Ich will auch etwas zur sozialen Balance sagen, Herr Kollege Mütze. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz bleibt unverändert bei 7 %. Er wird erhoben auf Nahrungsmittel wie Brot, Butter, Fleisch, Früchte, Gemüse, Gewürze sowie für Bus, Bahn und Taxi im Nahverkehr, für Bücher und Zeitungen, Eintrittkarten für Theater, Orchester und Konzerte, Schwimmbäder usw., sowie für weitere Produkte und Leistungen des täglichen Bedarfs. Die Erhöhung des ermäßigten Mehrsteuersatzes träfe die Rentner, die Arbeitslosen, Studenten und Familien ganz besonders. Deshalb war es uns gemeinsam besonders wichtig, dass es hier keine Erhöhung gibt. Sie sehen, dass wir uns über die Entwicklung Gedanken gemacht haben.
Nicht außer Acht lassen sollten wir die Entlastungswirkungen, die mit der Senkung der Lohnnebenkosten verbunden sind. Die Senkung der Arbeitslosenversicherung – ich habe sie bereits erwähnt – bringt 1 % Entlastung für jeden Arbeitnehmer. 1 % Entlastung auf den Bruttolohn bedeutet, dass der durchschnittliche verdienende Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2007 – so die Berechnung des Bundes – 1,6 % mehr Nettolohn in der Tasche hat.
Die Mehrwertsteuererhöhung wird deshalb durch die Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages mehr als wettgemacht.
In Ihrer Pressemitteilung erklären Sie, Herr Kollege Mütze, dass mit der Mehrwertsteuererhöhung nicht die Ausgaben für die Nebenkosten gesenkt, sondern in vollem Umfang die Haushaltslöcher gestopft werden sollten. Erinnern Sie sich an Ihre Forderungen, wenn es um die Verwendung der Privatisierungserlöse in Bayern geht. Wie oft haben Sie und auch Ihre Vorgängerin, die von mir außerordentlich geschätzte Frau Kollegin Kellner, immer wieder kritisiert, dass mit den Privatisierungserlösen Haushaltslöcher gestopft würden. Jetzt fordern Sie das selbst.
Lesen Sie doch die Protokolle nach. Sie waren nicht im Ausschuss. Sie sind kein Alleswisser, auch wenn Sie das meinen.
In Ihrer jetzigen Position, mit der Sie sich erst abfi nden müssen – an keiner Landesregierung beteiligt – tun Sie sich leicht, solche Forderungen zu stellen und in provokanten Überschriften zu fragen, wer bei der Mehrwertsteuererhöhung die Zeche zahlen müsse.
Ich sage Ihnen: Die Zeche müssen alle zahlen. Und warum? Weil wir seit zehn Jahren – ich wiederhole es, damit nicht alle meinen, es sei unter Rot-Grün gewesen – über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir haben einen desolaten, dramatischen Haushaltszustand, den man nur damit ausgleichen kann, dass man zunächst die Mehrwertsteuer erhöht, wenn man nicht noch mehr andere Ausgaben streichen will. Das kommt indirekt dem Einzelnen doch wieder zugute durch andere Gegenrechnungen.
Deshalb halte ich Ihren Antrag auf Aktuelle Stunde für ein kleines, leichtes Sommertheater. Es ist Ihnen nichts Besseres eingefallen als dieses Thema. Deshalb werden wir weiter nichts dazu sagen, Sie haben Recht, Herr Präsident. Die CSU hat sich mit einem Abgeordneten gemeldet, und dessen Beitrag war eigentlich schon zu viel.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Mütze, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns schon des Öfteren über Ihre Meinung zur Mehrwertsteuer und deren Erhöhung austauschen durften. Ich habe schon in früheren Debatten darauf hingewiesen, in welch unselige Tradition Sie sich damit begeben.
Über Jahre behelligte die CSU das Hohe Haus mit bundespolitischen Debatten, die nur durch ganz gewagte Konstruktionen in die Agenda eines bayerischen Parlaments passen.
Die heutige Aktuelle Stunde lässt sich überhaupt nur ertragen mit einem Blick in die jüngere deutsche Zeitgeschichte. Denn das Thema hat bekanntermaßen viel zu tun mit den letzten Bundestagswahlen bzw. mit deren Ergebnis
oder noch mehr mit dem, was sich nach den Wahlen abspielte. Die GRÜNEN schlugen sich nach der letzten Bundestagswahl nämlich furchtbar schnell in die Büsche. Dabei wurden sie nur von den verängstigten Liberalen überholt, und damit ergab sich nur mehr die Möglichkeit einer Großen Koalition.
(Lachen bei den GRÜNEN, bei Abgeordneten der SPD und des Abgeordneten Manfred Ach (CSU) – Zurufe von den GRÜNEN)
Ich gebe es zu: Rot-Grün war die einzige Bundesregierung – haben Sie sich mittlerweile beruhigt? –, die nie die Mehrwertsteuer erhöhte. Das müssen wir gemeinsam noch einmal festhalten.
Aber bei einer anders gearteten Koalition als der jetzigen Großen hätten wir uns vielleicht an dieser Stelle auf Antrag der CSU über die Erhöhung der Ökosteuer gestritten. Also insofern ist das bei uns wie den Teufel getauscht.
Mit Ihrem bisher undifferenzierten Beitrag übersehen Sie aber auch einige aktuelle Entwicklungen, die im Zuge der bundesrepublikanischen Steuerdiskussion doch erwähnt werden sollten. Ich habe kein Lob erwartet für die Streichung der Eigenheimzulage. Wir haben damit aber einen GRÜNEN-Antrag aus dem Oktober 2005 eins zu eins umgesetzt.
Aber zurück zur Mehrwertsteuererhöhung. Die SPD konnte in zähen Verhandlungen erreichen, dass die Mehrwertsteuererhöhung in ein buntes Paket von Maßnahmen eingebunden wurde. Eben weil die Mehrwertsteuererhöhung nicht auf unseren Wunsch in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde, haben wir fl ankierende Maßnahmen verankern können: zum Ersten, dass sie erst 2007 in Kraft treten sollte und nicht 2006, wie ursprünglich gewünscht, und zum Zweiten, dass das Jahr 2006 für einen bunten Strauß an Wachstumsimpulsen für unser Land genutzt wird. Das sind diese viel zitierten Genshagener Beschlüsse, mit denen im Bereich der Innovation und für die Belebung der Wirtschaft 6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Für die CO2-Absenkung, ein Gebäudesanierungsprogramm und Investitionszulagen gibt es weitere 6,5 Milliarden Euro, für die Verbesserung der Infrastruktur 4,3 Milliarden Euro und für die Förderung von Handwerk und Dienstleistungen immerhin gut 5 Milliarden Euro. Das ist ein dickes Paket, das sich bis 2009 auf 25 Milliarden Euro summieren wird, von dem auch die bayerische Wirtschaft profi tieren wird und nicht zuletzt die Infrastruktur hier in Bayern.
Gerade diese Ansätze zeitigen auch schon Ergebnisse. Die letzten volkswirtschaftlichen Daten zeigen, dass die reale Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe im ersten Quartal 2006 um 8,1 % über dem vergleichbaren Vorjahreswert liegt. Die deutschen Konjunkturforscher prognostizieren für die heimische Industrie für 2006 ein Produktionsplus von 4 %. All das weist doch darauf hin, dass die Maßnahmen, die ergriffen wurden, auch greifen.
Fraglos wird – Sie haben es erwähnt – die Mehrwertsteuererhöhung die deutsche Konjunktur nicht unbeeinfl usst lassen. Deshalb waren diese Bemühungen im Vorfeld bereits verankert. Aber – und das ergab auch die Anhörung namhafter Sachverständiger im Deutschen Bundestag, insbesondere der Bundesrechnungshof hat sich dabei als ausgewiesener Freund der Mehrwertsteuererhöhung erwiesen – diese Erhöhung der Mehrwertsteuer passt nur dann in die Landschaft, wenn sie von Sanierungs- und Investitionsbemühungen fl ankiert wird. Das war auch der Tenor dieser Anhörung im Bundestag. Ich denke, dies können wir zu den Genshagener Beschlüssen feststellen.
2006 bis 2009 sollen insgesamt 79 Milliarden Euro bundesseitig konsolidiert werden, von Ländern und Kommunen noch einmal 38 Milliarden Euro. Das sind ambitionierte Ziele, und ich denke, es ist wie bei der Werbung für Beton: Es kommt darauf an, was man daraus macht, lieber Kollege Mütze. Es wird in Deutschland, vor allem in Bayern Mittelzufl üsse geben durch diese Mehrwertsteuererhöhung, gegengerechnet mit den Umlagen, die wir dann in erhöhten Absätzen haben von zirka 600 bis 800 Millionen Euro Mehreinnahmen für den bayerischen Staatshaushalt.
Den Fragen, welche Wachstumsimpulse man mit diesen Mehreinnahmen für den bayerischen Staatshaushalt erzielen kann, wo wir gemeinsam zu Recht die Unterfi nanzierung des Bildungssystems, die Unterfi nanzierung bei Kindergärten, die mangelnde Lehrerzahl und das nicht vorhandene beitragsfreie letzte Kindergartenjahr beklagen, sollten wir uns sinnhafterweise zuwenden; denn es gibt neue Spielräume mit dieser ungeliebten Mehrwertsteuererhöhung. Deswegen sage ich, es kommt auch hier darauf an, was wir daraus machen.
Ich denke, dass Bayern voller Liebreiz ist – man muss sich nur hier herinnen umschauen. Ich denke aber auch, und das haben wir schon gemeinsam festgestellt, dass dieses Land viele Probleme hat. Diese Probleme bedürften unserer intensiven Zuwendung: Bildung, Sozialpolitik, Kommunalfi nanzen. Die Aktuelle Stunde heute war kein Beitrag zur Lösung der Probleme.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abge- ordneten Manfred Ach (CSU) – Johanna WernerMuggendorfer (SPD): Nein, wirklich nicht!)
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Freitag war ich Zeuge einer etwas skurrilen Diskussion im Bundesrat. Dort traten vor der Abstimmung über die Mehrwertsteuererhöhung, über dieses Gesamtpaket der Steuerreform, zwei Minister von Koalitionsregierungen auf: ein Wirtschaftsminister aus Baden-Württemberg und ein Innovationsminister aus Nordrhein-Westfalen, beide FDP. Sie haben, abgestimmt mit ihren Parteivorsitzenden, eine billige Klage über die Mehr
wertsteuererhöhung mit allen pauschalen und wohlfeilen Argumenten vorgetragen, wie sie glaubten, ohne zu beachten, dass sie in Koalitionsregierungen sitzen, die ihrerseits zur Mehrwertsteuererhöhung nicht nur keine Alternative haben, sondern diese auch dringend brauchen.
Dies gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen. Da ist doch Herr Pinkwart aufgetreten und hat gesagt: Das ist unmöglich. Man müsste einsparen usw. Das sagt ein Vertreter eines Landes, das im letzten Jahr eine Nettoneuverschuldung von 7 Milliarden Euro aufzuweisen hatte.
Neben dieser Nettoneuverschuldung von fast 7 Milliarden Euro hat es auch eine Zinslast von knapp 10 %. Ich erinnere daran: Bayern hat knapp über 3 %. Dieser Herr ist also über alle Argumente hinweggegangen, und dies, obwohl jedermann weiß, dass die FDP in Nordrhein-Westfalen – ich kapriziere mich jetzt nur auf dieses Land – keinen Vorschlag gemacht hat, wie man den Haushalt in Nordrhein-Westfalen auf andere Weise sanieren kann.
Beide Ministerpräsidenten des Landes, die im Saal saßen, der ehemalige, Herr Steinbrück, und der neue, Herr Rüttgers, waren sich sehr wohl bewusst, dass es ohne Mehrwertsteuererhöhung nicht geht.
Das, was für Nordrhein-Westfalen gilt, meine Damen und Herren, gilt für alle Länder und den Bund. Es gibt keine Alternative zu dieser dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung, wovon 1 % für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wird und mit 2 % die Haushalte saniert werden. Ich habe auch hier in diesem Hohen Haus keine Alternative gehört. Es wäre konstruktiver, wenn Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, hier sagten: Wir sind der Auffassung, dass wir die Beträge, die wir für Bayern bekommen – im Jahre 2007, dem ersten Jahr, sind es mehr als 900 Millionen Euro – durch Einsparungen hereinholen können. Sagen Sie, was Sie wollen!
Sagen Sie uns, wenn Sie Alternativen haben. Man kann doch nicht einerseits einfach sagen, diese Mehrwertsteuer ist unmöglich, wenn man andererseits keine Alternativen hat.
Heute fi ndet hier in diesem Hohen Hause eine zweite skurrile Debatte statt nach der ersten, die im Bundesrat geführt wurde. Die GRÜNEN treten auf und sagen, das ist alles ungeheuerlich.
Was gegenwärtig in der Bundesrepublik stattfi ndet, ist ein Sanierungsvorgang. Wir sanieren das Ergebnis einer rotgrünen Politik über mehr als sechs Jahre.