Protocol of the Session on June 26, 2007

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 a auf:

Erste Lesungen zu Gesetzentwürfen, die ohne Aussprache an die jeweils federführenden Ausschüsse überwiesen werden sollen

In der Anlage 1 zur Tagesordnung sind die zur Überweisung anstehenden Gesetzentwürfe aufgeführt.

Die Liste enthält auch zu jedem Gesetzentwurf einen Zuweisungsvorschlag hinsichtlich des als federführend angesehenen Ausschusses. Gibt es dazu Änderungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Beschlussfassung über die Zuweisung.

Wer mit der Überweisung der in der Anlage enthaltenen Gesetzentwürfe an die zur Federführung vorgeschlagenen Ausschüsse einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Einstimmig so beschlossen.

(Liste siehe Anlage 1)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Aufhebung des Bayerischen Sammlungsgesetzes (Drs. 15/8371) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird seitens der Staatsregierung begründet. Es wurde mir signalisiert, Herr Staatsminister Beckstein wolle das tun. Ich kann ihn aber leider nicht aufrufen, weil er nicht im Plenarsaal ist und sicher wieder in Verhandlungen steckt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ich habe ihn gerade gesehen! – Staatsminister Dr. Günther Beckstein betritt den Plenarsaal und eilt zum Rednerpult)

Ich hoffe, das passiert Ihnen nicht, wenn wir den neuen Ministerpräsidenten wählen.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke sehr herzlich für die großzügige Nachsicht, dass ich, obwohl ich rechtzeitig hier war, noch mit einem Kollegen ein paar Sätze gesprochen habe.

Ich möchte gerne zu der Frage des Sammlungsgesetzes Stellung nehmen, nachdem das ein Thema ist, das uns schon seit Längerem beschäftigt. Ich habe selber – Herr Kollege Beyer war in anderer Funktion dabei – ein Gespräch in größerer Runde und Dutzende von Gesprächen in kleinerer Runde geführt. Das geltende Sammlungsgesetz sieht eine Erlaubnispfl icht für Straßen- und Haussammlungen vor. Auch die Werbung von Fördermitgliedern fällt in Bayern unter die Erlaubnispfl icht. Damit soll der Bürger vor psychischen Zwangslagen geschützt werden. Außerdem soll erreicht werden, dass die Ge

befreudigkeit nicht zu unlauteren Zwecken missbraucht wird.

Die Kehrseite ist, dass durch ein Erlaubnis- und Überwachungsverfahren andere Pfl ichten verursacht werden. Diese Lasten sind zu hinterfragen. Vor allem ist zu hinterfragen, ob das, was die Bürger erwarten, erreicht wird, nämlich eine umfassende Kontrolle über die Einrichtungen, die die Sammlungserlaubnis bekommen. Natürlich war in besonderer Weise strittig: Wie hoch dürfen die Zahlungen an die gewerblichen Unternehmen sein, die die Sammlung durchführen? Wie hoch dürfen die Entgelte sein, die an gewerbliche Unternehmen bezahlt werden, die beispielsweise für Fördermitglieder werben oder die Spenden einwerben?

Darüber ist mit mehreren gemeinnützigen Organisationen eine heftige Auseinandersetzung geführt worden. Wir meinen, dass mehr als ein Jahresbeitrag bei den Fördermitgliedern schwerlich den Erwartungen der Bürger gerecht wird. Die Beträge, die da und dort an die gewerblichen Sammler bezahlt werden, stimmen mit dem Eindruck, es handle sich um eine Sammlung, bei der alles Geld für den guten Zweck verwendet wird, nicht mehr überein. Deswegen hatten wir darüber zu befi nden, wie diese Grenzen festzusetzen sind.

Daraus ist dann die Idee meines Hauses entstanden – ich sage das sehr klar –, das gesamte Sammlungsgesetz abzuschaffen. Der Spendenmarkt hat sich in den letzten Jahren völlig verändert. Es gibt neben den Straßen- und Haussammlungen Fundraising im Bereich Fernsehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit durch spektakuläre Aktionen, Telefonmarketing und Internetwerbung. Die gesamten Einnahmen über Privatspenden werden in Deutschland auf jährlich 2,6 Milliarden Euro geschätzt. Davon entfallen auf Bayern 26 Millionen an Erträgen, also etwa 1 %, die bei genehmigten Haus- und Straßensammlungen erzielt werden konnten.

Deswegen stellt sich die Frage: Rechtfertigt ein so minimaler Teilbereich dieses Verfahren? Von daher haben wir uns entschieden, wir wollen eine Aufhebung, zumal ein entsprechender Eindruck erweckt wird. Alle Teilnehmer der sammelnden Organisationen, die bei dem Gespräch anwesend waren, haben nicht erklärt, es gehe um die Frage der Terminabstimmung; vielmehr gehe es darum, dass der Eindruck erweckt werde, es sei eine seriöse Organisation. Dieser Eindruck kann nach den bisherigen Verfahren nicht bestätigt werden, da wir keine Verwendungskontrollen durchführen können. Ich sage ganz bewusst: Selbst bei einer sehr frommen Organisation haben wir in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten gehabt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir zugeben müssen, dass wir eine echte Verwendungskontrolle nicht durchführen können, weil eine solche weder gewünscht noch möglich ist.

Deswegen sage ich: Das Sammlungsgesetz erweckt einen falschen Eindruck. Es erweckt den Eindruck, die einzelnen Organisationen seien überprüft, aber das ist nicht der Fall. Wir müssen selbst einer Organisation wie Scientology, wenn dies gewünscht wird, eine Sammlungserlaubnis erteilen. Eine nicht verbotene Organisa

tion kann eine Sammlung durchführen und beruft sich, genauso wie zum Beispiel die Caritas, auf die Genehmigung. Ich meine daher, es wäre sinnvoller, diesen Eindruck nicht zu erwecken.

In vielen anderen Ländern ist das Sammlungsgesetz bereits aufgehoben worden. Ich habe die Innenminister aller anderen Bundesländer angesprochen und gefragt, ob sich diese Aufhebung bewährt hat. Es hat keinen einzigen Innenminister gegeben, der von Schwierigkeiten berichtet hätte. Überaschenderweise ist auch in den anderen Ländern die Aufhebung durch die Organisationen verlangt worden. Deshalb besteht die Problematik darin – ich bitte um Verständnis, dass ich ein oder zwei Minuten überziehe; ich weiß, dass das die Redezeit verlängert, aber das ist das Thema wert –, dass wir auf diese Weise dafür sorgen – in den Gesprächen haben alle mit Ausnahme des Kollegen Beyer dem Verfahren zugestimmt –, die Abschaffung jederzeit widerrufbar zu machen, nach zwei Jahren eine eigene Überprüfung durchzuführen und den Organisationen, die es wollen, eine Art Empfehlungsschreiben der jeweiligen Ministerien zu geben.

Beim Roten Kreuz ist das ohnehin klar. Das Bayerische Innenministerium bestätigt als aufsichtsführende Einrichtung diese Organisation. Bei anderen Organisationen kann das über das Sozialministerium oder eine andere Einrichtung gemacht werden. Eine Organisation hat gesagt, sie würde das lieber über ihren Bischof oder den Landesbischof durchführen lassen. Darin ist dann sozusagen ein anderes Gütesiegel enthalten.

Deshalb bitte ich darum, über diesen Gesetzentwurf sorgfältig und wohlwollend zu beraten. Der Vorschlag zielt auf eine ersatzlose Aufhebung des Sammlungsgesetzes, das sich überlebt hat. Wir folgen damit den Ländern SachsenAnhalt, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Bremen, Hamburg, Brandenburg und Niedersachsen. In diesen Ländern hat es von keiner Seite Beschwerden gegeben, wie die Kolleginnen und Kollegen in diesen Ländern auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt haben. Ich bitte um wohlwollende Beratung dieses aufhebenden Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Radermacher.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, nur eine Anmerkung vorab: Sie sollten sich den derzeitigen Ministerpräsidenten nicht zum Vorbild nehmen, was die Abwesenheit in diesem Hause anbelangt.

Herr Minister, Sie haben bei Ihrer jetzigen Begründung all das angeführt, was nicht in der Begründung zum Gesetzentwurf steht. Dort steht, Sie wollten das Sammlungsgesetz in erster Linie im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und der Deregulierung abschaffen. Betroffen und getroffen werden die Verbände, und zwar nicht nur die Wohlfahrtsverbände, sondern auch eine ganze Reihe anderer Organisation. Getroffen werden aber auch kleinere Einheiten, zum Beispiel Ortsvereine, die aufgrund per

sönlichen Kontakts sehr viel Geld sammeln; ich komme darauf noch zu sprechen.

Erstens. Sie begründen, dass die Belastung für den Staat nicht unerheblich sei. Deswegen müsse das Gesetz endlich abgeschafft werden. Übrigens: Seit 40 Jahren war es keine „nicht unerhebliche“ Belastung. Hinsichtlich der entstehenden Kosten führen Sie aus, dass keine entstünden, eine Abschaffung für die Verbände daher keine große Belastung darstelle und es kein großer Aufwand sei, dies alles selber zu organisieren. Entweder ist es eine große Belastung, dann ist es für die Verbände eine noch viel größere, wenn sie das alles in eigener Regie machen müssen, oder es ist keine.

Zweitens. Sie führen in der Begründung aus, die Menschen können eigenverantwortlich entscheiden, wem sie etwas spenden wollen. Das haben sie auch in den letzten 30 oder 40 Jahren gemacht; das ist also auch kein Argument. In erster Linie geht es darum, zum Beispiel durch die Erstellung des Sammlungskalenders die Sammlung in geordnete und vernünftige Bahnen zu lenken. Von allen über 30 beteiligten Organisationen haben Vertreter das Verfahren akzeptiert, und es gab in der Praxis keine Konkurrenz und keine Probleme, weil jeder durch den Turnus wusste, wann er dran war. Jeder wusste, dass es sich um eine vernünftige Sache handelt.

Drittens. Sie sagen, das Spendenaufkommen habe sich verändert; Sammlungen fi elen nicht mehr ins Gewicht. Ich muss sagen: Wenn Sie 13 Millionen Euro, die der CaritasVerband angibt, oder 2,4 Millionen Euro, die die Diakonie angibt, als nicht erheblich betrachten, weiß ich in der Tat nicht, wo Sie leben.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne Ihnen eine ganz kleine Organisation, in der ich bis vor Kurzem Vorsitzende war, den Kreisverband Kitzingen der Arbeiterwohlfahrt. Dieser Kreisverband hat durch die Sammlung jedes Jahr immerhin 10 000 Euro eingenommen, und zwar nur durch diese Fünf- und Zehn-Euro-Scheine, die die Sammler ehrenamtlich einsammeln. Die Sammler bekommen dafür nichts. Das ist eine Menge Geld, und hierfür wird sehr viel soziale Arbeit vor Ort geleistet.

Sie sagen: Die Verbände und Organisationen könnten diese Arbeit gern weiter tun. Ich sage Ihnen voraus: Natürlich werden sie es weiter tun, was sollen sie auch sonst machen? Es wird aber zum Hauen und Stechen kommen, weil Sie nicht alle Verbände unter einen Hut kriegen werden und nicht jeder in dieser Selbstorganisation akzeptiert werden wird. Sie haben selbst gesagt, dass damit ein nicht unerheblicher Aufwand für die Wohlfahrtsorganisationen und die Verbände verbunden sein wird. Diese werden letztlich, wenn keine anderen Einnahmen vorhanden sind, das Personal, das für diese Koordination eingestellt wird, von eben diesen Spendengeldern fi nanzieren müssen.

In diesem Land ist seit über 40 Jahren anerkannt, dass es die Straßensammlung und die Haussammlung gibt. Man konnte sich und kann sich nach wie vor darauf verlassen,

dass dabei nur anerkannte Organisationen sammeln. Sie haben erklärt, Sie wollten die Lasten für den Staat beseitigen. Für mich ist das wieder ein deutliches Zeichen dafür, wie in Sonntagsreden das Ehrenamt hochgehalten wird und dort, wo der Staat einen winzig kleinen Beitrag leisten könnte, gestrichen wird. Dieser Beitrag spielt in dem großen Etat des Freistaates Bayern überhaupt keine Rolle. Das ist für mich eine Missachtung der vielen ehrenamtlich tätigen Sammler und Sammlerinnen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe, dass es sich die Kolleginnen und Kollegen noch einmal überlegen werden, wenn dieses Gesetz in die Beratung geht. Im Übrigen scheinen Gespräche stattgefunden zu haben, allerdings die dabei geäußerten Argumente nicht berücksichtigt worden zu sein.

Die Kollegen und Kolleginnen, die über dieses Gesetz beraten, sollten auch die Stellungnahmen der Verbände erhalten. Herr Minister, es war von Ihrem Haus nicht anständig, auf meine Anfrage, wie denn die Stellungnahmen der Verbände aussähen, zu sagen: Wenn Sie wollen, besorgen Sie sie sich doch. Ich denke, dieses Haus hat ein Recht darauf, diese Stellungnahmen in der Beratung zu erhalten. Ich kann Sie nur auffordern: Fragen Sie danach, was die einzelnen Verbände – vom Bund Naturschutz bis zum Caritas-Verband – dazu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schwimmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Gesetzes ist eine weitere Deregulierung, die weitere Abschaffung unnötiger Vorschriften. Gleichzeitig sollen, wie das Herr Staatsminister mit Recht sagte, falsche Eindrücke vermieden werden. Frau Kollegin Radermacher, ich glaube nicht, dass die kleineren oder die größeren Organisationen darunter leiden werden, wenn sie ohne Gesetz sammeln. Das zeigt auch die Praxis in den Gemeinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Organisationen, die traditionell sammeln, zum Beispiel der Tierschutz, der Naturschutz, die AWO, der VdK, die Caritas oder die Diakonie, nach wie vor zu den eingespielten Zeiträumen ihre Haussammlungen durchführen können, ohne dass es eines Gesetzes wie in der vorliegenden Form dazu bedürfte.

Es ist erstaunlich, wenn man feststellt, dass vom gesamten Spendenaufkommen 99 % durch ganz andere Methoden des Sammelns generiert werden. Ich habe diese Zahl nicht geglaubt, als ich die Vorlage gelesen habe. Verglichen mit dem Spendenaufkommen in der Bundesrepublik beläuft sich das Spendenaufkommen aus Haussammlungen nur auf 1 %. In der Zwischenzeit ist für alle übrigen Sammlungen das DZI-Spendensiegel eingeführt worden. Ich teile nicht die Meinung, dass die Ehrenamtlichkeit darunter leidet, wenn sie nicht vom Gesetz abgesegnet ist. Das ist ein falscher Eindruck, der hier entsteht. Die Urfassung des Gesetzes stammt aus dem Jahr 1862 und hatte das hochlöbliche Ziel, die Ge

befreudigkeit der Bürger zu schützen und vor unlauteren Zwecken zu bewahren.

Die Zeiten haben sich geändert. Als Konsequenz der Aufhebung ist Folgendes festzustellen: Nach wie vor wird die Verwendung der Mittel durch die Abgabenverordnung und die Steuergesetze geprüft. Jede Organisation ist zur Gewissenhaftigkeit verpfl ichtet. Es ist doch nicht notwendig, in der Kreisverwaltungsbehörde, wo die Sammlung beantragt wurde, noch einmal einen Verwendungsnachweis zu führen.

Betrügereien hat es in der Vergangenheit gegeben und wird es auch in Zukunft geben, trotz Gesetz. Diese Fälle müssen auf der Grundlage der Gesetze repressiv geahndet werden. Für die von Ihnen angesprochenen langfristigen Verträge – sprich die Fördermitglieder – gelten die Vorschriften des Verbraucherschutzes. Nach dem BGB kann ein Haustürgeschäft widerrufen werden. Die anderen Länder haben gute Erfahrungen gemacht. Was Sie prophezeit haben, wird nicht eintreten.

Ich bitte deshalb, den vorliegenden Gesetzentwurf den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen und ihn dort sorgfältig zu beraten. Das Ergebnis sollte sein, dass ein überfl üssiges, überholtes Gesetz schnellstmöglich aufgehoben wird.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir GRÜNE sehen die Abschaffung des Bayerischen Sammlungsgesetzes äußerst kritisch. Die Erlaubnis, die sich Sammlungsträger und -trägerinnen bisher einholen mussten, war sehr wohl eine Art von Gütesiegel. Ich muss gestehen, dass ich etwas erstaunt bin, dass Sie, Herr Innenminister, ausgeführt haben, das sei eigentlich gar kein ernst zu nehmendes Gütesiegel gewesen, weil dabei überhaupt nicht kontrolliert worden sei. 40 Jahre lang wurde nicht kontrolliert. Ich habe mich als Bürgerin immer sehr gerne auf diese Ausweise verlassen, die die Leute haben mussten.

Natürlich bereiten Erlaubniserteilungen und Kontrollen der Verwaltung Arbeit; das ist ganz klar. Die Staatsregierung meint jetzt, dies wäre wegen 26 Millionen Euro überhaupt nicht erforderlich. Ich bin aber der Auffassung, dass 26 Millionen Euro – wenn man sie nicht nur in Prozentzahlen betrachtet – keine Peanuts sind.