Protocol of the Session on July 20, 2006

(Beifall bei der SPD)

Jetzt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Für alle drei Dringlichkeitsanträge wurde namentliche Abstimmung beantragt. Bei der Abstimmung werden die Dringlichkeitsanträge wieder getrennt.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/6145 abstimmen; das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Schauen Sie auf die Karten Ihrer Vorsitzenden, damit Sie wissen, wie Sie abstimmen müssen.

(Heiterkeit)

Da ich sehe, dass der Saal gut gefüllt ist, gebe ich genau drei Minuten zur Abstimmung. Die Kolleginnen und Kollegen Vorsitzenden könnten sich in Anbetracht der Uhrzeit darüber unterhalten, ob der nächste Dringlichkeitsantrag noch aufgerufen werden soll.

(Zurufe: Ja!)

Soll er noch? – Ja, gut.

Jetzt kann mit der Stimmabgabe begonnen werden. Drei Minuten!

(Namentliche Abstimmung von 11.48 bis 11.51 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, drei Minuten sind um. Die Abstimmung ist abgeschlossen. Ich bitte um Auszählung.

Zur namentlichen Abstimmung rufe ich nun den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/6196 auf.

(Unruhe)

Einen kleinen Augenblick, wir müssen erst die Urnen wieder bekommen. Sie müssen erst geleert werden.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Urnen sind da. Für die Abstimmung gebe ich Ihnen drei Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 11.52 bis 11.55 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die drei Minuten sind um. Ich bitte, die Urnen zur Auszählung zu bringen. Wir müssen kurz warten, bis die Urnen wieder zurückgebracht werden.

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CSU-Fraktion hat gerade mitgeteilt, dass sie ihren Antrag auf namentliche Abstimmung zurückzieht, sodass wir über den Dringlichkeitsantrag der CSU in herkömmlicher Weise abstimmen können.

(Günter Gabsteiger (CSU): Oh!)

Sehr geehrter Herr Kollege Gabsteiger, Sie brauchen nicht „oh“ zu sagen, weil wir danach den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zum Thema „Kinder haben ein Recht auf Schule“ aufrufen und die GRÜNEN bereits jetzt namentliche Abstimmung beantragt haben. Das ist nur zu Ihrer Motivation geschehen.

Zur Abstimmung rufe ich nun den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 15/6197 auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kinder haben ein Recht auf Schule: Durchsetzung der Schulpfl icht (Drs. 15/6146)

Ich weise noch einmal darauf hin, dass zu diesem Antrag namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die namentliche Abstimmung nicht beantragt, um Sie zu disziplinieren, sondern weil es um ein wichtiges Gut geht, nämlich um die Schulpfl icht, weil es um das Recht der Kinder auf Schule geht und darum, dass Kinder Anwälte brauchen, und weil ich möchte, dass wir im Bayerischen Landtag diese Anwälte sind.

(Beifall bei den GRÜNEN – Unruhe)

Einen Augenblick, Frau Kollegin. Bei diesem Lärm können wir nicht beraten. Ich bitte, die diversen Beratungen einzustellen oder draußen durchzuführen. – Da braucht keiner auf den anderen schauen, das geht quer durch die Fraktionen.

Herr Präsident, könnten Sie vielleicht meine Redezeit anhalten?

Frau Tolle, für diese Pause erhalten Sie einen Zuschlag.

Danke.

(Anhaltende Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte auch hinten die Telefonate einzustellen und sich auf die hiesigen Beratungen zu konzentrieren. Frau Kollegin, bitte.

Es geht also um Kinder, die Anwälte brauchen, und es geht auch um die Verfassung, und zwar um die deutsche Verfassung und um die Bayerische Verfassung. Ich zitiere aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das im Mai dieses Jahres gesprochen wurde. Hier steht:

Die allgemeine Schulpfl icht dient als geeignetes und erforderliches Instrument dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags.

Das Bundesverfassungsgericht sagt weiter:

Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben.

Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus:

Soziale Kompetenz im Umgang auch mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung können effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfi nden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind.

Ich zitiere weiter:

Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehung von religiösen oder weltanschaulich orientierten Parallelgesellschaften entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Integration setzt dabei nicht nur voraus, dass die Mehrheit der Bevölkerung religiöse oder weltanschauliche Minderheiten nicht ausgrenzt, sie verlangt auch, dass diese sich selbst nicht abgrenzen und sich in einem Dialog mit Andersdenkenden und Gläubigen nicht verschließt. Für eine offene pluralistische Gesellschaft bedeutet

der Dialog mit solchen Minderheiten eine Bereicherung. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren ist eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Schule.

Sehr geehrte Damen und Herren, nach dem Bericht, den wir gestern gehört haben, bin ich nicht der Meinung, dass dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei den Vereinbarungen des Kultusministeriums mit den Zwölf Stämmen eingehalten wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, dass die Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratisch ausgestalteten Gemeinwesen ist. Eine völlige Abschottung der Schulkinder von dem breiten Spektrum der gesellschaftlich vertretenen naturwissenschaftlichen und moralischethischen Positionen sei damit unvereinbar.

Genau das tun Sie aber. Die Zwölf Stämme dürfen eine Schule gründen, ohne bestimmte Lehrplaninhalte, die ihrer religiösen Auffassung nicht genehm sind, vermitteln zu müssen. Herr Kollege Prof. Dr. Waschler, das Kultusministerium regelt sogar, ob Handys in der Schule angeschaltet werden dürfen oder nicht. Bei den Zwölf Stämmen haben Sie hingegen einen extrem breiten Spielraum gelassen. Damit bin ich nicht einverstanden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof betont, dass der Staat im Bereich der Schule einen gleich geordneten Erziehungsauftrag wahrnehme. Dadurch erfahre das Elternrecht Beschränkungen. Weiter heißt es:

Die notwendige Erziehungs- und Bildungsarbeit der Gemeinschaft ist in der deutschen geschichtlichen Entwicklung in die Hand des Staates übergegangen. Der heranwachsenden Jugend muss der zeitnotwendige Grundstock des Wissens und Könnens vermittelt werden. Die Kinder müssen im Sinne des Artikels 131 der Bayerischen Verfassung zu tüchtigen Mitgliedern der Gemeinschaft erzogen werden. Sie sollen durch den gemeinsamen Schulbesuch in das Gemeinschaftsleben hineinwachsen.

Ich stelle fest: In Bayern gibt es einen rechtsfreien Raum, der die deutsche Verfassung nicht achtet und der die Bayerische Verfassung nicht achtet.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist doch Quatsch!)