Protocol of the Session on May 18, 2006

Ihre Politik ist auch verantwortungslos. Sie tragen die Verantwortung für das, was diese Gesetze langfristig anrichten werden. Sie tragen die Verantwortung für den Systemwechsel, den Sie heute mit diesen Gesetzen vollziehen, und für die Folgen, die daraus entstehen. Sie beschädigen das Wertvollste, was wir haben, nämlich das Potenzial, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft unserer klugen Köpfe. Das ist das Kapital des Freistaates Bayern. Sie hindern junge Menschen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten. Sie verschärfen soziale Ungerechtigkeit. Sie zerstören eine Kultur in diesem Land. – Und das alles ist auch noch größter volkswirtschaftlicher Unsinn.

Da Ihre Gesetzentwürfe diese acht von mir genannten einfachen und klaren Voraussetzungen für die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Lehre, nämlich Autonomie, Demokratie, Öffentlichkeit, Offenheit, Gerechtigkeit, Vertrauen, Mut und Verantwortung, nicht schaffen, lehnen wir die Gesetzentwürfe der Staatsregierung eines Bayerischen Hochschulgesetzes, eines Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes, eines Bayerischen Universitätsklinikagesetzes und eines Bayerischen Hochschulrechtsanpassungsgesetzes ab.

Kolleginnen und Kollegen, Ihren Dringlichkeitsantrag, der – das will ich Ihnen gern zugestehen – sicher aus einem gewissen Unbehagen gegenüber den Gesetzentwürfen der Staatsregierung und den zu erwartenden Folgen heraus entstanden ist, lehnen wir ebenfalls ab. Er kann nicht heilen, was durch die Gesetzesvorhaben grundlegend falsch angelegt ist.

(Lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor ich in der Tagesordnung fortfahre, darf ich Ehrengäste auf unserer Tribüne begrüßen. Ich heiße die Delegation des Haushaltsausschusses der Nationalversammlung von Namibia unter der Leitung des Abgeordneten Johan C. de Waal herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Gerade mit Ihrem Land pfl egen wir eine lange Zusammenarbeit, sicher auch darauf beruhend, dass wir eine gemeinsame Geschichte haben. Diese Zusammenarbeit ist sehr intensiv, und ich weiß, dass alle unsere Kollegen, die Sie in Namibia besucht haben, sehr begeistert zurückgekommen sind. Ich hoffe, dass Sie hier ebenso herzlich aufgenommen werden, dass Sie einen guten Austausch pfl egen und dass Sie viel Anregendes mit in Ihre Heimat nehmen können.

(Allgemeiner Beifall)

Wir setzen die Beratungen zu den Hochschulgesetzen fort. Nächster Redner ist Herr Kollege Vogel. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat von Alexander von Humboldt beginnen:

In einem Zeitalter, in dem man Früchte oft vor der Blüte erwartet und vieles darum zu verachten scheint, weil es nicht unmittelbar Wunden heilt, den Acker düngt oder Mühlräder treibt, … vergisst man, dass Wissenschaften einen inneren Zweck haben und verliert das … Streben nach Erkenntnis, als Erkenntnis, aus dem Auge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie grundlegend hat sich doch das Verständnis von Wissenschaft und Hochschulaufgaben in unserer Gesellschaft geändert. Ich bin mir sicher, noch in der letzten Legislaturperiode hätte mir der damals amtierende Wissenschaftsminister volle Unterstützung bei der Orientierung am Humboldt’schen Wis

senschaftsbegriff zugesichert. Und heute? – Humboldt ist tot. Es lebe die neoliberale Sülze in den wissenschaftspolitischen Hirnen, in Hirnen, die glauben, nur das, was an globalisierenden Märkten Bestand hat und sich verwerten lässt, verdient auch staatlichen Schutz und hochschulpolitische Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Bayern wabert diese Sülze nicht nur vor sich hin, sondern sie lässt sich als angeblich wegweisendes Reformprojekt auf den Altären der Marktgötzen feiern. Liberalisierung und Rationalisierung werden suggeriert. Begriffe wie Flexibilität, Eigeninitiative, Selbstverantwortlichkeit, Leistungssteigerung, Autonomie, Wettbewerb und Effi zienz gaukeln Modernität und Fortschritt vor. Herr Dr. Goppel, Sie sprechen von Freiheit und täuschen doch nicht über den Rückschritt in den radikalen Liberalismus des 19. Jahrhunderts hinweg,

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

weil sich dieses Freiheitsdenken nämlich an den Denkkategorien einer naiven vor-demokratischen Marktorientierung ausrichtet.

Der Dreischritt, den die CSU-Hochschulpolitik in den letzten Jahren versuchte, bestehend aus Innovationsbündnis, Optimierungskonzept und – jetzt – Hochschulgesetz mit Studiengebühren, dieser Dreischritt verändert die Koordinaten unseres Wissenschaftssystems, in dem die Einheit von Forschung und Lehre ebenso aufs Spiel gesetzt wird, wie der unmittelbare Zusammenhang von akademischer Breitenausbildung und zielgerichteter Spitzenförderung. Hochschularbeit wird von Ihnen in die Schablone von Markt und marktgängiger Verwertung gepresst. Renditedenken ersetzt den wissenschaftlichen Forscherdrang. Betriebswirtschaftliche Begriffe treten an die Stelle der bisherigen Wissenschaftsterminologie. Die Bildung, auch die akademische Ausbildung, deren Förderung seit und dank der Aufklärung ein allgemeines Anliegen ist, die Bildung, die eine öffentliche Aufgabe zu sein hat, und deshalb als öffentliches Gut kostenfrei allen zur Verfügung gestellt werden müsste, sie wird zur marktgängigen Ware reduziert, zu einer Ware, für die man einen Preis, zum Beispiel in Form von Studiengebühren, zu zahlen hat.

Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Sie heute mit Ihrer Mehrheit in unverantwortlicher Art und Weise zum Gesetz werden lassen, und mit Ihrer Ablehnung unseres Entwurfs öffnen Sie ganz weit die Tore für Kommerzialisierung von Wissenschaft und Bildung. Genau wie viele der angesprochenen Rankings setzen Sie Vorgaben, die sich nicht mehr an der Wissenschaft orientieren, weil sie sich nämlich nicht den Wissenschafts-Codes „wahr“ und „unwahr“ unterwerfen, sondern den betriebswirtschaftlichen Maßstäben „verwertbar“ und „nicht verwertbar“.

Die zentrale Frage in der Hochschulpolitik lautet doch, meine Kolleginnen und Kollegen: Lassen wir uns davon leiten, dass die Zukunftsaufgabe der Hochschule nach

wie vor sein wird, nach Erkenntnissen um der Erkenntnis willen zu streben, weil die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis für die gesellschaftliche Entwicklung als notwendig erscheint? Weil wir eine möglichst breite akademische Bildung mit Zugang für alle Gesellschaftsschichten haben wollen? Weil das in unseren Augen den Kern einer demokratischen Wissenschaftsgesellschaft ausmacht? Oder lassen wir uns von einem eingeengten ökonomischen Blick leiten? – Sie stellen die betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Logik an die Stelle eines an der Aufklärung orientierten Bildungs- und Wissenschaftsbegriffs. Das alles wird an Ihrem fragwürdigen Umgang mit dem Begriff der Autonomie deutlich.

Auf den ersten Blick wollen wir alle gemeinsam die Autonomie der Hochschulen. Wir wollen ihre Selbstständigkeit und ihre Unabhängigkeit, ihre Eigenverantwortung und ihr Satzungsrecht. Die CSU aber hat an einer Stelle sogar versucht, nämlich bei der Diskussion um den neuen Artikel 2, uns in ihrem Autonomieverständnis von Freiheit der Wissenschaft zu übertreffen. Die CSU hat nämlich den Änderungsantrag der SPD abgelehnt, in dem wir die gesellschaftliche und ökologische Orientierung von Wissenschaft fordern wollten. Dabei hat sich Herr Kollege Spaenle, der jetzt hinausgeht, sogar zu der Formulierung verstiegen, Forschung und Lehre würden keinem gesellschaftlichen Refl ektionsprozess unterliegen. Die Forschungsergebnisse würden lediglich von der Gesellschaft bewertet. Daraufhin haben wir heftig widersprochen. Sie, Herr Kollege Prof. Dr. Stockinger, der Sie dankenswerter Weise noch hier sind, Sie haben für Ihre Fraktion erklärt, dass Sie sich vom gesellschaftspolitischen Verständnis von Hochschule, wie es von der SPD vertreten wird, distanzieren.

(Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger (CSU): Das werde ich heute auch wieder erklären!)

Gibt es bei Ihnen vielleicht doch noch ein Relikt, das besagt, dass das Streben nach der Erkenntnis um der Erkenntnis willen wichtig wäre? – Mitnichten!

Ihre Ablehnung der Forderung nach einer gesellschaftlichen Verankerung von Lehre und Forschung hat einen ganz anderen Sinn. Indem Sie nämlich die Orientierung der Wissenschaft unter anderem am Erhalt und der Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen verneinen, öffnen Sie den Weg in eine Autonomiefalle, in eine doppelte Autonomiefalle, mit der wir unsererseits nichts, aber auch gar nichts zu tun haben wollen. Zum einen nämlich entlassen Sie die Hochschulen in eine halbherzige, vermeintliche Autonomie nach dem altbewährten Erziehungsmotto: Du kannst machen, was du willst, aber Geld bekommst du nur, wenn du machst, was ich will. Zum anderen schreiben Sie gleichzeitig genau vor, was geschehen muss, damit der Staat als Rechtsetzer und Hauptgeldgeber zunehmend von anderen ersetzt werden kann. Die Interessen derer, die den Staat dann ersetzen, sind aber weit davon entfernt, was wir unter einer autonomen Wissenschaft verstehen. Sie ersetzen demokratisch legitimierte Wissenschafts- und Gesellschaftsinteressen durch ein Gefasel von Hochschulen, die in der Champions League spielen sollen, von Elite- und Exzellenzinitiativen, von Optimierungskonzepten, von Profi lbildungswettbewerben, von technologischen und ökonomischen Weltmeisterschaftsträumen, die mehrere Harvards im Land sprießen lassen. Doch all das ignoriert, dass

dabei die Breitenbildung verkümmert und soziale Selektionsprozesse auf Dauer wirken. Dabei sind Ihnen mehrere Schritte behilfl ich. In einem ersten Schritt haben Sie dazu beigetragen, dass unsere Hochschulen – das wurde bereits mehrfach angesprochen -, seit Jahren nicht in dem Ausmaß fi nanziert werden, wie wir das für notwendig erachten. Die Ausbauziele sind landesweit überall überschritten. Der Baubestand ist oft marode. Die Seminarräume sind überfüllt, in den Bibliotheken fehlen die Bücher. Vor all dem verschließen Sie systematisch die Augen, weil Ihr Credo – mehr Markt statt mehr Staat – immer auch die Forderung enthält, staatliche Aufgabenwahrnehmung einzuschränken.

Als Hebel dafür dient die Forderung nach Konsolidierung des abgesenkten Staatshaushalts: also Kürzen und Sparen, Privatisieren der Leistungen für die Daseinsvorsorge. Auf die Hochschulen übertragen heißt das: weniger staatliche und bürokratische Steuerung, weniger demokratische Mitbestimmung - zugunsten einer Scheinautonomie -, mehr Wettbewerb zur Steigerung einer betriebswirtschaftlichen Effi zienz, mehr private statt mehr staatliche Finanzierung. Der Kürzungshaushalt von 2004 mit fatalen Folgen für unsere Hochschulen gehört ebenso dazu, wie das so genannte Innovationsbündnis, in dem die Zusicherung – das mögen Sie noch so oft betonen, Herr Dr. Goppel -, dass dieser Kürzungshaushalt nicht unterschritten werden darf, nichts anderes als hochschulpolitischer Zynismus ist.

(Beifall bei der SPD)

Adelheid Rupp hat darauf hingewiesen, dass das wahre Problem, die Aufkündigung Ihrer staatlichen Finanzierungszusagen durch die Neufassung von Artikel 5, ist. Der Staat zieht sich als Finanzier zurück und wird zu einem von vielen Geldgebern. Im engen Zusammenhang damit steht die konkrete Abwälzung staatlicher Aufgaben auf private Schultern. Dazu brauchen Sie die Studienbeiträge. Dazu wird Herr Kollege Dr. Christoph Rabenstein noch etwas sagen.

Nun haben Sie ein Problem. Bis vor wenigen Jahren waren alle Hochschulvertreter unisono der Auffassung: Studienbeiträge sind schlecht. Also mussten Sie konsequenterweise an der Finanzierungsschraube drehen, damit man heute sagen kann: Wir sind dankbar für jeden Cent, der hereinkommt.

Sie mussten auch mit sanftem Druck zu einem dritten Finanzierungsinstrument zwingen, nämlich zu Drittmitteln - ich meine jetzt nicht die Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft – DFG – und andere staatliche Drittmittel, sondern die Öffnung für Mittel aus der Privatwirtschaft. Dafür geben Sie nun den Hochschulen unternehmerische Freiheiten. Sie sollen sich profi lieren; sie müssen Leuchttürme werden, die aus der Masse emporragen. Das wird dann belohnt. Die Uni, die den Ruf hat, eine Forschungsuniversität zu sein, ist dann für private Drittmittelgeber attraktiv; sie hat Anziehungskraft für gute Wissenschaft; sie kann Kapital akkumulieren, und zwar in den Währungen, die an der Uni zählen, nämlich wieder Drittmittel, Patente, Forschungsaufträge.

Erklären Sie mir doch einmal: Warum soll unter solchen Voraussetzungen auch nur ein Präsident, ein Senat auf den verrückten Einfall kommen, sich als Massenuniversität zu profi lieren?

(Zustimmung von der SPD)

Warum soll ein Präsident die Idee haben, bildungsferne Schichten in die Hochschulen zu führen? Das braucht es doch gar nicht - private Geldgeber braucht man; nicht mehr und nicht weniger. Diese Funktion hat ihr Gesetz in erster Linie übernommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und nun zum zweiten Schritt! Damit dies klappt, um wirklich auch alle Hochschulen auf Marktlinie zu bringen, sichert sich nun der Freistaat Bayern in diesem Hochschulgesetz in einem ganz komplizierten Gefl echt aus direkter und indirekter Steuerung seinen Einfl uss. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen belegen. Wir wollten die leistungs- und belastungsbezogene Mittelzuweisung im Einvernehmen zwischen Staat und Hochschulen regeln. Sie sehen nur das Benehmen vor. Wir wollten den Katalog von Zielvereinbarungen im Gesetz festschreiben. Sie bringen nur vage Umschreibungen. Wir wollten die Zielvereinbarungen zwischen dem Haushaltsgesetzgeber und den Hochschulen fi xieren. Sie behalten den Abschluss dem Ministerium vor, und der Bayerische Landtag muss jedes Mal nachfragen, wenn er genaue Informationen haben will.

Ich war Anfang dieser Woche mit Kolleginnen und Kollegen an unterfränkischen Hochschulen und Fachhochschulen. Dort wurde uns berichtet, dass es mit dem freien Aushandeln dieser Zielvereinbarungen gar nicht so weit her ist. Textbausteine werden vorgeschrieben, die weitgehend übernommen werden sollen. Die Autonomie der Hochschulen wird hier mit Füßen getreten.

Sie fügen in dieses Gesetz weiter ein Gefl echt direkter und indirekter Regulierungsmöglichkeiten ein, indem sich beispielsweise die Hochschule in einem korporativen Machtgefüge von Staat, neuer Hochschulleitung und wirtschaftlichen Interessensgruppen so organisiert, dass sie dem neuen Verständnis marktgängiger, wettbewerbsfähiger Wissenschaftseinrichtung auch entspricht.

Wir wollten die Grundordnungskompetenz den Hochschulen geben, damit sie sie zu einer umfassenden Organisationskompetenz ausdehnen können. Das hätte den Hochschulen Autonomie ermöglicht. Wir wollten auch, dass die Organe dazu demokratisch legitimiert sind und haben deswegen vorgeschlagen, dass diese Entscheidung im Senat im Konsens zu erfolgen hat. Sie schreiben nun detailliert im Gesetz vor, was in der Grundordnung stehen soll, eröffnen hintenherum über Experimentierklauseln noch andere Möglichkeiten - da muss man schauen, was dann tatsächlich realisiert werden kann -, und - Adelheid Rupp hat schon darauf hingewiesen - dann bringen Sie vorsichtshalber noch die Ergänzung der Rechtsaufsicht durch die Fachaufsicht, damit in dem Sinne, wie Sie das Hochschulgesetz sehen wollen, ja nichts schief geht. Das ist Autonomie auf bayerische Art. Um das so zu machen, muss es gute Gründe geben. Die Gründe

bestehen darin, dass sich die neue Hochschulorganisation im Kern an Organisationsmodellen aus der Wirtschaft orientiert.

Der Hochschulrat - Ulrike Gote hat es angesprochen - hat eine zentrale Stellung. Er beschließt die Grundordnung und wählt die Hochschulleitung als neues Managementorgan. Wir hätten gerne den Hochschulrat in seiner bisherigen Funktion im Gesetz festgeschrieben, und er soll sich dabei so zusammensetzen, dass er die Breite gesellschaftlicher Gruppen und Interessen widerspiegelt. Sie setzen dagegen im Wesentlichen auf die Interessenvertretung aus der privaten Wirtschaft, die im Kern dann die wirtschaftliche Öffnung der Hochschulen vorbereiten soll. Auch das ist nicht ein Mehr, sondern ein Weniger an Autonomie.

Die erweiterte Kompetenz der Externen im Hochschulrat hebelt die bisherigen Selbstbestimmungsrechte der Hochschulmitglieder aus, weil dann zum Beispiel dieser neue Hochschulrat mit den Externen die Hochschulleitung wählt. Das ureigene, bisher bestehende Recht der Hochschule, die eigene Leitung zu wählen, sprechen Sie der Hochschule jetzt ab. Auch das ist ein typisches Beispiel für Autonomie nach bayerischem Verständnis.

(Beifall bei der SPD)

Vorsitzender des Gremiums, den die Hochschulleitung als professionelles Managementorgan wählt, ist dann wiederum ein Vertreter der nicht hochschulangehörigen Mitglieder.

Insgesamt ist es schon sehr interessant, welch starke Rolle Sie den privatwirtschaftlichen Interessen im Hochschulrat zubilligen. Ich meine, damit verschließen Sie auch die Augen davor, dass die Privatwirtschaft ja beileibe nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen immer die richtigen Entscheidungen trifft.

(Beifall bei der SPD)

Ich befürchte, dass das autonome Selbstverständnis in der Hochschulreform auf seinen marktwirtschaftlichen Kern reduziert wird, in dem Manager in Hochschulleitung und Hochschulrat allein eine wesentliche Aufgabe haben, nämlich die Hochschulen im Sinne internationaler Wettbewerbsfähigkeit anzupassen und zu vereinheitlichen. Ein moderner Hochschulpräsident versteht sich dann als Manager eines Dienstleistungsunternehmens, und er ist allein seinem Unternehmen verantwortlich und nur seinem Aufsichtsrat gegenüber rechenschaftspfl ichtig, also dem Hochschulrat, nicht der Gesellschaft. Das ist Scheinautonomie. Die Hochschulen bekommen lediglich mehr Macht, um sich dann unternehmenspolitischen und unternehmensspezifi schen Zielen unterzuordnen.

Mehr Studierende als allgemeine Forderung - darauf kann man sich noch in Sonntagsreden einigen. Keine Uni, kein Präsidium und nur ganz wenige Professoren wollen sie dann aber unter diesen Bedingungen tatsächlich noch in ihrer Hochschule sitzen haben. Das Ganze - lassen Sie mich das noch am Rande erwähnen - ist nicht weiter verwunderlich, da es eigentlich keine bayerische Erfi ndung ist. Die Idee stammt vom Zentrum für Hochschulentwick

lung, wie wir wissen: Bertelsmann-fi nanziert, Bertelsmann-gesteuert. Deshalb ist klar, dass nun auch Bayern nach manch anderem Bundesland den Weg weitergeht und zeigt, wie die Politik, wie die Hochschulpolitik in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem externen, durch nichts als durch Geld legitimierten Unternehmens-Think-Tank geraten ist.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Autonomie, lieber Ludwig Spaenle, erweist sich somit als nichts anderes als eine reine Worthülse, weil das bayerische Konzept sehr weit von einer selbstverwalteten, an Freiheit und gesellschaftlicher Einbindung orientierten Forschung und Lehre entfernt ist. Dies wird auch deutlich, wenn wir auf die fehlenden Demokratisierungsansätze eingehen. Weder die Studierenden noch der Mittelbau werden entsprechend ihrer quantitativen Anzahl und ihres qualitativen Beitrags zu wissenschaftlichen Ergebnissen eingebunden. Autonomie, auch die fragwürdige, marktorientierte bayerische Autonomie wird dadurch vollends zur Farce, weil sie nicht von demokratischen Entscheidungsstrukturen begleitet wird. Die Hochschulen sind für mich in Anlehnung an Hartmut von Hentig auch der Ort, an dem die Studierenden die Chance bekommen, sich zu Citoyens zu entwickeln, zu Bürgerinnen und Bürgern im Wissenschaftsbetrieb. Dann müsste aber auch die Hochschule als polis, als eine sich selbst regulierende Lebens-, Lern- und Forschungsgemeinschaft aufgebaut und organisiert sein, um der äußeren Demokratie auch die innere Demokratie folgen zu lassen.