Protocol of the Session on November 10, 2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Schnappauf.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Tagen sind alle Klimaprognosen nach oben korrigiert worden, sowohl durch das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ als auch durch nationale Institute wie das MaxPlanck-Institut für Meteorologie in Hamburg sowie durch den Bericht von Sir Nicolas Stern, dem ehemaligen Chefökonom der Weltbank. In diesem Bericht ist die volkswirtschaftliche Dimension in einem Maße vor Augen geführt worden, wie das bislang noch nicht der Fall gewesen ist.

Wir alle müssen die Klimaerwärmung als die zentrale umweltpolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts begreifen, und wir alle müssen sehen, dass die Herausforderungen weit über umweltpolitische Aspekte hinausgehen und zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden.

Deshalb werden die Anträge der Opposition der Thematik nicht gerecht. Ich kann nicht ein Thema, das das Megathema im Umweltbereich, vielleicht sogar das Megathema in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts schlechthin ist, mit zwei Dringlichkeitsanträgen, die am Mittwoch und Donnerstag eingereicht worden sind und bei denen gefordert wird, am Freitag sollen 24 Punkte beschlossen werden, abhandeln.

(Zuruf der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Frau Biedefeld, Frau Paulig, mit diesen Anträgen haben Sie sich sauber blamiert, weil Sie damit zeigen, dass es Ihnen nicht um die Dimension und Ernsthaftigkeit des Themas geht. Sie wollen einen kurzfristigen politischen Erfolg.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Lenken Sie nicht von Ihrer Untätigkeit ab!)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Paulig?

Im Moment nicht, Herr Präsident. Gerne später, aber ich möchte zunächst einmal, nachdem Frau Paulig

nun zweimal gesprochen hat, einiges im Kontext darlegen.

Durch ihre Art, auch die Art des Redens heute an diesem Pult, wird eines in Ihren Aussagen überhaupt nicht deutlich – es betrifft vor allem Frau Paulig und Frau Biedefeld –: Die umweltpolitische Herausforderung durch die Aufheizung der Atmosphäre ist zwischenzeitlich eine weltweite Herausforderung, die uns alle betrifft, und zwar in Bayern genauso wie in allen anderen Teilen der Welt. Sie erwecken den Eindruck, als ob allein mit einem innerbayerischen Konzept dieser Herausforderung zu begegnen wäre. Allein während Sie hier heiße Luft verbreitet haben, sind in China Millionen von Tonnen Kohlendioxid emittiert worden. Es ist unglaublich, welche Herausforderung dieses Thema mittlerweile weltweit darstellt.

Wir haben jetzt die Konferenz in Nairobi vorbereitet. Ich werde am Montag zusammen mit dem Bundesumweltminister Teil der deutschen Delegation in Nairobi sein. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass nach neuesten Zahlen zwischenzeitlich 4,7 Milliarden Tonnen Kohlendioxid allein in China emittiert werden, in den USA über 5,7 Milliarden Tonnen CO2 jährlich. Wir haben in Bayern heute eine Gesamtemission bei CO2 von weit weniger als 90 Millionen Tonnen, Ziel sind 80 Millionen Tonnen. Daran mag man die Relation erkennen.

Wir müssen die klimatischen Veränderungen ernst nehmen. Wir müssen als Freistaat Bayern, als Bundesrepublik Deutschland und als Europäische Union mit gutem Beispiel vorangehen.

(Susann Biedefeld (SPD): Global denken, lokal handeln!)

Global denken, lokal handeln – darin sind wir sofort d´accord. Sie versuchen aber, einen vordergründigen Showeffekt zu erzielen. Frau Biedefeld, Sie haben am Donnerstag einen Dringlichkeitsantrag zu dem Thema eingereicht und fordern, am Freitag über 14 Punkte zu beschließen. Sie ziehen Ihre alten Kamellen hervor und bringen sie unter dem Aspekt des Klimaschutzes erneut in die Debatte ein. Das ist unfair und wird dem Thema nicht gerecht.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt zur Sache: Bayern gehört heute zu den klimafreundlichsten Ländern in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt. Wir sind gut, aber – ich sage das im gleichen Atemzug – wir müssen besser werden. Nach den neuesten Zahlen hat Bayern heute eine Pro-Kopf-Emission von 6,8 Tonnen pro Jahr, der Bundesdurchschnitt liegt nach den neuesten Zahlen bei 10,3 Tonnen pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Die Vereinigten Staaten von Amerika liegen bei über 20 Tonnen pro Kopf und Jahr. China hat als ein Land mit 1,3 Milliarden Menschen in den letzten Jahren eine enorme Entwicklung vollzogen – darauf muss man deutlich hinweisen-; allein in unserer Partnerregion Shandong wächst die Wirtschaft seit 20 Jahren jährlich um 10 %, sie braucht dafür aber jährlich 20 % mehr Energie – Energie, für die hauptsächlich schmutzige Kohle zur Stromerzeugung verwendet wird. Das bedeu

tet, dass die CO2-Emissionen in den Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien explodieren. Wir werden die Klimaproblematik nicht in den Griff bekommen, wenn nicht die USA sowie die Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und andere endlich mitmachen. Das ist ein weltweiter Auftrag.

Ich bin sehr wohl bereit, dass wir unser bayerisches Klimaschutzprogramm, das wir im Jahre 2000 aufgelegt und im Jahre 2003 fortgeschrieben haben, auch weiter fortschreiben. Die Vorarbeiten laufen seit Monaten. Ich will deutlich machen, dass wir im ersten Halbjahr 2007 das Klimaschutzprogramm des Freistaats Bayern fortschreiben und dabei ehrgeizige und konkrete Ziele setzen, die auch mit einem klaren Monitoring und einer Evaluierung versehen werden. Sie verwechseln, Frau Biedefeld, immer das Klimaschutzprogramm der Bayerischen Staatsregierung mit dem Klimabündnis und der Klimaallianz. Beim Klimaschutzprogramm haben wir uns konkrete Ziele gesetzt und forcieren konkrete Maßnahmen. Ein anderes Ziel verfolgt das von uns eingegangene Klimabündnis mit dem Umweltverband, das wir jetzt erweitern werden; im Januar 2007 werden wir mit den Kirchen in unserem Lande eine Vereinbarung schließen, damit wir durch das Einbeziehen unserer Bürgerinnen und Bürger die Problematik als gesamtgesellschaftliche Herausforderung bewusst machen. Es geht alle an, es geht jeden einzelnen Bürger an, und es geht genauso die Wirtschaft an. Deshalb haben wir mit der Wirtschaft eine Klimaallianz geschlossen.

Frau Kollegin Paulig fragt erneut an, ob sie eine Zwischenfrage stellen darf.

Ich denke, Herr Präsident, wir sollten der Kollegin jetzt die Zwischenfrage erlauben.

Wenn Sie von der CSU-Fraktion keinen Antrag vorlegen können und wollen und nur auf externe große Emittenten verweisen, dann frage ich Sie: Sind Sie wenigstens bereit, künftig wieder die CO2-Emissionswerte von Bayern in die Verursacherbilanzen der Länder im Bund einzustellen?

Herr Staatsminister!

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Die Wahrheit ist gefordert!)

Frau Kollegin, wir haben die Quellen - und wir haben die Verursacherbilanz. Für jeden, der beide Bilanzen liest, ist die Vergleichbarkeit erkennbar. Wir gehen davon aus, dass in unseren Bilanzen das, was wir im Freistaat Bayern an CO2-Emission verursachen, also das, was an Emissionsquellen in Bayern vorhanden ist, die maßgebliche Größe ist. Alle anderen Länder bilanzieren in gleicher Weise – ich kann Ihnen die Bilanz für die anderen Bundesländer gern vortragen, wenn Sie es wünschen –, sodass die Vergleichbarkeit der Daten jederzeit gegeben ist.

Bayern liegt im deutschlandweiten Vergleich in der absoluten Spitzengruppe. Unter den alten Bundesländern gibt

es nicht einmal eine Handvoll, die die Ergebnisse Bayerns erreichen. Wenn Sie nun hier immer wieder sagen, Bayern tue zu wenig, dann müssen Sie auch bedenken, dass das Thema Klima so umfassend ist, dass man im Grunde nicht genug tun kann. Auch wir müssen angesichts der jüngsten Klimaprognosen unsere Anstrengungen weiter verstärken; denn die Klimaerwärmung galoppiert schneller und intensiver, als das noch vor Jahren von der Wissenschaft prognostiziert wurde. Das, was bisher erreicht worden ist, kann sich allerdings mehr als sehen lassen.

Ich hatte vorhin aufgezeigt, dass in China 10 % Wirtschaftswachstum mit 20 % Wachstum im Energieverbrauch erzielt werden. Unser Wirtschaftswachstum in Bayern mit über 2 % braucht nur noch 1 bis 1,2 % mehr Energie. Wir haben es also geschafft, die Entwicklung zu wirtschaftlichem Wohlstand von immer mehr Energieverbrauch und immer mehr Klimabelastung zu entkoppeln.

(Susann Biedefeld (SPD): Schaumschlägerei!)

Auch unsere Leistungen bezüglich der Landesmittel können sich mehr als sehen lassen. Wir haben allein zur Förderung erneuerbarer Energien und energieeffi zienter Maßnahmen in der Zeit von 1990 bis 2004 über 500 Millionen Euro investiert. Davon haben wir allein in die Förderung der Biomasse 171 Millionen Landesmittel gegeben. Die energetische Gebäudesanierung ist von uns zum Topschwerpunkt gemacht worden.

(Susann Biedefeld (SPD): Dafür ist doch gar nichts im Haushalt drin!)

Frau Paulig, da Sie vorhin so großartig über das gesprochen haben, was von Ihrer Seite getan werde, muss ich einmal daran erinnern, dass in Ihrer siebenjährigen Regierungsverantwortung von Rot-Grün in Berlin gerade einmal 300 Millionen Euro pro Jahr in das Programm für energetische Gebäudesanierung eingestellt wurden. Sie haben sich weitgehend in der Frage erschöpft, wie allüberall die Windkraft in Deutschland implementiert werden könnte.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist doch gar nicht wahr!)

Sie haben einen Schwerpunkt gesetzt, der unter Klimagesichtspunkten nicht der Schwerpunkt ist, um den eingesetzten Euro mit der höchsten Klimarelevanz zu versehen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist ja wohl das Letzte!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben wissenschaftsbasiert durch die Technische Universität München prüfen lassen, wo man mit einem Euro am meisten für den Klimaschutz erreichen kann. Die Antwort ist ganz klar: Wenn man die Millionen alter vorhandener Immobilien besser isolierte, wenn man neue Fenster, neue Heizungen und neue Türen einbaute und die Dächer neu dämmte, dann könnte man das, was man an Gebäudeenergie zum Fenster hinausheizt, reduzieren und damit den Energieverbrauch verringern und den Klimaschutz verbessern.

Deshalb wurde bei den Koalitionsverhandlungen zur Bildung der neuen Bundesregierung ein Schwerpunkt auf die energetische Gebäudesanierung gesetzt. Dieses Programm wurde auf 1,4 Milliarden Euro pro Jahr erweitert. Heute ist dieses Programm überzeichnet; es gibt Wartefristen; es ist ein echter Renner zugunsten des Klimaschutzes geworden sowie eine Win-Win-Situation für unser heimisches Handwerk.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Biedefeld?

Natürlich, das macht doch Spaß!

Herr Minister, würden Sie dem Hohen Hause bitte mitteilen, wie die Haushaltsansätze im vorliegenden Entwurf 2007/2008 für die energetische Sanierung unserer eigenen Liegenschaften in Bayern konkret aussehen?

Herr Präsident, liebe Frau Kollegin Biedefeld, wir haben die energetische Gebäudesanierung zu dem Schwerpunkt in Deutschland überhaupt gemacht.

(Susann Biedefeld (SPD): Bitte konkrete Zahlen! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wie viel?)

Ich selbst war bei den Koalitionsverhandlungen dabei; dort haben wir in das Bundesprogramm, das wir natürlich als eines von 16 Bundesländern ebenso wie alle anderen Bundesländer und alle anderen Antragsberechtigten in Anspruch nehmen, 1,4 Milliarden Euro jährlich eingestellt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Und in unserem Haushalt? – Karin Radermacher (SPD): Wir wollen die Zahlen hier von Bayern wissen!)

Zusätzlich haben wir in Bayern in die energetische Sanierung der eigenen Gebäude in den letzten Jahren außerordentlich große Investitionen getätigt.

(Susann Biedefeld (SPD): Null Ansatz in 2006 und 2007!)

Ich darf Ihnen die Zahlen vortragen. Wir haben in die staatlichen Liegenschaften über 150 solarthermische Anlagen eingebaut, über 160 Photovoltaikanlagen, über 80 Biomasseanlagen und über 17 Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Wir haben zu diesem Zweck umfangreiche Untersuchungen der eigenen Liegenschaften durchgeführt. Bei allen 6000 energierelevanten staatlichen Liegenschaften werden regelmäßig ihre Verbrauchszahlen überprüft; es sind Verbesserungsvorschläge gemacht und über 90 Millionen Euro zwischenzeitlich in die Sanierung investiert worden.

(Susann Biedefeld (SPD): Nichts davon im Haushalt!)

Das Ganze geht fortlaufend weiter; in allen Haushalten,

auch im Haushalt des Umweltministeriums, sind für unsere Liegenschaften entsprechende Investitionen vorgesehen.