Protocol of the Session on March 7, 2007

Ich glaube, Sie sind ein medizinisches Wunder: Der erste Mensch mit einem Intelligenzquotienten unter null. – Jetzt sage ich es Ihnen zum fünften oder zum sechsten Male hier – –

Herr Kollege Volkmann! Das halte ich für keine angemessene Äußerung gegenüber einem Kollegen. Das weise ich zurück.

Entschuldigung.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Es tut mir leid. Meine Damen und Herren, es ärgert mich wirklich, wenn man bei einer solchen Debatte – – Ich habe das x-mal hier gesagt.

(Lebhafte Zurufe von der CSU)

Hören Sie mir endlich einmal zu! Ich habe Sie auch ausreden lassen.

(Glocke des Präsidenten)

X-mal haben wir hier schon gesagt, dass die Zwangsverheiratung seit über zwei Jahren unter Freiheitsstrafe gestellt ist. Sie tun hier immer so, als müssten Sie das Rad neu erfi nden.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist für Ihren Blutdruck nicht gut, was Sie hier tun!)

Das weiß ich. Für meinen Blutdruck bin ich verantwortlich.

Erstens. Das Wort hat Herr Kollege Volkmann.

Zweitens. Wenn es bei der CSU das dringende Bedürfnis gibt, dazu etwas zu sagen, besteht die Möglichkeit zu einer weiteren Wortmeldung. Jetzt hat aber Kollege Volkmann das Wort.

Noch einmal, meine Damen und Herren: Ich fi nde das schade; von Ihnen werden Argumente gebracht – –

Herr Weidenbusch, Sie sagen zum Beispiel, Integration sei ohne Deutschkenntnisse nicht möglich. Ich weise Sie darauf hin: Im Zuwanderungsgesetz ist genau geregelt, dass eine Niederlassungserlaubnis im Gegensatz zu früher nur noch der erhält, der seine Deutschkenntnisse nachweisen kann. Dieses Gesetz haben Sie jahrelang behindert; Sie haben es jahrelang nicht zustande kommen lassen; Sie haben es beklagt; Herr Kreuzer hat sich heute in dieser Debatte in einem Zwischenruf noch darauf berufen. Sie haben dieses Gesetz verhindert.

Das hat die rot-grüne Koalition damals mit auf den Weg gebracht. Es ist auch gut so, dass das auf den Weg gebracht worden ist.

Jetzt möchte ich noch einmal auf Herrn Dr. Beckstein zurückkommen, weil mich seine Aussage geärgert hat. Herr Dr. Beckstein, Sie haben schon wesentlich bessere Beiträge zu diesem Thema geleistet. Sie sind bei dem, was Sie gesagt haben – wo auch viel Richtiges dabei war –, mit keinem Wort auf das eingegangen, was ich gesagt habe. Sie haben nur eine Vorlesung über das Allgemeine gehalten. Ich fi nde es schädlich, dass Sie immer wieder auf dieser Flucht in die Sozialsysteme insistieren. Das hat fast jeder Ihrer Redner getan.

Meine Damen und Herren, mir kommt dabei spontan immer wieder ein Gedanke in den Sinn: Glauben Sie eigentlich, die afrikanischen Flüchtlinge, die unter Einsatz ihres Lebens zu uns kommen, wollten in die Sozialsysteme fl üchten? Die Hälfte dieser Menschen schafft es gar nicht, weil sie vorher ertrinken. Glauben Sie, diese Menschen wollten in die Sozialsysteme fl üchten? Diese Menschen fl üchten in die Arbeit. Sie sehnen sich danach, in Europa zu arbeiten und Geld nach Hause schicken zu können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist die Hauptmotivation. Keine Frage: Natürlich gibt es auch solche, die Sozialmissbrauch betreiben. Das gibt es bei uns in Deutschland auch. Ich fl ehe Sie an: Führen Sie die Diskussion nicht immer auf diese diskriminierende Art. Bekennen Sie sich endlich dazu, dass Zuwanderung eine Bereicherung für dieses Land sein kann. Warum sollte sie es auch nicht sein? Wir sind in den Siebzigerjahren mit den Ausländern groß geworden. Wir haben einen erheblichen Teil unseres Wirtschaftswunders diesen Ausländern zu verdanken. Heute ist

unbestritten, dass zum Beispiel das Land Spanien einen Zuwachs des Bruttosozialprodukts um 3,5 % hat, weil es viele Zuwanderer hat.

Meine Damen und Herren, ich muss zum Ende kommen. Ich bitte Sie wirklich, bei dem Thema Aussiedler – – Entschuldigung, Sie haben immer von der Sozialhilfe und von Inanspruchnahme der Sozialleistungen gesprochen, obwohl vorher nicht eingezahlt wurde. Wollten Sie die Aussiedler thematisieren?

Herr Kollege Volkmann, Sie sind bereits über der Redezeit.

Meine Damen und Herren, ich habe die Bitte an Sie, dass wir das Thema in Zukunft konstruktiv und optimistisch betrachten. Wir sind ein starkes Land und wir sind ein gutes Land. Wir halten eine Zuwanderung nicht nur aus, sondern die Zuwanderung kann dieses Land auch bereichern, wenn wir die Integration tatsächlich verwirklichen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die weitere Rednerliste sieht wie folgt aus: Zunächst wird Frau Kollegin Scharfenberg sprechen. Dann hat sich der Herr Innenminister gemeldet. In der CSU-Fraktion ist noch zu klären, ob eine weitere Wortmeldung kommen wird. Jetzt hat Frau Kollegin Scharfenberg das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege König, Sie haben leider vergessen zu erwähnen, dass diejenigen, von denen Sie lapidar sagen, Sie könnten in der kurzen Frist, die Sie ihnen geben, eine Arbeit suchen, nicht mit einem Bleiberecht ausgestattet sind. Hier gelten die Vorrangrechte der Deutschen und der EU-Bürger. Diese Menschen können faktisch keine Arbeit fi nden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es unredlich, wenn Sie sagen, das sei dasselbe. Es ist nicht dasselbe. So schnell können diese Menschen keine Arbeit fi nden. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir, dass diesen Menschen bis zum Jahr 2009 ein Bleiberecht gegeben wird. Sie sind dann damit ausgestattet und können in diesem Zeitraum eine Arbeit suchen. Mit einem Bleiberecht werden diese Leute garantiert schnell eine Arbeit fi nden.

Meine Damen und Herren von der CSU, vergessen Sie nicht, dass diese Leute bereits im Sozialsystem sind. Das ist der Denkfehler, den Sie immer begehen. Diese Menschen sind im Sozialsystem als Nehmer und Nehmerinnen. Vergessen Sie das niemals. Wenn Sie diesem Kompromiss nicht zustimmen und somit dafür sorgen, dass diese Leute im Sozialsystem bleiben, machen Sie einen großen Fehler; denn diese Leute können auch in den nächsten zweieinhalb Jahren nicht abgeschoben werden. Sie sind bis zum Jahr 2009 geduldet. Sie bleiben damit in den allermeisten Fällen bis zum Jahr 2009 im Sozialsystem.

Wir GRÜNE sagen, dass wir diesen Leuten die Chance geben wollen, aus der Nehmerrolle in diesem Sozialsystem herauszukommen, Arbeit zu fi nden und dann Einzahler zu werden. Das wäre eine äußerst gerechte Sache. Das können wir am Stammtisch auch jedem erklären. Da sind wir auch nicht dumm.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege König, die Landesgruppe der CSU hat diesem Kompromiss zugestimmt. Tun Sie nicht so, als wenn Sie in Bayern Ihre Hände in Unschuld waschen könnten und nichts mit diesem Kompromiss zu tun hätten. Ihre Partei hat dies mit der CDU und der SPD ausgehandelt. Dies steht in einem großen Antragspaket. Dieses Antragspaket wieder aufzuschnüren, wäre unredlich und ginge zu Lasten der Arbeitswilligen, die jetzt darauf warten, zu den gleichen Bedingungen, die wir haben, in die Arbeit eintreten zu können, nämlich ausgestattet mit einem Bleiberecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Herr Staatsminister des Innern.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch ein paar Ausführungen machen.

Zunächst, um wen geht es? – Es geht um Personen, die kein eigenständiges Aufenthaltsrecht haben und bei denen rechtskräftig feststeht, dass sie eigentlich die gesetzliche Verpfl ichtung hätten, Deutschland zu verlassen. Diese Menschen haben es allerdings geschafft, im positiven Fall, weil sie Schwierigkeiten im Heimatland haben, im negativen Fall, weil sie selbst nicht bei der Passbeschaffung mitgewirkt haben, im Land zu bleiben. Der häufi gste Fall sind die sukzessiven Asylanträge, die nach der Regelung des Zuwanderungsgesetzes ein Hindernis für die Aufenthaltsgewährung sein sollten. Otto Schily und ich haben das ausdrücklich so vereinbart. Die Innenministerkonferenz war jedoch bereit zu erklären, dass auch laufende systematisch sukzessive Asylverfahren kein Hinderungsgrund sind, um ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.

Frau Kollegin Scharfenberg, es ist falsch, wenn Sie behaupten, dass diese Menschen nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz keine Arbeitsmöglichkeit hätten. Sprechen Sie bitte mit Frau Kollegin Weikert, die die Vollzugshinweise im Gegensatz zu Ihnen gelesen hat. Frau Kollegin Ackermann, es ist Blödsinn, wenn Sie sagen, dass ich mich nicht an das halten würde, was ich selbst vereinbart habe. Jeder in Berlin, ob Herr Kollege Wiefelspütz oder Herr Kollege Beck, wird einräumen, dass der Beckstein manchmal ein etwas hartleibiger Kerl ist, aber dass er vertragstreu ist. Was er einmal vereinbart hat, ist vereinbart. Der Kompromiss der Innenministerkonferenz wird von mir großzügig umgesetzt. Frau Kollegin Weikert hat dies ausdrücklich bestätigt.

Der Kompromiss der Innenministerkonferenz, der durch das Verdienst des Kollegen Körting möglich wurde, lautet:

Wenn jemand mehr als vier Jahre erlaubt oder geduldet hier lebt und die sonstigen Kriterien erfüllt, bekommt er eine Bestätigung, dass er, wenn er einen Arbeitsplatz fi ndet, ohne Berücksichtigung des Vorrangs, das Aufenthaltsrecht bekommt. Mit dem Aufenthaltsrecht hat er automatisch eine volle Arbeitsberechtigung.

Das bedeutet, dass diese Leute nicht nachrangig behandelt werden, sondern gleichberechtigt mit deutschen und sonstigen Bevorrechtigten einen Arbeitsplatz fi nden können. Nach den Erklärungen, die wir den Vollzugsbehörden gegeben haben, kann dieser Personenkreis also bereits heute ohne irgendeine Benachteiligung gegenüber Deutschen oder EU-Bürgern jede Stelle bekommen. Wenn Sie behaupten, dass es keine Arbeitsmöglichkeiten gebe, frage ich Sie, warum fast 400 000 Leute als SaisonArbeitnehmer aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland kommen. Jede dieser Arbeitsstellen hätte für diese Menschen jederzeit zur Verfügung gestanden, auch in den vergangenen sechs bis acht Jahren. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Ein Problem ist, dass es sich bei diesen Menschen in aller Regel nicht um Personen handelt, die in besonderer Weise eine Bereicherung für Deutschland wären, sondern es handelt sich um soziale und humanitäre Fälle. Diese Menschen können in der Regel nur in einem Arbeitsbereich tätig werden, bei dem auch unsere einheimischen Leute Probleme haben, nämlich in dem Arbeitsbereich der Ungelernten.

Jetzt haben wir in der Innenministerkonferenz eine Regelung gefunden. Richtig ist, dass der jetzt geltende Kompromiss fortgeführt wird. Es ist aber dezidiert falsch, Frau Kollegin Scharfenberg, wenn Sie sagen, die CSU-Landesgruppe habe zugestimmt. Die CSU-Landesgruppe hatte diesen Punkt überhaupt nie auf der Tagesordnung; zwar wurde er nach der Behandlung im Präsidium unserer Partei auf die Tagesordnung des gestrigen Dienstags gesetzt, er wurde aber nach der Behandlung im Koalitionsausschuss von der Tagesordnung genommen. Herr Uhl hat erklärt, er stimme vorbehaltlich der Entscheidung der zuständigen Gremien zu. Im Gremium Koalitionsausschuss hat Stoiber gesagt: Wir können hier mitmachen, wenn wir die Problematik der Sozialleistungen ausschalten können. Rechtlich präzise ausgedrückt heißt das, dass es keine Verfestigung des Aufenthalts in den Sozialsystemen geben darf. Denn das wäre nichts anderes als eine zusätzliche dauerhafte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Diese müssen wir verhindern.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Wir arbeiten intensiv daran, eine Lösung auf den Weg zu bringen. Ich bin überzeugt, das wird gelingen. Wir haben schon mehrere Möglichkeiten in petto. Wenn das gelingt, sind wir einen großen Schritt weiter; wenn es nicht gelingt, wird es weiterhin Probleme geben.

Eine letzte Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Volkmann. Ich hoffe, dass das noch innerhalb der vorgeschriebenen Zeit geht. – Selbstverständlich ist

es richtig, dass eine Zwangsverheiratung ein Straftatbestand ist. Aber, Herr Volkmann, selbstverständlich ist auch richtig, dass das Problem in Deutschland mit der Schaffung des gesetzlichen Tatbestands noch nicht gelöst ist. Ich bin Mitglied der Islamkonferenz. Frau Kelek, die ebenfalls Mitglied der Islamkonferenz ist, und die türkische Rechtsanwältin Frau Ates schildern erschütternde Fälle in großer Zahl. Einigkeit besteht darin, dass das noch viel größere Problem als die Nötigung das der sogenannten arrangierten Ehe ist, die auch nicht dem Bild einer selbstbewussten Frau entspricht. Meines Erachtens wäre es richtig, wenn man sagt: Die Frau soll so selbstständig sein, um zu entscheiden: Ich gehe nach Deutschland. Diese Entscheidung sollte von der Frau selbstständig getroffen werden, nicht etwa aufgrund eines Arrangements der Eltern für eine Ehe. Ich wundere mich, dass die GRÜNEN nicht vehement für mehr Selbstständigkeit der Frauen kämpfen. Diese arrangierten Ehen können doch nicht dem Familienbild der GRÜNEN entsprechen. Eindeutig ist aber, dass das Ehearrangement durch die Eltern nicht unter den Begriff Zwangsverheiratung fällt. Aber soziologisch betrachtet führen die von den Eltern arrangierten Ehen in erheblichem Umfang zum Familiennachzug. Es gibt hier kaum einen anderen Lösungsvorschlag als den, das Nachzugsalter zu erhöhen und Sprachkenntnisse zu verlangen, um jungen Frauen die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden, ob sie nach Deutschland gehen wollen oder nicht. Das sollte nicht etwa als Ersatz für Brautgeld akzeptiert werden. Hier sollten wir uns ein Stück weit einiger sein.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Einer der Gründe, aus denen ich es für diskutabel halte, den jetzigen Regelungen zuzustimmen, ist: Wir verlangen bisher gegen das Votum der GRÜNEN vor der Einreise Deutschkenntnisse. Gegen die Auffassung der GRÜNEN setzen wir das Familiennachzugsalter wenigstens auf 18 Jahre fest. Eigentlich müssten wir aber angemessene Kenntnisse, nicht nur einfache Kenntnisse verlangen; eigentlich bräuchten wir das Nachzugsalter 21, vielleicht mit gewissen Ausnahmemöglichkeiten. Wenn wir hier schon ernsthaft auf Anregung der GRÜNEN diskutieren, sollten Sie wenigstens das sonstige Paket mit unterstützen. Ich gestehe, dass ich nicht verstehe, warum Sie das Bleiberecht unterstützen, aber das ganze übrige Paket aus Berlin bekämpfen.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Konsequenterweise sollten Sie zu allem stehen – aber nicht das Bleiberecht befürworten und die anderen Maßnahmen ablehnen. Meine Haltung heißt: Wir wollen das Paket in Berlin noch ein Stück weit verbessern.