Protocol of the Session on March 30, 2006

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frauen des Präsidiums, einschließlich des Stenographischen Dienstes, möchten Sie ganz herzlich begrüßen.

(Beifall des Abgeordneten Henning Kaul (CSU))

Einen wunderschönen guten Morgen! Wir wünschen uns allen einen erfolgreichen und guten Sitzungstag.

Ich eröffne damit die 64. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt.

Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, zweier ehemaliger Kollegen zu gedenken:

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 3. März verstarb Herr Alfred Sommer im Alter von 80 Jahren. Er war von 1966 bis 1982 Mitglied des Bayerischen Landtags und vertrat für die Fraktion der SPD verschiedene Stimmkreise in Nürnberg und den Wahlkreis Mittelfranken. Nach der Erfahrung von Krieg und Gefangenschaft ging der gelernte Schlosser zur Stadtpolizei Nürnberg, wo er als Kriminalbeamter tätig war. Ebenfalls in Nürnberg wurde er 1960 und 1966 in den Stadtrat gewählt. Im Bayerischen Landtag engagierte sich Alfred Sommer unter anderem im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für Sicherheitsfragen.

Am 15. März verstarb mit 87 Jahren Herr Günter Wolff. Er gehörte als Wahlkreisabgeordneter von Niederbayern in der Fraktion der SPD dem Bayerischen Landtag von 1954 bis 1966 an. Günter Wolff wurde in Schlesien geboren. Nach der Kriegsgefangenschaft wurde er nach Landshut entlassen. Dort wurde er Inhaber eines Installationsbetriebes. Als Landtagsabgeordneter war er Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen und Kriegsfolgegeschädigten sowie des kulturpolitischen und des sozialpolitischen Ausschusses.

Der Bayerische Landtag wird den beiden Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchten wir noch zwei Kollegen zum Geburtstag gratulieren: Am 14. März feierte Herr Kollege Dr. Otto Hünnerkopf einen halbrunden Geburtstag. Einen runden Geburtstag konnte am 23. März Herr Kollege Blasius Thätter feiern. Wir gratulieren den beiden Kollegen im Namen des gesamten Hauses und persönlich sehr herzlich. Wir wünschen ihnen weiterhin viel Erfolg für ihre parlamentarische Tätigkeit und vor allen Dingen eine gute Gesundheit.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Für Bayerns Bürgerinnen und Bürger – keine Geldverschwendung für den Transrapid“ beantragt.

Die Modalitäten für die Aktuelle Stunde sind bekannt. Ich darf vielleicht nochmals darum bitten – die Technik ermöglicht es uns ja –, dass die einzelnen Rednerinnen und Redner selbst auf ihre Redezeit achten, dann muss ich sie nicht unterbrechen; denn erstens tue ich dies nicht gerne, zweitens erleichtert uns dies den Ablauf der Sitzung.

Ich darf für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Herrn Kollegen Dr. Runge das Wort erteilen. Herr Kollege, es stehen Ihnen zehn Minuten zur Verfügung. Herr Kollege, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit unserem heutigen Thema sind wir topaktuell, denn bekanntlich werden heute die Planfeststellungsunterlagen ausgehändigt. Minister Huber meint, der Transrapid sei nicht mehr zu stoppen. – Wenn er sich da nicht täuscht. Getäuscht haben sich leider auch diejenigen, die geglaubt haben, die Sparzwänge und die Teilhabe an der Bundesregierung würden die CSU zur Vernunft bringen. Staatsregierung und CSU halten weiter an ihrem unsinnigen und unseligen Prestigevorhaben fest und wollen dafür weiter munter Steuergelder in Milliardenhöhe ausgeben.

Meine Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, die Motivation für Ihr Handeln ist wohl in einer Mischung aus Aberglauben an sündteure Prestigeprojekte, aus Verklärung eben dieser zu Heilbringern und aus Ihrer Protzsucht zu fi nden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zugegebenermaßen wundern wir uns, dass Edmund Stoiber nicht schon lange eine Task Force „Transrapid“, eine Task Force „magnetic levitation project“ vorgestellt hat, so hat letzten Mittwoch Erwin Huber bezeichnenderweise nach Brüssel eingeladen. Wir haben im Lexikon und im Google nachgesehen, was dieses schöne Wort „levitation“ heißt und folgende Erklärung gefunden: geisterhaftes Schweben, umstrittenes parapsychologisches Phänomen; das passt also wirklich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir halten aus guten Gründen gegen das bayerische Transrapidprojekt, wobei wir erfreulicherweise die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hinter uns wissen.

(Widerspruch bei der CSU)

Ich darf Ihnen unsere Argumente noch einmal kurz in Erinnerung rufen.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Christ (CSU))

Herr Christ, selbst in Ihrem Bezirk.

In Zeiten klammer öffentlicher Kassen, in denen es auch im öffentlichen Personennahverkehr zu massiven Kürzungen kommt, ist es nicht hinnehmbar, Milliarden von Steuergeldern für das Prestigeprojekt einiger weniger auszugeben. Zudem klafft zwischen den vom Bund bisher zugesagten Mitteln und den Mitteln, die der Freistaat in seinen Finanzierungsvorschlägen so schön formuliert hat, und dem, was der Transrapid kosten soll – mittlerweile 1,85 bis 2 Milliarden Euro – eine ganz große Lücke. Das, was die Staatsregierung an Finanzierungsvorschlägen vorzuweisen hat, ist einerseits äußerst mager und andererseits stark angreifbar. Die 300 Millionen Euro, die als eine Art Vorfi nanzierung aus künftigen Betriebsgewinnen generiert werden sollen, sind nichts anderes als eine Luftnummer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daneben will die Staatsregierung aber auch aus Eigenmitteln der Bahn, aus Mitteln nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz, 100 Millionen Euro für den Transrapid abgezweigt wissen. Das sind Gelder, die dann für die Investitionen in die Schienenwege fehlen. Ein anderes Beispiel: Auch aus den Regionalisierungsmitteln, also aus den Mitteln, die wir eigentlich vom Bund bekommen, um für den Schienenpersonennahverkehr Verkehrsleistungen einzukaufen und daneben Investitionsmaßnahmen im SPNV und im ÖPNV zu bezuschussen, wollen Sie für die Fahrzeugförderung munter 120 Millionen Euro herausnehmen. Tatsächlich sind schon jetzt aus den Regionalisierungsmitteln für die Machbarkeitsstudie, für den Unterhalt der Vorbereitungsgesellschaft und jetzt für die Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren viele Millionen ausgegeben worden. Zugesagt sind hier allein für die Planung tatsächlich 42 Millionen Euro und für die Personal- und Sachkosten für die BMG und ihre Nachfolgegesellschaft, die Bayerische Magnetbahngesellschaft mbH, nochmals 13 Millionen Euro. Außerdem sind einige Millionen Euro an Steuer- und Prozessfreihaltungskosten zugesagt. Auch diese Beträge sind aus den Regionalisierungsmitteln abzusichern.

Das ist in unseren Augen ein Unding: Sie haben laufend über geringe Mittelzuweisungen vom Bund lamentiert, man könne den Zugkilometer und jenen Zugkilometer nicht bestellen – und dann zweigen Sie munter Nahverkehrsgelder für Projekte ab, für die diese Gelder gar nicht bestimmt sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kurz zum verkehrlichen Nutzen. Ziel der Anbindung soll sein, vor allem Passagiere von außerhalb des Großraums München, die bisher mit dem Auto anreisen, dazu zu bringen, auf den öffentlichen Verkehr, sprich die Kombination Bahn/Transrapid, umzusteigen. Allerdings ist es – das wissen wir alle-, doch viel weniger die Zeit als die Bequemlichkeit, das heißt der fehlende Komfort, welcher Fluggäste dazu bringt, mit dem Auto zu fahren. Mit dem Transrapid haben wir die Anzahl der Brüche ganz genau so, also von der Bahn auf den Transrapid, zum Flughafen, vorher hat man sich schon zur Bahn hinfahren lassen. Wir

haben wieder die gleiche Zahl von Brüchen, sie sind sogar noch unbequemer, weil das Umsteigen in 42 Meter Tiefe alles andere als komfortabel ist.

Wir fordern weiterhin eine preisgünstige Express-S-BahnLösung, das heißt Verbesserung auf der bestehenden Strecke der S 1, also Westarm zum Flughafen durch einzelne Überwerfungsbauwerke, kleinere Gleisbauwerke, Verzicht auf die Flügelung in Neufahrn. Diese Maßnahmen sind um ein Vielfaches kostengünstiger und weit aus schneller zu realisieren als die Traumzüge der Staatsregierung.

Vorstellbar ist durchaus auch die Realisierung der Expressvariante, wie sie jetzt vorgeschlagen worden ist, Stichwort MAEX – München-Airport-Express – über den Ostarm. Allerdings sagen wir, eine derartige Express-SBahn sollte unseres Erachtens über die alte Stammstrecke geführt werden, damit innerstädtisch möglichst viele Einstiegs- und Verknüpfungspunkte bedient werden können. Dass das jederzeit möglich ist, hat uns die Bahn mit ihren unlängst ausgelegten Planfeststellungsunterlagen hinreichend dokumentiert.

Es gibt viele andere Argumente, aber wir sind in der Aktuellen Stunde und haben leider wenig Zeit, um diese alle auszuführen. Deswegen gehe ich nur noch zu einem Baustein, zu Ihrem Gerede, ihrem Fabulieren von einer „innovativen“ Geschichte. Im Koalitionsvertrag fi nden wir es unter „hochinnovative Leuchtturmprojekte“. Die Transrapidprotagonisten versuchen ihre Kritiker ständig mit dem Vorwurf der Technologie- und Innovationsfeindlichkeit zu diffamieren. Tatsächlich, meine Damen und Herren, handelt es sich beim Transrapid um eine Uralttechnologie, die sich trotz gigantischer Förderung bisher nicht hat vermarkten lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Patente für den linearen Induktionsmotor und für das Schweben mit Magnetfeldern datieren aus den Jahren 1885 und 1902.

(Engelbert Kupka (CSU): Dann wird es höchste Zeit, dass sie umgesetzt werden!)

1935 hat ein Hermann Kemper sein Patent „für das magnetische Schweben mit geregeltem Abstand zwischen Fahrzeug und Führung“ eingereicht.

Mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte ist die Bahn auf der Versuchsstrecke im Emsland geschwebt, 2 Milliarden DM an Steuergeldern sind investiert worden, ohne einen Abnehmer zu fi nden. Die letzte große Diktatur der Erde hat sie auch nur deswegen abgenommen, weil wir sie reichlich mit unseren Steuergeldern nachgefüttert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gerne wird von den Befürwortern der Transrapidstrecke in Bayern deren industriepolitische Bedeutung als Referenzprojekt ins Feld geführt. Eine solche Referenzstrecke gibt es allerdings bekanntermaßen schon in Shanghai.

Selbstverständlich handelt es sich beim Bau des Fahrweges um eine große Investition, die für Beschäftigung sorgt. Es fragt sich nur, wer dann am Bau arbeiten wird, Kollege Wörner. Allerdings muss man ganz klar festhalten: Wenn ähnlich viel Geld öffentlich investiert würde, könnten wir mindestens genauso viele Arbeitsplätze generieren, und wenn wir uns den Wagenkastenbau in Kassel anschauen, dort geht es um weniger als 100 Arbeitsplätze für Shanghai oder dann auch für das bayerische Projekt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das heißt, die industrie- und beschäftigungspolitischen Chancen eines Exports der deutschen Magnetschwebebahntechnik wurden und werden weit überschätzt bzw. bewusst überzeichnet.

(Henning Kaul (CSU): Jetzt verstehe ich auch, warum die Grünen nicht mehr gewählt werden!)

Von Innovation, Herr Kollege Kaul, kann keine Rede sein. Wie gesagt, die Patente sind aus dem vorletzten Jahrhundert, und es geht halt einfach nicht – höchstens, Herr Kollege Kaul, Sie sagen, das sei eine Finanzinnovation. Da sind Sie immer erfi nderisch.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist eine Finanzierungsinnovation, die Staatskassen werden geplündert, die Steuerzahler werden ausgepresst, damit Sie sich als Politiker ein Denkmal setzen können, damit die Spezlwirtschaft am Blühen gehalten wird. Darum geht es.

(Beifall bei den GRÜNEN – Henning Kaul (CSU): Jesus, Maria!)

In unseren Augen ist das Projekt verkehrspolitisch zweifelhaft, ökologisch bedenklich und fi nanzpolitisch unverantwortlich. Völlig inakzeptabel ist es für uns, wenn die Staatsregierung und die CSU mehrere 100 Millionen Euro aus den Nahverkehrstöpfen für den Transrapid abzweigen wollen. Ministerpräsident Stoiber und sein neuer Verkehrsminister Erwin Huber wollen Hunderttausende von Pendlern aus und in ganz Bayern weiterhin in Wind, Regen bzw. in überfüllten Zügen stehen lassen, nur um ihre Prestigebahn verwirklichen zu können. Schon allein deshalb, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es, alles daranzusetzen, dass der Transrapid in München nicht Wirklichkeit wird.