Protocol of the Session on February 7, 2007

Herr Pfaffmann, es war die Rütli-Schule in Berlin – –

Herr Staatssekretär, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Pfaffmann?

Nein, ich möchte meinen Gedankengang zu Ende führen. Lieber Herr Pfaffmann, vor einem dreiviertel Jahr habe ich von Schülerinnen und Schülern an einer Hauptschule in meiner Heimat einen Brief bekommen. Sie haben mir geschrieben, es tue ihnen so weh, wie in der Öffentlichkeit über die Hauptschule diskutiert wird, nachdem die Rütli-Schule in Berlin in die Schlagzeilen geraten ist. Die Vorfälle an der Rütli-Hauptschule in Berlin hat ein Senator Böger von der SPD zu verantworten. Ich sehe es nicht mehr ein, dass Sie sich hier zum Lebensretter der Hauptschule aufspielen, obwohl Sie eigentlich die Totengräber der Hauptschule sind.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Eine Unverschämtheit ist das! Wir sind hier im Bayerischen Landtag und nicht in Berlin!)

Ich weiß das. Dann werfen Sie uns aber bitte nicht vor, eine schlechte Hauptschulpolitik zu machen. Ich werde es nicht zulassen, dass die Bildungspolitiker in Bayern, die über Jahrzehnte hinweg stets die Hauptschule befürwortet haben, von Ihnen, Herr Pfaffmann, so hingestellt werden, als ob wir die Hauptschule im Stich lassen würden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch so!)

Keiner hat so viel in die bayerische Hauptschule investiert wie wir. Wir lassen die Hauptschule nicht im Stich, lieber

Herr Pfaffmann. Sie wissen doch selber überhaupt nicht einmal, was Sie wollen. Sie erklären den Hauptschulen, dass Sie die Hauptschule wollen. Den Realschulen erklären Sie, dass Sie die Realschule wollen. Denen, die es hören wollen, sagen Sie, Sie wollen die Regionalschule.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Stimmt genau! So ist es, Herr Freller! Schauen Sie nach Rheinland-Pfalz! Dort wird es genauso gemacht! Sie haben keine Ahnung!)

Das ist Ihre Bildungspolitik. Keiner weiß, wo es hingeht.

(Beifall bei der CSU)

Sie merken gar nicht, mit welcher Widersprüchlichkeit Sie Bildungspolitik betreiben. Sie nehmen ausschließlich die Abiturientenquote als Maß der Bildungsabschlüsse eines Landes. Sie übersehen dabei, dass unsere Leistungsträger genauso in den Hauptschulen, in den Realschulen und in den Berufsschulen sind. Sie haben ein total verqueres Bild von Bildungspolitik. Das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage nicht, dass bei uns nichts verbessert, verändert oder korrigiert werden müsste. Ich sage auch, dass bei uns manches Geld noch sinnvoller und besser an den Schulen eingebracht werden müsste. Ich habe es aber satt, dass unsere Hauptschulpolitik generell kritisiert wird.

(Zuruf von der SPD: Was sagen Sie zu Herrn Schaidinger?)

Herr Pfaffmann, wir haben investiert und wir werden weiter investieren. Der Minister ist heute auf der Kultusministerkonferenz, sonst wäre er hier und würde Ihnen sicher Ähnliches sagen. Ich sage es auch deshalb, damit kein Missverständnis darüber entsteht, warum er bei dieser Debatte nicht dabei sein kann.

Kultusminister Schneider hat in den letzten Monaten als Hauptschullehrer ganz konsequent eine Bresche für die Zukunft der Hauptschule geschlagen, die aufgrund der rot-grünen Politik in anderen Ländern einen sehr negativen Ruf hat.

(Zurufe von der SPD: Wo denn? – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Stimmt doch nicht!)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Radermacher?

Nein, ich will im Moment keine Zwischenfrage.

Überhaupt keine?

Nein, überhaupt keine. Ich möchte meinen Gedankengang zu Ende führen. Ich habe Sie auch ausreden lassen. Wir haben Sie während Ihrer Rede auch nicht unterbrochen.

Ich möchte folgenden Gedankengang hier zu Ende bringen. Es gibt Stellenausschreibungen von Firmen in Deutschland, in denen leider der Hinweis fehlt, dass sie auch Hauptschüler suchen. Warum fehlt dieser Hinweis? Weil der Ruf der Hauptschule in Berlin und in anderen von Ihnen regierten Ländern so desolat ist, dass unsere bayerischen Hauptschüler dafür bezahlen müssen. Das muss ein Ende haben.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Pfaffmann, Sie können sich aufregen, wie Sie wollen.

(Karin Radermacher (SPD): Der regt sich nicht auf!)

Sie tun es aber offenkundig. Lieber Herr Pfaffmann, ich möchte Ihre Beiträge gar nicht weiter aufwerten. Mir geht es darum, sehr deutlich darzustellen, was von unserer Seite geplant ist und in den nächsten Jahren vollzogen wird.

Uns ist es wichtig, dass die Hauptschule gestärkt aus der Diskussion über diese Schulart hervorgeht. Wer sagt, dass wir die Hauptschule brauchen, wird auch fordern müssen, dass wir Hauptschüler haben. Wenn alle Welt schreit, dass wir die Hauptschule brauchen, muss damit der Ruf einhergehen, dass wir Hauptschüler brauchen. Unser Anliegen ist es, dass diese Hauptschüler von der Wirtschaft auch gesucht werden. Wir werden alles dafür tun, damit die Hauptschule so weiterentwickelt wird, dass sie soviel an Praxisnähe und Berufsbezogenheit vermittelt, dass es für jeden Handwerksmeister und für jeden Betrieb eine Freude ist, einen Hauptschüler zu nehmen. Wir werden alles tun, damit diese Berufsvorbereitung funktioniert.

Dazu gibt es viele Initiativen, auch aus unserer Fraktion, zum Beispiel von Frau Dodell oder Herrn Waschler. Es gibt viele Anträge aus der Mitte der Fraktion, die sich damit beschäftigen. Wir werden die Hauptschule ganz konsequent im Hinblick auf die Abnehmer weiterentwickeln und auf deren Bedarf ausrichten. Wir haben für die Hauptschule viel Personal eingesetzt. Wir haben aus der Hauptschule weniger Kräfte abgezogen, als es die zurückgehenden Schülerzahlen an der Volksschule erfordert hätten. Der Minister hat im vorletzten Jahr in Kreuth dafür schwer mit der Fraktion gekämpft. Wir haben es geschafft, dass wir eine Fülle von Hauptschullehrern behalten konnten, die eigentlich weggekommen wären, wenn man das LehrerSchüler-Verhältnis wie bisher berechnet hätte. Wir haben nicht vor – das möchte ich unmissverständlich sagen –, an der Hauptschule zu sparen. Wir wollen in die Hauptschule investieren.

Die Anträge, die Sie stellen, beziehen sich auf die Ganztagsschule. Hierzu möchte ich auch etwas sagen, Herr Pfaffmann. Ich bestreite nicht, dass das Thema Ganz

tagsschule in der CSU-Fraktion vor sieben oder acht Jahren strittig war, vielleicht aber auch deswegen, weil dieses Thema von Ihnen über viele Jahrzehnte sehr ideologisch besetzt war.

Das hat leider auch zu einer Polarisierung der Diskussion geführt. Ich will hier die CSU gar nicht ausnehmen, die auch Sorge hatte, mit einer Ganztagsschule die Erziehungsverantwortung zu sehr an den Staat abzugeben. Wir kennen die Diskussion aus der DDR, wo man den Nachmittagsunterricht leider zur Ideologisierung missbraucht hat. Leider hat der Sozialismus den Ruf der Ganztagsschule so ruiniert, dass es bei uns lange Zeit ein reserviertes Denken gegenüber dieser Schulform gab. Dass wir heute eine andere Zeit haben, wissen wir nur zu gut.

Dass wir die Ganztagsschule vor dem Hintergrund vieler Arbeits- und Familiensituationen dringend brauchen, liegt auf der Hand. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert; ich möchte die Zahlen nennen. Es gilt dabei, sowohl die gebundene als auch die offene Ganztagsschule anzusprechen. Für alle in der Zuhörerschaft, die die Begriffe der Kultusministerkonferenz nicht genau kennen, möchte ich erklären: Gebundene Ganztagsschule heißt, dass es einen rhythmisierten Pfl ichtunterricht wie in den angelsächsischen Ländern bis 16.00 oder 17.00 Uhr und am Freitag bis mittags gibt. An der offenen Ganztagsschule existiert am Nachmittag ein freiwilliges Betreuungsangebot für die Familien, die den Kindern zu Hause am Nachmittag keine Betreuung gewähren können. Beide Formen sind völlig in Ordnung. Ich möchte allerdings nicht, dass wir die gebundene Ganztagsschule zur Pfl icht machen, sodass Eltern nicht ausweichen können und ihr Kind nachmittags in die Schule schicken müssen. Das kann es ohne Zweifel nicht sein.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen das schulische Ganztagsangebot, und wir brauchen die Schule mit einem pädagogisch wertvollen Betreuungsangebot am Nachmittag.

(Beifall bei der CSU)

Nun bringe ich Ihnen die Zahlen, damit Sie Bescheid wissen. Wir haben im Augenblick in Bayern 678 offene Ganztagsangebote und 90 gebundene. Wir werden nicht nachlassen, diese Zahlen zu erhöhen. Im Herbst wird es weitere Ganztagsangebote geben. Durch einen Antrag der CSU-Fraktion ist die Finanzierung für 2007 und 2008 bereits abgesichert. Wir werden also nicht aufhören, sondern das Gegenteil tun. Wenn Sie die Zeitungen und die Medienberichte verfolgt haben – ich habe leider in keinem SPD-regierten Land diese Schlagzeilen gefunden –, haben Sie sicher festgestellt, dass wir die Schwerpunkte „Kinder, Bildung, Arbeit“ setzen. Das ist das, was die Politik der Union bestimmt. Das ist absolut wichtig und notwendig für die Zukunft eines Staates. In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung getroffen worden, dass wir die Ganztagsangebote an den Hauptschulen – auch die gebundenen – so ausweiten werden, dass am Ende von 1000 Schulen mindestens 800 mit diesem Angebot ausgestattet sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Hauptschulpolitik der CSU ist überzeugend. Wenn Sie glauben, sie angreifen zu müssen, dann tun Sie es bitte, aber Sie werden hören müssen, dass Sie daneben liegen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Staatssekretär, mit Verlaub, so viel Blödsinn in einer Rede habe ich schon lange nicht mehr gehört.

(Widerspruch bei der CSU)

Ich will das auch begründen. Sie sagen, wir wären die Totengräber der Hauptschule. Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, ob Sie oder wir in diesem Land in den letzten 20 Jahren regiert haben? Wenn wir die Totengräber sind, müssten wir Verantwortung haben. Nein, Sie haben zu verantworten, dass die Bevölkerung die Hauptschule als Restschule betrachtet. Das hat nichts damit zu tun, dass wir hier die Hauptschule schlechtreden würden. Wenn Ihnen möglicherweise entgangen ist, dass ich nicht die Hauptschulen angegriffen habe, sondern Ihre Politik, dann sage ich es noch einmal: Es geht nicht um das Schlechtreden der Hauptschule, sondern darum, dass Sie die Hauptschulen mit Ihrer Politik an die Wand fahren.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie großspurige Worte darüber verloren haben, was Sie alles für die Hauptschulen tun, frage ich Sie: Wenn Sie etwas für die Hauptschulen tun wollen, warum um Himmels willen haben Sie im Nachtragshaushalt 422 Stellen für Hauptschullehrer gestrichen? Warum haben Sie im Stellenplan 2007/2008 1660 Stellen weniger vorgesehen, obwohl die demografi sche Entwicklung im Jahr 2007 noch gar nicht greift? Herr Kollege Sibler, Sie wissen doch genau, dass die demografi sche Entwicklung mit einem Schülerrückgang erst 2009/2010 zum Tragen kommt. Ich frage Sie: Warum streichen Sie 2007 1660 Stellen? Wenn das Ihre Unterstützung der Hauptschule ist, dann kann dieses Land darauf verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär Freller, Sie haben gesagt, Sie hätten zehn Jahre die Ganztagsschule nicht eingeführt, weil wir sie ideologisch besetzt hätten. Wollen Sie damit etwa sagen, dass Sie deswegen keine sachgerechte Politik machen, weil die Opposition hier im Hause dagegen ist? Das ist ein Schlag ins Gesicht der Hauptschüler, sonst nichts. Was Sie hier abliefern, ist nichts als Schönrederei und Wegdiskutieren. Die Probleme wollen Sie nicht sehen. Im Gegenteil: Sie hören nicht damit auf, die Hauptschulen an die Wand zu fahren. Das zeigt der Haushalt, und das zeigt die gesamte Politik.

(Zurufe von der CSU)

Da können Sie herumschreien, wie Sie wollen, es ist, wie es ist. Fragen Sie Ihre Bürgermeister und Kreisräte. Fragen Sie den Städtetag und den Gemeindetag. Fragen Sie die Eltern, die Schüler und die Lehrer. Die sagen Ihnen in dieser Frage alle das Gleiche, auch wenn Sie ständig etwas anderes daherreden.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Staatssekretär, Entschuldigung. Sie haben sich so schüchtern gemeldet, dass ich das übersehen habe. Herr Staatssekretär, bitte.