Das wäre Respekt vor religiösen Überzeugungen. Hier träfen sich alle großen Religionen, und zwar mit der Ratio, mit der Vernunft. Deshalb sei Ihnen noch einmal mit Immanuel Kant gesagt: Habt Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Wortmeldungen, die wir bisher hatten, ist klar geworden: Es war richtig, diese Aktuelle Stunde zu beantragen.
Es grenzt schon an Chuzpe zu sagen, offenbar glaubt der Fraktionsvorsitzende der CSU, unser gegenwärtiger strafrechtlicher Schutz sei ausreichend, sonst hätte er nicht eine Strafanzeige erstattet. Glauben Sie, dass man deswegen, weil man eine Vorschrift für verbesserungsbedürftig hält, nicht versuchen sollte, auf der Grundlage des geltenden Rechts zu erreichen, was notwendig ist? Dabei handelt es sich doch um eine ganz billige Polemik, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die blasphemische Verhöhnung religiöser Empfi ndungen und Symbole, die seit einiger Zeit besonders in den Medien um sich greift, ist unerträglich. Der evangelische Landesbischof sagte: Gott ist auf Schutz vor Lästerung nicht angewiesen. Doch er fügte hinzu, dass es darum gar nicht geht. Es bedarf eines Rechtsrahmens, auf den sich die Menschen berufen und verlassen können, wenn sie sich in ihrem Glauben geschmäht und in ihrer Glaubensfreiheit angegriffen fühlen.
Die Bekämpfung solcher Schmähungen ist also mit allen rechtsstaatlichen Mitteln geboten, auch mit strafrechtlichen. Nach § 166 des Strafgesetzbuches in seiner gegenwärtigen Form macht sich strafbar, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Obwohl die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht voraussetzt, dass der öffentliche Friede tatsächlich gestört wird, ist ihr Anwendungsbereich in einer Weise verengt, die den Schutz religiöser oder weltanschaulicher Überzeugung nicht mehr gewährleistet. Sie muss daher geändert werden. Auch ich danke der Justizministerin für ihre Initiative. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal „Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens“ muss wegfallen. Die Religionsbeschimpfung soll bestraft werden, nicht nur die Bedrohung des öffentlichen Friedens. Aus Artikel 4 des Grundgesetzes – Glaubensbekenntnis und Gewissensfreiheit – folgt die staatliche Schutzpfl icht, notfalls auch mit strafrechtlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass das allgemeine Toleranzgebot, religiöse Bekenntnisse Dritter zu achten und zu respektieren, durchgesetzt wird.
Das Tatbestandsmerkmal „Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens“ hat sich in der Rechtsprechung dagegen als Instrument für den Leerlauf der Vorschrift entwickelt. Allzu häufi g wurde die Strafbarkeit verneint unter Hinweis auf Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit, Kunstfreiheit und eben auch das Tatbestandsmerkmal „Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens“. Es gibt aber kein „Obergrundrecht Pressefreiheit.“ Alle Grundrechte fi nden ihre Grenzen an den Grundrechten anderer. Nicht nur die faktische Beseitigung des notwendigen strafrechtlichen Schutzes ist indessen festzustellen. Es kommt hinzu, dass die geltende Regelung in der heutigen Lebenswirklichkeit mitunter sogar als Aufforderung zur Störung des öffentlichen Friedens missverstanden und dadurch ad absurdum geführt wird.
Störung des öffentlichen Friedens und somit Strafbarkeit hängen derzeit nämlich davon ab, wie die beschimpften Gläubigen reagieren. Reagieren sie gewaltfrei, wie Christen oder tolerante Muslime, dann bleibt eine Herabsetzung ihres Glaubens ohne strafrechtliche Folgen. Sind
sie jedoch gewaltbereit wie zum Beispiel fanatische Minderheiten unter den Anhängern des Islam, dann erreichen sie damit strafrechtlichen Schutz für ihren Glauben. Diese zumindest indirekte Privilegierung von Gewaltbereitschaft bei der Verteidigung religiöser Überzeugungen und Symbole pervertiert und verhöhnt unsere freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie. Daher muss dringend ein ausreichender Ehrenschutz für die religiösen Bekenntnisse und ihre Angehörigen auch dann gewährleistet werden, wenn der öffentliche Friede nicht bedroht ist.
Reformbemühungen hat es in den letzten Jahren viele gegeben. Rot-grün hat sich immer wieder dagegen gestellt und dafür gesorgt, dass diese notwendigen Bemühungen scheitern, obwohl es längst fällig gewesen wäre, die Strafvorschrift zu ändern.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Unvergessen ist die Äußerung eines Deggendorfer Hoffnungsträgers der Bayern-SPD, der vor einigen Jahren den gekreuzigten Christus als „Lattengustl“ bezeichnet hat. Ich gratuliere herzlich.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Welnhofer, bis heute habe ich gedacht, dass CSU-Mitglieder und SPDMitglieder in Sachen Glauben und religiöser Überzeugung keine Welten trennen. Ich habe immer gedacht, ich bin in der gleichen katholischen Kirche wie Sie, lese die gleiche Bibel und habe auch eine vergleichbare religiöse Toleranz gegenüber anderen. Ich hoffe sehr, dass Sie da ein eventuelles Missverständnis ausräumen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin keine Medienpolitikerin und auch keine Strafrechtspolitikerin. Aber ich glaube, mich hier als Katholikin äußern zu können, und als Mitglied des Landeskomitees der Katholiken in Bayern kann ich auch bestimmte Erfahrungen einbringen. Ich selbst kann zu der Komikserie „Popetown“ eigentlich nur Dinge sagen, die ich aus den Medien berichtet bekommen und gehört bzw. gelesen habe. Ich habe mir diese Serie nicht angesehen. Ich weiß, dass sie strittig ist, und habe gern zur Kenntnis genommen, dass die englische Fassung von MTV bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen eingereicht wurde. Dort wurde die Freigabe für das Tagesprogramm gegeben. Aus dieser Meldung habe ich gefolgert, dass offensichtlich die Instanz, die für solche Themen zuständig ist, eine Wertung vollzogen hat, die man akzeptieren konnte.
Ich stelle hier ausdrücklich fest, dass ich gut nachvollziehen kann, dass die Katholische Bischofskonferenz bei
den Landesmedienanstalten vorstellig wurde und sie aufforderte, sich für die Absetzung dieser Serie einzusetzen. Da sage ich: Das ist gesellschaftlicher Diskurs; so muss er stattfi nden. Ich kann aber nicht erkennen, warum wir jetzt diese Aktuelle Stunde haben müssen und warum diese zum Anlass genommen werden soll, nach einer Verschärfung des Strafrechts zu rufen.
Ich vermute, dass Sie dieses Thema instrumentalisieren und diese Diskussion aufgreifen, um damit Emotionen zu schüren und politisch zu punkten. Sie haben ja im Augenblick nicht sehr viele andere Themen, die Ihnen ein emotionales Aufwühlen möglich machen.
Sie tun so, als gäbe es keinen Knopf zum Ausschalten und als gäbe es nicht die durch öffentliche Kritik und den Diskurs erreichte Aufforderung, die Serie einzustellen. Sie tun so, als sei die öffentliche Auseinandersetzung nur dann richtig gut, wenn die CSU dazu massiv und strafverschärfend Stellung nimmt.
Kollegin Gote hat bereits angesprochen, dass wir beim Waschstraßenthema allen Grund dazu hatten, darüber zu diskutieren, ob uns der Schutz des Sonntags noch heilig ist. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, haben da eine pragmatische Entscheidung getroffen; der Sonntag war Ihnen bei diesem Thema leider nicht heilig.
Und noch ein letztes Argument möchte ich bringen. Herr Kollege Herrmann, Sie sagten, es müsse die gegenseitige Achtung vor religiösen Gefühlen und Überzeugungen gelten. Das ist in der Tat uneingeschränkter Konsens. Leider haben wir aber in der Vergangenheit die Erfahrung machen müssen – daran muss ich nun doch erinnern –, dass Sie das Argument nicht haben gelten lassen wollen, als wir darauf hingewiesen haben, dass das Kopftuch von muslimischen Frauen auch als Zeichen ihrer religiösen Überzeugung getragen wird. Ich habe das immer als sehr bitter empfunden, weil ich mich noch sehr gut daran erinnern kann, dass meine Großmutter nie und nimmer ohne Kopftuch in die Kirche gegangen wäre.
Das war in der Tat auf dem Land so, und wenn Sie kurz nach dem Krieg auf dem Land aufgewachsen wären, hätten Sie diese Erfahrung auch machen können.
Gerade im Kopftuchstreit haben auch Kirchenleute vor einem Kulturkampf gewarnt. Es darf keine einseitige Zeichensetzung für die Religion geben, sondern das muss für alle Religionen gleichermaßen gelten. Da erinnere ich
mich sehr gerne an die Aussagen von Prof. Böckenförde, einem Sozialdemokraten, Katholiken und herausragenden Verfassungsrechtler, gerade zu diesen Themen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie also die Kirche im Dorf. Belassen Sie das Strafrecht und das Medienrecht so, wie sie sind. Kollege Schindler wird noch darlegen, warum die Vorschriften ausreichen. Lassen Sie uns vielmehr eine Wertedebatte führen mit ordentlichen, durchschaubaren Argumenten. Nur eine solche Debatte ist auch für die nachfolgende Generation eine sinnvoll geführte Debatte.
Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Kaul. – Ich werbe bei den folgenden Rednern dafür, sich wieder auf die fünf Minuten einzustellen.
Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, Ihre Mahnung bringt mich zu der Feststellung: Schade, dass wir für unsere Beiträge nur fünf Minuten zur Verfügung haben.
Die bisherige Debatte zeigt, dass wir das Thema weiterhin vertiefen müssen, und wir werden das auch tun. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns heute im Bayerischen Landtag zum Thema „Mehr Respekt vor religiösen Überzeugungen“ äußern, so liegt die Frage nicht fern, wie denn der Staat und seine Organe in einer demokratischen Gesellschaft das Recht eines jeden Bürgers auf freie und ungestörte Religionsausübung garantieren können. Kollege Welnhofer ist darauf bereits eingegangen.
In den Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Bayern ist die Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt festgeschrieben. Heute sind Religionsfreiheit, Toleranz, Pluralität, Schutz von Minderheiten, regionale und religiöse Vielfalt Bestandteile auch europäischen Grundrechts.
Nun erleben wir durch die Praxis offener Grenzen den Zuzug von Menschen aus anderen Kulturen und anders organisierten Gesellschaften. Die neuen Mitbürger bei uns nehmen hier die eben erwähnten Grundrechte in Anspruch und vergleichen sie mit ihren weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen. Sie erleben dabei oft nicht eine Freiheit zu etwas, sondern eine Freiheit von etwas.
Wir müssen ihnen – ich glaube, das ist so – bei diesem Vergleich oft als haltlos und wertlos vorkommen. Das äußert sich zum Beispiel in unseren elektronischen und Printmedien durch herabsetzende Veröffentlichung und Verächtlichmachung von religiösen Überzeugungen, Glaubensinhalten und Glaubenssymbolen. Beispiele dazu haben wir eben genügend gehört. Ich frage mich: Muss es erst zu Demonstrationen wegen Schmähungen ihres Glaubens sich gedemütigt fühlender Mitbürger kommen, damit Gesetze eingreifen?
Um ein friedliches Zusammenleben in einer freiheitlichpluralen Gesellschaft wie der unseren möglich zu machen, muss ein gesamtgesellschaftlicher Konsens hergestellt werden – wir erleben es gerade – über die gegenseitige Achtung dessen, was dem anderen heilig ist. Das fängt bei der Bildung unserer Jugendlichen an und geht bis zum Kennen lernen und Verstehen unterschiedlicher religiös und weltanschaulich fundierter Standpunkte und Lebensstile. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, konterkarieren auch die privatrechtlichen Medien durch ihre medial inszenierten Vorbilder die familiären und schulischen Vorbilder für Rücksichtnahme und Achtung vor dem Menschen. Herr Kollege Werner, das habe ich besonders für Sie gesagt.
Was hier alles unter Pressefreiheit und Freiheit der Kunst in Anspruch genommen wird, war und ist nicht im Sinne derer, die seinerzeit für die privaten Fernsehanstalten die Hand gehoben haben.
Wir haben danach eine Bereicherung der Programmvielfalt geschaffen. Für mich ist Ernüchterung eingetreten.
Verminderte Achtung vor dem Andersgläubigen scheint mir bei uns aber auch mit der politischen Forderung nach Multikulturalität eingezogen zu sein. Dazu haben mir Gedanken von Papst Benedikt XVI. gefallen, die er geäußert hat, als er noch Kardinal Ratzinger war. Ich darf zitieren: