sie müssten wesentlich mehr ausgeben, als sie es bisher tun.

Die Frage ist, ob das sinnvoll ist. Darüber könnten wir doch reden. Wir sollten uns intensiv darüber unterhalten, was wir uns heute noch leisten können und was wir uns leisten wollen. So, wie es jetzt ist, konzentrieren sich Städte und der Staat nur auf den Unterhalt der eigenen Einrichtungen. Das heißt, für neue Initiativen, freie Träger, und für individuelle Förderung bleibt immer weniger Geld.

Das wird nicht nur in Bayern diskutiert, Herr Minister. Anderswo läuft diese Diskussion unter dem hässli

chen Begriff "Kulturinfarkt". Das Problem gibt es bundesweit.

(Zurufe von der CSU)