Protocol of the Session on February 16, 2006

Sie haben sich als das herausgestellt, was sie eigentlich sind: als ein Schein, der erweckt werden soll und mit der Realität nichts zu tun hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, von Integration versteht meine Partei, wie ich meine, durchaus mehr als Sie.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Ich darf daran erinnern, dass wir in der letzten Legislaturperiode ein umfangreiches Paket an Anträgen eingebracht haben, die Sie damals allesamt abgelehnt haben, die Sie jetzt aber zum Teil kopieren und als eigene Anträge einbringen. Ich darf daran erinnern, dass es die SPD war, die dafür gesorgt hat, dass im neuen Aufenthaltsrecht Integration als Ziel beschrieben worden ist, dass gesetzlich vorgegeben worden ist, ein Integrationsprogramm aufzulegen, was auch gemacht wird. Ich darf auch daran erinnern, dass es die SPD war, die dafür gesorgt hat, dass das frühere Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Wandel hin zum Bundesamt für Migration, Flüchtlinge und Integration gemacht hat. Wir verstehen von Integration mehr als Sie und haben deshalb keine Belehrungen von Ihnen nötig.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Als Nächster hat sich Kollege Neumeyer gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schindler, mir gefällt es im Bierzelt.

(Franz Schindler (SPD): Mir auch!)

So ist der beste Weg, um miteinander zu sprechen.

(Zurufe von der SPD)

Vor einem Jahr wurde im „Spiegel“ eine Muslima aus Berlin mit der Aussage zitiert: Wir brauchen keine Deutschen. Dieser Satz vermittelt uns zwei Erkenntnisse: Erstens. Die Dame ist nicht integriert. Zweitens. Die Dame will sich nicht integrieren lassen. Wer so spricht, lebt zwar in Deutschland, ist aber nicht dort angekommen. Das ist ein Leben nebeneinander, kein Leben miteinander, und ich hoffe, es ist kein Leben gegeneinander.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Defi nition von Integration heißt: Einbeziehen, Herstellen eines Ganzen, Zusammenschluss. Das ist nichts Negatives. Die Defi nition von Assimilation – manche sagen, das sei die Steigerung der Integration – heißt: Anpassung und Angleichung. Sie heißt aber nicht Gleichmacherei und auch

nicht Multi-Kulti. Multi-Kulti hat Seyran Ates, die Sozialdemokratin und Autorin des Buches „Große Reise ins Feuer“ als „organisierte Verantwortungslosigkeit“ beschrieben.

Das Problem der Integration ist kein typisch deutsches Problem, sondern ist ein Problem in allen Staaten Europas. In Frankreich brennen Autos, wie wir gehört haben. In Holland hat die Ermordung Theo van Goghs einiges gezeigt. Holland war bisher für die Integration Vorbild; wir haben immer gesagt, bei uns soll es auch so sein wie in Holland. Jetzt hat sich Holland in dieser Beziehung total gedreht. Dänemark ist ein Land, das uns zurzeit alle beschäftigt. Eine Karikatur verändert die Einstellung der Menschen von beiden Seiten zur Integration. Eine Karikatur verändert im Endeffekt sogar die Welt. Ayaan Hirsi Ali, Abgeordnete im holländischen Parlament – eine Muslima aus Somalia –, sagt Ja zu dieser Karikaturveröffentlichung. Sie sagt gleichzeitig, dass der Westen standhaft bleiben soll.

Ich sage Ihnen: Die EU muss solidarischer werden. Harald Schmidt, einer der Großen im Deutschen Fernsehen, kommentiert und persifl iert alles – bis auf den Islam. Auf die Frage der „taz“, warum er den Islam nicht persifl iere, sagte er: Man braucht die nötige Portion Feigheit. Ich ergänze: Feigheit, Mutlosigkeit und deren Steigerung, die Angst. Im Dezember 2004 hat die Landtagsfraktion der GRÜNEN ein Symposium veranstaltet unter dem Motto „Liberalitas Bavariae“. Ich wäre gerne hingegangen, weil dazu hervorragende Gäste eingeladen waren, zum Beispiel Bruno Jonas und Sir Peter Jonas. Ich zitiere aus dem Bericht über diese Veranstaltung in der „Welt am Sonntag“:

Den Islam oder islamische Inhalte kabarettistisch zu überhöhen, würde ich mich momentan nicht getrauen, sagte Bruno Jonas. Sir Peter Jonas wies darauf hin, dass aus demselben Grund kein Opernhaus der Welt die Mozart-Oper „Die Entführung aus dem Serail“ aufführen lässt.

Und heute? – Deswegen ist es umso wichtiger, über Integration ehrlich und offen zu sprechen und Meinungs- und Pressefreiheit ernst zu nehmen. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sollen nicht so weit gehen, wie es auf einem Plakat einer Demonstration in Deutschland, die Gott sei Dank vernünftig abgelaufen ist, hieß: „Pressefreiheit = Beleidigung“. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung sind höchste Güter unserer Verfassung. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung lassen sich nur mithilfe von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung verteidigen. Vom Zentral-Institut Islam-Archiv in Soest wurde im Mai 2005 eine Umfrage durchgeführt. Auf die Frage, ob der Koran mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sagten 41 % der Befragten im Mai 2005 Ja. Das ist eine einigermaßen gute Zahl. Ein Jahr zuvor aber, im Jahr 2004, sagten 67 % darauf Ja. Was hat sich in diesem Jahr und was in den letzten Jahren geändert? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen müssen wir offen und ehrlich reden.

Heute wurde immer wieder gesagt: Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg. Da gebe ich Ihnen Recht. In Frankreich sprechen fast alle der fünf Millionen Migranten Französisch. Zur gemeinsamen Sprache gehört aber auch, die Begriffe richtig zu defi nieren. Es genügt nicht, dieselbe Sprache zu sprechen; man muss auch die gleiche Defi ni

tion von Begriffen haben, zum Beispiel des Begriffs der Religionsfreiheit. Im Exposé der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt steht explizit, wie unterschiedlich die Auffassung über die Religionsfreiheit im Islam ist. Das zeigt, wie schwierig es ist, miteinander zu reden. Eine gemeinsame Gesprächsbasis für einen Dialog ist nicht mehr vorhanden. Integration bedarf der gleichen Begriffe, der Ausbildung und der richtigen Einstellung, also des Willens zur Integration. Wenn ein Migrant in Amerika die Freiheitsstatue sieht, wird er sofort zum Amerikaner. Und bei uns? -Integration bedarf auch der Verantwortung der muslimischen Verbände und aller Verbände, bedarf des Mitmachens von uns allen. Wir haben im Landkreis Kelheim einen Integrationsarbeitskreis eingerichtet. Ich bin der Vorsitzende. Wir machen zum Beispiel Schulungen und Ausbildung. Wir werden sogar vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert, tun also unseren Teil.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Integration kann nicht verordnet werden. Integration bedarf der Zeit, bedarf der Menschen und unserer Mitwirkung.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Kollege Dr. Dürr das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss vielleicht darauf hinweisen, dass wir über die Probleme in Bayern reden. Wir haben einen demokratischen Staat, und wir wollen einen demokratischen Staat, und das will auch die große Mehrheit der Bevölkerung.

(Zuruf des Abgeordneten Bernd Sibler (CSU))

Das wollen auch die Zuwanderer und die Muslime. Was Sie gerade getan haben, ist ein Beispiel für Demagogie.

Sie unterstellen, dass dem nicht so sei. Sie stellen Muslime, den Islam, jedes Mal in die undemokratische Ecke.

(Unruhe bei der CSU)

Sie haben doch gerade gefragt: Ist der Islam mit dem Grundgesetz vereinbar? – Da muss ich Sie schon einmal fragen, Herr Kollege, ob das Alte Testament mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es kommt doch auf die Interpretation an, das wissen wir doch alle. Es gibt alle möglichen Formen der Interpretation des Islam, es gibt auch demokratische Interpretationen.

(Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Hören Sie eigentlich nie zu?)

Wenn Sie das bestreiten, dann hetzen Sie, und genau das tun Sie im Moment.

(Zuruf von der CSU: Nein! – Unruhe bei der CSU)

Wir haben keine französischen Zustände, auch wenn sie immer wieder bemüht werden. Wir hätten diese Zustände aber schon lange, wenn es nur nach der Staatsregierung gegangen wäre, wenn wir keine Kommunen hätten und keine Initiativen, die sich ständig für Integration eingesetzt

haben in all den Jahren, in denen Sie überhaupt nichts getan haben.

Was Sie heute ausgeführt haben, Herr Staatsminister, und wofür Sie sich haben feiern lassen, das ist bisher doch nur beschlossen; nichts davon wurde bereits umgesetzt. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann hätten wir doch genau die gleichen Viertel wie in Frankreich. Wir haben sie nicht, weil die Kommunen und die Initiativen so etwas nicht zugelassen haben. Deshalb ist es bei uns anders. Sie aber haben nichts anderes zu tun, als das bürgerschaftliche Engagement weiter zu behindern. Sie streichen beständig die dafür vorhandenen Mittel zusammen. Ohne bürgerschaftliches Engagement gibt es aber keinen demokratischen Staat, und es gibt auch keinen starken Staat. Wenn Sie das Netzwerk mit den Haushaltskürzungen kaputt gemacht haben, dann wird es Ihnen, dann wird es uns allen, auf die Füße fallen.

Auch Pisa wurde als Stichwort genannt. Die Pisa-Studie hat zwei Dinge klar gemacht: Die bayerischen Kinder wissen mehr als Kinder in anderen Bundesländern. Die bayerischen Kinder haben aber nichts davon, weil sie viel niedrigere Abschlüsse haben.

(Christine Kamm (GRÜNE): Genau so ist es!)

Die bayerischen Kinder können also mehr, können aber damit viel weniger anfangen als andere Kinder. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kinder bekommen ihre Leistungen in Bayern nicht belohnt, sondern sie werden bestraft, denn von den Abschlüssen hängt im Beruf alles ab. Das ist ein Systemfehler, das ist wie im Mittelalter: Wer hat, dem wird in Bayern gegeben. So läuft das in Bayern. Armut und Reichtum werden genauso vererbt wie Chancen und Pech. Davon sind die Kinder von Eingewanderten besonders betroffen.

Die Pisa-Studie hat auch gezeigt, dass Integrationsprobleme soziale Probleme sind. Darauf hat schon Herr Kollege Schindler hingewiesen. Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern haben kein Problem, auch wenn sie Kinder von Eingewanderten sind. Sie haben dann Probleme, wenn die Eltern sozial schwach sind. Besondere Schwierigkeiten aber haben, darauf habe ich vorhin schon hingewiesen, erstaunlicherweise Kinder von Eingewanderten, die hier geboren und aufgewachsen sind. Es hat sich herausgestellt, wenn die Kinder später zu uns kommen – was Sie doch immer wollen, wenn Sie den Familiennachzug verhindern –, dann ist das für die Kinder gut. In den Ländern, aus denen sie kommen, bekommen sie nämlich eine bessere Bildung als hier. Diese Kinder sind besser gebildet als die Kinder, die hier bei uns aufwachsen.

(Zurufe von der CSU)

Doch, so ist es. Schauen Sie doch in der Pisa-Studie nach. Unser Bildungssystem ist für diese Kinder schlechter als das türkische Bildungssystem.

(Lachen bei der CSU)

Doch, so ist es. Das können Sie aus der Pisa-Studie herauslesen. Sie müssen diese Zahlen zur Kenntnis nehmen. Das ist ganz einfach so.

(Unruhe bei der CSU)

Eine Frage an Sie, Herr Minister: Wer zahlt das eigentlich? Haben Sie mit den Kommunen darüber gesprochen, was man für die Einbürgerung zahlen muss? – Die Kosten stehen per Gesetz fest, das heißt, die Kommunen bekommen mehr Arbeit, aber sie bekommen nicht mehr Geld dafür. Haben Sie, Herr Minister, mit den Kommunen schon darüber geredet, wer das bezahlt? Wer zahlt den ganzen Aufwand? – Sie haben in Bayern eine Sonderregelung eingeführt. Sie reden immer von bundeseinheitlichen Regelungen, aber Sie müssen immer eine Extrawurst braten, offensichtlich ohne darüber mit den Kommunen zu reden.

Barbara John, die langjährige Ausländerbeauftragte in Berlin, sagt zu Ihrer Politik:

Es vergiftet das Klima, von Zuwanderern immer nur als von einem Dauerproblem zu reden. – Leider gibt es Ehrenmorde und den Rückzug in die eigene Gemeinschaft. Das ist aber kein breiter Trend, der von einer Mehrheit getragen wird, im Gegenteil. Was wir jetzt, wie schon bei den Unruhen in Frankreich, erleben, das ist doch, dass die Migranten Ja sagen zu der Gesellschaft, in der sie leben.

Nun wäre es wichtig, dass auch Sie Ja zu den Migranten sagen, die in dieser Gesellschaft leben. Dann hätten wir nämlich sozialen Frieden, dann hätten wir Aussichten, eine erfolgreiche Integration zu bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)