Protocol of the Session on September 28, 2006

Sozialpolitisch ist das schlicht und einfach nicht vertretbar.

Gleichzeitig halte ich Folgendes für ganz wichtig: Der Fonds, in dem viele Bereiche und viele gute Ideen stecken, wird über die Strukturreform landauf, landab mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen diskutiert.

Ich finde es ganz interessant, was Sie zurzeit in der Diskussion machen. Sie können sicher sein – ich habe das in den Verhandlungen von Anfang an vertreten –, mir geht es um den Mittelabfluss der gesetzlichen Krankenversicherungen hier in Bayern, vor allen Dingen natürlich bei den landesunmittelbaren Krankenkassen. Da haben wir in Bayern eine ganz einfache Rechnung mit einfachen Zahlen gemacht, die wir vom Bundesversicherungsamt und vom Bundesgesundheitsministerium geholt haben. Es ist ganz interessant, dass das Bundesgesundheitsministerium die eigenen Zahlen infrage stellt. Wir haben uns die Summe der Ausgaben, also die Mittel, die die Krankenkassen in Bayern im Jahr 2004 zur Verfügung hatten, angeschaut und wir haben dann sozusagen unter Schaltung des Fonds im Jahr 2004 errechnet, was die einzelnen Krankenkassen pro Kopf zugewiesen bekommen. Das heißt, es geht hier um die Kardinalfrage: In welcher Höhe bekommen die bayerischen Krankenkassen pro Kopf Zuweisungen aus dem Fonds? Wir haben hier Schätzungen angestellt, weil es viele Unbekannte gibt, etwa die Frage, ob die Ausgaben der Krankenkassen zu 95, zu 96 oder zu 100 % aus dem Fonds gedeckt werden. Es gibt ferner die Unbekannten „Allgemeiner Beitragssatz“ und „Morbi-RSA“.

Ich verlange – ich finde es interessant, dass sich die SPD dem nicht anschließen kann –, dass wir Simulationsrechnungen und belastbare Berechnungen aus dem Gesundheitsministerium bekommen, um zu sehen, wie die Finanzverteilungen eines Fonds auf die einzelnen Länder tatsächlich aussehen und welche Folgen das für die Ausgaben der Krankenkassen hat.

Ich weiß sehr genau – in Hessen wird mir das immer wieder vorgeworfen –, dass unsere Haus- und Fachärzte um ca. 25 % höhere und damit bessere Verträge haben als Ärzte in anderen Ländern. Die Vertreter der anderen Länder sagen, recht geschieht es den Bayern, sollen die doch endlich einmal auf das allgemeine Niveau zurückgeführt werden. Wir wollen uns die Frage gemeinsam stellen: Wollen wir das ad hoc bei Scharfschaltung des Fonds? Da hätte ich erwartet, dass mich die bayerische SPD unterstützt. Das tut sie aber nicht. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die bayerische SPD sagt, hier ist die Bundesgesundheitsministerin in der Bringschuld. Wir brauchen endlich belastbare Berechnungen unter bestimmten Annahmen allgemeiner Beitragssätze. Eine sehr wichtige Frage ist: Wie wird der allgemeine Beitragssatz aussehen?

Wie ist das jetzt in Deutschland bei dem Beitragssatz von 14,2 %? Wird dieser Beitragssatz auf 14,5 % erhöht? Wird er auf 13,8 % reduziert? Das sind die Kardinalfragen, die zurzeit beantwortet werden müssen. Da verlange ich Berechnungen aus dem Bundesgesundheitsministerium, denn die liegen mir zurzeit nicht vor. Vor diesem Hintergrund sage ich: Lasst uns gemeinsam vorsichtig für die bayerischen Interessen eintreten. Ich halte es für ungeheuer wichtig, hier die Auswirkungen auf die einzelnen Länder exakt zu berechnen. Nichts anderes habe ich immer wieder eingefordert.

In einem Bereich, nämlich bei pauschalen Honoraren, ist es uns gelungen – Sie werden das aus den Verhandlungen immer wieder hören –, regionale Zu- und Abschläge zu bekommen. Da heißt es deutlich, es wird regionale Zu- und Abschläge geben. Das Bundesgesundheitsministerium hat immer gesagt, mit diesen regionalen Zu- und Abschlägen könne es die Be- und Entlastung der Länder ausgleichen. Dazu sage ich Ihnen: Das war ein Verhandlungserfolg von mir. Von der SPD habe ich kein Wort gehört. Die SPD will im Moment, dass ich als CSU-Ministerin bei der SPD-Bundesgesundheitsministerin vorstellig werde und die Forderungen der bayerischen SPD vortrage. Es ist für mich immer hochinteressant, welche Wege die SPD Bayern wählt. Offensichtlich wird sie in Berlin gar nicht mehr gehört.

Ich möchte ganz eindringlich sagen, dass es sehr wichtig ist, die entsprechenden Berechnungen aus dem Bundesgesundheitsministerium vorgelegt zu bekommen, damit wir vernünftige, belastbare Entscheidungen im Sinne des Wohls der Patienten, die in Bayern versichert sind, treffen können. Letztendlich müssen die Patienten und die Versicherten bei den gesetzlichen Krankenkassen im Mittelpunkt unseres Handelns stehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe zwei weitere Wortmeldungen von Herrn Kollegen Wahnschaffe und Frau Kollegin Ackermann vorliegen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, Ihre Ausführungen soeben haben mich sehr verwundert. Nicht die SPD-Fraktion saß am Verhandlungstisch, sondern Sie als Vertreterin Bayerns und der Bayerischen Staatsregierung. Sie haben mit einem gerüttelten Maß an Verantwortung an den Verhandlungen teilgenommen und schieben uns die Verantwortung für den Murks zu, der daraus entstanden ist. Dieses Schwarzer-Peter-Spiel ist dieses Hauses unwürdig.

(Joachim Unterländer (CSU): Es geht um die Umsetzung!)

Nein, es geht nicht um die Umsetzung, sondern darum, dass Ihr Parteivorsitzender das Eckpunktepapier nicht unterschrieben hätte – er hat heute Geburtstag, deshalb will ich sanftere Worte wählen –, wenn ein bestimmter Satz auf Seite 22 nicht geändert worden wäre. Es ging um die Finanzierung. Die Staatskanzlei hat alles genau abgeklopft. Der Druck auf dem Papier der Vereinbarung war noch gar nicht trocken, hat sich Herr Dr. Platzer bereits an den Bayerischen Ministerpräsidenten gewandt und darauf hingewiesen, welche nachteiligen Folgen dies für Bayern habe. Trotzdem sagen Sie, jetzt erst wäre es klar geworden. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, was wir sagen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber lügen sollten Sie nicht.

(Unruhe bei der CSU)

Sie brummeln. Ich sage das aber mit vollem Bedacht.

Frau Kollegin Sonnenholzner und ich führten am 7. August 2006 eine Pressekonferenz durch. Die Presseabteilung des Sozialministeriums, die mindestens so groß ist wie die gesamte SPD-Landtagsfraktion, hatte bereits reagiert, als wir gerade mal unser Papier abgesetzt hatten. In unserem Papier steht etwas über die bayerischen Besonderheiten: Die bayerischen Primärkassen seien aufgrund einer günstigeren Einnahmesituation und einer verantwortungsbewussten Bewirtschaftung der Beiträge in der Lage gewesen, ein hohes Versorgungsniveau in Bayern zu gewährleisten. Mit der Einführung des Fonds und eines Einheitsbeitrages pro Versichertem werde dieser Spielraum zulasten der Kranken entscheidend eingeengt. Zusätzlich drohten pauschale oder einkommensabhängige Krankenkassenbeiträge. Die Verschlechterungen hätten Herr Stoiber und Frau Stewens zu vertreten. So unsere Pressekonferenz am 7. August 2006.

Frau Kollegin Stewens, wir haben das Problem durchaus gesehen und darauf gedrängt, dass die bayerischen Belange beachtet werden. Das Problem war – anders kann ich es nicht benennen –, dass die Unionsseite bei den Verhandlungen unterbelichtet war. Das zeigt sich an den stümperhaften Vorschlägen. Sie waren nicht ausreichend kompetent vertreten. Herr Seehofer hat Ihnen an allen Ecken und Enden gefehlt, was auch die UnionsMinisterpräsidenten wie einen Hühnerhaufen erscheinen ließ. Einer sagt „hü“, der andere „hott“, mancher gar nichts

oder „so nicht“. Ich frage Sie, wie wir zu einem Ergebnis kommen sollen, wenn Sie sich nicht einmal untereinander einig sind, was Sie eigentlich wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das Hauptproblem besteht meines Erachtens darin, dass man zu Beginn der Legislaturperiode dem Gesundheitssystem rund 8 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer entzogen und damit das Problem erst geschaffen hat. Hätten wir dieses Geld dort belassen, wären die Kassen nicht vor die Frage gestellt, wie sie die Haushalte 2007 und 2008 finanzieren können. Wenn wir zu guten Ergebnissen kommen wollen, müssen wir eine Finanzbasis schaffen, die es den Krankenkassen ermöglicht, dass, wie im Sozialgesetzbuch V steht, eine notwendige, ausreichende und wirtschaftlich vertretbare Versorgung für jeden finanziell abgesichert wird. Wir stehen beide – Union und SPD – in der Verantwortung. Es nützt nichts, ein Schwarzer-PeterSpiel zu treiben und dem anderen zu unterstellen, er unterstütze die bayerischen Interessen nicht.

Die SPD hat als erste die Mängel benannt, die Sie übersehen haben. Sollten Sie jetzt zu neuen Einsichten kommen und vielleicht auch nach diesen handeln, sind wir an Ihrer Seite. Nicht jedoch so, wie Sie das heute vorgetragen haben.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind auch heute wieder Zeugen eines bayerischen Weges. Der bayerische Weg sieht so aus: Wir wollen zwar etwas für die ganze Republik. Wir wollen es auch gemeinsam. Aber wir wollen dann doch einen oder zwei Sonderwünsche äußern. Der eine ist, dass wir die Regionalisierung wollen, und der andere, dass die privaten Kassen nicht einbezogen werden. Gehen die anderen nicht darauf ein, sind wir beleidigt. Dann machen wir nicht mehr mit. Wir lassen alle auflaufen und komplizieren alles so lange, bis es überhaupt nicht mehr geht und niemand mehr weder ein noch aus weiß. Dann sagen wir: Die anderen sind unfähig. Das ist der bayerische Weg, den wir heute wieder erleben.

Sie haben so viele Komplikationen in die Verhandlungen gebracht, dass es inzwischen ein Verwirrspiel ist, bei dem der einfache Bürger überhaupt nicht mehr durchblickt und der Fachpolitiker sich schwertut. Wir werden jeden Tag mit neuen Nachrichten überschüttet, die wieder eine Änderung, eine neue Kritik und einen neuen Vorschlag bringen. Was hier abläuft, ist völlig unsinnig. Es hat auch im weitesten Sinne nichts mehr mit Politik zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben einen Gesundheitsfonds geschaffen, der ein Bürokratiemonster darstellt. Die Krankenkassen haben das sofort gesagt. Der Druck wird immer größer. Sie werden das nicht durchführen können. Ausgerechnet Sie, die Sie landauf landab von Deregulierung sprechen,

schaffen ein Bürokratiemonster und finden es auch praktikabel. Ich bin gespannt, wie das laufen wird. Ich kann es mir nicht vorstellen.

Hören Sie auf unseren Rat. Führen Sie die Bürgerversicherung ein. Verteilen Sie die Lasten gleichmäßig einkommensgestaffelt auf den Schultern der Bürger. Machen Sie nicht ständig Ausnahmen und neue bürokratische Saltos. Dann ist es gerecht, dann brauchen Sie keinen bayerischen Sonderweg, und dann sind die Bürger zufrieden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf das, was Sie, Herr Kollege Wahnschaffe, gesagt haben, etwas erwidern. Ich fand die Vorwürfe ziemlich heftig. Sie sind, wie Sie sie mir gegenüber vorgetragen haben, einzigartig. Ich halte den Stil der Auseinandersetzung und ihren Inhalt nicht für richtig und möchte die Vorwürfe klar zurückweisen.

Ich habe davon gesprochen, dass es in der Tat um eine ernste Angelegenheit gehe. Sie haben davon gesprochen, dass Sie von Anfang an Bedenken angemeldet hätten. Ich habe von der ersten Minute an – Frau Kollegin Ulla Schmidt wird Ihnen das bestätigen können – meine Bedenken gegenüber dem Fonds eingebracht. Dies geschah vor allem vor dem Hintergrund, dass dies alle Länder betrifft, die ein höheres Durchschnittseinkommen haben. Es geht nicht nur um ein bayerisches Anliegen.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Hören Sie doch zu!

Diese Länder wären bei Fondszuweisungen im Durchschnitt benachteiligt, zumal die einzelnen Kriterien noch nicht feststehen und die Krankenkassen weniger Mittel zur Verfügung haben.

Aber genau das ist das System der SPD, die auch im Bereich der Krankenhäuser – ich denke an das Fallpauschalengesetz – deutschlandweit die Vergütungen einheitlich schalten möchte. Das ist der Hintergrund. Ich meine, wenn Sie als SPD-Politiker das anders sehen, wenn Sie die Vergütung nicht deutschlandweit einheitlich schalten wollen, sollten Sie sich rechtzeitig melden und ein ganz klares Nein dazu sagen. Dann könnten wir gemeinsam die bayerischen Interessen in Berlin ein Stück weit besser vertreten. Ich habe das von Anfang an getan.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber nicht erfolgreich!)

Wenn Sie sagen „nicht erfolgreich“, Herr Kollege Dürr, dann sage ich Ihnen eines: Wir haben zumindest die Zu- und Abschläge bei den Honoraren erreicht. Das war schon schwer genug. Für die Ausgestaltung der Eckpunkte kommt es darauf an, wie hoch Sie die Zu- und Abschläge

der Honorare setzen – Stichwort: regionale Ausgestaltung. Da kommt es in der Tat darauf an, wie ich den Gesetzentwurf ausgestalte. Da ist wiederum das Bundesgesundheitsministerium ein Stück weit gefordert, das den Gesetzentwurf ausgearbeitet und vorgelegt hat. Deswegen würde ich mich als SPD nicht so vornehm zurückziehen.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir waren immer dabei. Sie werden von mir noch nie gehört haben, dass ich bei den Verhandlungen zu den Eckpunkten nicht dabei war. Aber ich habe mich von Anfang an – das sage ich auch ganz offen – nicht nur für die bayerischen Belange eingesetzt, sondern für die Unterschiede, die wir in den Ländern haben.

Ich möchte noch etwas zum Bereich Krankenhaus sagen. Die duale Finanzierung ist im Bundesgesetz festgeschrieben, Frau Kollegin Sonnenholzner. Deswegen können sich einzelne Länder gar nicht daraus verabschieden. Sie haben nur ihre Summen so weit nach unten gefahren, dass man im Grundsatz gar nicht mehr von einer dualen Finanzierung sprechen kann. Das ist der Hintergrund.

Ich habe übrigens meine Kollegin Ulla Schmidt im Bund gebeten, mir doch einmal die Zahlungen aus den einzelnen Ländern im Bereich der Krankenhausfinanzierung vorzulegen. Diese Information habe ich bis heute nicht bekommen. Damit können Sie nämlich sehr schön klarmachen, wie stark sich Bayern immer hinter die duale Finanzierung gestellt hat und wie viel wir für eine gute Struktur im Bereich der stationären Versorgung geleistet haben. Auch das möchte ich Ihnen ganz klar sagen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): So gut war es auch wieder nicht!)

Es war meine Idee zu sagen: Wir machen eine SonderGesundheitsministerkonferenz, weil die Länderinteressen und die Bundesinteressen völlig unterschiedlich sind, um mit allen Länderministern in aller Ruhe über eine duale oder eine monistische Finanzierung verhandeln zu können, wobei wir für eine duale Finanzierung einstehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe keine weitere Wortmeldung vorliegen. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/6344 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Die Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag angenommen.

Herr Kollege Wahnschaffe möchte eine Erklärung nach § 112 der Geschäftsordnung abgeben.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe in meinem Wortbeitrag zwei Formulierungen gewählt, die ich bedauere und die ich hiermit zurücknehmen möchte.

Ich habe zum einen gesagt, dass die Frau Staatsministerin gelogen habe. Zum Zweiten habe ich von „Unterbelichtung“ gesprochen, to whom it may concern. Ich nehme beide Ausdrücke mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der SPD)