Protocol of the Session on May 18, 2006

Im höheren Dienst sind die Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. 26,4 % im Jahr 2003 gegenüber 26,1 % im Jahr 2001 kennzeichnet die Entwicklung. Das ist ein Fortschritt um 0,3 % in drei bis vier Jahren. Langsamer kann es nicht mehr gehen.

Bei 95,4 % der Dienststellen sind mehr Männer als Frauen in Führungspositionen beschäftigt. 2002 waren es 95 %. Also nur in knapp 5 % der Dienststellen sind mehr Frauen als Männer in Führungspositionen. Solche Zahlen zeigen eindeutig auf, dass gleichstellungspolitische Defi zite in Bayern vorhanden sind und Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb verwundert es schon, wenn in der Stellungnahme des Sozialministeriums, Frau Ministerin, zu einer Petition des Deutschen Juristinnenbundes Landesverband Bayern Folgendes zu lesen ist:

Der dritte Bericht der Staatsregierung bestätigt die Vorreiterrolle des bayerischen öffentlichen Dienstes bei der Umsetzung von Chancengleichheit und Gleichstellung.

Ich möchte fragen, wo da die Vorreiterrolle liegt angesichts der Tatsache, die ich gerade geschildert habe. Kann es vielleicht sein, dass wir auf unterschiedlichen Veranstaltungen waren? Ich habe jedenfalls anderes aus diesem Gleichstellungsbericht herausgelesen als Sie. Das Beschönigen und Vernebeln von Tatsachen tut schon etwas weh.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem Gesetzentwurf der Staatsregierung, der heute beraten wird, gesteht die Staatsregierung eigentlich ein, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern – ich zitiere aus der Begründung – noch nicht überall und noch nicht vollständig umgesetzt ist. Gleichstellung, so stellen Sie selber fest, sei noch nicht gelebte Realität, wie in der Problembeschreibung im Gesetzentwurf zu lesen ist.

Also: Von wegen Vorreiterrolle! Wenn es so wäre, brauchten wir diese Formulierung nicht.

Wenn bei der CSU und der Staatsregierung diese Erkenntnisse vorliegen, dann verstehe ich nicht, dass Sie mit dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf nicht mehr Mut zeigen. Der große Wurf ist dieser Gesetzentwurf nicht.

(Beifall bei der SPD)

Er beschränkt sich auf wenige, unbedeutende Veränderungen, die alle unter dem Gesichtspunkt der Kostenneutralität stehen oder, wie es neuerdings formuliert wird, belastungsneutral sind; dies klingt vielleicht nicht ganz so scharf.

Eine wirkliche Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten fi ndet durch den von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf leider nicht statt, wie es sich die Gleichstellungsbeauftragten vor allem zum Beispiel im Hinblick auf die Mindestfreistellung gewünscht hätten.

Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Verlängerung des Zeitraums der Berichterstattung von drei auf fünf Jahre begründen Sie mit dem Gesichtspunkt des Bürokratieabbaus. Ich sehe das allerdings eher unter dem Gesichtspunkt von weniger Mitwirkungsmöglichkeiten durch das Parlament. Denn der nächste Bericht würde nach Ihrer Vorstellung erst im Juni 2010 gegeben werden und nicht im Juni 2008. Ich sage: So entledigt man sich eines Berichts kurz vor der nächsten Landtagswahl, der – so war es in der Vergangenheit der Fall –, nicht zum Besten für die Staatsregierung ausfi ele.

Auch kann dieses gewählte Parlament in der 15. Legislaturperiode nicht mehr bewerten – das ist für mich wichtig –, wie sich die gleichstellungspolitischen Bemühungen im öffentlichen Dienst fortentwickelt haben, und sich auch nicht mehr der Verantwortung stellen, wie es sich für ein Parlament eigentlich gehört.

Weiterhin fi nde ich es nicht logisch, wenn Gleichstellungsbeauftragte für drei Jahre bestellt werden, aber der Gleichstellungsbericht alle fünf Jahre gegeben werden soll. Das ist nicht konsequent.

Wenn sich die Gleichstellung von Frauen und Männern nicht weiterhin wie eine Schnecke bewegen soll oder nicht auf Glatteis immer wieder ausrutschen soll – wir hatten in den letzten Jahren einige Rückschritte zu verzeichnen –, dann müssen wir jetzt Fakten schaffen und dazu beitragen, dass Bayern im 21. Jahrhundert auch in Sachen Gleichstellung Spitze wird. Dies müsste doch vor allem ein großes Anliegen des Ministerpräsidenten sein. Denn er will doch, dass Bayern in allen Bereichen Spitze in Deutschland ist. Da wäre es doch schön, wenn Bayern Spitze auch in Sachen Gleichstellung werden würde. Das wäre ein gemeinsames Ziel, auf das wir alle zusammen hinwirken könnten und sollten.

Die SPD-Landtagsfraktion will mit ihrem Gesetzentwurf und ihrem Änderungsantrag den Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten in Bayern die Arbeit weiterhin ermöglichen, aber besser als in der Vergangenheit. Wir haben uns nach vielen Gesprächen und Beratungen mit den Gleichstellungsbeauftragten in den vergangenen Jahren ursprünglich auf wenige Punkte konzentriert in der Hoff

nung, dass die Staatsregierung und die CSU wenigstens bereit seien, diese wenigen Punkte mitzutragen. Dies konnten wir jedoch, nachdem der Gesetzentwurf dem Parlament zugeleitet worden ist, nicht feststellen. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag mit Forderungen auf den Weg gebracht, die unseres Erachtens unbedingt in die Gesetzgebung einfl ießen müssen. Es sind Forderungen, die durch zehn Jahre praktische Erfahrungen mit dem Gleichstellungsgesetz begründet sind. Diese Forderungen wurden auch in zahlreichen Petitionen an den Bayerischen Landtag herangetragen.

Ich gehe auf einige wenige Forderungen ein, die meines Erachtens wichtige Forderungen sind.

Zunächst spreche ich zum Finanzierungsvorbehalt. Der Finanzierungsvorbehalt nach Artikel 2 Absatz 4 muss unseres Erachtens unbedingt fallen. Für die Staatsregierung ist die Fortführung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes jedoch nur in einem im Ergebnis belastungsneutralen Rahmen darstellbar. Die Fortführung darf nicht konnexitätsrelevant sein; so formuliert die Staatsregierung.

Ich sage: Wären Sie dem Vorschlag der SPD aus dem Jahr 1996 gefolgt, dann hätte es überhaupt keine zeitliche Befristung auf zehn Jahre gegeben, und dann müssten Sie, Frau Ministerin, jetzt nicht über Konnexität sprechen. In anderen Bereichen, die die Staatsregierung verändert – zum Beispiel bei G 8 –, ist die Konnexität doch auch egal. Da lassen Sie doch die Kommunen in Bayern auf ihren Kosten sitzen. Ich denke allein an die mittelfränkischen Kommunen, wo es um eine Größenordnung von 23 Millionen Euro geht. Da spielt das Konnexitätsprinzip keine Rolle. Aber in Sachen Gleichstellung führt man das als Argument an.

Ein weiterer Punkt. Die Unterscheidung zwischen Gleichstellungsbeauftragten und Ansprechpartnern ist unseres Erachtens nicht gerechtfertigt. Es dürfte keine Differenzierung zwischen Gleichstellungsbeauftragten und Ansprechpartnern geben.

Im Gleichstellungskonzept sollten nach unserer Meinung auch vorhandene Unterschiede in Bezug auf Leistungsprämien, Leistungsfunktionen, Beurteilungen, Wahrnehmung von Elternzeit dargestellt und erläutert werden. Ebenso werden ja schon bisher Kriterien dargestellt, wie Voll- und Teilzeittätigkeit, Beurlaubung oder Fortbildung.

Frauen sollten bei Einstellungen und Beförderungen bevorzugt berücksichtigt werden. Der alleinige Hinweis im Gesetz, dass der Frauenanteil zu erhöhen ist, hat in der Vergangenheit wenig gebracht. Ich habe vorhin die Zahlen genannt. Die Neubesetzung von Führungspositionen mit Frauen ist auf 20 % gesunken. Das zeigt schon auf, dass man hier nicht immer nur mit Appellen arbeiten kann, sondern Vorgaben in ein Gesetz gezielt hineinschreiben muss, damit das Gesetz dazu beiträgt, dass wir vorankommen und uns nicht wie eine Schnecke fortbewegen oder auf Glatteis immer wieder ausrutschen.

Gleichstellung ist als verpfl ichtendes Thema von Fortbildungsmaßnahmen vorzusehen, insbesondere bei

Beschäftigten, die im Organisations- und Personalwesen tätig sind, sowie bei Vorgesetzten, die Leitungsfunktionen innehaben. Eine Verpfl ichtung ist ein konkreter Handlungsauftrag, Frau Ministerin. Man sollte das nicht auf freiwilliger Basis regeln. Denn wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass das zu wenig angenommen worden ist. Das Thema ist auch zu wenig angeboten worden. Also brauchen wir in diesem Bereich verpfl ichtende Bildungsmaßnahmen.

(Beifall bei der SPD)

Artikel 15, in dem die Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten geregelt wird, muss konkretisiert werden. Gleichstellungsbeauftragte sind nach Meinung der SPD schon bei Dienststellen ab 20 Beschäftigten vorzusehen, nicht erst ab 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für jede Gleichstellungsbeauftragte muss es auch eine Stellvertretung geben. Es sollte auch die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung geben. Die Gleichstellungsbeauftragten sollen an den Besprechungen zwischen Dienststelle und Personalvertretung teilnehmen. Diese Forderung der SPD wurde vom Hohen Hause übernommen. Ebenso wurde unser Vorschlag übernommen, dass eine dienstliche Beurteilung der Tätigkeit nur auf Antrag der Gleichstellungsbeauftragten erfolgt. Übernommen wurde auch unsere Forderung nach einer angemessenen Sach- und Personalausstattung.

Gleichstellungsbeauftragte müssen mit mindestens der Hälfte der Regelarbeitszeit beschäftigt werden. Diese weitere Forderung von uns ist aber leider nicht von Ihrer Seite übernommen worden. Diese Forderung ist unseres Erachtens realistisch und auch aus der Erfahrung der vergangenen Jahre begründet. Ich bedauere es, dass Sie sich in dieser Hinsicht nicht bewegt haben.

Wenn alle diese unsere Forderungen erfüllt worden wären oder erfüllt würden – diese Möglichkeit haben Sie heute noch –, hätte das künftige Gesetz auch Hand und Fuß und würde mehr als in der Vergangenheit dazu beitragen, dass wir einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern endlich näher kommen. Dann würden nicht noch ein paar Jahrhunderte ins Land gehen, wie es in dem Presseartikel heißt, den ich eingangs erwähnt habe. So viel Zeit haben wir nicht mehr. Es ist schon zu viel Zeit ins Land gegangen.

Viele dieser Forderungen wurden auch in über 50 Petitionen mit 106 Unterschriften an den Bayerischen Landtag herangetragen, so zum Beispiel von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Bayern, von der Arbeitsgemeinschaft Frauenseelsorge in Bayern, vom katholischen deutschen Frauenbund, von der Landesarbeitsgemeinschaft der bayerischen kommunalen Frauenbeauftragten, von den Fraktionen im Augsburger Stadtrat und der Arbeitsgemeinschaft Augsburger Frauen, von der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen oder vom deutschen Juristinnenbund, Landesverband Bayern, um nur einige zu nennen, aber auch um aufzuzeigen, wie breit die Beteiligung an einem solchen Gesetzgebungsverfahren in der Öffentlichkeit ist.

Vielleicht wäre aber Vieles auch anders, Kolleginnen und Kollegen, wenn mehr Frauen im bayerischen Kabinett säßen und wenn Sie, Frau Ministerin, etwas mehr Unterstützung von Ihren Kolleginnen bekommen würden. Es ist schade, dass Sie heute als einzige weibliche Vertreterin des bayerischen Kabinetts hier sitzen. Auch hier könnte die Bayerische Staatsregierung ein Signal geben, so wie es in anderen Bundesländern der Fall ist. Schauen Sie einmal nach Rheinland-Pfalz, dort könnte sich die Bayerische Staatsregierung in Sachen Gleichstellung etwas abschauen. Das gilt im Übrigen auch für die Zusammensetzung des Kabinetts in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei der SPD)

Auch der CSU-Fraktion würden mehr Frauen nicht schaden. Die größte Fraktion im Bayerischen Landtag kann lediglich einen Frauenanteil von 17,7 % vorweisen. Das ist ein beschämendes Ergebnis im 21. Jahrhundert. Bei der SPD-Landtagsfraktion sind es immerhin 41,5 %.

(Simone Tolle (GRÜNE): Und bei uns mehr als 50 %!)

Das dürfen dann Sie sagen. Ich habe es bewusst nicht gesagt.

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Wissen Sie nicht, dass die Bundeskanzlerin weiblich ist?)

Wenn Sie bayerische Ministerpräsidentin wäre, wäre es schon etwas anderes, Herr Kollege Prof. Dr. Eykmann.

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Ich weiß, das tut Ihnen weh!)

Dennoch möchte ich es nicht unerwähnt lassen, dass es durch diesen Gesetzentwurf und die dazu eingereichten Änderungsanträge zu kleinen Verbesserungen gekommen ist. Ich vermag zu erkennen, dass sich etwas verbessert hat. Allerdings sind es nur kleine Verbesserungen nach dem Motto: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Fortbildung in Gleichstellung und in geschlechtersensibler Betrachtungsweise ist zum Beispiel ins neue Gleichstellungskonzept mit aufgenommen worden. Auf die Teilzeitfähigkeit von Stellen muss bei der Ausschreibung hingewiesen werden. Auch das ist ein Fortschritt. In dem Zusammenhang möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass Teilzeitbeschäftigte dann nicht dadurch benachteiligt werden, dass sie längere Beförderungswartezeiten hinnehmen müssen. Dazu haben wir nämlich auch Rückmeldungen von Frauenbeauftragten, unter anderem auch von einer Kollegin aus dem bayerischen Finanzministerium, die sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen musste; trotzdem ist diese Forderung in Bayern noch nicht umgesetzt worden. Darauf sollten wir uns noch einmal gemeinsam stürzen, damit solche Benachteiligungen, die wir alle gemeinsam nicht wollen, im Freistaat Bayern nicht mehr vorkommen. In den Gesetzentwurf sollte auch die fl exiblere Gestaltung der

Arbeitszeit bei zwingenden familiären Pfl ichten aufgenommen werden. Das ist sehr schön und sehr gut. Die Verlängerung der Arbeitszeit auf 42 Stunden in Bayern geht aber eindeutig zulasten der Familienzeit. Darüber wurde im Zusammenhang mit dem Gleichstellungsgesetz nicht gesprochen.

(Beifall bei der SPD)

Als weiterer Punkt wurde das Tätigwerden der Rechtsaufsichtsbehörden bei Nichthandeln aufgenommen. Mich hat es schon sehr erstaunt, dass diese Passage, die wir im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes einstimmig in den Gesetzentwurf aufgenommen haben, im Kommunalausschuss wieder angezweifelt worden ist. Artikel 23 wurde im Kommunalausschuss von der CSUMehrheit infrage gestellt. Ich hoffe, dass sich das Hohe Haus heute dazu noch eindeutig äußern wird. Ich bin der Meinung, dass die Rechtsaufsicht den Vollzug des Gesetzes überwachen und begleiten soll. In der Vergangenheit wurde eben festgestellt – und das mussten wir auch beim dritten Gleichstellungsbericht erfahren –, dass sich zahlreiche Dienststellen durch Wegducken dem Gleichstellungsgesetz entzogen haben. Dieses Gesetz gilt seit zehn Jahren im Freistaat Bayern. Deshalb muss die Staatsregierung dafür Sorge tragen, dass dieses Gesetz auch vollzogen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich schon, bei welchen anderen Vorschriften die Staatsregierung über so viele Jahre darüber hinwegsieht, dass untergeordnete Behörden diese Vorschriften nicht vollziehen. Auf welchen anderen Gebieten außer der Gleichstellung von Frauen und Männern fi ndet das noch statt? Sogar beim Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen hat das Ministerium die Regierungen aufgefordert, rechtsaufsichtlich tätig zu werden, wenn die Kommunen nicht handeln. Frau Staatsministerin, es ist wichtig, dass das Sozialministerium noch einmal schärfer an die untergeordneten Behörden herangeht, welche das Gleichstellungsgesetz nicht in allen Punkten erfüllen. Diese Behörden müssen die Rechtsaufsicht spüren, und deshalb ist es wichtig, dass der Artikel 23 im Gesetz bleibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichstellungspolitik ist Querschnittspolitik und Gesellschaftspolitik. Wer eine menschliche Gesellschaft will, muss die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen verwirklichen.

(Beifall bei der SPD)

Ich fordere Sie auf, diesem Verfassungsauftrag endlich gerecht zu werden.