Dieses Ungleichgewicht ist nicht in erster Linie von der Politik zu verantworten. Diese Benachteiligungen sind auch auf eine unterschiedliche Ausgangslage bei Deutschen und Migranten zurückzuführen. Zuwanderer verfügen einerseits oft über beschränkte Finanzmittel. Teilweise richten sie ihre wirtschaftlichen Interessen und ihr Sparverhalten auch an ihrem Herkunftsland aus. Ihre Wirtschaftskraft kann also nicht mit derjenigen der seit Generationen hier lebenden einheimischen Bevölkerung gleichgesetzt werden. Hilfsbedürftigkeit von Ausländern und Hilfegewährung an Ausländer sind also nicht unbedingt ein Gradmesser für Benachteiligungen. Vielmehr sind die Sozialleistungen Ausdruck eines funktionierenden Sozialstaatsgefüges in unserem Land.
Dennoch müssen wir dringend alles tun, um die Beschäftigungsquote unter den Ausländern zu erhöhen und damit das Armutsrisiko zu verringern, und dies aus folgendem Grund: Die Integration in den Arbeitsmarkt ist ein zentrales Element der Integration in die Gesellschaft. Arbeitslosigkeit unter Ausländern fördert die Bildung von Subkulturen, die wir nicht wollen. Arbeit und Wohlstand sind Güter, die wir unseren ausländischen Mitbürgern selbstverständlich genauso zubilligen wie uns Deutschen. Es liegt auch in unserem wirtschaftlichen Interesse, dass die Ausländer bei uns ihren gleichberechtigten Beitrag zum Sozialstaat leisten.
Für die schwierige Situation der Ausländer auf dem Arbeitsmarkt sehe ich zwei wesentliche Gründe: Zum einen sind es Probleme mit der deutschen Sprache und zum anderen die oft geringe berufl iche Qualifi kation. Unsere Bemühungen würden aber zu kurz greifen, wenn
wir uns ausschließlich auf die Integration ausländischer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt konzentrieren würden. Fast noch wichtiger scheinen mir die Defi zite bei der nachwachsenden Generation zu sein, denn die zweite Generation, also die hier geborenen Kinder von Ausländern, droht ins Abseits zu geraten. Dies zu erkennen, ist für uns ganz wichtig, für jeden in seinem Stimmkreis und natürlich auch im gesamten Bayern. In einem Gespräch hat mir eine türkische Lehrerin erklärt, wie schwierig es ist, die Defi zite bei den ausländischen Kindern, die sie betreut, aufzuholen.
Andererseits wissen wir aber auch von den Defi ziten bei der Erziehung und Bildung unserer jungen Menschen. Während über 40 % der Kinder in Bayern Realschulen oder Gymnasien besuchen, sind es bei den Ausländerkindern nur 17 %. Ebenso gibt es einen Unterschied zwischen deutschen Kindern und ausländischen Kindern an den Hauptschulen. Der Anteil derjenigen, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, beträgt bei den Ausländerkindern 17,6 %. Die OECD-Studie vom Dezember 2005 belegt, dass der Abstand zwischen der zweiten Generation und den übrigen Schülern in keinem anderen getesteten Land größer ist als in Deutschland.
Uns in Bayern ist dieses Problem aber nicht erst seit der OECD-Studie bewusst. Schon im Jahr 2003 hat die Bayerische Staatsregierung Leitlinien für die Integration verabschiedet. Im Herbst 2004 wurde das Bayerische Integrationsforum ins Leben gerufen. Im Rahmen der Hausbesuchsprogramme „HIPPY“ und „Opstapje“ sind weitgehend integrierte, gut deutsch sprechende Immigrantinnen aus dem Kulturkreis der teilnehmenden Eltern aktiv, um die Eltern anzuleiten.
Alle im Jahr 2002 initiierten und im Jahr 2005 modifi zierten Maßnahmen sind darauf angelegt, die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch frühzeitige und nachhaltige Fördermaßnahmen zu verbessern. Dieser langfristige Ansatz ist der beste Schutz vor Armut. Das gilt auch ganz besonders für unsere ausländischen Mitbürger. Deshalb ist unser Ansatz richtig, hier einen besonderen Schwerpunkt zu setzen und auch in Zukunft die Maßnahmen weiter auszubauen. Ich halte das im Interesse der sozialen Gerechtigkeit und einer wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in unserem Land für wichtig.
Der Ausgleich ist gesichert. Das kann ich an diese Seite sagen. Herr Kollege Dürr, ich hätte es auch bei Ihnen so gemacht, aber Sie waren heute sehr pünktlich. Ich darf jetzt Frau Kollegin Dr. Strohmayr ums Wort bitten.
Von Armut sind in Bayern vor allem Kinder betroffen. Das wurde bereits mehrmals erwähnt. Betroffen von Armut sind insbesondere Kinder Alleinerziehender oder Kinder von Arbeitnehmern in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Herr Kollege Sailer, Sie haben vorhin ausgeführt, wie erfreulich sich die Arbeitsmarktsituation entwickle. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass viele Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und kaum genug haben, um mit ihren Familien vernünftig über die Runden zu kommen.
Von Armut bedroht sind natürlich auch Kinder von Arbeitslosen und Kinder von Migranten und Ausländern. Deutschlandweit lebt jedes zehnte Kind in Armut. Auch in Bayern nimmt die Armut zu. Herr Unterländer, Sie haben vorhin gesagt, Sie begrüßten zwar heute diese Debatte, Sie vermissten aber die Sachorientiertheit. Sie haben es doch über Jahre immer wieder verhindert, dass verlässliches Datenmaterial vorgelegt wurde. Damit haben aber gerade Sie eine sachlich orientierte Debatte erschwert.
Im Gegenteil, durch Ihre Kürzungspolitik hat sich in den letzten Jahren in Bayern die Situation für die Familien und für die Kinder verschlechtert.
Einige Episoden daraus: Familien müssen jetzt Büchergeld zahlen. Familien müssen Hochschulgebühren zahlen. Familien müssen mit teuren Kinderbetreuungsgebühren zurechtkommen. Familien mit schmalem Geldbeutel können nicht mehr auf fi nanzielle Unterstützung bei Ferienaufenthalten ihrer Kinder hoffen.
Lassen Sie mich auf die Kinderbetreuung zurückkommen: Sie haben in Bayern eine Kindergartenreform auf den Weg gebracht, die vor allem ein Sparkonzept ist.
Mit nahezu den gleichen Mitteln – ich sage das immer wieder –, mit denen bisher Kindergärten gefördert wurden, sollen jetzt Kinderkrippen, Kindergärten und Kinderhorte fi nanziert werden. Das geht einfach nicht.
Da ist es nicht verwunderlich, wenn die Elternbeiträge infolge dieses Gesetzes in die Höhe gehen. Eltern müssen für den Rückzug des Staates einspringen; so sieht die Realität in Bayern aus.
Besonders traurig ist, dass Ihr Gesetz geradezu gezielt dazu führt, dass sich Eltern mit schmalem Geldbeutel weniger Betreuung ihrer Kinder leisten können;
denn die Elterngebühren steigen mit der gebuchten Betreuungszeit. Wer also einen Ganztagsplatz haben will, der in Bayern ohnehin Mangelware ist, muss dafür kräftig löhnen. Wie sollen denn so Beruf und Familie vereinbart werden?
Wer Bildung und Kindergärten braucht, kann sie sich nicht leisten. Im Übrigen erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld II – ALG II – in den meisten Kommunen gerade einmal vier Stunden Betreuung kostenlos. Auch das ist eine Schande.
Fraglich ist, wie mit einem derart engen Finanzkonzept für die Kinderbetreuung Krippenplätze ausgebaut werden sollen. Der Verdacht kommt auf, dass die Demografi e in Bayern alles regeln soll: Wenn es nämlich keine Kinder mehr gibt, dann brauchen wir auch keine Betreuungsplätze.
Wenn wir Verbesserungen wollen, müssen wir Geld in die Hand nehmen. Das müsste unser erstes Anliegen sein. Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass Bayern in diesem Bereich viele, viele Jahre geschlafen hat und aus seinem Tiefschlaf immer noch nicht erwacht ist.
In Schwaben – diese Zahl sollten Sie sich immer wieder vergegenwärtigen – bekommen gerade mal 2,9 % der Kinder unter drei Jahren einen Krippenplatz. Das ist eine Schande!
Mit dem Elterngeld – das wurde schon mehrmals angesprochen – wurde auf Bundesebene zumindest dafür gesorgt, dass es die Familien im ersten Lebensjahr des Kindes leichter haben. Im Anschluss an dieses Jahr müssen aber Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. Wenn sie nicht zur Verfügung stehen, können die Familienmitglieder nicht arbeiten, weil es dann einfach nicht möglich ist, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Das Finanzkonzept ist so eng, dass auch keine vernünftige Sprachförderung erfolgen kann. Nur Kinder mit Migrationshintergrund erhalten eine Sprachförderung, nicht aber all die Kinder, die sie nötig haben.
Hier müssen dringend Nachbesserungen erfolgen. Frau Dodell, ich kann Ihnen bereits jetzt sagen: Die von Ihnen gestellten Anträge sind nichts anderes als Schaufensteranträge, die keine gewaltigen Verbesserungen bewirken werden.
Es müssen endlich vernünftige Konzepte für die Spracherziehung her. Alle Kinder, die dafür einen Bedarf haben, müssen gefördert werden.
Sie betonen immer wieder, dass Sie vor allem die Qualität im Kindergarten verbessern wollen. Das ist richtig, wir brauchen gute Qualität im Kindergarten und keinen Sparwahn. Frau Johanna Werner-Muggendorfer hat mir vorhin noch erzählt, sie war gestern in einem Kindergarten, wo der Martinsumzug gestrichen wurde. Das war keine Böswilligkeit der Erzieher, sondern sie schaffen es einfach nicht mehr.
Durch Ihr Gesetz wurden die Vorbereitungszeiten gestrichen. Deswegen geschieht jetzt wenig Bildung. Die Erzieher kommen nicht mehr über die Runden. Die Zeitkonzepte sind einfach zu eng.