Protocol of the Session on February 16, 2006

(Beifall bei der CSU – Gudrun Peters (SPD): Der Antrag ist schon weg! Es gibt ihn gar nicht mehr!)

Weitere Wortmeldung: Frau Kollegin Lück.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin von der CSU, es ist natürlich schön, dass Sie den Handlungsbedarf in dieser Frage eingesehen haben. Allerdings ist auch klar, dass es ungerecht ist, das gleiche Geld mit der Gießkanne jetzt auf alle Orte zu verteilen. Deshalb fordern wir Sie auf, statt Lippenbekenntnisse abzugeben, tatsächlich zu handeln und unseren Zusatz mitzutragen, denn er ist absolut notwendig, da er die Sache klärt.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wie schon in der Aussprache erwähnt, ist vonseiten der CSU ein Änderungsantrag gestellt worden, der nicht die Zustimmung der Antragsteller fi ndet und sich insoweit erledigt hat.

Die SPD-Fraktion hat während der Aussprache einen eigenen Änderungsantrag gestellt, der den Text des Änderungsantrags der CSU übernimmt, allerdings mit der Maßgabe, dass in Absatz 2 folgender neuer Satz 2 einge

fügt wird: „Die dazu notwendigen Mittel müssen zusätzlich in den Finanzausgleich eingestellt werden.“

Ich gehe davon aus, dass nur noch über diese geänderte Fassung abgestimmt wird.

(Zustimmung)

Das ist der Fall. Dann lasse ich über diese Fassung in namentlicher Form abstimmen. Für die Stimmabgabe stehen die Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaales und am Stenographentisch bereit. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Es gibt dafür die üblichen fünf Minuten.

Meine Damen und Herren, ich darf noch bekannt geben, dass es nach der Abstimmung ohne Mittagspause weitergeht. Im Übrigen bittet der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, bekannt zu geben, dass sich der Ausschuss jetzt umgehend im Saal 2 trifft.

(Namentliche Abstimmung von 13.27 bis 13.32 Uhr)

Die fünf Minuten sind vorbei. Die Abstimmung ist geschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Mündliche Anfragen

Wir haben dazu 45 Minuten. Ich bitte zunächst Frau Staatsministerin Dr. Merk um die Beantwortung der ersten Frage. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Schindler.

Herr Präsident, Frau Staatsministerin! Da sich ein Mitglied der Staatsregierung dafür ausgesprochen hat, dass in Deutschland zu Freiheitsstrafen verurteilte Ausländer ihre Strafen in Vollzugsanstalten ihrer Heimatländer verbüßen sollen, frage ich die Staatsregierung, ob sie dieses Vorhaben für vereinbar mit der geltenden Rechtsordnung hält und ob sie ernsthaft erwägt, einen „Häftlingsexport“ zu ermöglichen?

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, Herr Abgeordneter Schindler, die Frage ist auslegungsfähig. Erlauben Sie mir deshalb zwei Antworten:

Erstens. Sollte die Thematik der Errichtung von Justizvollzugsanstalten im Ausland angesprochen sein, möchte ich folgendes dazu bemerken: In diesem Zusammenhang spielt die Resozialisierung eine besondere Rolle. Darauf werde ich am Schluss meiner Antwort explizit eingehen.

Um eine Justizvollzugsanstalt im Ausland zu errichten und betreiben zu können, brauchen wir zahlreiche Gesetzesänderungen und vor allen Dingen auch den Abschluss eines entsprechenden völkerrechtlichen Abkommens. Hierfür ist der Bund zuständig, und nicht die Länder. Auslöser der gesamten Diskussion war eine Initiative Österreichs, das ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen abschließen kann. Ziel war, für Straftäter aus Rumänien in deren Heimat ein Gefängnis zu bauen und zu fi nanzieren. Diese Idee ist zwischenzeitlich sowohl von Österreich als auch von Rumänien ad acta gelegt. Auch in meinem Hause hat man 1998 die Frage der Errichtung

von Haftanstalten im Ausland umfassend geprüft und verworfen.

Dies beruht auf folgenden Gründen: Wenn wir einen betriebswirtschaftlich sinnvollen Betrieb gewährleisten wollen, muss eine solche Justizvollzugsanstalt mindestens 250 Haftplätze habe. So viele Häftlinge aus Rumänien haben wir nicht. Allein die Gruppe der türkischen Häftlinge würde in einen solchen Größenwert fallen. Aufgrund der ohnehin bestehenden Überbelegung unserer bayerischen Haftanstalten könnten wir mit einem solchen Bau im Ausland auch keine Haftplätze in Bayern abbauen. Die Fixkosten – alle Personalkosten, Verwaltungsausgaben, Bau und Investitionen und ähnliches – blieben unverändert, so dass das Einsparpotential nur sehr gering wäre.

Das lässt sich mit einigen Zahlen anschaulich belegen: Für den Bau einer Anstalt im Ausland müsste – selbst wenn man von einem reduzierten Standard ausginge – mit etwa einem Drittel der Kosten gerechnet werden, die hier im Durchschnitt für den Neubau eines Haftplatzes anfallen. Bei einer Anstalt mit angenommen 250 Haftplätzen wären damit rund 12,5 Millionen Euro zu veranschlagen. Dem stünden Einsparungen bei den variablen Kosten – Verpfl egung oder medizinischer Versorgung der Gefangenen – von derzeit rund 4,50 Euro pro vermiedenen Hafttag gegenüber. Das bedeutet bei 250 Gefangenen pro Jahr Einsparungen von rund 411 000 Euro. Die neue Anstalt würde sich – wenn wir uns diese Rechnung betrachten – erst nach circa 30 Jahren amortisieren oder anders ausgedrückt: Wir würden die ausländische Anstalt 30 Jahre mit bayerischen Steuermitteln vorfi nanzieren, bevor erste Einsparungen in unserem Haushalt wirksam werden könnten. Ein solches Förderprogramm würde sicherlich die Begehrlichkeiten auch anderer ausländischer Staaten hervorrufen.

Auch bestehen erhebliche Unwägbarkeiten, zum Beispiel was politische Veränderungen im ausländischen Staat angeht, so dass dem eher geringen Einsparpotential nicht abschätzbare wirtschaftliche Risiken gegenüberstünden.

Um die wirtschaftlichen Risiken zu minimieren, könnten wir allenfalls daran denken, eine größere Haftanstalt im Ausland zu errichten und dort auch Gefangene aus Drittstaaten unterzubringen. Dafür wäre eine völkerrechtliche Vereinbarung mit dem Drittstaat Voraussetzung. Es erscheint kaum vorstellbar, dass ein solcher Drittstaat damit einverstanden wäre, die eigenen Staatsangehörigen in einem anderen Land, zum Beispiel der Türkei, die Haft verbüßen zu lassen.

Hinzu kommt, dass sich nach dem Überstellungsübereinkommen vom 21. März 1983 die Vollstreckung der Strafe dann nach ausländischem Recht richtet. Zwar ist das Strafmaß durch das deutsche Strafurteil vorbestimmt, aber die Strafaussetzungsregelungen würden sich nach dem Recht des ausländischen Staates richten. Beispielsweise ist aus der Türkei die sogenannte 42-%-Regelung bekannt, wonach Gefangene dann, wenn sie sich im Strafvollzug gut führen, regelmäßig nur diesen Prozentteil der festgesetzten Strafe zu verbüßen haben. Im Hinblick darauf, dass bis zur Überstellung des jeweiligen Gefangenen dieser eine gewisse Zeit im deutschen Strafvollzug verbracht hat, würde gegebenenfalls unter Anrechnung von Untersuchungshaft die Gefahr bestehen, dass überstellte Gefangene bereits kurz nach der Überstellung ins

Heimatland wieder auf freien Fuß gelangen würden. Das wäre mit unserem Strafverständnis nicht vereinbar und ich glaube auch nicht, dass wir das den Menschen vermitteln können.

Darüber hinaus kann wohl niemand garantieren, dass das im Ausland eingesetzte Personal im Vollzugsdienst in jedem Fall hinreichend geeignet und zuverlässig ist. Auch das muss man berücksichtigen.

Jetzt zum zweiten Teil meiner Antwort: Soweit es darum geht, ausländische Verurteilte zur weiteren Verbüßung einer Freiheitsstrafe in ihr jeweiliges Heimatland zu überstellen, will ich folgendes klarstellen: Hierfür ist das von mir bereits angesprochene Übereinkommen des Europarates über die Überstellung verurteilter Personen vom 21. März 1983 maßgebend. Dieses Abkommen ist am 1. Februar 1992 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Es fi ndet Anwendung zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates sowie weiteren Staaten, die dem Abkommen beigetreten sind. Die Voraussetzung für eine Überstellung eines ausländischen Verurteilten ist unter anderem, dass dieser seiner Überstellung in sein Heimatland zustimmt. Dieses Übereinkommen wird ergänzt durch das Zusatzprotokoll des Europarates vom 18. Dezember 1997. Nach diesem Zusatzprotokoll besteht die Möglichkeit, einen Verurteilten auch gegen seinen Willen zur weiteren Strafvollstreckung in sein Heimatland zu überstellen, wenn dieser nach Verbüßung der freiheitsentziehenden Sanktion ohnehin ausreisepfl ichtig wäre und das Hoheitsgebiet des Urteilsstaates verlassen müsste.

Dieses Zusatzprotokoll ist unter der alten Bundesregierung leider nicht in das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt worden. Im Rahmen des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 konnte jedoch eine Einigung dahingehend erzielt werden, dass die neue Bundesregierung eine Umsetzung des Zusatzprotokolls nunmehr in die Wege leiten wird.

Wir waren uns in den Koalitionsverhandlungen einig, dass eine Überstellung gegen den Willen des Gefangenen nur dann in Betracht kommt, wenn der Gefangene ohnehin ausreisepfl ichtig wäre und Deutschland verlassen müsste. Es bestand aber auch Einigkeit darüber, dass derjenige, der seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat und nicht ausreisepfl ichtig ist, nicht überstellt werden soll.

Hier kommt jetzt der Gedanke der Resozialisierung ins Spiel; denn damit wird dem Resozialisierungsgedanken Rechnung getragen. In den Fällen von ausreisepfl ichtigen Gefangenen ist es sinnvoll, diese bereits in ihrem Heimatland zu resozialisieren, in ihrem Kulturkreis und bei ihren Angehörigen bzw. ihnen nahe stehenden Personen. Dagegen macht es keinen Sinn, nicht ausreisepfl ichtige Ausländer in ihr Heimatland zu überstellen und sie anschließend wieder nach Deutschland einreisen zu lassen.

Sie werden sicherlich mit mir einer Meinung sein, wenn ich behaupte, dass eine gelungene Resozialisierung der beste Schutz unserer Bevölkerung vor weiteren Straftaten ist. Wir müssen darauf ein Auge haben.

Zusatzfrage: Herr Kollege Schindler.

Frau Staatsministerin, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Darf ich sie zusammenfassend so interpretieren, dass die Staatsregierung nicht beabsichtigt, über die Möglichkeiten, die das Überstellungsübereinkommen bisher gegeben hat und künftig geben wird, einen so genannten Häftlingsexport zu betreiben?

Bitte, Frau Staatsministerin.

Herr Kollege Schindler, ich kann Ihnen sagen, dass das Justizministerium – wie bereits vorhin dargelegt – umfassende Überprüfungen durchgeführt hat und keinen Ansatzpunkt sieht, über die jetzigen Regelungen bzw. die in Aussicht genommenen Regelungen hinauszugehen.

Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Schindler.

Frau Staatsministerin, gilt diese Aussage auch für den Fall, dass im Rahmen der Föderalismusreform die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder übertragen wird?

Diese Aussage ist aufgrund umfassender Prüfungen getroffen worden. Die Möglichkeit, dass die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug in die Länderobliegenheit gehen könnte, ändert an den Ergebnissen nichts. Ich habe in diesem Zusammenhang keinerlei Veranlassung, weiter zu gehen. Bezüglich der Übertragung der Zuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder habe ich bereits dargelegt, dass wir dem Grundsatz der Resozialisierung unser Augenmerk verstärkt zukommen lassen müssen. Ich bin der Überzeugung, jeder Täter, der resozialisiert wird und nicht mehr in den Strafvollzug zurückkehrt, weil er keine Straftat mehr begangen hat, ist das, was wir wollen. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zum Schutz der Bevölkerung und zur Sicherheit.

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Die nächsten Fragen richten sich an das Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Ich darf Herrn Staatssekretär Dr. Bernhard um die Beantwortung der Fragen bitten. Die erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Rütting.

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Staatsregierung die Aussagen und Hinweise von Angestellten verschiedener Schlachthöfe, dass seit dem im Zuge der BSE-Krise durch die Entscheidung 2000/418/ EG zum 1. Januar 2001 EU-weit erfolgten Verbot des Einsatzes des Rückenmarkzerstörers bei Schlachttieren die Betäubung nicht immer ausreichend ist, hat sie selbst von derartigen Hinweisen bzw. Beobachtungen Kenntnis und was kann ihrer Meinung nach getan werden, um sicherzustellen, dass die Betäubung entsprechend dem Tierschutzgesetz und der Tierschutz-Schlachtverordnung schnellstmöglich und ausreichend erfolgt?

Herr Präsident, Frau Kollegin Rütting! Beim Schlachten werden Rinder mit einem Bolzenschuss betäubt, der bei korrekter Anwendung zur sofortigen Bewusstseins- und Schmerzausschaltung führt. Vor dem Ansetzen des so genannten Entblutungsschnittes, der dann zum Tod des Tieres führt, wurden bis zum

1. Januar 2001 die motorischen Zentren im Rückenmark mit einem elastischen Stab zerstört. Seit dem Verbot von so genannten Rückenmarkzerstörern Anfang 2001 haben die Medien vereinzelt über Fehlbetäubungen in Schlachthöfen berichtet, die beispielsweise auf den falschen Ansatz des Bolzenschussapparates zurückzuführen sind und die nun nicht mehr durch den Rückenmarkzerstörer „kaschiert“ wurden.

In diesem Zusammenhang gingen beim damaligen Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz einige Schreiben von Bürgern ein. In den vergangenen zwei Jahren sind dem Ministerium dazu keine Hinweise mehr bekannt geworden. Personen, die berufl ich Wirbeltiere betäuben oder töten, müssen aufgrund tierschutzrechtlicher Vorschriften von den Behörden einen Sachkundenachweis erbringen. Die TierschutzSchlachtverordnung sieht außerdem eine Höchstdauer zwischen Betäubung und Entblutungsschnitt von 60 Sekunden bei Rindern vor. Damit ist sichergestellt, dass die Tiere noch im Stadium der Bewusstlosigkeit entblutet werden.

Das damalige Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz hat die Veterinärbehörden 2001 darüber hinaus ausdrücklich dazu angehalten, bei der tierschutzrechtlichen Überwachung von Schlachtstätten gezielt die korrekte Anwendung des Bolzenschusses zu kontrollieren.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Rütting.

Herr Präsident, Herr Staatsminister! Finden seitens der bayerischen Behörden regelmäßige Überprüfungen der Betäubungsgeräte an den Schlachthöfen statt und hat es dabei Beanstandungen gegeben?

Ich gehe davon aus, dass die Anweisung, die Bolzenschussgeräte zu kontrollieren, umgesetzt worden ist. Momentan kann ich Ihnen nicht sagen, ob es dabei eine Beanstandung gegeben hat. Darüber müsste ich Ihnen eine zusätzliche Auskunft zukommen lassen.

Danke, ich habe keine weitere Frage.

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Gote.