Protocol of the Session on July 18, 2006

(Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

Liebe Freunde von der SPD und den GRÜNEN, lassen Sie also Ihre ständige Kritik an unserer Hauptschule. Reden Sie die Hauptschule nicht ständig schlecht. Dort wird sehr gute Arbeit geleistet.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kein Mensch redet die Hauptschule schlecht! So ein Schmarren!)

Soziale Probleme sind nicht nur in Bayern zu fi nden. Aus sozialen Problemen zu folgern, die Hauptschule sei aufzulösen, ist reiner Quatsch. Die Qualität der Hauptschule, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liegt auf der Hand.

Abschließend noch ein paar Sätze zur Qualität. Die bereits angesprochene Durchlässigkeit unseres Schulsystems nach dem Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ gilt vor allem für die Hauptschule. Dazu gehören die eingeführten Praxisklassen. Sie haben den Stellenwert der Hauptschule ebenso gesteigert wie die M-Züge. Die Sprachprobleme, die vor allem bei Kindern mit Migrationshintergrund vorhanden sind, wurden in Bayern schon früh erkannt. Man hat versucht, sie durch

Sprachklassen und Initiativen wie „Mama lernt Deutsch“ zu mindern.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die fünf Minuten sind überschritten!)

Die Eingliederung der Teilhauptschulen in die Hauptschulen soll zur pädagogischen Einheit der Hauptschule und zur Qualitätssteigerung beitragen. Sicherlich weiß ich, dass Bürgermeister schwer damit zu kämpfen haben und dass Schüler und Schülerinnen teilweise auch weitere Schulwege in Kauf nehmen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Jedoch wird die Bildung in den Hauptschulen dadurch weitreichend verbessert. Als Beispiel nenne ich nur, dass in den gesamten Hauptschulen Englisch-Fachlehrer unterrichten oder Fachräume genutzt werden können, die in der Teilhauptschule nicht vorhanden sind. Die Lehrerstellen, die aufgrund des Schülerückgangs frei werden, werden trotz Sparens zur Verbesserung der Bildung eingesetzt. An den Hauptschulen werden 300 Stellen geschaffen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sie ist mehr als überschritten, sie ist zu Ende!)

Dann sage ich noch zwei Schlusssätze: Die Hauptschule, meine Damen und Herren, hat Erfolge vorzuweisen. Die Hauptschule ist und bleibt ein wichtiger Pfeiler in unserem Bildungssystem.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der heutigen Diskussion zum Bildungsbericht und der Diskussion, die wir letzte Woche im Bildungsausschuss zu dem Bildungsbericht geführt haben, der uns vorgelegt wurde, habe ich die Sorge, dass die 240 Seiten des Bildungsberichts ziemlich umsonst sind, obwohl so viel Arbeit seitens des Staatsinstituts drinsteckt. Das ist eine berechtigte Sorge von uns.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Diese Sorge können wir Ihnen nehmen!)

Die Probleme, die der Bildungsbericht eigentlich anspricht, sind nicht neu, da haben Sie völlig Recht, Kollege Waschler, sondern ziehen sich leider, leider schon über viele Jahre hin. Sie werden von Ihnen nicht ernst genommen. Das ist eines der Hauptprobleme im bayerischen Bildungswesen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das ist eine abwegige Interpretation!)

Sie wollen auf der einen Seite die volle Verantwortung für das Bildungswesen übernehmen, wie die Diskussion zur Föderalismusreform zeigt und wie auch Aussagen von Ministerpräsident Stoiber belegen, aber andererseits tun Sie nichts, wenn es wirklich darum geht zu handeln.

Ich will das am Beispiel von Kindern mit Migrationshintergrund aufzeigen. Fast alle meine Vorredner haben es gesagt, und es ist ja auch nicht umstritten, dass Kinder mit Migrationshintergrund die Verlierer unseres Bildungssystems sind. Ich sage jetzt einmal einen kleinen Nebensatz: Ich fi nde es sogar ganz gut in diesem Bericht, dass man nicht nur von „ausländischen Kindern“ redet, sondern von „Kindern mit Migrationshintergrund“. Damit sind auch Aussiedlerkinder gemeint, die vielfach von ihren Abschlüssen her gesehen ein Problem im bayerischen Bildungswesen sind. Die Zahlen sind genannt worden. Dass Kinder mit Migrationshintergrund die Verlierer des bayerischen Bildungswesens sind, ist völlig unumstritten, schon deshalb, weil jedes sechste – Quelle: Bildungsbericht – ausländische Kind die Schule ohne Abschluss verlässt.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Die Ursachen muss man genau betrachten!)

Diese Situation hat sich – und das ist das eigentliche Problem, Kollege Waschler – seit 15 Jahren kaum verändert.

(Eduard Nöth (CSU): Das ist ein Auftrag an die Eltern!)

Genau hier wird die Bedeutung des familiären Hintergrunds deutlich. Kollege Waschler, Sie haben es gesagt: Bildungsferne Schichten haben weniger Anteil an einem Bildungsprozess, der zu höheren Abschlüssen führt. Da sind wir uns ja einig. Ausländische Kinder gehören dann wieder zu den Verlierern, wenn sie Eltern werden. Auch ihre Kinder werden wieder zu den Verlierern gehören.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Daran ist nicht die Politik schuld!)

Wenn Sie die Situation wirklich ernst nehmen würden, würden Sie zumindest so argumentieren wie der bayerischen Innenminister Dr. Günther Beckstein: Er hat in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ das Problem der Integration – dieses hat wohl sehr viel mit Bildung zu tun – als eines der größten gesellschaftspolitischen Probleme defi niert, vor denen wir derzeit stehen. Neben der Steuerreform und der Weiterentwicklung der Sozialversicherungssysteme ist das Thema Integration ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen.

Wenn man fragt, wie Sie das Sprachdefi zit ändern wollen, nennen Sie, Kollege Waschler, als klare Anforderung Deutschkurse und letztlich den Erwerb der deutschen Sprache. Dazu will ich ganz deutlich sagen: Die SPD ist hier völlig mit Ihnen einig. Auf dem Integrationsgipfel, der letzte Woche in Berlin stattfand, hat die SPD Leitlinien zur Integration vorgelegt. Einer der wesentlichen Punkte dabei ist der Spracherwerb als Eintrittskarte zu Deutschland. Sie machen zwar dafür Vorkurse, Deutschunterricht, Förderunterricht. Sie diskutieren das Thema aber nicht

aus. Das Kultusministerium legt in einem formalen Erlass fest, dass jedes Kind, das nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt, einen Vorkurs besuchen muss. Ministerpräsident Stoiber bringt es auf den Punkt: Wenn das Kind diesen Vorkurs nicht schafft, hat es keinen Zugang zum normalen Bildungswesen Bayerns.

In der Diskussion darüber, wie es tatsächlich gelingen kann, die Probleme, die der Bildungsbericht deutlich macht, zu lösen und den Bildungserfolg von Migrantenkindern in Deutschland zu erhöhen, leisten Sie keinerlei fachlichen Beitrag.

Sie überlegen nicht, wie die Nahtstelle zwischen Kindergarten und Grundschule im ganzen Land so zu gestalten ist, dass die Vorkurse Erfolg haben. Auf diese Weise werden neue Ungerechtigkeiten geschaffen. Richtig wäre es, wenn sich vor Ort die Kindergartenleiterin mit der Grundschulrektorin – Herr Freller, Sie werden mir in diesem Punkt sicher Recht geben – an einen Tisch setzen würden, sich beide über die einzelnen Kinder unterhalten und den Förderbedarf feststellen würden. Nichts davon ist in Sicht. Es handelt sich um einen formalen Erlass. Die Erfordernisse sind nach Ihrem Erlass mit 80 Stunden erfüllt. Dabei wird von Ihnen nicht geprüft, ob die Maßnahmen ausreichend sind.

Ich darf Sie auf das Ende der Redezeit aufmerksam machen.

Ich weiß, meine Redezeit geht zu Ende. Danke für den Hinweis.

Ich komme zum Schluss: Eine gute Diskussion über diese Defi zite würde mehr als nur eine Rechtfertigung nach dem Motto bedeuten: Wir sind das beste Land auf der Welt. Eine erfolgreiche Lösung würde eine fachliche Diskussion voraussetzen, die wir dringend einfordern und die wir von Ihnen erwarten, sonst stehen wir vor einem großen Problem, das wir nicht bewältigen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Sem.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern – das Bildungsland der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit schließt ein Stück weit das Erfordernis mit ein, selbst mitzutun.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Selbstgerechtigkeit - das haben Sie gesagt und nicht ich.

Integration ist auch für uns ein Kernstück der Politik. Die Aussage, nur wer Deutsch könne, könne auch vom deutschen Bildungsangebot profi tieren, ist für uns alle nachvollziehbar. Wir wissen, dass die Situation gerade bei den ausländischen Mitbürgern, aber auch bei solchen Mitbürgern, die die deutsche Sprache zu Hause nicht sprechen und vielleicht mehr Fernsehen konsumieren, als mit den

Eltern Gespräche zu führen, sehr ernst ist. Eltern sind bei allen Lösungsansätzen auch mitzunehmen. Sehr geehrte Frau Tolle, wenn Sie sagen, Bildung sei nur eine Sache des Geldbeutels, der Herkunft oder des Wohnorts, dann darf ich vor dem Hintergrund meiner Biographie sagen: Meine Kindheit war nicht immer reich gesegnet, aber wir haben gelernt, dass man zwei gesunde Hände hat, laufen und arbeiten kann. Auch das ist wichtig. Auch der Selbsteinsatz gehört dazu.

(Beifall bei der CSU)

Wir stellen uns auf, und zwar in Vorkursen, im Kindergarten, in Übergangs- und Eingliederungsklassen, in den Schulen und bei den außerschulischen und begleitenden Maßnahmen. Wir haben sicher noch nicht alles erreicht, aber wir sind auf einem guten Weg. Für Kinder, die bei künftigen Sprachstandserhebungen – wie man das klassisch sagt, wenn sie nicht gut Deutsch sprechen – Defi zite aufweisen – die Kolleginnen in den Grundschulen und in den Kindergärten schauen sich die Kinder an –, werden Förderkurse angeboten. Das Wichtigste dabei ist, die Eltern darüber aufzuklären, wie wichtig es ist, Deutsch zu lernen.

Zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 haben wir die dreimonatigen Vorkurse für das gesamte Jahr zum Schuleintritt erweitert. Statt bisher 40 Stunden Deutschunterricht umfasst die vorschulische Förderung nunmehr 160 Stunden. Das ist ein Mehr. 6750 Kindern wird derzeit in 724 Vorkursen die Chance zur Integration gegeben. Uns ist es ein ernstes Anliegen, dass Kinder in Bayern Deutschkenntnisse haben, wenn sie in die Grundschule gehen. Das ist nicht nur so dahingesagt, sondern an diesem Ziel wird gearbeitet.

Schule: Dabei stellt sich in sprachlicher Hinsicht eine Herausforderung, und wir brauchen in diesem Zusammenhang eine Förderung. Das Ergebnis der Pisa-Studie zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Im Vergleich des Schuljahrs 1999/2000 zu 2003/2004 hatten wir einen Anteil von Migranten ohne Hauptschulabschluss von 26,8 %, und heute sind wir bei 21,3 %. Daran sieht man, dass die Kinder und die Elternhäuser die Angebote der Schulen annehmen. Die Sprachlernklassen sind ein wichtiges Instrument und werden bedarfsorientiert ausgebaut. Damit die Schüler in Sprachlernklassen nicht von deutschen Schülern isoliert sind – auch das ist für uns ein wichtiger Ansatz –, werden sie beim Unterricht in musischen und praktischen Fächern mit den Schülern der Regelklassen zusammengefasst. Nach spätestens zwei Schuljahren sollen die Schüler der Sprachlernklassen die Regelklassen besuchen können.

Übergangs- und Eingliederungsklassen – wir haben das schon benannt –: Zugewanderte schulpfl ichtige Kinder und Jugendliche mit Deutschdefi ziten, so genannte Späteinsteiger, erhalten bis zu zwei Jahren in Übergangs- und Eingliederungsklassen vertieften Deutschunterricht. Gegenwärtig werden insgesamt 1638 Schüler in 114 Übergangsklassen und 158 Schüler in 11 Eingliederungsklassen unterrichtet.

Förderkurse und Deutsch als Zweitsprache: Hier werden in über 6566 Gruppen mit – die Zahlen muss man sich vor Augen führen – 56 107 Schülerinnen und Schülern Fördermaßnahmen durchgeführt. Wichtig ist uns: Bei Grund- und Hauptschulen stehen zudem 1500 Förderlehrkräfte zur Sprachförderung und Betreuung zur Verfügung. Begleitende Maßnahmen wurden schon genannt: Mama lernt Deutsch. Nur wenn Eltern sich in der Alltagsrealität bewähren – –

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Herr Pfaffmann, auch wenn es die VHS ist, so ist das doch ein Miteinander, und wir müssen das trotzdem auch aus unserem Haushalt fördern, Ich denke, wenn wir das eine schlecht reden, werden wir mit dem anderen – –

Frau Kollegin, ich darf Sie auf die Uhr aufmerksam machen.

Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich möchte mit einem Satz schließen: Für uns ist es eine Aufgabe, niemanden auszugrenzen. Unser Bildungssystem ist sicher auf einem guten Weg, aber zur Durchsetzung einer absoluten Gerechtigkeit rufe ich uns alle auf. Dabei ist dann jeder von uns gefordert.