Protocol of the Session on February 16, 2006

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Volkmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich noch auf Herrn Kollegen Neumeyer eingehen. Sie haben die Karikaturen angesprochen und die Gewaltszenen nach deren Veröffentlichung. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist richtig. Für die Integration in Deutschland wäre es aber sehr hilfreich gewesen, wenn Sie das Verhalten der muslimischen Verbände nach diesen Gewaltausschreitungen angeführt hätten. Es wäre hilfreich gewesen, wenn Sie angeführt hätten, dass es bei uns sehr positive Beispiele von liberalen, aufgeschlossenen Muslimen gibt. Ich weiß, dass Sie den Imam von Penzberg, Benjamin Idriz, besucht haben, der in diesen Fragen geradezu ein Vorbild ist. Herr Idriz hätte eine Erwähnung in diesem Zusammenhang verdient, und das wäre der Integration förderlich gewesen.

Ich wollte drei Dinge ansprechen. Erstens wollte ich auf die Wortmeldung von Herrn Welnhofer eingehen, der wieder einmal etwas gemacht hat, was auch Herr Beckstein hier gemacht hat, und was wir jedes Mal zurückweisen müssen. Wir werden das auch jedes Mal wieder tun. Hören Sie nämlich bitte mit dem Versuch einer Legen

denbildung auf, wenn Sie so tun, als hätten Sie das Fördern und Fordern erfunden.

(Beifall bei der SPD)

Im Zuwanderungsgesetz stand das von vornherein drin. Sie aber haben beides jahrelang verhindert. Sie haben das Fördern und Fordern in der Integration aufgehalten, doch jetzt tun Sie so, als hätten Sie dies geboren.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Das ist unredlich, deshalb weise ich es noch einmal zurück. Wenn Sie es noch einmal so darstellen, weise ich das wieder zurück, solange, bis Sie mit dieser Geschichtsklitterung aufhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Zweite, zu dem ich etwas sagen wollte, geht ebenfalls in Richtung Geschichtsklitterung, und das hat sich der Herr Innenminister erlaubt. Herr Dr. Beckstein, Sie sagen, völlig zu Recht, dass Zwangsehen unerträglich sind. Darüber brauchen wir überhaupt nicht streiten. Wenn Sie sich hier aber so aufregen, dann möchte ich Sie bitten, zwei Dinge endlich einmal anzuerkennen. Erstens. Nach § 240 des Strafgesetzbuches war es schon immer strafbar, nur eben nicht „besonders“. Zweitens. Unter der rot-grünen Regierung wurde diese Strafbestimmung noch einmal deutlich verschärft, weil man gegen die Zwangsehen vorgehen wollte. Das ist bereits damals geschehen, also sagen Sie das bitte auch dazu.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Dritte, was ich in diesem Zusammenhang sagen möchte, und ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie das berücksichtigen würden, damit wir hinsichtlich der Diskussionskultur in diesem Hause endlich zu einem anderen Stil kommen: Glauben Sie eigentlich allen Ernstes, dass Sie uns Sozialdemokraten, die wir mehr als hundert Jahre für die Gleichberechtigung der Frau gekämpft haben, darüber belehren müssen, dass wir das abzulehnen haben?

(Staatsminister Dr. Günther Beckstein: Ja! – Gegenruf der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Das glauben Sie? – Unruhe bei der SPD)

Das ist unverschämt! Wenn Sie dazu Ja sagen, dann ist das unverschämt. Da hört es sich auf, Herr Dr. Beckstein. Wir haben eine Geschichte, über die es nichts zu diskutieren gibt. Ich wundere mich schon, wenn ich bei Konservativen bin. Bei der 140-Jahr-Feier meiner Partei im Landkreis Altötting kommt beispielsweise ein Historiker, ein Bürgermeister der CSU, und lobt die SPD über den grünen Klee, was sie in den letzten 140 Jahren alles getan hat. Es ist ja schön, wenn man für die Vergangenheit gelobt wird. Das baut schon ein bisschen auf. In zehn Jahren loben Sie uns dann wahrscheinlich dafür, was Gerhard Schröder und die rot-grüne Koalition gemacht haben. Das können wir durchaus noch erwarten. Keine Frage. Wenn Sie aber bei der Frage der Gleichberechtigung, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten maßgeblich erkämpft haben, uns sozusagen belehren

oder den Eindruck erwecken wollen, dass Sie uns das sagen müssten, dann ist das ein schlechter Stil.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Um der Integration in diesem Hause willen würde ich Sie wirklich bitten, das künftig zu unterlassen. Bleiben Sie wenigstens bei dem, was historisch wahr ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre ungewöhnliche Aufmerksamkeit.

Letzte Wortmeldung, die mir derzeit noch vorliegt: Herr Kollege Welnhofer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Volkmann, wenn Sie mich als Festredner zu Ihrer sozialdemokratischen 140-Jahrfeier eingeladen hätten, dann hätte auch ich Sie gelobt. Das gehört sich nämlich so bei derartigen Veranstaltungen.

(Unruhe und Heiterkeit bei der SPD – Dr. Linus Förster (SPD): Was soll das jetzt? – Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen bin ich allerdings nicht ans Rednerpult gegangen. Ich wollte vor allem etwas aufgreifen, was Kollege Schindler gesagt hat. Er hat erklärt, wir – wir Sozialdemokraten, hat er gemeint – haben keine Unterschriftenaktionen gegen Ausländer gemacht. Damit sagen Sie, dass die CSU Unterschriften gegen Ausländer gesammelt hat bzw. sammelt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt doch!)

Das ist, ich will nicht sagen, unverschämt, aber es ist ein unglaublicher Versuch, die CSU zu diskreditieren.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber das war doch so! Was soll das jetzt? – Unruhe bei der SPD)

Wir haben Unterschriften gesammelt, aber wir haben uns damit selbstverständlich nicht gegen Ausländer, sondern gegen eine völlig verfehlte Ausländerpolitik der rot-grünen Regierung gewandt, und das wird man noch dürfen.

(Zurufe von der SPD)

Die Bevölkerung hat uns bei dieser Unterschriftensammlung Recht gegeben. Diese Ausländerpolitik war verfehlt. Was Sie wollten, ist auch klar: Sie wollten die Einbürgerung zum Nulltarif. Aber das wollten wir nicht, und das wollen auch die Leute nicht. Sie wollten vielleicht sogar ein anderes Volk, aber auch das wollen wir nicht.

(Zurufe der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

Auch meine vorhin gemachte Aussage, Deutschland müsse Deutschland bleiben, ist von Ihnen falsch interpretiert worden; das kann man immer machen. Aber ich sage noch einmal: Jedes Volk hat ein Recht auf die Bewahrung seiner Identität – jedes, also auch das deutsche Volk. Dass diese Identität im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte Wandlungen unterliegt, ist klar. Aber, meine Damen und Herren, Sie hatten etwas ganz anderes vor: Sie haben die Bewahrung dieser Identität durch eine verfehlte Ausländerpolitik in Frage gestellt, und das lassen wir uns nicht gefallen.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das stimmt doch nicht! – Karin Radermacher (SPD): Einen solchen Schwachsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

Zur Integration in Bayern: Ich habe mich nicht darüber gewundert, dass Sie – wie gewohnt – die ausländerpolitischen Grundsätze unseres Innenministers angreifen. Ich fi nde es aber bemerkenswert, dass Sie seine Feststellungen zu den Integrationsleistungen in Bayern genauso angreifen. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass in Bayern die Integrationsleistungen besser sind als in den anderen bundesdeutschen Ländern.

Alles ist relativ. Wir können uns nicht an Idealvorstellungen orientieren, sondern wir haben uns an dem zu orientieren, was andere in etwa gleicher Ausgangslage und unter etwa gleichen Rahmenbedingungen zu leisten vermögen, und da schauen wir sehr gut aus. Auch das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Ich möchte nur am Rande erwähnen, dass – im Ländervergleich der Bundesrepublik Deutschland – Ausländer in Bayern am sichersten leben; denn hier ist die Gefahr von Übergriffen vergleichsweise am geringsten, das ist statistisch belegt.

Der Kompromiss, den wir beim Zuwanderungsgesetz gefunden haben, ist zu begrüßen, auch wenn wir nicht alles durchsetzen konnten. Aber mit einer Bayern-SPD wäre dies nicht gegangen, auch das darf ich feststellen. Darauf sind Sie auch noch stolz.

(Beifall bei der CSU – Rainer Volkmann (SPD): Heute war er wirklich schwach!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen und dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b zur gemeinsamen Beratung auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes (Drs. 15/4729) – Erste Lesung –

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes (Drs. 15/4735) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN wird von Frau Kollegin Tolle begründet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben zehn Minuten Redezeit.

Könnten Sie mir vielleicht die Redezeit anzeigen? – Denn dies ist für Rednerinnen und Redner wichtig, damit sie ihre Redezeit im Griff haben.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Herr Kollege Kreuzer, dazu brauche ich eine Anzeige.

(Thomas Kreuzer (CSU): Frau Kollegin, die Redezeit muss aber nicht ausgeschöpft werden!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, zunächst geht mein herzlicher Glückwunsch an die Frauen in der CSU; denn sie sind am Montag mit erheblicher zeitlicher Verzögerung in der Lebenswirklichkeit angekommen. Ob Sie Ihre verbalen Bekundungen ernst meinen, werden wir sehen, wenn es um die Abstimmung über das Thema „Frauen“ geht. Da kommt es nämlich zum Schwur – nicht in Pressekonferenzen.

Ich bin mit ihnen, also mit den Frauen in der CSU, insofern der gleichen Meinung, als sie fordern, die CSU müsse endlich in der Realität ankommen und ein modernes Frauenbild akzeptieren. Ich glaube jedoch, dass ihre Partei und ihre Fraktion in dieser Frage resistent sind und bleiben werden. Es ist wirklich bezeichnend, wie Sie mit den Frauen umgehen. Dass ab Februar 2006 die Gleichstellungsbeauftragte aus dem Organisationsplan der Staatsregierung verschwunden ist, fi nde ich interessant. Auch der Staat kann mithelfen, ein modernes Frauenbild voranzubringen, weil er Arbeitgeber ist und an seinen Arbeitsplätzen Bedingungen optimal gestalten kann. Zu diesem Zweck haben Sie vor zehn Jahren das Gleichstellungsgesetz verabschiedet, das im öffentlichen Dienst die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen sollte. Das Gesetz ist ein zahnloser Tiger geblieben, das hat der Dritte Bericht zum Gleichstellungsgesetz im Juni des vergangenen Jahres gezeigt.

Dieser Bericht zieht nach zehn Jahren folgendes Fazit: Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist nicht erreicht. Hierzu zwei Beispiele – Herr Präsident, ich habe noch immer keine Redezeitanzeige –: Leitungsfunktionen wurden 1997 zu 17 %, zum Zeitpunkt des Berichts zu 22 % von Frauen besetzt. Das bedeutet eine Zunahme von einem Prozent pro Jahr. Hochgerechnet hätten wir auf diesem Gebiet in 28 Jahren die Gleichstellung erreicht. Und damit bin ich nicht zufrieden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ebenso wenig bin ich damit zufrieden, dass die Ministerien ein schlechtes Vorbild abgeben; denn, Frau Stewens, drei Ministerinnen sind keine vorzeigbare Quote. Auch im höheren Dienst der Ministerien selbst lässt die Besetzung mit Frauen zu wünschen übrig: Das Wirtschaftsministerium beschäftigt 6 % der Frauen in Leitungsfunktionen; Minister Miller bringt es auf 7 %, Sie bringen es auf 31 % Frauen.