Wir können uns im unmittelbaren Anschluss daran auch der Schuldfrage zuwenden, die Sie heute schon vorab gestellt haben. Den Kollegen von den GRÜNEN und der SPD kann ich nur sagen, dass sie sich in der Vergangenheit schon öfter am Bahnknoten München versündigt haben. Ich erinnere nur an den erbitterten Widerstand gegen den Transrapid.
Sie alle wissen, dass damit die Flughafenanbindung deutlich erschwert wurde. Ich erinnere mich nur zu gut an die Äußerungen des Münchner Oberbürgermeisters, der dieses Projekt von Anfang an vehement bekämpft hat.
Das Zweite, meine Damen und Herren: Ich muss Ihnen auch Realitätsverweigerung vorwerfen. Das ist vorhin schon gesagt worden. Es hilft nichts, wenn wir jetzt alle auf Berlin zeigen und sagen, der Bundesverkehrsminister bekommt das Problem nicht gelöst. Vorhin ist darauf hingewiesen worden, dass wir über einen Nahverkehrstopf reden, der begrenzt ist. Er war schon begrenzt zu der Zeit, als Sie in Berlin gemeinsam Verantwortung getragen haben. Auch heute ist er begrenzt. Die Situation ist nicht einfacher geworden. Deswegen lautet die Frage, die ich vorhin schon gestellt habe: Wer kann welchen Beitrag leisten?
Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen ist deutlich geworden, dass es beim Bahnknoten München fünf vor zwölf ist. Dass Sie jetzt aufgewacht sind, ist auch dem Ministerpräsidenten zu verdanken. Er hat dies nämlich deutlich gemacht.
- Das mögen Sie als Frechheit empfinden. Ich empfinde es als hilfreichen Beitrag. Der Oberbürgermeister, der in den letzten Wochen immer gesagt hat, die Landeshauptstadt leiste keinen Beitrag, zeigt plötzlich eine gewisse Flexibilität, weil auch er gemerkt hat, dass dieses Projekt auf der Kippe steht. Ich halte es für klug - deshalb danke ich auch der Staatsregierung für ihren gestrigen Kabinettsbeschluss -, dass wir nun doppelgleisig fahren. Einerseits mobilisieren wir noch einmal alle Kräfte, um das Projekt Bahnknoten München mit dem Kernprojekt zweite Stammstrecke über die Ziellinie zu bringen und die Finanzierungsbeiträge einzufordern. Dabei ist jeder in der Pflicht. Dabei muss jeder seine Hausaufgaben machen, die Bahn, der Bund, aber selbstverständlich auch die Landeshauptstadt München.
Gleichzeitig - das ist das andere Gleis dieser Strategie - müssen wir kurzfristig Verbesserungen für die Fahrgäste in München und im Umland erreichen; denn das gemeinsame Ziel, das uns in diesem Hause alle vereinigen sollte - so interpretiere ich die anderen Äußerungen von Ihnen -, liegt darin, kurzfristig mehr Stabilität in das System zu bringen und gleichzeitig relativ rasch Verbesserungen zu erzielen.
Dabei hilft uns das, was Sie als zweigleisige Strategie anbieten, gar nicht. Auf der einen Seite hören wir flammende Appelle, und es wird davon gesprochen, dass ein Scherbenhaufen angerichtet wurde, und andererseits verweigert man sich jedem Beitrag. Meine Damen und Herren, so wird das nicht funktionieren. Wir brauchen eine ehrliche Mitwirkung von allen Seiten, kein Vergießen von Krokodilstränen und kein leeres Gerede davon, was eigentlich zu tun wäre, wenn der Ball auch in Ihrer Hälfte liegt. Ich sage zwar nicht, dass er ausschließlich in Ihrer Hälfte liegt, sondern ich sage: Wenn der Ball jetzt im Strafraum liegt, müssen wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass er auch ins Tor getreten wird. Da kann sich nicht einer vom Acker machen und nur mit dem Finger auf die anderen zeigen.
Vielen Dank, Herr Kollege. Für die CSU-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Huber das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe über lange Zeit hinweg das wechselhafte Schicksal der zweiten Stammstrecke miterlebt, beispielsweise im März 2010 in der Anhörung des Wirtschaftsausschusses, als die Deutsche Bahn und auch das Verkehrsministerium die Fertigstellung der zweiten Stammstrecke für den Herbst 2017 in Aussicht gestellt haben.
- Herr Kollege Runge, im Gegensatz zu Ihnen bin ich kein ideologischer Gegner der zweiten Stammstrecke, sondern ich halte sie für sinnvoll.
Das Problem heute ist aber nicht ein Wunschdenken, Herr Kollege Rinderspacher, da nützen auch die besten Appelle nichts. Von Appellen, Runden Tischen, von Moderatoren und von inbrünstigen Wünschen kommt kein Geld. Entscheidend ist, dass heute eine Finanzierungslücke von mehr als einer Milliarde besteht. Sie kommt auch daher, dass die ursprüngliche Planung, die Otto Wiesheu auf den Weg gebracht hat, von Kosten in Höhe von 500 Millionen DM ausgegan
gen ist; das war der Start. Heute sind wir bei einer Schätzung von 2,5 bis 3 Milliarden Gesamtkosten angelangt. Eine Menge Umplanungen war notwendig; es wurden immer wieder neue Ansprüche gestellt, auch von der Landeshauptstadt München, die sich leicht tut, Wünsche zu äußern, wenn andere bezahlen. Meine Damen und Herren, das kennen wir schon. Heute liegt das Problem nicht in der Entscheidung, ob wir dafür oder dagegen sind, sondern wir haben ein gewaltiges Finanzierungsproblem.
Ich finde es gut - und deshalb sind Ihre Angriffe, Herr Rinderspacher, auf den Ministerpräsidenten absolut deplatziert -, dass der Ministerpräsident in der letzten Woche eine Zwischenbilanz gezogen und festgestellt hat: Wir haben derzeit keine gesicherte Finanzierung, es fehlt mehr als eine Milliarde Euro, und ich mache die Sache zur Chefsache. Man könnte es sich auch leichter machen und sagen: Die Sache ist beendet.
- Nein, er hat gesagt, es gibt eine Finanzierungslücke, und er wird in Gespräche mit Ude und dem Bund eintreten, um in der letzten Runde abzuklären, ob das Geld noch zu beschaffen ist.
Das wird aber nicht leicht. Zum einen ist die Frage der kommunalen Beteiligung zu klären. Es gibt ein schönes Beispiel: In Oberfranken haben sich die Städte Hof, Selb, Rehau und der Landkreis Wunsiedel zusammengetan, um eine Bahnstrecke von Hof nach Eger in Tschechien zu finanzieren. Dort haben sich die Oberbürgermeister und die Landräte nicht am Beispiel Münchens orientiert und gleich Nein gesagt, sondern diese finanzschwachen Gemeinden in Oberfranken geben der finanzstarken Landeshauptstadt München ein glänzendes Beispiel dafür, wie man kommunale Verantwortung wahrnimmt.
Ich verstehe zwar, dass Sie heute die Frage nach den Bedingungen der Vorfinanzierung stellen. Der Münchner Oberbürgermeister hat aber keine Fragen gestellt, sondern dreimal Nein gesagt.
Bevor überhaupt Fragen gestellt wurden, hat er eine kommunale Beteiligung abgelehnt. Sie ist zwar keine Pflicht, das wissen wir, aber es ist unbestritten, dass
Er hat gesagt, für die U-Bahn ist die Stadt zuständig, und für die S-Bahn sind Bund und Land zuständig. Das ist zwar richtig, aber warum kann er denn U-Bahnen bauen? - Weil er von Bund und Land Zuschüsse in Höhe von 80 bis 95 % bekommt.
Wenn man sich dann verweigert, sobald es Schwierigkeiten gibt, ist das aus meiner Sicht eine Flucht aus der Verantwortung.
Wir brauchen im Moment drei Dinge. Erstens. Innerhalb von drei Monaten ist zu klären, ob es zu einer kommunalen Beteiligung an der Vorfinanzierung kommt, einer Beteiligung der Landeshauptstadt und auch der Gemeinden. Wenn arme Gemeinden in Oberfranken zur Finanzierung einer Bahnstrecke etwas beitragen, dann halte ich auch eine Beteiligung der Gemeinden im Speckgürtel von München für angebracht.
Drittens. Ich rufe auch die Deutsche Bahn dazu auf, die Infrastruktur, die Technik und die Informationssysteme - Herr Runge, da haben Sie völlig recht - bei der S-Bahn zu verbessern. Falls der zweite Tunnel kommt - die Chancen dafür schätze ich vielleicht auf 50 % -, wird er frühestens 2023 fertig sein. Man darf die Pendler im Umland von München aber nicht zehn Jahre lang auf effektive Verbesserungen warten lassen. Wir brauchen mehr Fahrzeuge; wir brauchen eine bessere Elektronik; wir brauchen bessere Informationssysteme, und wir brauchen einen besseren Takt. Es ist ein Armutszeugnis für die Deutsche Bahn, wenn sie nicht in der Lage ist, zusätzliche Züge binnen relativ kurzer Zeit nach München in das Verkehrsprojekt zu bringen, wo sie die größten Gewinne in ganz Bayern erzielt.
Ich halte die Entscheidung der Staatsregierung, parallel dazu ergänzende Maßnahmen, die planerisch und baulich möglich sind, auch jetzt schon in Gang zu bringen, für absolut richtig. Ich bin aber auch der Mei
nung, dass man einen Plan B für ein Gesamtsystem schon heute in Auftrag geben sollte, um nicht weitere Zeit zu verlieren;
denn jeder Realist wird wissen, wie schwierig die Finanzierung der zweiten Stammstrecke ist. Es gibt dazu eine Alternative, die wir auch ins Auge fassen müssen. Mit Appellen, Angriffen und Schuldzuweisungen ist es nicht getan, sondern wir müssen handeln und arbeiten, meine Damen und Herren.
Danke schön. Jetzt hat Herr Staatsminister Zeil für die Staatsregierung um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es passt jetzt ganz gut, dass Handeln gefordert wurde. Ich habe nach dem Aus für den Transrapid gehandelt und ein Gesamtkonzept für den Bahnknoten München vorgelegt. Das war zum ersten Mal ein schlüssiges Konzept für die zukunftsfähige Entwicklung der Schieneninfrastruktur in der Metropolregion München.
Das Konzept ist das Ergebnis zahlreicher, zum Teil äußerst umfangreicher Untersuchungen und Diskussionen. Dabei hat sich die zweite Stammstrecke - Herr Wiesheu hat es kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung" noch einmal unterstrichen - als unverzichtbares Rückgrat herauskristallisiert. Auf ihr bauen viele, ja fast alle anderen Maßnahmen auf. Nur mit der zweiten Stammstrecke gelingt der große Wurf, meine Damen und Herren.