Protocol of the Session on May 18, 2006

(Manfred Ach (CSU): Sehr gut. Das ist er in der Tat! Sehr guter Mann, der Sibler!)

Alle fi nden es richtig gut, dass ehrenamtlich Arbeitende, dass ehrenamtlich engagierte Studierende von den Studiengebühren befreit werden. Das klingt gut, dagegen kann eigentlich keiner sein. – Stimmt! Das ist eine gute Idee. Die kam übrigens nicht von Ihnen, sondern vom Bayerischen Jugendring. Sollen jetzt aber die Hochschulen die ehrenamtliche Jugendarbeit fi nanzieren? Nichts anderes bedeutet das nämlich; denn von einem Ausgleich für die Hochschulen für die von Ihnen ausgesprochenen Befreiungen habe ich nirgendwo etwas gelesen oder gehört. Scheinheilig nenne ich das.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sorgen Sie dafür, dass das bayerische Jugendprogramm so ausgestattet ist, dass den Ehrenamtlichen die verdiente Anerkennung zuteil werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN – Manfred Ach (CSU): Sie sollten sich zuerst mit der Materie befassen, bevor Sie so herumschwafeln!)

Das Gegenteil davon haben Sie in den letzten Jahren getan; das wissen alle, die hier sitzen. Setzen Sie sich bei Ihrem Minister für Stipendien der Ehrenamtlichen ein. Alles andere wäre mehr als scheinheilig. Es ist unehrlich; denn auch Herr Sibler trägt die Studiengebühren mit, auch er wird dem zustimmen.

Ihre angeblich familienfreundliche Regelung für Kinder aus Familien mit drei oder mehr Kindern, für die ein Kindergeldanspruch besteht, ist ungerecht und zeigt, wie wenig durchdacht die Einführung von Studiengebühren ist. „Den Letzten beißen die Hunde“, das ist das Prinzip dabei. Die jüngsten Kinder werden dann wohl regelmäßig die angeschmierten sein. Wieso eigentlich? – Denn anders als ihre älteren Geschwister werden sie Studiengebühren zahlen müssen und auf den Schulden sitzen. Nennen Sie das Familiengerechtigkeit?

(Beifall bei den GRÜNEN)

In besondere Bedrängnis bringen Sie behinderte und chronisch kranke Studierende, die Sie zu Bittstellerinnen und Bittstellern gegenüber den Hochschulen machen; denn in deren Ermessen steht es, ob diese von den Studiengebühren befreit werden oder nicht. Nennen Sie das Gleichstellung Behinderter?

Zum Schluss erklären Sie mir bitte noch, wieso Studierende mit Kindern über zehn Jahren nicht mehr befreit werden sollen, während Studierende mit Kindern unter zehn Jahren von den Studiengebühren befreit sind. Glauben Sie wirklich, dass ältere Kinder und Jugendliche den Familienhaushalt in fi nanzieller Hinsicht weniger belasten als jüngere Kinder?

Das Ausfallrisiko wälzen Sie auf die Hochschulen ab. Zieht man dies alles in Betracht, so wird erheblich weniger bei den Hochschulen ankommen, als Sie behaupten. So sind die Hochschulen in Zukunft gut beraten, wenn sie keine Studierenden aus Familien mit drei und mehr Kindern, keine Studierenden mit Kindern und keine kranken und behinderten Studierenden mehr aufnehmen; für diese bekommen sie nämlich keine Studiengebühren.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Thomas Beyer (SPD): Rechtswidrig ist das, was Sie planen!)

Einzelne Universitäten haben auch schon angekündigt, dass sie von den darüber hinausgehenden Befreiungstatbeständen gar keinen Gebrauch machen werden. Ich meine, zu Recht; denn es wird ihnen niemand zahlen.

Haben Sie sich eigentlich überlegt, was Sie mit dieser Regelung anrichten? Unter dem Label der Sozialverträglichkeit wird genau das Gegenteil erreicht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Margarete Bause (GRÜNE): Das ist der Punkt!)

Den genannten Gruppen unter den Studierenden droht die Diskriminierung bei der Zulassung. Außerdem schaffen Sie Studierende erster und zweiter Klasse. Sie schüren den Neid der nicht Befreiten gegenüber den Befreiten.

Aufhorchen lassen sollte übrigens eine aktuelle Pressemitteilung unseres Ministers Goppel. Noch in dieser Woche, am 16. Mai hat er erklärt: „Die Studienbeiträge kommen denjenigen Studierenden zugute, die sie bezahlen“. Das ist nachzulesen in der Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums Nummer 92 a/2006. Heißt das, dass zum Beispiel Behinderte, wenn ihnen eine Befreiung zuerkannt wurde, keinen Anspruch auf eine Verbesserung ihrer Studienbedingungen haben? – Interessante Deutung, aber so muss man die Pressemitteilung wohl verstehen. Sicher werden die Hochschulen das ihnen verbleibende Geld sinnvoll einsetzen können. Wenn Sie sich allerdings ansehen, was die Hochschulen damit alles fi nanzieren sollen, und Sie darüber hinaus noch fordern, dass unterschiedlich hohe Gebühren den Wettbewerb unter den Hochschulen in Gang bringen sollen, dann tritt die ganze Verlogenheit Ihrer Studienbeiträge zutage. Mit 500 Euro pro Semester wird all das nämlich gar nicht zu fi nanzieren sein. Mit einer Differenz von 200 Euro von Hochschule zu Hochschule entsteht kein Wettbewerb. Aus den 500 Euro pro Semester müssten – damit Ihre Rechnung einigermaßen aufgeht – sehr schnell Tausende pro Semester werden. Schauen Sie sich die Entwicklung in allen anderen Ländern, die Studiengebühren eingeführt haben, an! In Kürze befi nden Sie sich in einer Gebührenspirale. Sie haben mit den 500 Euro Studiengebühren die Tür zu einem Systemwechsel in der Hochschulfi nanzierung aufgemacht. Die Hochschulen rechnen schon jetzt insgeheim mit sehr viel höheren Gebühren. Die Grenze von 500 Euro ist eine Beruhigungspille für die Studierenden. Seien Sie wenigstens so ehrlich und sagen Sie offen, wohin die Reise gehen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein letztes Beispiel noch zu diesem traurigen Kapitel, das zeigt, wie bei diesem Thema gelogen wird: Sie versprachen den Studierenden, dass das von ihnen gezahlte Geld auch direkt ihnen zugute kommt. Eine schöne Beschreibung habe ich jetzt gelesen: „Nah am Studierenden“ soll das eingesetzt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) und von Abgeordneten der GRÜNEN: Näher am Menschen!)

Sie führen die Studiengebühren zu einer Zeit ein, in der die Hochschulen vor immensen Herausforderungen stehen, weil die Studierendenzahlen stark ansteigen werden. Dazu haben Sie mit beigetragen. Die unüberlegte und überhastete Einführung des G 8 bringt riesige Probleme mit sich. Das haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Goppel, Sie haben mir auf meine Schriftliche Anfrage vom Juli 2005 zu dieser Problematik geantwortet. Übrigens haben Sie zur Beantwortung dieser Anfrage gut ein halbes Jahr gebraucht, das allein ist schon ein Skandal; denn ich habe eigentlich nur Dinge abgefragt, von denen ich angenommen habe, dass man sie sich überlegt hat, bevor man all diese Reformen durchgeführt hat.

(Margarete Bause (GRÜNE): So kann man sich täuschen!)

Sie haben mir geantwortet:

Um auch in Zukunft und bei Belastungsspitzen weitere Qualitätssteigerungen in der Lehre und für die Verbesserung der Studienbedingungen zu erreichen, werden Studienbeiträge erhoben werden.

Um bei Belastungsspitzen die Qualität halten zu können, werden Studienbeiträge erhoben. Das klingt doch ganz anders als das, was Sie uns sonst immer erzählen. Aber das haben wir uns sowieso gedacht.

Die letzten G-9-Jahrgänge und die ersten G-8-Jahrgänge büßen gleich mehrfach: Sie haben das Chaos in der Schule, sie müssen Büchergeld zahlen, sie haben keine Ausbildungsstellen und keine Studienplätze, aber Studiengebühren zahlen müssen sie. Sie zahlen mehr für ein schlechteres und knapperes Angebot.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollegen von der CSU, Ihr Entschließungsantrag beinhaltet den etwas lächerlichen Versuch, dieses richtig zu stellen, aber nicht hier bei uns müssen Sie dafür kämpfen, sondern bei Ihrem Minister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der sieht das nämlich immer noch anders. Den Finanzminister brauchen Sie gar nicht zu fragen.

Kolleginnen und Kollegen, Gerechtigkeit ist eine wichtige Voraussetzung für Freiheit. An diesem Punkt klafft bei Ihrem Gesetzeswerk die größte Lücke. Eine wichtige Voraussetzung dafür, ein Gefühl – wenigstens ein Gefühl – für Gerechtigkeit zu entwickeln, ist Respekt – Respekt vor dem, was Menschen zu leisten fähig und willens sind. An mangelndem Respekt vor dem Leistungswillen und der Leistungsbereitschaft junger Menschen leidet die Debatte über die Studiengebühren vor allem und immer dann, wenn es um diejenigen geht, die nicht wie die Mehrzahl der Studierenden – Sie erinnern sich hoffentlich – aus gut situierten karriere- und bildungsorientierten Familien kommen. Das zeigt auch der neueste Coup der Bildungsräuber, das so genannte Amberger Modell, Ihre soziale Tarnkappe. Dafür sollten Sie sich wirklich schämen, Kollegen von der CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Spaenle, Sie haben den angekündigten Antrag dazu folgendermaßen begründet: „Somit kann für ein noch größeres Spektrum an Hochschulzugangsberechtigten ein Studium auch mit Studiengebühren verwirklicht werden.“ Gab es da doch ein Problem, Herr Dr. Spaenle? – Sie behaupteten doch immer alle zusammen unisono, durch Studiengebühren würde niemand vom Studium abgehalten. War das jetzt ein Moment der klaren Sicht oder der Ehrlichkeit gegenüber sich selbst?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Amberger Modell bietet Studierenden Aushilfstätigkeiten im sozialen Bereich mit einer Bezahlung unter Tarif. An sieben Euro ist gedacht. – Zehn Euro wären es mindestens nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes. Wie nennt man so etwas? – Ausbeutung? – Ich würde es Ausbeutung nennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erst drängen Sie die Studierenden in eine fi nanzielle Notlage, und dann nützen Sie diese auch noch aus.

(Margarete Bause (GRÜNE): Genau so ist es!)

Man muss es so krass sagen, im Klartext heißt das doch nichts anderes als Folgendes: Die Kinder der Reichen fahren am Nachmittag weiter mit ihrem BMW-Cabriolet auf den Golfplatz oder widmen sich im besseren Fall ganz und gar ihrem verschulten Studium oder knüpfen am Karrierenetzwerk, während die klugen Kinder der Armen für die Alten einkaufen gehen und den Rasen mähen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Ludwig Spaenle (CSU): So ein Blödsinn!)

- Herr Dr. Spaenle, soll das wirklich das Miteinander der Generationen fördern? Soll das den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft erhöhen? – Genau das Gegenteil wird passieren. Noch dazu erweisen Sie dem Ehrenamt dadurch einen Bärendienst.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zwei Voraussetzungen für die Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre gibt es noch: Mut und Verantwortung. Diese beiden Merkmale brauchen wir bei Hochschulen und Wissenschaft, wir brauchen sie aber ebenso sehr – wenn nicht mehr - in der Politik, die die Rahmenbedingungen für die Hochschulen setzt. Wir brauchen Mut und Verantwortung. Sie brauchen heute Mut und Verantwortung bei der Entscheidung über diese Gesetzesnovelle. Mutig ist die Hochschulgesetzesnovelle nicht. Sie schwimmt fantasie- und einfallslos einem Mainstream hinterher, der sich in diesem Land breit gemacht hat. Mutig wäre die Novelle, mutig wären Sie, wenn Sie sich gegen den Mainstream in dieser Republik gestellt hätten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei hätten Sie auch die besseren Argumente auf Ihrer Seite, und – vielleicht ist das der Punkt, der am Ende zieht – Sie hätten die Aufmerksamkeit der Medien der ganzen Republik für sich allein gewinnen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie hatten bisher keinen Mut, sich in Berlin zu Wort zu melden und dafür zu sorgen, dass Wissenschaft und Forschung im Zuge der Föderalismusreform nicht unter die Räder geraten. Im Gegenteil: Sie handeln nach kurzfristigen Macht- und Prestigeargumenten und nicht an der Sache orientiert. Sie hätten im Übrigen alle Expertinnen und Experten auf Ihrer Seite gehabt. Ein Trauerspiel war es, allein mit ansehen zu müssen, wie Sie den Kompetenzverlust der Bundesbildungsministerin im Zuge der Koalitionsverhandlungen mit betrieben haben. Ja, es würde Mut kosten, zu sagen, wir halten daran fest, dass es ein Recht auf Bildung für jeden Menschen gibt, dass es staatliche Aufgabe ist, dies zu garantieren, dass deshalb die Hochschulen angemessen fi nanziert werden müssen und dass es in Bayern keine Studiengebühren geben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es würde Mut kosten, sich der Ökonomisierung aller Lebensbereiche entgegenzustellen, und genau dieser Mut fehlt Ihnen. Ihre Hochschulpolitik ist mutlos. Deshalb wird sie der Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre nicht dienen.

Ihre Politik ist auch verantwortungslos. Sie tragen die Verantwortung für das, was diese Gesetze langfristig anrichten werden. Sie tragen die Verantwortung für den Systemwechsel, den Sie heute mit diesen Gesetzen vollziehen, und für die Folgen, die daraus entstehen. Sie beschädigen das Wertvollste, was wir haben, nämlich das Potenzial, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft unserer klugen Köpfe. Das ist das Kapital des Freistaates Bayern. Sie hindern junge Menschen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten. Sie verschärfen soziale Ungerechtigkeit. Sie zerstören eine Kultur in diesem Land. – Und das alles ist auch noch größter volkswirtschaftlicher Unsinn.