Protocol of the Session on July 20, 2006

Wir fahren in der Aussprache fort. Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim BayKiBiG sind wir Fehler gewohnt. Das haben wir oft angesprochen. Wir haben die Fehler einzeln aufgezählt. Aber leider hat sich nichts geändert.

Jetzt kommt zu diesen Fehlern, die wir alle schon genannt haben – auf einen davon werde ich später noch einmal eingehen –, ein weiterer, massiver handwerklicher Fehler hinzu: Es wurde einfach versäumt, zu berücksichtigen, dass behinderte Kinder, die in integrative Einrichtungen gehen, Anspruch auf Eingliederungshilfe haben.

Man hat als Gewichtungsfaktor 4,5 plus x festgelegt. Das ist natürlich viel zu wenig, das ist oft genug angesprochen worden. Der Gewichtungsfaktor 4,5 reicht nicht aus, um zusätzlich einen Fachdienst einzustellen, und gerade den brauchen diese Kinder dringend.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Schon allein darin liegt ein Fehler.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ein großer Fehler!)

Dass es dann nicht gelungen ist zu realisieren, dass dazu noch Eingliederungshilfe gehört, und dass das nicht geregelt ist, ist ein massiver handwerklicher Fehler. Ich fordere Sie auf, den so schnell wie möglich zu beheben;

(Beifall der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

denn davon hängt wirklich die Existenz von Einrichtungen ab. Er bringt eine massive Arbeitsplatzunsicherheit mit sich und schafft einen rechtsfreien Raum, in dem jeder versucht, es so gut wie möglich für sich zu regeln. Aber dabei kommt wie üblich nix G‘scheites heraus – würden wir Mittelfranken sagen. Es ist nämlich so, dass sich jetzt schon Bezirke auf leisen Sohlen aus ihrer Verantwortung stehlen wollen, zum Beispiel der Bezirk Oberfranken, der vorschlägt, den Gewichtungsfaktor von 4,5 auf 5,5 zu erhöhen. Damit meint er wahrscheinlich, er könne sich von seiner Zahlungspfl icht verabschieden. Das kann er natürlich machen, solange nichts geregelt ist. Es ist Ihre Verantwortung, Frau Ministerin, dafür zu sorgen, dass diesem fehlerhaften Gesetz nicht noch weitere Fehler hinzugefügt werden, die sich jetzt bereits auswirken.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die Geschädigten sind die Kinder, die Eltern dieser Kinder und natürlich auch die Mitarbeiter in der Einrichtung.

Des Weiteren enthält unser Antrag die Forderung nach einer Regelung bezüglich der Fachdienste, denn auch da rollt bereits ein Desaster an. Ich kann Ihnen jetzt schon prophezeien, dass es in Zukunft schwierig wird, diese Fachdienste zu fi nanzieren. Sie sind aber dringend nötig für eine entsprechende Förderung dieser Kinder. Wir müssen uns jetzt schon daran machen, Regelungen dafür zu treffen, und nicht erst dann, wenn die ersten Einrichtungen aufgeben bzw. die ersten Eltern Alarm schlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Weil wir schon bei den Verbesserungsvorschlägen sind, füge ich noch einen hinzu: Es ist dringend nötig, auch seelisch behinderte Kinder aufzunehmen. In den integrativen Horten sind sie bisher vergessen worden,

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja!)

ob aus Absicht oder aus fehlerhaften Planungen, kann ich nicht beurteilen. Aber jedenfalls sind sie nicht dabei. Sie gehören aber da hinein.

Ich gestehe jedem zu, dass Fehler auftreten können. Wichtig ist nur, dass man die Fehler erkennt und sie auch behebt und sich nicht mit etwas nebulösen Erklärungen in Form eines Dringlichkeitsantrags wieder aus seiner Verantwortung stiehlt, die Dinge auf die lange Bank schiebt, die Verantwortung den anderen zuschiebt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Auf Kosten der Kinder!)

Natürlich auf Kosten der Kinder.

Das ist genau der Grund, Herr Unterländer, warum wir Ihren Antrag ablehnen müssen. Denn er zementiert Verhältnisse und versucht nicht, sie zu ändern. Sie versuchen mit blumigen Worten, das Ganze zu überdecken. Aber Sie sind nicht darauf aus, sofort eine Lösung herbeizuführen.

Wir stimmen dem SPD-Antrag zu, aber Ihren Antrag müssen wir leider ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Unterländer.

(Christa Steiger (SPD) Der arme Kerl, der tut mir wirklich Leid!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie Sie mit der Umsetzung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes umgehen, trägt dazu bei, die Einrichtungen vor Ort, die Eltern und alle Betroffenen noch mehr zu verunsichern,

(Karin Radermacher (SPD): Ha, ha, ha! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist das, was Sie jetzt machen!)

statt konstruktive Lösungen vorzuschlagen. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Es kann doch nicht sein, dass Sie jede ungeklärte Frage bei einem Paradigmenwechsel dazu nutzen, neue Probleme herbeizureden, und auf diese Art und Weise Eltern und Einrichtungen noch mehr verunsichern. Das ist mit uns nicht zu machen, und wir werden für eine nachhaltige Beruhigung in der Szene sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das gibt es doch nicht!)

Lassen Sie mich eine zweite grundsätzliche Bemerkung machen, bevor ich zu den Ausführungen in der Sache komme. Es ist ein Märchen, wenn Sie sagen, dass die Verantwortung dafür, dass es noch Verhandlungen gibt, bei der Bayerischen Staatsregierung liegt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dass es nicht geklärt ist, das ist die Verantwortung!)

Sie wissen ganz genau, dass die Entscheidung darüber, welche Leistungsvereinbarungen zu treffen sind, zwischen den Leistungserbringern respektive den Eltern und den Kostenträgern, den überörtlichen und zum Teil auch örtlichen Sozialhilfeträgern erfolgt. Da liegt die Zuständigkeit.

Wenn Sie sagen, das sei rechtlich nicht geklärt, dann ist das auch falsch, weil bereits der Anspruch der Kinder auf Integration im Rahmen der Eingliederungshilfe nach SGB XII vorhanden ist.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist bloß die Frage, wie es umgesetzt wird, ob 40 oder 20 Euro bezahlt werden!)

Diese Grundlage ist vorhanden und diese Grundlage war auch bekannt.

Lassen Sie mich eine weitere grundsätzliche Bemerkung machen. Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sieht mit dem Gewichtungsfaktor 4,5 ausdrücklich nur eine Abdeckung des Betreuungsbedarfes, nicht des Integrations- und Eingliederungsbedarfes vor.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Kamm?

Bitte schön.

Wie erklären Sie sich, Herr Kollege Unterländer, dass die Bezirksregierungen den entsprechenden Einrichtungen sagen, dass Sie die Eingliederungshilfe nicht mehr wie bisher fortführen wollen, obwohl sie vor einem halben Jahr im Prinzip noch gesagt haben, sie führen sie fort? Fehlt es da nicht doch an der rechtlichen Klärung?

Das ist dann schlichtweg, Frau Kollegin Kamm, eine falsche Aussage der Regierungen.

(Christa Steiger (SPD): Und auf was ist die begründet?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst noch einmal feststellen, – –

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage der Frau Kollegin Kamm?

Ja, aber gerne. Nur zu.

Wäre es nicht Pfl icht der Staatsregierung, bei den Bezirksregierungen dafür zu sorgen, dass diese Unklarheiten beseitigt werden und die Eingliederungshilfe fortgeführt wird?

Sie können davon ausgehen, dass die Staatsregierung dies mit Nachdruck tut. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Hoffentlich!)

Schön, wenn Sie gespannt sind auf das, was ich sage.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass im Freistaat Bayern die Integration von Kindern mit Behinderungen in Regeleinrichtungen in den letzten Jahrzehnten in vorbildlicher Weise erfolgt ist. Ich denke, wir sind uns einig, dass hier im Gegensatz zum schulischen Bereich die Integration in stärkerem Maße in Regeleinrichtungen erfolgt.

Herr Kollege, eine hübsche junge Dame möchte noch eine Zwischenfrage stellen.

Unter dieser Voraussetzung ja. Aber es wird die letzte sein, die ich jetzt beantworte.