Protocol of the Session on November 29, 2006

(Beifall bei der CSU)

Das ist nicht nur ein Angriff meinerseits, das hat auch der Vorsitzende Richter in der Einleitung seiner Urteilsbegründung freihändig gesagt unter Hinweis auf den flotten Spruch: „Wir sind arm, aber sexy“. Bei uns ist es schön, wir werden so weitermachen, wir werden weiterfeiern, die anderen zahlen – so geht’s nicht, hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Und ich sage hier, so geht es tatsächlich nicht. Das ist der eigentliche Appell dieses Urteils. Deshalb sagt dieses Urteil außergewöhnlich viel, auch wenn es Bayern nicht zitiert. Warum sollten die Richter Bayern zitieren? Aber es handelt sich um die Philosophie unseres Haushalts, und die steckt in diesem Urteil drin. Und dieses Urteil bestätigt diese Philosophie in nachhaltiger und hervorragender Weise.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das ist nichts anderes als die Bestätigung einer sparsamen Politik mit Blick auf die Einnahmen. Und wenn

die Einnahmen wie in den letzten fünf Jahren zu knapp werden, muss man sparen. Wir haben gespart. Sie werfen uns das vor. Meinen Sie, wir hätten die gleiche Schuldenpolitik wie etwa Schleswig-Holstein, Bremen, das Saarland und insbesondere Berlin betreiben sollen? Die Mehrheit hat gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung gesagt: Nein, das machen wir nicht. Wir können der nächsten Generation tatsächlich nicht zumuten, noch mehr Schulden zu machen und den Spielraum für politisches Handeln noch weiter einzuengen.

Finden Sie es so toll, dass andere Länder mittlerweile eine Investitionsquote in Höhe von 7 und 8 % haben? Ich finde das nicht gut. Wer das einigermaßen ausbremsen will, muss sparen und darf nicht ausgeben, wozu er gerade lustig ist.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schieder?

Ja, bitte.

Herr Staatsminister, Sie spielen hier schon wieder den Stabilitätsapostel und tun so, als wären Defizite die Folge einer hemmungslosen Finanzpolitik.

Könnten Sie zu Ihrer Frage kommen?

Ich möchte Sie daher Folgendes fragen: Erinnere ich mich richtig, dass Sie zu der Zeit einer Regierung, in der der Schuldenaufbau massiv und in der Bundesrepublik ohne Beispiel war, Staatssekretär im Finanzministerium waren? War es auch damals hemmungsloses Geldausgeben, was Sie in dieser Zeit zu verantworten hatten?

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, Sie werden mir sicherlich gestatten, dass ich diese sogenannte Frage einfach übergehe und weitergehen möchte.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist fein! – Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Was soll ich mit einer derartig lächerlichen Polemik, meine Damen und Herren? Hier steht der bayerische Finanzminister, der seit acht Jahren die Haushaltspolitik dieses Landes zu verantworten hat. Gehen Sie auf das ein, und nicht auf das, was Anfang der Neunzigerjahre im Bund zu gestalten war.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Präsidentin, vielleicht sollte ich doch mit einem Satz darauf eingehen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Die Art der Flucht in die Vergangenheit zeigt, dass Sie zur Gegenwart keine Argumente mehr haben.

(Beifall bei der CSU)

Das, was das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat, haben wir in Bayern in den letzten Jahren mit einem ausgeglichenen Haushalt wahr gemacht und realisiert. Diesen ausgeglichenen Haushalt wollen mittlerweile elf andere Länder ebenfalls in einer unterschiedlichen Anzahl von Jahren erreichen. Auch sozialdemokratisch regierte Länder sind darunter, ebenso ein Land mit grüner Regierungsbeteiligung. Woher die Vernunft bei den GRÜNEN plötzlich kommt, weiß ich nicht, aber es ist so.

Warum ist es so? Das Beispiel Bayerns setzt diese Länder unter Druck. Sie wissen, dass sie der nächsten Generation Verantwortung schuldig sind. Wenn Sie ernsthaft unter vier Augen mit den Damen und Herren Kollegen in den anderen Ländern reden, wird Ihnen jeder bestätigen, dass wir hierfür ein Beispiel sind. Sie haben das dem Kollegen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden vorgeworfen, aber darauf darf er doch ein bisschen stolz sein. Wenn wir überall in Deutschland als Beispiel für solide Haushaltspolitik erwähnt werden, können wir uns auch hinstellen und sagen: Wir Bayern haben das hinbekommen, was für andere nur Verpflichtung, aber noch nicht erreicht ist.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Verpflichtung, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Lesen Sie § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes. Aus dem Haushaltsgrundsätzegesetz ergibt sich, dass alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung – Kommunen, Länder und Bund – in gleicher Weise einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben haben. Alle müssen das, wir haben es geschafft. Das ist der Unterschied zwischen Bayern und dem Rest der Welt.

Wir haben auch im Grundgesetz einen Artikel 115, der anmahnt, sparsam zu sein. Er misst die Kredite an der Summe der gesamten Investitionen. Wir haben das selbstverständlich erreicht. Andere Länder haben dies leider nicht erreicht. Gegenwärtig, also mit Abschluss des Jahres 2005, verstoßen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen – bei der Erblast ist das verständlich –, SchleswigHolstein, Sachsen-Anhalt, Berlin und Bremen gegen den Artikel 115. Sechs Länder haben also gegenwärtig Haushalte, die gegen die Verfassung verstoßen.

Ich bin davon überzeugt, wenn man dieser Opposition so, wie sie hier argumentiert und wie sie sich uns gegenüber in den vergangenen Jahren gezeigt hat, die Haushaltspolitik übergeben hätte, wären wir haushaltsmäßig in einer genauso schlechten Lage wie die sechs anderen Länder. Das ist meine tiefe Überzeugung.

Ich bin anderer Auffassung als Sie, Herr Dupper. Sie sagen, wir zahlen viel zu viel in den Finanzausgleich,

wir müssen weniger zahlen. Das klingt gut. Ich sage im Gegensatz zu dem, was Sie sagen, wir stehen zu diesem Finanzausgleich, so wie er seit dem 1. Januar 2005 nach schwierigen Verhandlungen gilt. Wir stehen auch zum Solidarpakt II. Wir sind einverstanden damit, dass wir bis zum Jahr 2019 den neuen Bundesländern die vereinbarten Beträge bezahlen. Ich stehe nicht an der Seite derjenigen – auch derjenigen von der Union –, die das infrage stellen. Wir stehen dazu, obwohl wir sehr viel bezahlen.

Ihre Zahl ist nicht ganz korrekt. Wir zahlten im Jahr 2005 einen Umsatzsteuervorwegausgleich in Höhe von 1706 Millionen Euro und einen horizontalen Länderfinanzausgleich in Höhe von 2219 Millionen Euro. Das sind zusammen 3925 Millionen Euro. Gemessen an dem Haushaltsvolumen von 34,6 Milliarden im letzten Jahr sind das 11,3 %. Wir zahlen also 11,3 % als solidarischen Ausgleich an andere Länder.

Wir stehen dazu, aber ich meine auch, das ist die Obergrenze. Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit – Sie haben es sicherlich auch gelesen –, dass wir die Ideen nicht akzeptieren können, die insbesondere auch aus Berlin kommen, und die darauf abzielen, dass wir einen Schlussstrich ziehen sollten; wir sollten Altschulden, Altlasten oder Sekundärbelastungen, wie es Kollegen Sarazzin bezeichnet, wenn er über Zinsen redet, aus den Haushalten herausrechnen, sie in einen Topf geben und die Allgemeinheit, also die anderen Länder und den Bund diese Lasten tragen lassen. Das können wir nicht akzeptieren. Das würde nach unserer Rechnung unsere jetzige Belastung aus dem horizontalen Finanzausgleich verdoppeln. Dann hätten wir mit den Solidarleistungen an andere eine Belastung von nahezu 20 %. Ich glaube nicht, dass die bayerischen Bürger ihre Steuern dafür bezahlen, dass wir Berlin subventionieren, das sich Großzügigkeiten leistet, die die bayerischen Bürger nicht haben. Das kann nicht sein.

(Beifall bei der CSU)

Ich halte es auch für einen außergewöhnlichen Vorgang, dass ein Land, wie das Saarland, das außergewöhnlich viel an Finanzausgleichsleistungen erhält, großzügig genug ist, im Gegensatz zu uns das dritte Kindergartenjahr frei zu gewähren. Wir haben in den eigenen Reihen eine heftige Diskussion darüber gehabt, ob man das machen kann. Es wäre sicherlich schön und eine Überlegung wert. Es ist aber so teuer, es erfordert einen hohen dreistelligen Betrag, sodass wir gesagt haben, wir können uns das gegenwärtig nicht leisten. Wir würden damit nichts Neues gestalten, sondern nur die Finanzierung umwidmen. Es wäre zwar schön gewesen.

(Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Es wäre auch praktisch möglich gewesen! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Dann hätten Sie etwas für die Bildung getan!)

Ich halte es für unglaublich, dass ein Land, das von unseren Finanzausgleichsleistungen lebt, so großzügig ist. Wenn ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtig verstanden habe, ist das auch eine Anmahnung gegenüber derartigen Großzügigkeiten. Ich glaube, das

Bundesverfassungsgericht hat hier ein deutliches Zeichen gesetzt.

Sehr erstaunt hat mich auch das, was der Sprecher der SPD, Herr Kollege Dupper, zu den nationalen Ausgleichssystemen gesagt hat. Sie haben gesagt, es sei alles ziemlicher Unsinn, das sollten wir nicht machen. Das erstaunt mich. Die Vorstellungen des ehemaligen SPD-Bundesfinanzministers Eichel ebenso wie des jetzigen von mir sehr geschätzten Bundesfinanzministers Steinbrück sind die, dass wir einen nationalen Stabilitätspakt konstruieren müssen. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wie wollen Sie denn die europäischen Vorgaben von Maastricht und Amsterdam und den Stabilitätspakt stabilisieren, wenn wir die Länder – zusammen mit den Kommunen – nicht in diese Disziplin einbinden? Es kann doch nicht sein, dass nur der Bund Stabilitätspolitik betreibt. In die Zahlen, die nach Brüssel geliefert werden, fließen alle Defizite ein, auch die Defizite der Länder und der Kommunen. Deshalb sind auch Länder und Kommunen verpflichtet, sich in diese Disziplin einzufügen.

Dabei gibt es eine Reihe von Vorstellungen. Ich habe meine Vorstellungen. Sie haben es ein bisschen lächerlich gemacht. Ich lasse mich aber nicht davon abhalten, konstruktiv an dieser Debatte teilzunehmen, die seit 15 Jahren läuft. Leider läuft diese Debatte über den nationalen Stabilitätspakt schon so lange. Ich bin der Auffassung, dass wir ein Frühwarnsystem brauchen und eine Instanz, die dieses Frühwarnsystem auch überprüft und öffentlich macht. Wir brauchen eine Instanz, die die erforderlichen Feststellungen trifft und Sanktionen verhängen kann. Wir brauchen Sanktionen. Wir brauchen auch ein Gremium, in dem politisch darüber diskutiert werden kann, damit die Sanktionen nicht plötzlich kommen, sondern damit ein politischer Prozess zustande kommt. Dies kann nur über eine Neugestaltung des Finanzplanungsrates geregelt werden.

Ohne einen derartigen Stabilitätspakt, wie ihn der Kollege Steinbrück und alle seriösen sozialdemokratischen Finanzminister auch wollen, können wir wahrscheinlich keine dauerhafte Haushaltspolitik in der Bundesrepublik Deutschland betreiben. Wir würden uns dem unterwerfen. Natürlich werden damit auch die Landtage diszipliniert. Sie werden aber durch die Vorgabe von Grenzen und nicht durch das Einmischen ins Detail diszipliniert. Ich halte das für sehr vernünftig.

Diese Debatte führen wir wie gesagt schon sehr lange, und durch das Berliner Urteil, das Gegenstand dieses Dringlichkeitsantrages ist, ist dieser nationale Stabilitätspakt zwingender geworden. Ich glaube auch sagen zu können, dass er wahrscheinlicher geworden ist. Das ist gut so.

(Beifall bei der CSU)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion hat für diesen Antrag namentliche Abstimmung beantragt. Sie wurde über Lautsprecher um 15.45 Uhr bekannt gegeben. Wir können also noch nicht abstimmen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Susann Biedefeld, Herbert Müller u. a. u. Frakt. (SPD) Kein zusätzlicher Amtschef für Schnappauf Neuordnung der Lebensmittelsicherheit an Haupt und Gliedern (Drs. 15/6946)

Ich eröffne die Aussprache und darf als erstes für die Antragsteller Frau Kollegin Biedefeld das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Was kann sich der bayerische Verbraucher- und Gesundheitsminister Schnappauf eigentlich noch alles leisten,

(Beifall bei der SPD)

gegenüber seinem Ministerpräsidenten, gegenüber seinen Kabinettskollegen, gegenüber seiner eigenen Fraktion und vor allem gegenüber den bayerischen Bürgerinnen und Bürger, den bayerischen Verbraucherinnen und Verbrauchern? Wir sagen: Schnappauf ist eine Gefahr für Bayern und speziell für Bayerns Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie alle in diesem Hohen Haus wissen inzwischen – davon bin ich fest überzeugt –, dass Herr Schnappauf nicht nur orientierungs- und konzeptionslos ist, gerade wenn es darum geht, Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen, sondern auch, wie wir meinen, nicht dazu fähig ist.

(Beifall bei der SPD)

Er hat dies inzwischen mit vielen Beispielen und unzählige Male immer wieder unter Beweis gestellt. Da nützt ihm auch nicht eine noch so fähige Frau, die er jetzt an seine Seite stellen will. Da nützt ihm auch nicht eine zusätzliche Amtschefin. Wir können nur sagen: Herr Schnappauf, nehmen Sie endlich Ihren Hut und gehen Sie, das wäre das Beste für Bayern und für Bayerns Verbraucherinnen und Verbraucher.

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD-Landtagsfraktion halten die Einsetzung eines zusätzlichen Amtschefs – in diesem Fall die Einsetzung einer zusätzlichen Amtschefin – im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz weder für sinnvoll noch für notwendig, sondern ganz im Gegenteil sogar für schädlich.