Protocol of the Session on February 1, 2006

Nun gut. – Wenn ich sehe, dass alle unionsgeführten Länder, also auch Bayern, im Bundesrat gegen die umfassende Einführung des Herkunftslandprinzips gestimmt haben, dann bin ich wieder besserer Hoffnung, dass sich auch Ihr Parteikollege Michael Glos im EU-Ministerrat darauf besinnen wird, dort die Interessen der Bundesregierung zu vertreten und nicht die seines Staatssekretärs; denn diese Interessen sind im Koalitionsvertrag von CDU und SPD deutlich formuliert.

Es bleibt die Hoffnung, dass Ihre Parteifreunde im Europäischen Parlament diesmal im Sinne der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Handwerksbetriebe, der mittelständischen Industrie und nicht zuletzt der Städte und Gemeinden in Bayern handeln und dem Antrag des Herrn Wuermeling eine Absage erteilen.

Wie ich zu Beginn meines Redebeitrags erwähnt habe, ist die öffentliche Zustimmung zur EU in der Bundesrepublik Deutschland momentan auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Die Ängste der Menschen, die hinter dieser Euroskepsis stecken, dürfen nicht zur Realität werden, und deshalb lassen Sie mich noch kurz aus dem „Handelsblatt“ zitieren. Dieses Blatt steht nicht gerade im Verdacht, ein linkes Blatt zu sein.

Die Befürworter einer weitgehenden Liberalisierung haben sich viel zu wenig Gedanken über die Wirkung einer so weit reichenden Richtlinie gemacht. Um die Zustimmung der EU-Bürger zu bekommen, genügt es eben nicht, allgemeine Heilsversprechen marktwirtschaftlicher Lehren mantrahaft zu wiederholen.

Ein ähnliches Vorgehen hat schon bei der Osterweiterung Enttäuschung hinterlassen. Deshalb sollten alle, die hinter dem Europagedanken stehen und die europäische Einigung vorantreiben wollen, dabei mithelfen, den Menschen zu verdeutlichen, dass Europa auch eine soziale Dimension hat. Die Zustimmung der Menschen auf unserem Kontinent zur EU kann nur gesichert und gestärkt werden, wenn der Einzelne erkennt, dass ein europäisches Sozialmodell von den gewählten Volksvertretern realisiert werden soll. Eine Dienstleistungsrichtlinie á la Bolkestein wird die Euroskepsis weiter steigern und in echte Aufl ehnung umschlagen lassen.

Jahre der neoliberalen Deregulierung und der Forcierung des ungezügelten Wettbewerbs haben Europa nicht zuletzt im Verfassungsprozess in die momentane Krise getrieben. Jetzt sollten wir alle beweisen, dass wir daraus zum Wohle aller Menschen in Europa gelernt haben.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich haben wir eine radikalere Position zur Dienstleistungsrichtlinie und haben dies auch schon vor circa zwei Jahren in einem entsprechenden Antrag dokumentiert. Wir müssen uns allerdings nach der Decke strecken, das heißt, wir müssen auf die aktuellen Entwicklungen eingehen und darauf reagieren. Radikal bedeutet, dass wir Zweifel haben, ob der horizontale Ansatz, dieser fast alles schlagende Ansatz, sage ich jetzt einmal, sinnvoll und zielführend ist. Es gelingt ja nicht einmal bei den sektoralen Richtlinien eine hinreichende Umsetzung. Da frage ich mich, wie eine Umsetzung mit einer Richtlinie passieren kann, die fast alle Dienstleistungsgegenstände aufgreifen soll.

Wir haben auch Zweifel, ob ein solcher Ansatz mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vereinbar ist. Auch dieses haben wir in diesem Hause schon debattiert.

Auf den Entwurf der Kommission wurde jetzt seitens der Parlamentarier mit etwa 1000 Änderungsanträgen reagiert. In unseren Augen wäre eine Neuaufl age des Werkes sinnvoller als die jetzige Flickschusterei gewesen, die zurzeit gegeben ist. Ich bezeichne das insofern als Flickschusterei, als immer neue Ausnahmen eingezogen werden bzw. weitere Forderungen nach immer neuen Ausnahmen auftauchen, als da sind Ausnahmen zum Anwendungsbereich generell, Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip für vorübergehend grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen, Ausnahmen gegliedert nach Wirtschaftsbereichen, Ausnahmen für bestimmte Regelungsfelder usw. Auf diese Art und Weise wird nur Flickwerk entstehen. Es wird zu einer Rechtszerklüftung kommen, die uns wenig weiterbringt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fakt ist allerdings auch, dass es jetzt konkret mit den Beratungen und Lesungen des Richtlinienentwurfs in der

Form weitergeht, wie er zuletzt aus dem Binnenmarktausschuss herausgekommen ist. Man darf bereits an dieser Stelle konstatieren, dass es mittlerweile eine Reihe von Verbesserungen gegenüber dem Entwurf der Kommission gibt. Ein Beispiel, das wir immer eingefordert haben, ist Folgendes: Jetzt sollen die inländischen Behörden das Recht haben, die Standards zu kontrollieren. In unseren Augen muss allerdings noch ganz vieles nachgebessert werden. Ich bleibe da bei dem gleichen Beispiel der Kontrolle, die nicht wie ursprünglich vorgesehen durch die Behörden im Sitzland des vorübergehend eine Dienstleistung Erbringenden, sondern durch die inländischen Behörden des Landes erfolgt, wo die Dienstleistung erbracht wird. Aber es ist halt trotzdem schwierig; denn die inländischen Behörden werden sich schwer tun, Standards auf der Basis der Rechtslage von 25 verschiedenen Ländern zu kontrollieren.

Wir setzen mit unserem heutigen Antrag ebenso wie die Kollegen von der SPD an dem Vorschlag an, den die Berichterstatterin Evelyn Gebhardt gemacht hat. Wir sagen: Die Beschäftigungschancen eines einheitlichen Binnenmarktes für Dienstleistungen sollen genutzt werden, ohne nationale Standards zu gefährden. Deshalb solle das Herkunftslandprinzip für vorübergehend grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen nur für den Marktzugang zur Anwendung kommen.

Als zentrales Prinzip sollten für den Zugang die Regeln des Herkunftslandsprinzips und für die Ausübung die Regeln des Ziellandes gelten. In unseren Augen darf die Dienstleistungsrichtlinie nicht dem Ziel einer Angleichung von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards auf hohem Niveau zuwiderlaufen. Die Regelungen sollten derart ausgestaltet werden, dass kein Wettlauf zwischen den Mitgliedstaaten nach unten eintreten kann. Ganz wichtig – das waren schon immer unsere Forderungen; der Kollege Linus Förster hat es auch vorgetragen – ist, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie strikt auf kommerzielle Dienstleistungen beschränkt wird, das heißt: Neben den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse – diese sind nach derzeitigem Stand ausgenommen – sollten in unseren Augen auch die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden. Die Mitgliedstaaten müssen die Möglichkeit behalten, Leistungen der Daseinsvorsorge in eigener Verantwortung regeln zu können und beispielsweise auch Ausgleichszahlungen für die Übernahme von Gemeinwohlverpfl ichtungen leisten dürfen.

Wichtig ist uns auch, dass sensible Bereiche wie Sozial-, Pfl ege- und Gesundheitsdienstleistungen vom Anwendungsbereich gänzlich ausgeschlossen werden, solange nicht klar gestellt ist, dass die Mitgliedstaaten weiterhin für die Organisation und Finanzierung ihrer Systeme, der Gesundheits- und Pfl egeleistungen sowie der sozialen Sicherungssysteme verantwortlich sind und solange nicht sichergestellt ist, dass national geltende Qualitäts- und Sicherheitsstandards durch das Herkunftslandsprinzip nicht tangiert werden.

Weitere Themenfelder umfassen die Bildungsdienstleistungen in ganz oder überwiegend öffentlich fi nanzierten Tätigkeitsfeldern, also beispielsweise Schule oder Hochschule. Wir meinen, diese sind eine zentrale staatliche

Aufgabe und gehören nicht in den Anwendungsbereich der EU-Dienstleistungrichtlinie. Gleiches gilt für die audiovisuellen und kulturellen Dienstleistungen, also beispielsweise auch Fernsehen und Hörfunk: Diese sollten grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie aufgenommen werden.

Wir haben in unserem Antrag einen Katalog an Themenfeldern aufgelistet, die wir zumindest vom Herkunftslandsprinzip ausgenommen wissen wollen. Ich zähle nur einige wenige auf: Es sind die Abwasserentsorgung, die Verbringung von Abfällen, die Regelung der Einhaltung und Überwachung festgelegter Grenzwerte nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und vieles andere mehr. Ein weiterer wichtiger Punkt – ich werde nicht den ganzen Katalog unseres Antrags aufzählen; wir haben auch im Ausschuss bereits mehrere Diskussionen geführt – ist, dass die Dienstleistungsrichtlinie weder Entgelte, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz des Ziellandes einschließlich der nationalen Tarifvereinbarungen noch die Anwendung der Entsenderichtlinie beeinträchtigen darf.

Wir hatten eine schöne Diskussion darüber, in der man immer von der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts sprach. Die Entsenderichtlinie und in Deutschland die Umsetzung durch das Entsendegesetz gingen in jedem Fall vor. Nun musste beim ursprünglichen Diskussionsstand immer kritisch angemerkt werden: Was hilft uns denn ein Entsendegesetz, wenn überhaupt keine Dokumentation in deutscher Sprache kontrolliert werden darf, oder wenn eine deutsche Behörde von Haus aus nicht kontrollieren darf? Es geht langsam in die richtige Richtung. Es ist aber in unseren Augen immer noch nicht so, wie es sein sollte.

Ein wichtiger Punkt ist das Arbeitnehmerentsendegesetz. Es gibt unterschiedliche Bestrebungen im Bund, dieses weiter greifen zu lassen, das heißt für mehr Branchen, als es bisher gilt. Hierbei muss in unseren Augen sichergestellt sein, solange dies noch nicht für mehrere Branchen gilt, dass bei grenzüberschreitender Leiharbeit diejenigen Bestimmungen Anwendung fi nden, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Ziellandes gelten.

Wir werden den Antrag der SPD-Fraktion, der im Grunde genommen in die gleiche Richtung geht, unterstützen. Der Kollege Linus Förster hat gesagt, es wäre wünschenswert gewesen, das Herkunftslandsprinzip generell zu kappen, wie man es beispielsweise, Herr Kollege Bocklet, nach den Beratungen bei der Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifi kationen getan hat. Auch dort war ewig lange das Herkunftslandsprinzip enthalten und dann ist es doch herausgenommen worden. Wichtig ist uns – wie gesagt: wir sind ja Realpolitiker und wollen in die Diskussion nach dem Stand des Ergebnisses des Binnenmarktausschusses einsteigen –, noch für die eine oder andere Verbesserung zu sorgen, das heißt, noch mehrere Themenfelder generell aus dem Anwendungsbereich zu nehmen und andere Sachverhalte aus der Regelung des Herkunftslandsprinzips im Fall von vorübergehenden grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistungen herauszunehmen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Bocklet.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bayerische Landtag hat bereits am 29. November des letzten Jahres einen ausführlichen Beschluss zur EU-Dienstleistungsrichtlinie gefasst und damit seine Position festgelegt. Der heutige Dringlichkeitsantrag der SPD und der angehängte Antrag der GRÜNEN widersprechen diesem Beschluss in einigen Teilen und sie sind zudem durch eine neue Sachlage nicht gerechtfertigt.

Vielmehr dient offensichtlich der Antrag der SPD – wohl auch der der GRÜNEN – im Vorfeld der für morgen vorgesehenen Befassung des Koalitionsausschusses mit diesem Thema der Unterstützung der SPD-Linie: Das heißt, die SPD-Fraktion und mit ihnen im Bund die GRÜNEN instrumentalisieren den Bayerischen Landtag, um für ihre Position in den morgigen Koalitionsverhandlungen im Koalitionsausschuss noch eine Unterstützung reklamieren zu können, und zwar auf der Grundlage des Präsidiumsbeschlusses der SPD vom 23. Januar dieses Jahres.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Gut recherchiert!)

Dies ist der wahre Grund für die Dringlichkeit – also weder eine Behandlung in Brüssel noch sonst irgendwo, sondern es ist das parteiliche Interesse der SPD, ihre Position in dem Koalitionsausschuss in Berlin zu verbessern. Das führt dazu, dass sich der Landtag heute wieder mit dieser Frage befassen muss, obwohl er es Ende November des letzten Jahres bereits ausführlich getan hat.

Den Namen Wuermeling bringen Sie ins Spiel, um Nebelkerzen zu werfen, damit ihr schändliches Spiel der Instrumentalisierung des Bayerischen Landtags nicht allzu offenkundig wird.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner Muggen- dorfer (SPD): So nebelig ist Herr Wuermeling nicht!)

In einer Reihe von Punkten übrigens enthält der jetzt vorliegende Antrag der SPD auch Widersprüche zu dem, was Sie, Herr Kollege Förster, im letzten Jahr dem Ausschuss vorgelegt haben. Also vielleicht gleichen Sie das eine mit dem anderen noch ab. Sie waren ja wohl der Urheber der beiden Anträge. Das nur als privater Hinweis.

Die CSU-Fraktion kann mit zahlreichen Forderungen der Dringlichkeitsanträge – sowohl der GRÜNEN als auch der SPD – einverstanden sein. Darüber hinaus laufen jedoch zahlreiche andere Forderungen ins Leere, da sie im Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie bzw. in den laufenden Verhandlungen im EU-Ministerrat und im Europäischen Parlament – ich erinnere an das Votum des Binnenmarktausschusses vom 22. November des letzten Jahres – bereits berücksichtigt worden sind. Der Dringlichkeitsantrag verfolgt damit die bekannte SPD-Linie – Sie haben es noch einmal eindrucksvoll dargestellt, Herr Förster – mit Forderungen, die an dem Inhalt der Dienstleistungsricht

linie vorbeigehen – denn ein Teil von dem, was in Ihrem Antrag und dem der SPD enthalten ist, hat mit der Dienstleistungsrichtlinie überhaupt nichts zu tun –, in populistischer Weise und auf Kosten der Europäischen Union und ihres Ansehens unberechtigte Ängste zu schüren.

Jede Unterstützung der Richtlinie – und zwar des generellen Anliegens der Richtlinie, nicht aller Einzelheiten – bedeutet sofort zugleich eine Gegnerschaft zum europäischen Sozialmodell, wie Sie es gerade wieder dargestellt haben. Gleichzeitig – das ist das Verwerfl iche daran – bleiben die Vorteile der Richtlinie gerade für Deutschland unerwähnt, und die Dienstleistungsfreiheit als eine der Grundlagen des EG-Vertrages wird insgesamt infrage gestellt. Somit wird eine konstruktive, die deutschen Interessen wahrende Mitarbeit an der Gestaltung der Richtlinie erschwert.

Diese Linie wurde durch einen SPD-Präsidiumsbeschluss – ich habe ihn bereits erwähnt – noch einmal bestätigt. Ich darf Sie, Herr Förster, darauf hinweisen, dass der Fraktionsvorsitzende der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz, ein SPD-Mitglied, den Versuch gemacht hat, seine Partei in Deutschland ein bisschen näher an die Realität der Dienstleistungsrichtlinie heranzurücken. Er hat eine wesentlich konstruktivere Haltung, etwa in der Nähe des Kollegen Wuermeling, an den Tag gelegt. Allerdings ist er mit dieser Haltung im SPDPräsidium gescheitert. Auch dies sollte man zur Kenntnis nehmen.

Laut Präsidiumsbeschluss unterstützt die SPD die geplanten Demonstrationen des Deutschen und des Europäischen Gewerkschaftsbundes gegen die Dienstleistungsrichtlinie in Berlin und in Straßburg anlässlich der Plenartagung des Europäischen Parlaments.

Wissen Sie, was für eine Linie die SPD fährt? Verbal ist man für das Herkunftslandsprinzip, aber dann führt man so viele Punkte dagegen auf, dass am Ende nichts mehr davon übrig bleibt. Das ist eine populistische Linie, die genau das beschädigt, von dem Sie immer behaupten, dass Sie dafür eintreten wollten, nämlich eine vernünftige europäische Regelung.

Jetzt zu den einzelnen Punkten.

Stichwort „Lohndumping“, erster Spiegelstrich in Ihrem Antrag: Die geltende EU-Arbeitnehmerentsenderichtlinie wird von der Dienstleistungsrichtlinie nicht berührt. Warum schreiben Sie das in Ihren Antrag, wenn das überhaupt nichts damit zu tun hat? Die Arbeitnehmerentsenderichtlinie schreibt die Geltung gesetzlicher oder in für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen festgelegter Mindestlöhne auch für zur Dienstleistungserbringung entsandte ausländische Arbeitnehmer vor. Von einer generellen Einführung von Mindestlöhnen hat Deutschland aus wohl überlegten volkswirtschaftlichen Gründen Abstand genommen. Dies ist auch – nur zur Erinnerung – Inhalt des Koalitionsvertrages. Der weitgehende Verzicht auf Mindestlöhne ist jedoch eine rein nationale Entscheidung und hat mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie nichts zu tun.

Stichwort „Abschwächung der Umweltstandards und des Verbraucherschutzes“: Für lokale Umweltvorschriften, Herr Kollege Förster, zum Beispiel zum Lärmschutz und zur Verbringung von Abfällen, sollten bereits nach dem Kommissionsvorschlag weiterhin nationale Regeln gelten. Im Übrigen gelten sowohl im Umwelt- als auch im Verbraucherschutzrecht zahlreiche EU-weit harmonisierte Mindeststandards, sodass das Herkunftslandsprinzip allein schon deshalb zu keinem Dumping führen wird. Warum reden Sie dann davon, dass es hier kein Dumping geben darf?

Stichwort „Aushöhlung des nationalen Arbeitsrechts“: Auch hier schreibt die Arbeitnehmerentsenderichtlinie vor, dass auch für aus anderen Mitgliedstaaten entsandte Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen im Land der Dienstleistungserbringung gelten. Dies umfasst Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, den Schutz von Schwangeren, Kindern und Jugendlichen und die Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Die Arbeitnehmerentsenderichtlinie wird von der Dienstleistungsrichtlinie diesbezüglich – ich betone das nochmals – nicht berührt. Warum schreiben Sie das dann hier unter der Überschrift „EU-Dienstleistungsrichtlinie“ hinein?

Ein weiterer Punkt – über ihn besteht übrigens kein Dissens – ist die Minderung von Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen. Lesen Sie doch den Antrag, den der Bayerische Landtag am 29. November des letzten Jahres beschlossen hat. Das war der Antrag des federführenden Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, der wiederum auf einem CSU-Antrag beruhte. Dort steht das schon alles drin. Warum reklamieren Sie jetzt den Landtag nochmals für etwas, was hier längst beschlossen worden ist?

Stichpunkt „Entrechtung von Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern“: Auch für diese Arbeitnehmer gelten nach der Arbeitnehmerentsenderichtlinie ausdrücklich die nationalen Bestimmungen im Land der Dienstleistungserbringung.

Stichwort „Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge“ – auch der Kollege Runge hat davon gesprochen –: Bereits der Kommissionsvorschlag der Dienstleistungsrichtlinie enthielt keine Verpfl ichtung, die Daseinsvorsorge in diesem Bereich zu liberalisieren. Es steht den Mitgliedstaaten vielmehr frei, selbst zu entscheiden, welche Dienstleistungen sie zur Daseinsvorsorge zählen. Die Dienstleistungsrichtlinie gilt lediglich für solche Dienstleistungen, die bereits für den Markt geöffnet sind. Sowohl der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments als auch der EU-Ministerrat fordern, diesen Sachverhalt in der Richtlinie ausdrücklich klarzustellen.

Ein weiterer Punkt: Der Dringlichkeitsantrag folgt dem SPD-Präsidiumsbeschluss vom 23. Januar 2006 insofern nicht, als das Herkunftslandsprinzip nicht grundsätzlich abgelehnt wird. Dort ist es nämlich grundsätzlich abgelehnt worden und deswegen wollen Sie wieder dorthin zurück.

Herr Kollege Bocklet, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schieder?

Ich wollte bloß diesen Gedankengang noch zu Ende führen. Wenn der Kollege Schieder so lange warten möchte, trage ich das noch vor. Ich bin gleich so weit.

Vielmehr soll es auf den freien Marktzugang von Dienstleistern beschränkt werden, während die Ausübung der Dienstleistung weiterhin den nationalen Bestimmungen unterworfen sein soll. Das steht auch im Antrag der GRÜNEN. Nun dazu: Diese bereits mehrfach vorgeschlagene, auf den ersten Blick plausible Unterscheidung ist jedoch in der Praxis wenig zielführend, da sie eine Aufl istung von Vorschriften hinsichtlich des Marktzugangs einerseits und der Ausübung andererseits erfordert. Da in der Praxis Zugangsvorschriften jedoch häufi g auch als Ausübungsvorschriften formuliert werden können, bestünde die Gefahr des Missbrauchs. Der vom Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments und von der CSU-Landtagsfraktion favorisierte Ansatz ist es, den Mitgliedstaaten die Ausnahme aller Standards für die Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des Herkunftslandsprinzips generell zu ermöglichen. Dieser Ansatz führt zu mehr Rechtssicherheit und einem höheren Schutzniveau. Er hat zudem den Vorteil, der EuGH-Rechtsprechung zu entsprechen, und er steht auch in dem Beschluss des Bayerischen Landtags vom 29. November des letzten Jahres.

Bitte schön.

Herr Kollege Schieder.