Jakob Schwimmer
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben heute die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf zur Abschaffung des Bayerischen Sammlungsgesetzes. Das Problem liegt darin, dass Haus- und Straßensammlungen im Gesamtvolumen sehr klein geworden sind. Alternativ dazu wird heute im Internet, im Fernsehen mit Telefonmarketing akquiriert. Spenden werden größtenteils – fast 90 % – im
Online-Banking-Verfahren überwiesen. Nach Emnid fallen in der Bundesrepublik ungefähr 2,65 Milliarden Euro an privaten Spenden an Wohlfahrtsverbände an. Davon werden circa 10 % bei Haus- und Straßensammlungen gesammelt.
Ich frage, warum man künftig im Endeffekt diese 10 % per Gesetz mit Auflagen bedienen soll, während 90 % im privaten Verfahren, im Online-Banking-Verfahren und anderweitig mit modernen Medien gesammelt werden. Warum ist für 10 % des Spendenaufkommens ein Gesetz notwendig? Ich meine, dass dieses Verfahren im Großen und Ganzen veraltet ist.
Die Abschaffung bedeutet Deregulierung, Entbürokratisierung. Hat von uns schon jemand, wenn ein Haus- oder Straßensammler gekommen ist, danach gefragt, ob die Regierung von der Oberpfalz oder das Landratsamt von Erding oder von Forchheim eine Erlaubnis erteilt hat, ob hier das Erlaubnisverfahren nach dem Bayerischen Sammlungsgesetz vorliegt? Ich frage das allen Ernstes. Ich kenne wirklich keinen, der danach gefragt hätte. Oder haben Sie in der Zeitung schon davon gelesen, dass in dieser Woche in Nordbayern das BRK, in der nächsten Woche in Südbayern die AWO und in der dritten Woche des Monats die Diakonie sammeln darf? Ich habe das nicht gelesen. Das ist nicht nachvollziehbar. Das wird eingeteilt, das hat sich im Endeffekt von selbst eingespielt.
Es interessiert im Endeffekt niemanden, ob diese Erlaubnis vorliegt. Die Menschen machen dies eigenverantwortlich. Man kann bei Misstrauen gegenüber einem Sammler nach dem Ausweis fragen, man kann die Gemeinnützigkeitsbestätigung hinterfragen. Diese Möglichkeit besteht bei jedem Sammler. Wenn er die Erlaubnis nicht vorweisen kann, wird er von normalen Menschen abgewiesen.
Sammlerbetrug wurde und wird auch durch das Gesetz nicht unterbunden. Das stimmt halt einfach nicht; denn es gibt beim Sammeln immer Trittbrettfahrer, obwohl das Gesetz bestanden hat. Trittbrettfahrer wird es auch in Zukunft geben, und denen muss mit rechtsstaatlichen Mitteln, mit den bestehenden Gesetzen begegnet werden. Ich bin der Überzeugung, die Menschen, die geben, sind gescheiter, als wir vielleicht glauben.
In der Summe aller Landkreise – ich betone: in der Summe – bedeutet die Abschaffung des Gesetzes eine beachtliche Einsparung, weil hierfür im Endeffekt kein Verwaltungsaufwand mehr betrieben werden muss.
Es gibt Einwände, etwa des Steuerungsverlustes. Das heißt, dass Termine abgesprochen werden. Dieser Einwand ist der größte Einwand, der von den Trägern gebracht wird. Allerdings wird die Steuerung der Sammlungen von der Rechtsprechung schon derzeit sehr infrage gestellt. Es ist von der Rechtsprechung her eminent infrage gestellt, ob die vorweihnachtliche Zeit eine sammlungsfreie Zeit zu sein hat. Das bedeutet gegenüber den Freien Wohlfahrtsverbänden eine Benachteiligung.
Gerade in dieser Zeit werden die Sammlungen über Rundfunk oder Fernsehen verstärkt betrieben. Wenn die Frage nach dem Sammlungskalender, den die Regierung der Oberpfalz für ganz Bayern erstellt, auftaucht, dann glaube ich, dass man den Wohlfahrtsverbänden Eigenverantwortung zubilligen kann und dass man durchaus berechtigt sagen kann: Setzt euch selber zusammen und macht den Terminkalender und den Zeitkalender aus. Ist es denn Aufgabe des Staates, einen Veranstaltungskalender, einen Sammlungskalender zu erstellen?
Es gibt Verbände wie die AWO, die Diakonie, die Caritas und andere, die Bedenken und Widersprüche vorgetragen haben. Aber es gibt auch eine Reihe von Verbänden, die zugestimmt haben: das Bayerische Rote Kreuz, die Johanniter und die Malteser. Zugestimmt haben – man höre und staune – Greenpeace und der Bund Naturschutz.
Es gibt Länder, die im Endeffekt dieses Gesetz schon länger abgeschafft haben: Sachsen-Anhalt schon seit 1997, Nordrhein-Westfalen seit 1998, Berlin und Bremen seit 2004 bzw. 2005. Man hat dort – so ist aus den Ministerien berichtet worden – mit der Aufhebung in der Summe keine nachteiligen Erfahrungen gemacht. Das wird von diesen Ländern uneingeschränkt bestätigt. Ich bin mir sicher, dass dies nach der Aufhebung in Bayern genauso sein wird. Stimmen Sie bei der Aufhebung eines überflüssigen Gesetzes mit! Stimmen Sie – ich richte mich an die Opposition – vor allen Dingen auch deswegen mit, weil Sie prominente Befürworter einer Aufhebung haben, nämlich Greenpeace und den Bund Naturschutz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ziel des Gesetzes ist eine weitere Deregulierung, die weitere Abschaffung unnötiger Vorschriften. Gleichzeitig sollen, wie das Herr Staatsminister mit Recht sagte, falsche Eindrücke vermieden werden. Frau Kollegin Radermacher, ich glaube nicht, dass die kleineren oder die größeren Organisationen darunter leiden werden, wenn sie ohne Gesetz sammeln. Das zeigt auch die Praxis in den Gemeinden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Organisationen, die traditionell sammeln, zum Beispiel der Tierschutz, der Naturschutz, die AWO, der VdK, die Caritas oder die Diakonie, nach wie vor zu den eingespielten Zeiträumen ihre Haussammlungen durchführen können, ohne dass es eines Gesetzes wie in der vorliegenden Form dazu bedürfte.
Es ist erstaunlich, wenn man feststellt, dass vom gesamten Spendenaufkommen 99 % durch ganz andere Methoden des Sammelns generiert werden. Ich habe diese Zahl nicht geglaubt, als ich die Vorlage gelesen habe. Verglichen mit dem Spendenaufkommen in der Bundesrepublik beläuft sich das Spendenaufkommen aus Haussammlungen nur auf 1 %. In der Zwischenzeit ist für alle übrigen Sammlungen das DZI-Spendensiegel eingeführt worden. Ich teile nicht die Meinung, dass die Ehrenamtlichkeit darunter leidet, wenn sie nicht vom Gesetz abgesegnet ist. Das ist ein falscher Eindruck, der hier entsteht. Die Urfassung des Gesetzes stammt aus dem Jahr 1862 und hatte das hochlöbliche Ziel, die Ge
befreudigkeit der Bürger zu schützen und vor unlauteren Zwecken zu bewahren.
Die Zeiten haben sich geändert. Als Konsequenz der Aufhebung ist Folgendes festzustellen: Nach wie vor wird die Verwendung der Mittel durch die Abgabenverordnung und die Steuergesetze geprüft. Jede Organisation ist zur Gewissenhaftigkeit verpfl ichtet. Es ist doch nicht notwendig, in der Kreisverwaltungsbehörde, wo die Sammlung beantragt wurde, noch einmal einen Verwendungsnachweis zu führen.
Betrügereien hat es in der Vergangenheit gegeben und wird es auch in Zukunft geben, trotz Gesetz. Diese Fälle müssen auf der Grundlage der Gesetze repressiv geahndet werden. Für die von Ihnen angesprochenen langfristigen Verträge – sprich die Fördermitglieder – gelten die Vorschriften des Verbraucherschutzes. Nach dem BGB kann ein Haustürgeschäft widerrufen werden. Die anderen Länder haben gute Erfahrungen gemacht. Was Sie prophezeit haben, wird nicht eintreten.
Ich bitte deshalb, den vorliegenden Gesetzentwurf den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen und ihn dort sorgfältig zu beraten. Das Ergebnis sollte sein, dass ein überfl üssiges, überholtes Gesetz schnellstmöglich aufgehoben wird.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Stahl, Sie beklagen mit Recht die Zunahme der NPD bei der letzten Bundestagswahl. Ich gehe davon aus, dass wir uns in diesem Hause darin einig sind, dass einer der Hauptgründe für die Zunahme dieses Wählerspektrums mit Sicherheit die von uns allen zu beklagende hohe Arbeitslosigkeit ist, insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit unter der Jugend. Ich möchte hier keine Schuldzuweisungen machen und nicht sagen, wer dafür verantwortlich wäre, sondern ich möchte auf die Gründe unserer Ablehnung beider Anträge zurückkommen.
Lieber Kollege Linus Förster, wir sollten den Rechtsradikalen hier kein großes Forum bereiten, auch wenn ich die Gründe, die Sie hier nennen, durchaus anerkenne. Wir können mit Fug und Recht sagen, dass dieses Thema seit Jahrzehnten an vorderster Stelle der politischen Agenda im Freistaat Bayern steht. Ich weise darauf hin, dass der Bayerische Jugendring in den Landkreisen zu diesem Thema hervorragende Arbeit leistet; erst vor kurzem wurde mir eine Einladung zugeschickt. Beispielsweise geht es am 8. November um Rechtsradikalismus, Aggression, Gewalt und Vandalismus in der Gemeinde.
Das sind sachliche und praktische Themen. Hier wird sehr viel getan. An dieser Stelle möchte ich deshalb dem Bayerischen Jugendring herzlich danken, der hier eine hervorragende Arbeit leistet.
Wir könnten an anderer Stelle, zum Beispiel im Ausschuss, darüber reden. Wie man eine solche Arbeit macht, ist nicht immer unbedingt eine Frage des Geldes.
Wir haben ein Dutzend Programme gerade für die Grundschulen. Ich möchte auf eine Zahl zu sprechen kommen, die unserer Haltung zu den beiden Anträgen Recht gibt.
Die Anzahl rechtsextremistischer Gewalttaten hat sich laut Verfassungsschutzbericht 2004 im Vergleich zu 2003 folgendermaßen verändert: Sie ist von 47 auf 42 gesunken. Natürlich sind das immer noch 42 zuviel. In diesem Punkt geben wir Ihnen Recht und sind mit Ihnen einer Meinung. Gleichzeitig möchte ich aber darauf hinweisen: Auch die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten hat sich in Bayern von 16 auf 27 erhöht und bundesweit von 483 im Jahre 2003 auf 521 im Jahre 2004. Dies zeigt, dass wir hinsichtlich des Rechtsextremismus im Endeffekt auf dem richtigen Weg sind. Das zeigt aber auch, dass Sie die Anträge, wenn Sie sie nur auf den Rechtsextremismus abstellen, einseitig formuliert haben, während wir das gesamte Spektrum des Extremismus sehen wollten.
Sie verharmlosen den Teil, den Sie in Ihren Anträgen mit „Medien und Rechtsextremismus“ in Abschnitt II. beschrieben haben. Wir sehen in dieser Antragsformulierung eine Medienschelte, Sie werfen den Medien eine verharmlosende Berichterstattung vor. Aus unserer Sicht sind diese Vorwürfe absolut nicht zutreffend. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Medien für die Sensibilität bedanken, mit der sie an dieses Thema herangehen. Eine Medienschelte verdient die Presse nicht, weil die Vorwürfe schlichtweg nicht stimmen.
Wir schlagen weiterhin die Ablehnung beider Anträge vor, verweisen aber darauf, dass die Thematik in der Enquetekommission für Jugend weiterbehandelt werden sollte.