Protocol of the Session on June 13, 2007

Erste Lesungen zu Gesetzentwürfen und Staatsverträgen, die ohne Aussprache an die jeweils federführenden Ausschüsse überwiesen werden sollen

Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass die Überweisung ohne Aussprache an die jeweils federführenden Ausschüsse erfolgt. Wer dem so zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen, damit auf jeden Fall weitergearbeitet werden kann.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Moment! Wir sprechen über die vorliegende Liste. Dieser Punkt war immer unstrittig. Auch dieses muss erledigt werden, damit in den Ausschüssen weitergearbeitet werden kann. Darüber gab es im Ältestenrat Übereinstimmung; eine Änderung wurde nicht beantragt. Wer dem so, wie in der Vorlage vorgesehen, auch hinsichtlich der Zuweisung, zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. So beschlossen.

(Liste siehe Anlage)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/8230) – Erste Lesung –

Es wurde jetzt vereinbart, keine Aussprache durchzuführen, sondern den Gesetzentwurf zu überweisen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf als federführendem Ausschuss dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu überweisen. Wer dem zustimmt, bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Niemand. Damit so beschlossen.

In der folgenden Ersten Lesung zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes soll eine Aussprache erfolgen. Ob das heute zeitlich möglich sein wird, ist zweifelhaft. Aber wir müssen wohl so verfahren.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Renate Dodell, Joachim Unterländer u. a. u. Frakt. (CSU) Mit der Einführung des Betreuungsgeldes die Wahlfreiheit der Familien stärken (Drs. 15/8299)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Simone Strohmayr, Joachim Wahnschaffe u. a. u. Frakt. (SPD) „Kinder brauchen nicht mehr Geld, sondern sie brauchen gute Angebote“ Für eine umfassende Neuordnung der Kindergartenfi nanzierung und ein Kindertagesstättenausbauprogramm in Bayern (Drs. 15/8314)

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Krippenausbau fördern – keine Herdprämie (Drs. 15/8315)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Ich weise auf die Redezeiten der Fraktionen hin, die der natürlichen Begrenzung unterliegen. Nach 19.00 Uhr kann nicht mehr abgestimmt werden.

Das Wort hat Herr Kollege Unterländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, dass sich die Koalition in Berlin darauf geeinigt hat, ab dem Jahr 2013 dem Bedarf entsprechend einen Krippenplatz- oder vergleichbaren Betreuungsanspruch im frühkindlichen Bereich zu gewährleisten. Damit verbunden ist es aber genauso notwendig, dass für die Familien, die ein solches frühkindliches Betreuungsangebot nicht in Anspruch nehmen, eine fi nanzielle Entlastung gewährt wird. Nur wenn wir diesen Weg gehen, ist das Ziel, über das wir uns eigentlich im Klaren sein sollten, nämlich echte Wahlfreiheit zu erreichen, zu realisieren.

Deshalb stellen wir seitens der CSU-Landtagsfraktion und seitens der CSU eine entscheidende Forderung. Wir wollen der Bayerischen Staatsregierung den Auftrag geben, für ein Betreuungsgeld ab dem zweiten und für das dritte Lebensjahr in Höhe von rund 150 Euro einzutreten, das parallel mit einem Rechtsanspruch auf eine frühkindliche Betreuung verwirklicht werden soll. Für uns ist klar: Wenn es für den einen Bereich einen Rechtsanspruch gibt, dann muss es diesen auch für den anderen Bereich geben. Diese Forderung ist Ausdruck einer Politik der Wahlfreiheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedauere zutiefst – das sage ich über den parteipolitischen Tellerrand hinaus –, auf welchem Niveau diese Diskussion teilweise geführt worden ist und wird. Wenn von einer „Herdprämie“ oder von einer Diskriminierung der Eltern die Rede ist, wenn die Erziehungsleistung von Eltern in Zweifel gezogen wird, dann halte ich das für eine Aufkündigung eines gesellschaftlichen Konsenses, über den wir uns eigentlich einig sein sollten. Denn es sind die Eltern, die die Grundlage für die kindliche Entwicklung schaffen.

Der Staat darf nicht in die Familien hineinregieren. Das hat im Übrigen auch bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt, als es seine Urteile zum steuerlichen Familienlastenausgleich formuliert hat. Es ist auch und vor allem nach dem Grundgesetz, das die Basis für unser gesellschaftliches Zusammenleben und einen gesellschaftlichen Konsens darstellt, das Recht der Familie, zu entscheiden, welche Lebensbiografi e sie geht. Dies dürfen wir nicht werten, sondern müssen alle Varianten und alle Alternativen, die sich hier anbieten, gleichberechtigt und gleichmäßig unterstützen. Das ist die Politik der CSU und der CSU-Landtagsfraktion. Dazu gehört eben auch eine fi nanzielle Entlastung der Familien. Nur dann ist ein komplettes familienpolitisches Konzept gegeben.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Was Sie sagen, Herr Kollege Wahnschaffe, ist völlig fehl am Platz. Ich äußere mich dazu gern, obwohl es von meiner Redezeit abgeht und ich ohnehin relativ knapp reden will. Aber das ist genau die gleiche Diskriminierung, die mit einer Formulierung vorgenommen wird, wie sie von Ihren politischen Freunden in Berlin, also von der SPD, aber auch von den GRÜNEN verwendet wird, wenn von „Herdprämie“ gesprochen wird. Das ist eine Diskriminierung von Eltern, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt. Es ist auch eine Diskriminierung von Frauen, die sich für die eine der beiden Lösungen entscheiden. Beide Formulierungen passen nicht zu der Lösung der Probleme und passen nicht in diese Diskussion. Davon sollten wir Abstand nehmen.

Der Dringlichkeitsantrag der CSU-Landtagsfraktion soll ein unterstützendes Signal für die Forderung sein, ein Betreuungsgeld in dem genannten und beschriebenen Sinn einzuführen. Wir brauchen – das ist sowohl in Berlin so vereinbart worden – als es auch der Schwerpunkt der Bayerischen Staatsregierung und der CSU-Landtagsfraktion ist – einen bedarfsgerechten Ausbau an Kinderbetreuungsplätzen. Dieser bedarfsgerechte Ausbau setzt

die Investitionen im frühkindlichen Bereich voraus, setzt aber auch voraus, dass wir von staatlicher Seite, also aufseiten des Freistaates Bayern, entsprechend investieren.

Diese Investitionen sind durch das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz bereits gewährleistet. Diese Systematik müssten Sie endlich begreifen. Sie müssen keine neuen Investitionsprogramme machen, weil man mit der Bedarfsfeststellung bereits in jeder Kommune ohne jegliche Deckelung einen Ausbau der Kinderbetreuung vornehmen kann. Der Staat kann dabei keine Einschränkungen bewirken, weil die Kommunen gegenüber dem Staat einen Rechtsanspruch auf die Mitfi nanzierung haben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Sonst muss ich Ihnen unterstellen, dass Sie das Gesetz nicht richtig kennen oder bewusst die Unwahrheit sagen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wahnschaffe? – Herr Wahnschaffe, bitte.

Herr Unterländer, können Sie dem Haus erklären, warum Ihnen das Betreuungsgeld so wichtig ist, wenn Sie auf der anderen Seite das Landeserziehungsgeld im gleichen Zug kürzen?

Lieber Herr Kollege Wahnschaffe, Sie wissen von den Beratungen zum Landeserziehungsgeld, dass es in besonderer Weise wichtig ist, für eine Entlastung der Mehrkinderfamilien zu sorgen. Wir haben den Schwerpunkt beim Landeserziehungsgeld gesetzt. Sie können sicher sein – darauf haben wir immer wieder hingewiesen –, dass familienpolitische Leistungen, wie sie heute gewährt werden, nicht das Ende der Fahnenstange sind, sondern dass wir in diesem Zusammenhang politische Weiterentwicklungen verfolgen.

Lassen Sie mich noch einmal auf den Ausbau der Kinderbetreuung kommen. Wir haben zum einen den quantitativen Ausbau durch das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG – sichergestellt. Wir haben zum Zweiten aber auch übereinstimmend das politische Ziel, die Qualität der Kinderbetreuung weiterzuentwickeln. Das ist eine genauso notwendige Aufgabe zur Förderung der Kinder.

Ich vermisse in dieser Diskussion sehr häufi g, dass wir uns auf das einigen, um das es uns in erster Linie geht. Wir haben nämlich nicht nur die Situation der Eltern im Blick, sondern uns geht es um das Kindeswohl. Dieses müssen wir in diesen familienpolitischen Auseinandersetzungen immer in den Mittelpunkt rücken.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Das ist eine Forderung, mit der wir uns im Prinzip auseinandersetzen müssen, Frau Kollegin Werner-Muggendorfer.

Die Haltung verschiedener Sozialdemokraten und GRÜNEN – ich möchte da bewusst differenzieren – bei der Forderung nach Einführung eines weiteren Familienlastenausgleichs im Sinne des Betreuungsgeldes be

zeichne ich als skandalös und dem gesellschaftlichen Frieden widersprechend.

Ich warne mit Nachdruck vor der ewigen Diffamierung der Eltern. Die Familie ist und bleibt der wichtigste Ort der Bildung, Erziehung und Betreuung. Ich fordere die Rückkehr zu einer Ermutigung der Eltern und der jungen Menschen.

Wir müssen uns auch über die Situation im Klaren sein:

Wie geht es Familien, wenn wir ständig einem Teil vorwerfen, er erziehe die Kinder nicht richtig, wenn ein Elternteil zuhause bleibe? Wie geht es uns, wenn andere mit dem Zeigefi nger darauf hinweisen, Frauen oder Männer, die beide erwerbstätig sind, sind keine guten Eltern? Das alles sind Moralisierungen, die fehl am Platze sind. Unser politisches Ziel muss sein, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen im Hinblick auf ein Ja zum Kind und einer Ermutigung zur Familie. Ziel muss sein, die familien- und kinderfreundlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und dies als Signal an die Familien rüber zu bringen. Wenn wir das nicht tun, wenn wir das nicht gleichberechtigt auf beiden Schienen tun, dann ist das der falsche Weg, den wir nicht mitgehen können. Wenn ich bei Ihren Dringlichkeitsanträgen im Betreff von Herdprämie lese oder wenn ich lese: kein zusätzliches Geld für Kinder, dann sind das Ansätze, bei denen ich nicht verstehen kann, warum Sie aus sozialpolitischen Gründen nicht für beide Wege sind.

Wir müssen klare Prioritäten setzen. Familien- und Kinderpolitik der Zukunft muss den Menschen Signale geben und nicht Vorschriften machen. Dazu gehören fünf Punkte: Erstens, die fi nanzielle Förderung auf der einen Seite und der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung auf der anderen Seite,

zweitens, die Stärkung der Qualität der Rahmenbedingungen der Kinderbetreuung für die Kinder, um die es geht,

drittens, die familienfreundliche Kommune,

viertens, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben und

schließlich eine unterstützende Begleitung der Eltern im Erziehungsprozess.

In diesem Gesamtkonzept gehört der Rechtsanspruch auf einen frühkindlichen Betreuungsplatz, ebenso wie das Betreuungsgeld, in eine gemeinsame Forderung zur Umsetzung dieses Konzepts. Ich bitte Sie, diesen Weg im Interesse der Familien und der Kinder mitzugehen. Sonst sind wir auf einem Holzweg, den wir im Interesse dieser wichtigen Grundlage für die Zukunft der Gesellschaft nicht mehr mitgehen können.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das war das richtige Wort! Sie sind auf dem Holzweg!)

Ihre Ansichten sind sehr einseitig. Deshalb Ja zum Betreuungsgeld als klares Signal an Berlin. Der Bayerische Landtag ist hier wie in anderen Bereichen auch fortschrittlich. Ich bitte um Zustimmung zum Antrag der CSU und Ablehnung der Dringlichkeitsanträge von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus den genannten Gründen.

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Unterländer, ich stehe fassungslos vor Ihrem Antrag. Sie wollen die Wahlfreiheit stärken, so lese ich da, aber wie ist denn die Situation in Bayern? Gibt es überhaupt eine Wahlfreiheit? Können sich Mütter und Väter wirklich für Familie und Beruf entscheiden? Über die Betreuungssituation haben wir an dieser Stelle schon ausgiebig diskutiert, aber anscheinend noch immer nicht genug. Sie haben es noch nicht verstanden.

Die Situation der Kinderkrippen in Bayern ist nach wie vor schlecht. Nicht einmal 10 % der Kinder unter drei Jahren haben einen Betreuungsplatz. Von 16 Bundesländern steht Bayern auf dem 13. Platz. Buh, Herr Unterländer! Sie sind auf diesem Feld eben gerade nicht Spitze. Wir müssen kräftig aufholen, wenn wir auf das Niveau anderer Bundesländer kommen wollen.

Ist es eine Wahlfreiheit, wenn nur sieben Prozent der Eltern einen Platz in der Kinderkrippe oder bei der Tagesmutter fi nden, obwohl Bedarfserhebungen, zum Beispiel bei mir im Landkreis, ergeben haben, dass sich 20 bis 25 % der Eltern von Kindern unter drei Jahren einen Platz wünschten? Ist das Wahlfreiheit, Herr Unterländer? Ich glaube, das ist keine Wahlfreiheit.

Sie wollen Familien unterstützen, das wollen wir auch. Das Betreuungsgeld ist mit Sicherheit der falsche Weg.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Bundesfamilienministerin hat das im Übrigen auch erkannt. Ich zitiere: Kinder brauchen nicht mehr Geld, sondern sie brauchen gute Betreuung. – Das ist ein Zitat Ihrer Familienministerin.