Herr Gabsteiger, grüß Gott. Ich weiß, Sie freuen sich, dass Sie heute einmal einen Mittelfranken hier sprechen hören.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich schon, was dieser Antrag heute soll. Ähnlich wie die GRÜNEN, die innerhalb von wenigen Wochen mehrfach über den Transrapid reden, sprechen Sie wieder einmal über ein Thema, über das wir erst vor kurzem gesprochen haben.
Man kann sich allerdings vorstellen, dass Sie wenigstens ein bisschen was vom Glanz der schönen Veranstaltung zur Eröffnung der Neubaustrecke Nürnberg -Ingolstadt – München am letzten Samstag auf Ihre Fraktion fallen lassen wollen. Mit Verlaub, da waren Sie nicht sonderlich stark vertreten, weswegen ich verstehe, dass Sie das heute nachholen wollen. In einer Nürnberger Zeitung war der Spott eines Besuchers von außerhalb Bayerns sehr schön wiedergegeben, der fragte, warum sich eigentlich die Bayerische Staatsregierung an diesem Tag feiern lässt, nachdem sie zu diesem Projekt keinen Cent Beitrag geleistet hat. Aber darauf verstehen Sie sich gut. Deswegen beschäftigen wir uns heute noch einmal mit der Neubaustrecke. Ich tue das sehr gerne, vor allem weil ich das heute mit Ihnen machen darf, Herr Stöttner.
Wenn Sie am letzten Samstag hätten dabei sein können – es war schade, dass Sie es nicht konnten, wie viele von Ihnen –, dann hätten Sie gewusst, dass die Forderung, die Sie hier vorgetragen haben, vom Bundesverkehrsminister der Bundesregierung – der Regierung, der auch die CSU angehört, was hier gerade außen vor blieb – angekündigt wurde. Er hat für die Ausbaumaßnahme 8.1 einen Zeithorizont genannt, und er hat auch dazu gesagt, dass man dafür Geld wird in die Hand nehmen müssen. Bundesverkehrsminister Tiefensee hat das in aller Öffentlichkeit
gesagt, und dabei war er klarer als Sie. Er hat gesagt, es werden jährlich 250 bis 350 Millionen Euro sein. Er hat auch gesagt: Es wird nicht einfach werden. Was Sie hier heute publikumswirksam verkaufen wollen, das ist bereits geklärt. Der Bundesverkehrsminister hat es bereits angekündigt. Wenn Sie auch weiterhin die politischen Ziele der Bundesregierung verkünden, haben wir keine Probleme damit. Wenn Sie dann Ihrer eigenen Staatsregierung ein bisschen Dampf machen wollen – auch damit haben wir keine Probleme.
Nun zu der Strecke. Wir haben darüber bereits ausführlich gesprochen. Ich glaube, es war noch im alten Plenarsaal, als ich unsere Haltung am 10. Mai 2004 formuliert habe. Ich kann das heute nur wiederholen: Wir, die SPD-Fraktion, wollen trotz der Probleme, die mit der Strecke verbunden waren und die mit der Strecke weiterhin verbunden sind, die Verwirklichung nicht in Frage stellen, denn alles andere wäre angesichts der bereits eingesetzten Mittel unverantwortlich. Warum? – Wir wollen eine schnelle Verbindung zwischen München und Berlin, und wir wollen eine leistungsfähige schnelle Bahnverbindung im Schienenfernverkehr, um Kurzstreckenfl üge im Inland zu ersetzen. Wenn man A will, muss man auch B sagen.
Der Herr Staatssekretär hat zu Recht auf meinen Einsatz für Bahnprojekte in Nürnberg hingewiesen. Ich verstehe nicht, warum Sie das jetzt relativieren, immerhin hat der Herr Staatsminister doch gesagt, die Nürnberger S-Bahn ist in trockenen Tüchern. Ich hoffe nicht, dass sich das anders – –
Sie haben das allerdings schon geschoben, bevor Sie sagten, Sie wehren sich nicht gegen die Kürzungen der Regionalisierungsmittel. Also: Wer Nürnberg-ForchheimBamberg will, der muss die Maßnahme 8.1 wollen. Noch ein Hinweis. Die Re-Desgin-Maßnahmen für die ICEFlotte 1 gibt vielen Hundert Menschen im alten Ausbesserungswerk in Nürnberg Arbeit. Wir werden diese Arbeitsplätze nur dann weiterhin haben, wenn wir auch weiterhin auf ICE-Projekte setzen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf etwas, von dem ich glaube, dass es sonst hier noch nicht thematisiert wurde: Das Ausbesserungswerk – jetzt Kombiwerk – in Nürnberg ist das letzte verbliebene Ex-Bundesbahnausbildungswerk in ganz Süddeutschland. Es ist das Letzte! Auch daran haben wir zu denken, weil wir in diesem Staat an Beschäftigung zu denken haben.
Ich weiß, was Herr Kollege Dr. Magerl – den ich als Kontrahenten auch in diesem Punkt sehr schätze –, sagen wird. Dazu sage ich gleich, dass wir ungeachtet dieses Bekenntnisses zu 8.1 sagen, wir wollen die anderen Strecken in Oberfranken nicht aus dem Blick verlieren. Wir treten ein für die Saaletal-Bahn, für die Franken-SachsenMagistrale, und wir tun das seit Albrecht Schlägers Zeiten engagierter als irgendjemand sonst in diesem Haus. Wir
haben diese Strecken beim Landesentwicklungsprogramm auch wieder angemeldet, wie das auch alle anderen Fraktionen dieses Hauses gegen die Staatsregierung angemeldet haben. Was diese Frage angeht, sind wir also mit uns im Reinen.
Nun zu dem anderen interessanten Thema, der Zulaufstrecke zum Brenner-Basistunnel. Herr Kollege Stöttner, ich glaube, Sie haben da etwas übernommen, und ich weiß auch nicht, wer den Antrag formuliert hat. Wenn er, wie immer, aus dem Ministerium käme, dann gäbe es dort größere Probleme. Wer auch immer ihn formuliert hat – er zeigt jedenfalls, dass er über die Verfahrensabläufe in Berlin, in der Bundesregierung, der auch Sie angehören, nicht informiert ist. Ganz kurz: Worum geht es? – Die Zulaufstrecke München – Rosenheim – Kiefersfelden, also die Zulaufstrecke Deutschland – Österreich, ist im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2003 als Internationales Projekt mit einem Investitionsvolumen von etwa 1,57 Milliarden Euro verzeichnet. Sie ist also auch nicht ganz billig. Was ist ein Internationales Projekt? – Ein Internationales Projekt ist ein solches Projekt, bei dem in Vereinbarung mit dem jeweiligen Nachbarland Regelungen zu treffen sind und die Wirtschaftlichkeit nachzuweisen ist. Wir unterstützen wegen der enormen Bedeutung des Alpentransits und der Entlastungsnotwendigkeit ausdrücklich alle Maßnahmen, um rasch zur Vollendung dieser Ausbaumaßnahme zu kommen. Wir unterstützen das ohne Wenn und Aber ausdrücklich. Wir wollen auch, dass die Strecke so rechtzeitig ausgebaut wird, dass, sollte der Brennertunnel im Jahr 2015 fertig sein, was fraglich ist, wir kein Nadelöhr haben. Wir wollen, dass wir die Strecke dann auch nutzen können. Ich sagte, aufgrund meines letzten Gesprächs mit dem Bundesverkehrsministerium, der Tunnel „soll“ fertig sein. Dieses Gespräch liegt gerade eine Stunde zurück, Herr Staatssekretär, für den Fall, dass Sie den neuesten Sachstand nicht kennen.
Auch hier stellt sich eine Stilfrage. Herr Stöttner, Sie haben das sehr nett gemacht, Sie sind ja recht charmant, aber Sie tun so, als ob es wieder einmal der Bund wäre, der hier bremst.
Wo ist denn der bayerische Beitrag? Wo schiebt Bayern denn an? – Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt am 4. April 2006, dass der Freistaat Bayern vom Abschluss des zugrunde liegenden Staatsvertrages zwischen Österreich und Italien „mehr oder weniger durch Zufall erfahren hat, was ein bezeichnendes Licht auf die lückenhafte Koordinierung der politischen Aktivitäten zur Realisierung des Tunnelbaus wirft.“ Ich halte das so fest. Dass die Staatsregierung dabei die gut informierte, treibende Kraft wäre, kann ich hier nicht feststellen.
In dem neuen Entwurf des Landesentwicklungsprogramms haben Sie die Strecke ganz allgemein hineingeschrieben. Aber Herr Kollege Wörner hat es Ihnen doch ins Stammbuch geschrieben – ich muss ihn direkt zurück
halten, damit er jetzt nicht zweimal hintereinander spricht und sich dann fast überfordert –: Wo haben Sie im LEP denn Vorbereitungen getroffen, um die Strecke schneller zu verwirklichen? Was ist denn dort drin? Lesen Sie das nach, Herr Kollege Stöttner. Vor der denkwürdigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses in der letzten Woche stand nichts drin, und auch jetzt steht noch nichts drin, außer der Aussage: Wir wollen das machen. Wenn Sie Anträge wie heute stellen, dann handeln Sie doch auch konsequent.
Was ist eigentlich der Sachstand? Vor einer Stunde habe ich Folgendes im Bundesverkehrsministerium erfahren – Herr Staatssekretär, ich gebe Ihnen gerne die Telefonnummer im Bundesverkehrsministerium, damit wir den gleichen Sachstand haben. In der Regierungsarbeitsgruppe von Deutschland, Italien und Österreich sitzt auch ein Vertreter des Bayerischen Wirtschaftsministeriums regelmäßig als Gast. Das ist doch wunderbar. Ihre Fraktion müsste doch dann bei Nachfrage eigentlich den gegenwärtigen Verfahrensstand kennen. Momentan erstellt Österreich eine Prognose für den Brennerverkehr. Es musste noch einmal eine aktuelle Prognose gemacht werden. Die wird jetzt gemacht und ist bis Herbst 2006 angekündigt. Dann – logische Folge – wenn Österreich diese Prognose vorgelegt hat, wird der Bund eine Studie zur Frage in Auftrag geben, was, wo, wie neu zu bauen oder auszubauen ist, und zwar unter Einschluss der Frage der Wirtschaftlichkeit. Solche Berechnungen brauchen wir hier wie bei allen anderen Bundesschienenwege-Ausbauprojekten auch. Wenn wir das haben, dann können wir ein Regierungsabkommen schließen. Wenn wir dann beispielsweise einen Grenztunnel zwischen Kufstein und Kiefersfelden brauchen, können wir einen Staatsvertrag schließen. In dieser Reihenfolge, Herr Stöttner, geht das. Wir können aber nicht erst einen Staatsvertrag abschließen, und dann mit den Planungen beginnen. Wir müssen die Schritte nacheinander abarbeiten. Ich glaube, ich konnte gerade darlegen, dass die Schritte bereits eingeleitet sind.
Die Voraussetzungen für die Ausbaustrecke müssen geschaffen werden, sie müssen auch schnell geschaffen werden. Die von mir beschriebene Entscheidungsabfolge ist also zügig und ohne Verzögerungen durchzuführen. Es muss aber immer ein Schritt nach dem anderen gemacht werden, sonst macht das Ganze keinen Sinn.
Wenn die konkreten Planungsschritte eingeleitet werden, ist es wichtig, die berechtigten Anliegen der dortigen Anwohner einzubeziehen. Dazu höre ich von Ihnen nichts. Dabei wissen Sie doch, das ist im Inntal und in Kiefersfelden ein großes Thema. Die Menschen dort sagen, wir bekommen weitere Belastungen dazu. Das bedeutet, wenn wir die Ausbaustrecke machen, dann muss die Strecke für die Menschen, die dort leben, weniger Dreck und weniger Lärm, aber mehr Lebensqualität bedeuten. Ich habe es bereits gesagt, genau daran wird derzeit in Berlin gearbeitet. Wenn Sie meinen, dass der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung in der Arbeitsgruppe etwas tougher sein sollte, dann haben Sie unsere Unterstützung.
Sie haben schließlich in Ihrem Antrag die Achse ParisAugsburg-Budapest angesprochen. Sie sagen zu Recht,
Mir ist wichtig, zu betonen: Das berücksichtigt auch die Interessen des Großraums Augsburg. Ich verstehe Augsburg.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, Herr Kreuzer: Entweder drehen Sie Ihr Notebook um; dann kann ich mitlesen und auch mitlachen, oder wir machen das in der ersten Reihe leiser; denn so ist das ein Problem.
Ich habe von Augsburg gesprochen. Ich kann verstehen, dass Sie das Problem Augsburg nicht so sehr interessiert; damit kämpft auch die CSU-Fraktion. Uns interessiert Augsburg; uns interessiert auch die Anbindung von Augsburg.
Eines muss gelten – deshalb bin ich auch dafür dankbar, dass Sie in dem Antrag einen entsprechenden Absatz haben –: Die Einbindung Augsburgs in ein Schienenfernverkehrsnetz – ich unterstreiche Fernverkehrsnetz, nicht irgendein Schienenverkehrsnetz – darf nicht wegfallen. Wir dürfen in unserem Netz keine Nord-Süd-Fixierung bekommen, sondern wir brauchen die Ost-West-Perspektive.
Sie sehen also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die SPDLandtagsfraktion hat klare Vorstellungen für den Schienenfernverkehr in Bayern, für die Zukunftsprojekte in Bayern. Immer dann, wenn Sie diesen Vorstellungen nahe kommen, können wir auch Ihren Anträgen zustimmen.
Die Kritik geschieht zu Recht. Es ist schon das zweite Mal, dass das mit der Uhr nicht klappt, wobei mir auffällt: Bei der SPD läuft die Uhr weiter, während bei der CSU die Uhr nicht zum Laufen gebracht wird. Das ist eine eindeutige Benachteiligung der SPD. Ich bitte die Verwaltung, dies abzustellen.
Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Magerl, bitte. Ich weise darauf hin: Die Uhr läuft erst, wenn mit der Rede begonnen wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich könnte es jetzt so wie vorher Kollege Pschierer machen und auf Dutzende von Redebeiträgen und Protokollen des Wirtschaftsausschusses und des Plenums speziell zum Thema Alpentransit und Zulauf zum Brenner verweisen. Daran haben sich schon viele, viele verkehrspolitische Sprecher sowohl der CSU als auch der SPD, zurückgehend bis zu Hans-Günter Nau
mann von der SPD, abgearbeitet. Ich weiß nicht, wie viele Anträge wir zum Ausbau des Zulaufs des deutschen Streckenteils des Alpentransits und in Richtung Brenner gehabt haben – sie sind auf alle Fälle Legion. Ich gehöre dem Haus seit der 11. Legislaturperiode an. Seitdem lösen wir den Alpentransit immer mit dem Brenner-BasisTunnel.
Kurzfristig einmal; aber das ist immer wieder gekommen. Über die Strecke Nürnberg – Erfurt haben wir am letzten Freitag im Wirtschaftsausschuss ausführlich diskutiert. Auch darauf kann ich verweisen. Das Gleiche gilt für den Ausbau des deutschen Abschnittes der Strecke Paris – Budapest.
Lassen Sie mich ein paar aktuelle Punkte anführen. Ich möchte nicht all das wiederholen, was in den letzten Wochen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten dazu gesagt worden ist, ohne dass allzu viel vorangegangen ist. Sie schreiben hier so schön Berlin – Palermo. Ich habe eine aktuelle Meldung von heute: Palermo können Sie streichen; das ist weggefallen, weil die neue italienische Regierung gesagt hat: Als eine der ersten Maßnahmen ziehen wir die Notbremse; die Brücke nach Sizilien wird nicht gebaut. Mit Ihren Planungen und Überlegungen müssen Sie also spätestens in Süditalien aufhören. Betrachtet man Schienen-Diskussionen, ist es ganz interessant und witzig, dass es im Ausland die gleichen Debatten gibt, gerade bei solch sündhaft teuren Prestigeprojekten. Ich zitiere aus der „Netzeitung“ von heute, 13.27 Uhr. Darin wird der neue italienische Verkehrsminister Alessandro Bianchi zitiert; er bezeichnet das Projekt dieser Brücke nach Sizilien als das schädlichste und unsinnigste der vergangenen hundert Jahre. Dort gibt es ähnliche Diskussionen über diesen teilweise sündhaft teuren, prestigeträchtigen und überzogenen Ausbau von Schienenstrecken.
Wir wenden uns nicht gegen den Ausbau von Schienenstrecken, aber es gibt einige Ausbaumaßnahmen, die so teuer sind, dass sie dann das übrige Schienennetz schädigen, weil dafür dann kein Geld mehr übrig bleibt. Dies gilt zum Beispiel für die Strecke zwischen Nürnberg und Erfurt, die ähnlich wie die jetzt in Betrieb genommene Strecke Ingolstadt – Nürnberg Geldmittel ohne Ende verschlingen würde, die dann in anderen Bereichen letztlich nicht mehr zur Verfügung stehen.
Lückenschluss? – Ich kann auch sagen: Bei der Strecke Palermo – München handelt es sich auch um einen Lückenschluss. Lückenschluss kann ich endlos weit defi nieren; ich kann ihn bis Moskau defi nieren, wenn ich das will.
Herr Kollege, auch diese Diskussion hat einen Bart bis zum Boden. Die Marzlinger Spange wird nie kommen – das garantiere ich Ihnen.