Protocol of the Session on May 18, 2006

Sie haben damals die ASten abgeschafft mit einem hochinteressanten Argument: Hätte der RCDS an den Hochschulen die Mehrheit, würden wir es nicht tun. Registrieren Sie bitte: Auch heute hätte er nicht die Mehrheit. Das ist nun einmal in Bayern gesellschaftliche Realität. Machen Sie das, was andere Bundesländer selbstverständlich tun. Führen Sie die verfasste Studierendenschaft wieder ein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abge- ordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Nur noch ganz wenige Sätze zur Situation des Mittelbaus. Auch hier gilt eigentlich Ähnliches wie bei den Studierenden. Die Einbindung des Mittelbaus ist zu schwach, die Topleistungen in der Wissenschaft werden aber gerade vom Mittelbau erbracht. Häufi g werden wissenschaftliche Mitarbeiter mit Drittelstellen abgespeist, machen am Fachbereich – ich sage es jetzt mal gradheraus – den Deppen für zehn Jahre und gehen dann oft auch ohne Promotion, geschweige denn Habilitation, wieder weg. Sie übernehmen die Lehre, sie leisten Ungeheueres in der Forschung, und Sie tun nichts außer zu überlegen, wie man Arbeitszeiten verlängern kann. Das ist Ihre Antwort darauf. Sie tun nichts für diese Menschen, und Sie tun auch nichts dafür, Stellen anzubieten, damit diejenigen, die an unseren Hochschulen Spitzenleistungen erbringen, auch tatsächlich an diesen Hochschulen bleiben. Jeder, der die Möglichkeit hat, bleibt nicht an der Hochschule, sondern geht in die freie Wirtschaft, weil er sagt: Verdienstmöglichkeiten, Aufstiegschancen, Arbeitsbedingungen, das ist nicht das, was ich mir wünsche.

Wie gesagt, wenn Bayern gut bleiben will, dann hat es Nachholbedarf. Sonst werden wir die längste Zeit gut gewesen sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abge- ordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Habilitation und Juniorprofessur – einerseits ist das ein kleines Pünktchen positiv, andererseits bleibt es eine halbherzige Sache, weil Sie die Juniorprofessur schlussendlich doch zu einer Professur zweiter Klasse machen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen, Herr Minister, einen offenen Brief aus den Münchner Hochschulen an Herrn Dr. Edmund Stoiber überreichen. Beschäftigte der Universität und der Universitätsklinika sind seit Wochen im Streik. Sie wollten diesen Brief direkt in der Staatskanzlei abgeben. Er wurde dort nicht angenommen. Sie durften nicht einmal ins Vorzimmer.

(Unruhe bei der SPD und Zuruf: Unverschämt- heit!)

Es sind 69 Professoren, die unterschrieben haben, es ist der Kanzler der LMU, der ihn unterschrieben hat. Ich vermute, dass Sie wenigstens einen etwas besseren Zugang zum Ministerpräsidenten haben als die streikenden Beschäftigten an den Universitäten, und möchte Ihnen daher diesen Brief mitgeben.

(Beifall bei der SPD – die Rednerin überreicht Herrn Staatsminister Dr. Goppel den Brief.)

Bleibt noch eines übrig: Wir werden natürlich Ihre Anträge und Ihren Gesetzentwurf ablehnen, aber eines soll klar sein: Wir werden Ihnen in den nächsten Monaten extrem genau auf die Finger schauen, was die Studiengebühren anbelangt und was alle diese Maßnahmen anbelangt, bei denen wir der Meinung sind, dass die Spitzenuniversitäten Bayerns in ihrer Spitzenrolle extrem gefährdet sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abge- ordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Frau Kollegin Rupp, vielen Dank. Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Spaenle das Wort.

Herr Präsident, Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst eine Änderung des Titels unseres Entschließungsantrags zu Protokoll geben, da wir diesen Antrag ja erst im Anschluss an die Verabschiedung der Hochschulgesetze zu beraten und zu beschließen haben. Der Titel soll folgenden Wortlaut haben:

Entschließung zum Bayerischen Hochschulgesetz, zum Bayerischen Hochschulpersonalgesetz und zum Hochschulauswahlverfahren.

Und nun zu Ihnen, Frau Kollegin Rupp: Hilfl os, ideenlos, respektlos!

(Beifall bei der CSU – Adelheid Rupp (SPD): Wie Sie! – Zurufe und Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf von den GRÜNEN: Überheblich, dass es besser nicht mehr geht!)

Frau Kollegin Rupp, ich möchte mir weitere Bemerkungen ersparen, aber eines kann ich Ihnen nicht ersparen. Die Unverschämtheit, mit der Sie die Beratungspraxis Ihrer Kolleginnen und Kollegen hier bewerten, macht fassungslos.

(Anhaltende Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Da bleibt es mir nicht erspart darauf hinzuweisen, wie oft Sie nicht anwesend waren, wie oft Sie schlecht vorbereitet waren und wie oft Herr Vogel für Sie einspringen musste.

(Zurufe von der SPD)

Auf dieses Niveau, auf das Sie sich da begeben haben, möchte ich nicht einmal runterschauen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen an einer der wichtigsten Wegmarken der Wissenschaftspolitik im Freistaat Bayern seit Bestehen der Zweiten Republik.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das muss man natürlich würdigen!)

Wir haben innezuhalten und über die Rolle und die Bedeutung der Hochschulen in unserem Lande einen Moment grundsätzlich nachzudenken. Dies geschieht - der Herr Staatsminister hat es angesprochen – mit der umfangreichsten Hochschulgesetzgebung, die in Bayern je stattgefunden hat, das heißt mit einer umfassenden Neuorientierung und Ausrichtung des Hochschulwesens in Bayern.

Die Hochschulen in Bayern haben einen ganz wesentlichen Anteil an der Modernisierung unseres Landes seit dem Zweiten Weltkrieg weg vom Agrarstaat hin zum führenden Wirtschaftsstandort in einer Kommunikations- und Wissensgesellschaft. Die Gründungswellen der Sechziger- und Neunzigerjahre haben den wichtigsten Rohstoff, den wir im Flächenland Bayern zur Verfügung haben, gehoben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Den Goppel! – Heiterkeit bei den GRÜNEN)

- Sudelsepp, dei Erntn kimmt spater, gell. Der Schatz der Bildungsreserven im Flächenstaat wurde gehoben. Mit einem Netz aus 30 Hochschulen, etwa 20 Fachhochschulen und 10 Universitäten, sind wir in der Lage, jedem Studierwilligen und jeder Studierwilligen ein Hochschulangebot in unmittelbarer Nähe seines und ihres Wohnortes zu machen. Es war eine ganz zentrale strategische Aufgabe im größten Flächenland der Republik, eine solche Option im tertiären Bildungssektor fl ächendeckend entwickelt zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist eine große Leistung, die dieses Land unter großen Anstrengungen vollbracht hat. Sie hat dazu geführt, dass wir mit diesem wichtigen zentralen Rohstoff „Geist“ in der Lage sind, unser Land als Standort im internationalen Wettbewerb ganz vorn zu halten und unsere Hochschulen in der Spitzenliga der europäischen und weltweiten Universitäten an erster Stelle zu sehen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie man mit den hohen Schulen in unserem Lande in Zukunft umzugehen hat. Die Wettbewerbsbedingungen haben sich komplett verändert. Der Standortwettbewerb hat sich internationalisiert, in den einzelnen Fachdisziplinen sogar globalisiert. Die Notwendigkeit, in einem immer höheren Maße akademisch vorgebildete Arbeitskräfte auf Dauer und in der Fläche an jedem Standort des Landes vorzuhalten, hat dazu geführt, dass wir auch hier eine stärkere Eigenverantwortung für die einzelne Hochschule als wichtigsten Leitmaßstab für diese Fortentwicklung der Hochschulpolitik in Bayern grundgelegt haben.

Wir hatten zwei Koordinaten zu beachten; sie sind in vorbildhafter Weise in diesem Gesetzeswerk umgesetzt: So viel operative Verantwortung und operative Handlungsfähigkeit wie möglich für die einzelne Hochschule auf der einen Seite und auf der anderen Seite so viel strategische wissenschaftspolitische, landespolitische Gesamtverantwortung wie notwendig in der Hand der Administration und an der Spitze des Staatsministeriums. Diese beiden Koordinaten galt es anzulegen, um das Hochschulwesen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fi t zu machen. Diesem hohen Anspruch wird mit dieser Gesetzgebung vorbildhaft Rechnung getragen. Noch nie gab es ein solches Maß an Freiheit und Verantwortung für die einzelne Hochschule in Bayern wie mit diesem zum 1. Juni dieses Jahres in Kraft tretenden Gesetzgebungswerk.

Das ist auch nötig, weil die Herausforderungen, die die einzelne Hochschule zu bewältigen hat, wachsen. Sowohl der Staatsminister wie auch die Kollegin Rupp haben auf die großen Herausforderungen im Bereich der Lehre hingewiesen: Ein Ansteigen der Studierendenzahlen von etwa 250 000 auf 320 000 bis 330 000. Zur Bewältigung dieser Aufgabe, das heißt zu einer deutlichen Verstärkung der Bedeutung der Lehre auf der einen Seite, und auf der anderen Seite der ganz ernst zu nehmenden und gar nicht hoch genug anzusetzenden Verschärfung des Wettbewerbs in der Forschung ist eine konkrete Einzelverantwortung der einzelnen Hochschule für ihren Kurs notwendig, was die Frage der Schwerpunktbildung, das heißt des Fächerprofi ls, der entsprechenden Forschungsanstrengungen, aber auch der besonderen Schwerpunktsetzung in der Lehre angeht. Deshalb sind zwei Kompetenzzüge eine Grundtendenz dieser Gesetzgebung: Überwälzen von Kompetenzen in die einzelne Hochschule, das Gros aus dem Wissenschaftsministerium, aber auch aus dem Finanzministerium, weil die Hochschulen in einem Ausmaß selbst entscheidungs- und handlungsfähig gemacht werden müssen, wie wir es bisher nicht gekannt haben.

(Adelheid Rupp (SPD): Was ist mit der Fachaufsicht?)

Die entsprechende Folge daraus ist, dass wir auch innerhalb der Hochschule eine Neujustierung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten benötigen, wenn wir das Verhältnis zwischen Staat und Hochschule in diesem Maß grundlegend neu ordnen nach dem Muster - ich sage es noch einmal -: soviel Freiheit und Verantwortung wie möglich in die einzelne Hochschule und soviel strategische wissenschaftspolitische Gesamtverantwortung wie nötig in der Hand der Administration und des Wissenschaftsministers.

Nach diesem Muster zu handeln bedeutet natürlich auch, dass sich bei einer deutlichen Ausweitung der Handlungskompetenzen und Verantwortlichkeiten in der Hochschule auch die operative Leitung der Hochschulen, die Hochschulleitung selbst zu einem schlagkräftigen Organ ausformen und ausbilden muss. Und auch die entsprechende Neujustierung der Verantwortlichkeiten innerhalb der Hochschule in die Fachbereiche, in die Dekanate bis hin zur Frage der einzelnen Wissenschaftspersönlichkeit muss zu einer vollkommenen Neuordnung der Verhältnisse und der Kompetenzen untereinander führen.

Einer starken Hochschulleitung, die nach außen und innen durchsetzungsfähig und natürlich in ganz hohem Maße - in einem deutlich höheren Maße als bisher - verantwortlich für den Kurs des Hauses ist, muss eine starke Kontrolle gegenübergestellt sein. Dies ist der neue Hochschulrat. Wir haben 1998 beginnend mit der institutionellen Verankerung gesellschaftlicher Verantwortung und gesellschaftlich wichtiger Kräfte begonnen. Wir gehen diesen Weg nach positiven Erfahrungen an allen Hochschularten und Hochschulstandorten konsequent weiter. Der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen. Das Vorbild der Technischen Universität und insbesondere die Auswertung des Modells der TU und der Wirksamkeit des dortigen Verwaltungsrates geben hier das Beispiel. Was geschieht konkret? – Wir überführen die gewählten Mitglieder des Senats 1 zu 1 in diesen neuen Hochschulrat und stellen den gewählten Mitgliedern des Senats acht Persönlichkeiten aus dem gesamten Spektrum von Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur gegenüber.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Die Verantwortung dafür - das ist das entscheidende Moment auch entlang dieser Grundphilosophie: so starke Eigenverantwortung wie möglich -, welche Persönlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Leben entscheidungswirksam in diesem neu gestalteten Gremium Hochschulrat mitwirken sollen, liegt bei der Hochschule selbst. Das heißt, es werden nach dem Hochschulprofi l, sei es etwas mehr technisch, etwas mehr geisteswissenschaftlich oder seien es Fachhochschulen mit diesem oder jenen Profi l, die Hochschulgremien selbst sein, die die entsprechenden Persönlichkeiten, die die gesellschaftliche Verankerung einer solchen Hochschule bewirken, zu suchen haben. Nichts anderes ist die Grundphilosophie. Weder die Fernsteuerung durch noch die Außensteuerung, sondern eine institutionelle Hereinnahme gesellschaftlicher Verantwortung in die Unternehmung Hochschule, das ist die Grundphilosophie zur Gestaltung des neuen Hochschulrates, die hier wirkungsmächtig verankert wird.

Eine besondere Rolle messen wir auch hier der Mitwirkung des weiblichen akademischen Personals bei, indem wir die Frauenbeauftragte mit Sitz in diesem Gremium versehen - volle Informations- und Redefreiheit, aufgrund der Parität, die hier zwischen externen und internen Mitgliedern angezeigt ist –, aber von einem Stimmrecht absehen.

Die Grundfrage ist, welche Rolle die Hochschulen spielen sollen und welchen gesellschaftspolitischen Auftrag wir diesen wichtigen Institutionen in unserem Lande mitgeben wollen, und wie man damit umgeht. Die Hochschulen haben drei Kernaufgaben.

Erste Kernaufgabe ist die Mehrung des Wissens und dessen Weitergabe in der akademischen Lehre. Die zweite Kernaufgabe ist die des gesellschaftspolitischen Marktplatzes. Alle wichtigen Probleme unserer Gesellschaft müssen an der Stelle, an der die Wissensgrenzen nach vorne geschoben werden, intensiv diskutiert und debattiert und auch gesellschaftspolitisch verantwortet werden.

(Wolfgang Vogel (SPD): Und deshalb ist auch unser Änderungsantrag abgelehnt worden!)

Die dritte Kernaufgabe ist die Frage, wie wir mit dem ökonomischen Faktor Hochschule umgehen. Jede Hochschule ist eine Unternehmung mit einem hohen ökonomischen Faktor, mit dem was an staatlichen Mitteln eingesetzt wird, mit dem was über Drittmittel, seien es staatliche oder nichtstaatliche Drittmittel, an Wertschöpfung passiert und mit dem, was an konkreter Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Kräften möglich ist.

Hochschulen binden große ökonomische Potenz und entfachen solche. Vor diesem Hintergrund ist die Rolle der Hochschule die einer Unternehmung mit besonderem gesellschaftspolitischem Auftrag. Deshalb die Philosophie, eine entsprechende gesellschaftspolitische Verankerung zu erzeugen.

Der größeren Eigenverantwortung, die die Hochschule wahrzunehmen hat, steht natürlich ihre Kernaufgabe von Forschung und Lehre gegenüber. Insbesondere die Lehre rücken wir mit dieser Gesetzgebung noch weiter in den Mittelpunkt der Hochschulen.

Die Verantwortung des akademischen Lehrpersonals für die Ausbildung der jungen Menschen gerade in den kommenden 15 Jahren ist in der gesellschaftspolitischen Wirkung gar nicht hoch genug anzusetzen. Wir haben bis etwa 2010, 2012 oder 2014 die letzten geburtenstarken Jahrgänge. Sie stellen einen Auftrag für eine Gesellschaft dar, die dem demographischen Wandel mit einer solchen Brutalität ausgesetzt ist wie die unsere. Diese letzten geburtenstarken Jahrgänge sind optimal akademisch auszubilden. Dem wird Rechnung getragen, und dem ist Rechnung zu tragen.

Das verfolgen wir mit größten Anstrengungen, die natürlich auch mit der Frage der Ressourcenzuteilung durch die Wissenschaftspolitik zu tun hat. Hier sind wir alle in einem ganz hohen Ausmaß gefordert.

Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung tragen mit dem Innovationspakt bis 2008 dieser Herausforderung Rechnung. Aber das reicht nicht aus. Die Anstrengungen sind in einem Höchstmaß zu forcieren, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.

Frau Kollegin Rupp hat ein Zitat aus dem Mittelstraß-Gutachten gebracht. Es war eines der wenigen präzisen Zitate. Es bezog sich auf die grundlegende Unterfi nanzierung der Hochschulen in Deutschland. Das ist zu unterstreichen.