Protocol of the Session on October 18, 2006

Der Staat sind die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Die Bürgerinnen und Bürger organisieren sich in Verbänden, die teilweise aus Steuermitteln, also aus den eigenen Geldern der Bürgerinnen und Bürgern, finanziert werden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das wäre ja mit der Opposition das Gleiche!)

Warum soll es da plötzlich böse sein, wenn auch Verbände nachfragen, was mit Steuergeldern, mit Verwaltungsvorgängen, mit Entscheidungen passiert?

Was Sie vorbringen, läuft nach dem Motto: Wir, die CSU, sind der Staat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau: Wir wissen sowieso alles besser!)

Wir zahlen die Organisationen, die sich engagieren, dafür, dass sie sich letztendlich aus den politischen Entscheidungsprozessen und aus den Beurteilungen der Politik in diesem Land heraushalten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wohlverhalten, genau!)

Das kann nicht Sinn von Politik sein.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Sie führen den bürokratischen Aufwand an. Dazu möchte ich aus den Ausführungen meiner Kollegin Christa Naaß im Ausschuss zitieren, weil man es besser gar nicht sagen kann:

Die CSU kümmert sich nicht um zusätzliche Bürokratie und zusätzliche Kosten für die Kommunen, wenn Sie eigene Anliegen verfolgt, zum Beispiel bei der Durchsetzung von Büchergeld, dem BayKiBiG oder dem G 8. Den Hinweis auf zusätzliche Kosten und zusätzlichen bürokratischen Aufwand bringt sie immer dann, wenn es um mehr Bürgerrechte geht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen. Klarer kann man es nicht sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie nehmen also die Verwaltung in Schutz vor den Bürgern, und zwar nicht die Mitarbeiter in der Verwaltung, sondern das Prinzip von oben und unten, das Sie möglichst intensiv etablieren wollen und an dem Sie nicht rühren wollen. Sie behaupten: Die Bürgerinnen und Bürger haben andere Sorgen. Das stimmt. Sie haben sicherlich einen Haufen andere Sorgen, private Sorgen. Das G 8, das BayKiBiG gehören auch zu den Sorgen, die die Bürgerinnen und Bürger haben. Aber ich möchte auch auf Sorgen eingehen, die die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die Politik haben, und Ihnen zeigen, worum es da eigentlich geht.

Ich habe in meinem ersten Redebeitrag den Fleischskandal angeführt.

(Alexander König (CSU): Was hat das denn damit zu tun?)

Auch das sind Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern, wie mit ihnen als Verbraucher umgegangen wird. Es ist so, dass der Minister im Augenblick ein Recht auf die Weitergabe von Information in einem bestimmten, eingegrenzten Rahmen hat. Es war allerdings so, dass der Minister in diesem Fall in den ersten Tagen erst einmal abgetaucht ist. Wieso sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht die Möglichkeit haben, aus eigenem Ermessen Informationen abzufragen? Sie wissen ganz genau, dass die Regelungen, die auf Bundesebene getroffen wurden, letztendlich nur den Entscheidungsspielraum der Ministerien etwas erweitern, aber kein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Information auslösen.

Herr Kollege Ritter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen König?

Oder nehmen Sie die Geschichte von „Visions of Football“. Ich denke schon, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Recht darauf haben, als Steuerzahler nachfragen zu können, was da genau gelaufen ist.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Dieses Informationsrecht soll ihnen durch das Gesetz eingeräumt werden.

(Beifall bei der SPD – Alexander König (CSU): Sagen Sie mir ein Beispiel im Zusammenhang mit dem Fleischskandal! Da gibt es nämlich keines!)

Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Runge.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich erlaube mir noch einen Nachschlag, eine Replik auf den Kollegen von der CSU. Das ist vielleicht zuviel der Ehre, aber Sie heißen schließlich König.

(Alexander König (CSU): Vielen Dank!)

Herr König, Sie haben bei der Rechtfertigung Ihrer Ablehnung der beiden Gesetzentwürfe von einem „vollumfänglichen Akteneinsichtsrecht“ für die Bürgerinnen und Bürger gesprochen, welche diesbezüglich ein berechtigtes Interesse haben. Sie wissen genau, was Sie damit ausdrücken wollen. Es ist nämlich im Grunde fast gar nichts. Selbst wir als vom Volk gewählte Abgeordnete haben dieses vollumfängliche Akteneinsichtsrecht nicht.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja!)

Die Journalisten, die Presse als Mittler zur Öffentlichkeit, haben ein solches Recht schon gar nicht.

Wenn Sie, wie Sie es in Ihrem Beitrag getan haben, auf Verfahren rekurrieren, die nach anderen Gesetzen gelaufen sind, dann ist das zwar auf der einen Seite richtig –Stichwort: Bayerisches Pressegesetz –,

(Alexander König (CSU): Das Beispiel war nicht von uns, sondern von Frau Stahl!)

aber es ist unheimlich aufwendig, und man muss jedes Mal wieder von Neuem vor den Kadi ziehen. Das kann doch nicht Sinn und Zweck sein.

Wir haben bekanntermaßen vor dem Verfassungsgerichtshof klar obsiegt gegen die Mauerpolitik, gegen die Schaffung von Intransparenz durch die Bayerische Staatsregierung. Wir müssen aber in jedem neuen Fall wieder vor Gericht ziehen, um unser Recht einzuklagen und es dann auch zu bekommen.

Genauso geht es den Journalistinnen und Journalisten. Da gibt es zwei ganz prägnante Fälle nach dem Bayerischen Pressegesetz. Der eine Fall ist angesprochen worden: Peter Kveton gegen die Olympiapark GmbH. München wird rot-grün regiert, also auch die trifft es, die für mehr Transparenz sorgen müssen.

Der zweite Fall war Renate Daum gegen die LfA-Förderbank Bayern. Beide Male ist es erfreulicherweise ganz klar ausgegangen. Aber das hilft uns nur partiell weiter, weil wir grundsätzlich für mehr Transparenz sorgen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege König, mein Vorredner hat es kurz angesprochen. Es ist immer – lustig kann man nicht sagen – lächerlich, wenn Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sich zum Thema Bürokratie auslassen. Es gab das McKinsey-Gutachten und die Henzler-Kommission und da haben wir die ganz klare Aussage: Bayern ist Weltmeister bei der Regelungsdichte. Da ist Bayern ganz oben. Es gibt gleichzeitig aber immer wieder großartige Kampagnen der Staatsregierung zur Abschaffung der Bürokratie. Aber was passiert tatsächlich? Es wird immer nur auf die anderen gezeigt. Im eigenen Bereich werden höchstens einmal Gesetze und Verordnungen abgeschafft, die niemand kennt oder es wird etwas da geändert, wo es niemandem, weder ihrer Klientel noch Ihnen selber, wehtut.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dafür gibt es reihenweise wunderschöne Beispiele. Ich erinnere nur an die letzte Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Der Minister ist ja heute da. Es ging um den Mittelstandsbericht. Minister Huber sagte, die Abschaffung des Meisterzwangs in 53 Berufen tue weh und man müsse das zumindest partiell rückgängig machen. Was erfahren wir dann in der Sommerpause? Es gibt ein 80seitiges Gutachten des Amtschefs des Wirtschaftsministeriums, in dem sich dieser darüber auslässt, dass es beim Reifenmontieren des großen Befähigungsnachweises bedürfe. Da wird also wieder mit voller Pulle in die Bürokratie hineingegangen. Immer da, wenn es Ihnen oder Ihrer Klientel guttut, schafft man ganz viel Bürokratie. Ansonsten benutzen Sie dieses Schlagwort, um andere Dinge madig zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da müssen Sie sich als Mehrheitsfraktion hier im Landtag wirklich einmal an die Nase fassen und dafür sorgen, dass die Staatsregierung für weniger Bürokratie sorgt.

Für uns waren die Erfahrungen mit dem Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene interessant. Da gab es ja dieses Gezerre um den entsprechenden Entwurf zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Letzterer hat blockiert. Und dann gab es plötzlich den Gammelfleischskandal. Dann hat sich erfreulicherweise Ihre Seite doch bewegt und es gab eine Umstimmung im Bundesrat. Sie hier im Hohen Haus sollten sich jetzt ebenfalls bewegen und den beiden Entwürfen zustimmen. Warum Sie sich weigern ist klar, und das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal betonen: Spezlwirtschaft und Filz sind Mar

kenzeichen beispielsweise der Vergabepolitik der bayerischen Staatsministerien und der ihnen unmittelbar zugeordneten Behörden.

(Widerspruch des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Sie schütteln den Kopf. Dann möchte ich es noch konkretisieren. Sie können das dann auch noch einmal nachlesen. Wir haben in fünf Jahren ein paar Hundert Beratungsaufträge, Agenturaufträge und Gutachten oberhalb des Schwellenwertes, die eigentlich seitens der Ministerien bzw. der Staatskanzlei im offenen Verfahren vergeben werden müssten. 90 % dieser Aufträge sind freihändig rausgegangen. Das Gleiche gilt auch für den Staatsministerien direkt zugeordnete Behörden, beispielsweise für die Bayerische Versorgungskammer, die direkt dem Innenminister untersteht. Der soll es ja eigentlich ziemlich mit Recht und Ordnung haben.

Beispiel hier ist das Projekt Neue Versorgungssoftware. 80 Aufträge lagen über dem einschlägigen Stellenwert. Von diesen 80 Aufträgen sind gerade mal fünf im offenen Verfahren und fünf weitere im beschränkten Verfahren vergeben worden. Der Rest wurde freihändig vergeben.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Diese Spezlwirtschaft und genau dieser Filz sind der Grund dafür, dass diese Dinge nicht aufgedeckt werden. Sie fürchten die Transparenz wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen lehnen Sie auch die Gesetzentwürfe ab. Aber ich denke, wir werden sie schon noch zwingen, in Zukunft Farbe zu bekennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Staatsregierung hat sich Herr Staatssekretär Schmid zu Wort gemeldet.